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BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 9.6.2005 - 3 StR 269/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 269/04
vom
9.06.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12.05.2005 in der Sitzung am 9.06.2005, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte - in der Verhandlung vom 12.05.2005 -,
Justizamtsinspektor - in der Sitzung vom 9.06.2005 -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

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Die Revisionen des Generalbundesanwalts sowie der
Nebenkläger C. , Ca. , D. , F. , G.
, He. , H. , L. , P. , R. , S. und
Y. gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts
Hamburg vom 5. Februar 2004 werden
verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels des Generalbundesanwalts
sowie die dem Angeklagten im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse
zur Last. Die revisionsführenden Nebenkläger
haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Der Generalbundesanwalt hat dem Angeklagten mit der vom Oberlandesgericht
unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage mitgliedschaftliche
Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit
Beihilfe zum Mord an mindestens 3.066 Menschen zur Last gelegt. Dem lag im
einzelnen der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe sich im Frühsommer
1999 in Hamburg mit den bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in den
Vereinigten Staaten von Amerika ums Leben gekommenen Mohammed Atta,
Marwan Alshehhi und Ziad Jarrah sowie den anderweitig verfolgten Bi.
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, B. , E. und M. zusammengeschlossen,
um den von ihnen propagierten "Heiligen Krieg (Dschihad)"
der Muslime durch die Begehung von Terrorakten in Ländern des westlichen
Kulturkreises, insbesondere in den USA, umzusetzen. Sie hätten den konkreten
Entschluß gefaßt, den USA durch Anschläge mittels entführter Flugzeuge
einen schweren Schlag zu versetzen und Tausende von Menschen zu töten. In
Kenntnis und zur Unterstützung dieser Pläne habe der Angeklagte den späteren
Attentätern Atta und Alshehhi absprachegemäß erlaubt, seine Adresse in
Hamburg Dritten gegenüber zu verwenden. Außerdem habe er die finanziellen
Angelegenheiten E. s geregelt, als dieser sich von Anfang 2000 bis Mitte
August 2000 für die terroristische Vereinigung in Afghanistan aufgehalten habe.
Er habe E. schließlich auch Geld zur Verfügung gestellt, das dieser
für seine im Zusammenhang mit den Anschlägen geplante Reise in die USA
benötigt habe. Letztlich habe der Angeklagte den konspirativen Aufenthalt Alshehhis
und Bi. s bis zu deren geplanter Abreise in die USA mitorganisiert,
indem er ihnen ein Zimmer in einem Studentenwohnheim für die zeitweilige
Unterkunft vermittelt habe.
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten von diesem Vorwurf aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat sich zunächst nicht davon zu
überzeugen vermocht, daß der Angeklagte und die genannten weiteren Personen
bereits im Jahre 1999 in Hamburg Anschläge der am 11. September 2001
ausgeführten Art selbständig planten oder hierfür schon zu diesem Zeitpunkt
von der Organisation Al Qaida angeworben worden waren. Auch das Bestehen
sonstiger Pläne der Gruppierung, allgemein zur Verwirklichung des Dschihad
terroristische Attentate zu begehen, hat das Oberlandesgericht nicht für erwiesen
erachtet. Es hat nicht ausschließen können, daß die Anschläge vom
11. September 2001 bereits zuvor innerhalb der Al Qaida geplant worden wa-
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ren und Atta, Alshehhi, Jarrah, Bi. sowie E. für deren Durchführung
erst rekrutiert wurden, als sie sich ab Ende 1999 nach Afghanistan in ein
Ausbildungslager der Al Qaida begeben hatten. Ob die Genannten nach ihrer
Rückkehr nach Hamburg dort bis zu ihrer Abreise in die USA zur Vorbereitung
der Anschläge (Pilotenausbildung) bzw. bis zu ihrem Untertauchen eine terroristische
Vereinigung bildeten, hat das Oberlandesgericht offen gelassen; denn
da dem Angeklagten nicht nachzuweisen sei, daß er während seines eigenen
Aufenthalts in Afghanistan oder in Hamburg von den Anschlagsplänen erfahren
habe, komme seine Verurteilung als Mitglied oder Unterstützer einer derartigen
Vereinigung nicht in Betracht. Ebenso scheide aus diesem Grunde ein Schuldspruch
wegen Beihilfe zum Mord aus.
Gegen diesen Freispruch wenden sich die Revisionen des Generalbundesanwalts
und mehrerer der Nebenkläger. Sämtliche Rechtsmittel rügen die
Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Sie bleiben ohne Erfolg.
A. Die Revision des Generalbundesanwalts
I. Die Verfahrensrüge
Der Generalbundesanwalt beanstandet, das Oberlandesgericht habe
drei Beweisanträge unter Verstoß gegen § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO zurückgewiesen.
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
In der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht ist die Videoaufzeichnung
einer Reportage des Fernsehsenders Al Jazeera in Augenschein
genommen und darüber hinaus der Inhalt dieser Reportage im Wege des Urkundenbeweises
eingeführt worden. Hieraus ergab sich, daß ein Journalist die-
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ses Senders, Fo. , nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ein
Gespräch mit den anderweitig Verfolgten Mo. - einem
angeblichen Mitorganisator der Anschläge - und Bi. geführt hatte.
Fo. ist außerdem einer der Verfasser des Buches "Masterminds of
Terror", das sich ebenfalls mit diesen Anschlägen und dem genannten Gespräch
befaßt.
Im Hauptverhandlungstermin vom 18. Dezember 2003 stellte der Generalbundesanwalt
drei Beweisanträge auf Vernehmung des Fo. , zu laden
über das Londoner Büro von Al Jazeera. Der Zeuge werde bekunden,
- daß Mo. sich im Jahr 1999 einige Male in Hamburg mit
Bi. und Mohammed Atta getroffen habe;
- daß ihm anläßlich eines Interviews von Bi. , Mo.
und dem Al Qaida-Mitglied Ba. mitgeteilt worden sei, Atta und
Bi. seien schon einmal im Jahr 1998 gemeinsam nach Afghanistan gereist
und hätten sich in einem Lager der Al Qaida in Kandahar aufgehalten;
- daß ihm Bi. einen kleinen Koffer gezeigt habe, in dem sich
mehrere zur Vorbereitung der Anschläge verwendete Gegenstände wie Flugpläne,
eine Karte des Luftraums über der amerikanischen Ostküste, ein Flugsimulator-
Programm auf CD etc. befunden hätten; der Koffer habe aus der
Wohnung in der M. straße (in Hamburg) gestammt, in der Bi.
mit Atta, Alshehhi, B. und E. gelebt habe.
Das Oberlandesgericht hat die Beweisanträge nach § 244 Abs. 5 Satz 2
StPO zurückgewiesen. Die Ladung des Zeugen Fo. sei zur Erforschung
der Wahrheit nach pflichtgemäßem Ermessen nicht erforderlich. Die Beweisbehauptungen
des Generalbundesanwalts beruhten allein auf dem Buch "Ma-
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sterminds of Terror". Eine Analyse der zugrunde liegenden Passagen dieses
Buches zeige jedoch, daß es sich hierbei um Spekulationen und Mutmaßungen
handele, die der Zeuge Fo. im Rahmen seiner redaktionellen Freiheit und
zur Erhöhung des Spannungsbogens in sein Buch aufgenommen habe und die
nicht auf Angaben Bi. s oder Mo. s zurückgingen. Dies
werde bezüglich der zweiten und dritten Beweisbehauptung auch durch die
Erklärungen des Zeugen Fo. bestätigt, die auf dem in Augenschein genommenen
Videoband enthalten seien. Die dritte Beweisbehauptung sei im
übrigen auch aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung, denn es werde nicht
vorgebracht, daß Bi. dem Zeugen Fo. erklärt habe, er habe den Inhalt
des Koffers in Hamburg anderen Personen, insbesondere dem Angeklagten,
gezeigt.
2. Es bestehen bereits erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der
Rüge, da sie weder den Inhalt des Buches "Masterminds of Terror" noch den
Wortlaut der Mitschrift des Videobandes mitteilt, auf die sich sowohl die Beweisanträge
als auch der Ablehnungsbeschluß des Oberlandesgerichts stützen.
Indessen kann offen bleiben, ob damit die revisionsrechtlichen Anforderungen
an den Vortrag einer Beanstandung des Verfahrens (§ 344 Abs. 2
Satz 2 StPO) verfehlt sind; denn die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
a) Gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Satz 1 StPO kann ein Beweisantrag
auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken
wäre, abgelehnt werden, wenn seine Vernehmung nach dem pflichtgemäßen
Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist.
Maßgebendes Kriterium hierfür ist, ob die Erhebung des beantragten Beweises
von der Aufklärungspflicht gefordert wird (BGHSt 40, 60, 62; BGH NJW 2001,
695, 696; 2002, 2403, 2404; NStZ 2004, 99, 100); denn durch die Einführung
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des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO wurde die Möglichkeit der Ablehnung eines Beweisantrags
auf Vernehmung eines Auslandszeugen nur um den schmalen Bereich
erweitert, in dem die Ablehnungsgründe des bis dahin allein anwendbaren
§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO es nicht zuließen, einen derartigen Beweisantrag
zurückzuweisen, obwohl die Beweiserhebung von der Aufklärungspflicht nicht
geboten war (vgl. BGH NJW 2002, 2403, 2404). Bei der Prüfung, ob die Aufklärungspflicht
die Ladung eines benannten Auslandszeugen gebietet, sind grundsätzlich
das Gewicht der Strafsache, die Bedeutung und der Beweiswert des
weiteren Beweismittels vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses,
der zeitliche und organisatorische Aufwand der etwaigen Beweisaufnahme
und die damit verbundenen Nachteile durch die Verzögerung des Verfahrens
unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen
(BGH NJW 2001, 695, 696; 2002, 2403, 2404). In diesem Rahmen ist
der Tatrichter von dem sonst geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit.
Er darf daher bei seiner Entscheidung prognostisch berücksichtigen, welche
Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie
diese zu würdigen wären. Kommt er dabei unter Berücksichtigung sowohl des
Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen
Beweisaufnahme - unter Einschluß etwaiger Erkenntnisse aus freibeweislichen
Erhebungen zum Beweiswert des Zeugen (vgl. BGH NJW 2002, 2403, 2404;
BGH NStZ 2004, 99, 100; BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 5) -
angefallenen Erkenntnisse mit tragfähiger Begründung zu dem Ergebnis, daß
der Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde bestätigen können oder daß ein
Einfluß auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn
der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist die
Ablehnung des Beweisantrages in aller Regel nicht zu beanstanden (BGHSt
40, 60, 62). Denn das Revisionsgericht ist darauf beschränkt, die Ermessens-
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entscheidung des Tatrichters auf Rechtsfehler zu überprüfen, und kann daher
nicht etwa dessen rechtlich nicht zu beanstandende Ermessensentscheidung
durch seine gegebenenfalls abweichende Einschätzung ersetzen (vgl. BGH
NJW 1998, 3363, 3364).
b) Nach diesen Maßstäben hält die Zurückweisung der Beweisanträge
revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Es ist zunächst rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht
seine Ermessensentscheidung nach dem Wortlaut des Ablehnungsbeschlusses
allein auf die im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung gewonnene
Prognose gestützt hat, einer Vernehmung des Zeugen Fo. werde
ein relevanter Beweiswert nicht zukommen. Mit der außergewöhnlichen Bedeutung,
die dieser Strafsache wegen des gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwurfs
zukommt, mußte es sich nicht ausdrücklich befassen. Diesem Gesichtspunkt
kommt im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 244 Abs. 5
Satz 2 StPO Gewicht vor allem bei der Abwägung zu, ob es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten
angemessen ist, sich um die Ladung schwer erreichbarer
oder weit entfernt wohnender Zeugen auch auf die Gefahr hin zu
bemühen, daß das Verfahren erheblich verzögert wird oder sogar ausgesetzt
werden muß (vgl. BGH NJW 2001, 695, 696). Darum geht es hier indessen
nicht. Auf eine mögliche Verfahrensverzögerung durch Ladung des Zeugen
Fo. hebt das Oberlandesgericht in seinem Zurückweisungsbeschluß nicht
ab. Im übrigen fehlt jeder Anhalt dafür, daß es sich der besonderen Bedeutung
dieses Strafverfahrens nicht bewußt gewesen wäre oder sie bei Ablehnung der
Beweisanträge nicht bedacht hätte.
Im Ansatz zutreffend weist der Generalbundesanwalt allerdings darauf
hin, daß der Aussage des Zeugen Fo. potentiell ein besonderes Gewicht
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deswegen hätte zukommen können, weil dieser - neben dem in die Hauptverhandlung
eingeführten "Behördenzeugnis" des Bundeskriminalamts vom
10. Dezember 2003 - das einzige Beweismittel war, aus dem sich Erkenntnisse
zu Äußerungen der anderweitig verfolgten Bi. und
Mo. über die Planungen, Vorbereitungen und Beteiligten an den Anschlägen
vom 11. September 2001 hätten gewinnen lassen können, nachdem
die USA jegliche Rechtshilfe für eine Vernehmung dieser beiden, zwischenzeitlich
in ihrem Gewahrsam befindlichen Personen, bzw. die Herausgabe von Vernehmungsunterlagen
an deutsche Gerichte verweigert hatten und auch die den
deutschen Sicherheitsbehörden von den USA überlassenen Vernehmungsprotokolle
sämtlich mit Sperrerklärungen nach § 96 StPO belegt worden waren.
Die besondere potentielle Bedeutung des Beweismittels hatte indessen
nicht zur Folge, daß das dem Oberlandesgericht durch § 244 Abs. 5 Satz 2
StPO eingeräumte Ermessen bei der Beurteilung der hier in Rede stehenden
Beweisanträge von vornherein auf Null reduziert gewesen wäre und es den
benannten Zeugen notwendig zu vernehmen hatte. Vielmehr durfte es auch die
Anträge auf Vernehmung des Zeugen Fo. mit ihren eng umrissenen und für
den Schuldvorwurf gegen den Angeklagten nur entfernt indiziellen Beweisbehauptungen
der Prüfung nach den weiteren für die Anwendung des § 244
Abs. 5 Satz 2 StPO maßgeblichen Beurteilungskriterien unterziehen, wenn
auch unter Beachtung der potentiellen Bedeutung der Aussage und des Gewichts
des Tatvorwurfs. Für diese Prüfung war hier eine besonders tragfähige
Grundlage vorhanden. Denn durch die im Strengbeweis (Inaugenscheinnahme
des Videobandes nebst Urkundsbeweis zu dessen Inhalt) und im Freibeweis
(Lektüre des Buches "Masterminds of Terror") gewonnenen Erkenntnisse über
die Verlautbarungen des Zeugen Fo. , auf deren Inhalt sich die Beweisanträge
des Generalbundesanwalts ausschließlich stützten, war das
Oberlandesgericht in umfassender Weise in die Lage versetzt, den Beweiswert
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richt in umfassender Weise in die Lage versetzt, den Beweiswert des Zeugen
Fo. in bezug auf die in sein Wissen gestellten Beweisbehauptungen prognostisch
vorab zu bewerten (vgl. BGH NJW 1998, 3363, 3364 sowie BGHR
StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 4 für Fälle, in denen Angaben des
Auslandszeugen
bereits anderweitig in die Hauptverhandlung eingeführt worden
waren).
Die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht seine Einschätzung
über die Zweifelhaftigkeit der Behauptungen des Zeugen Fo. und teilweise
- hinsichtlich der dritten Beweisbehauptung - auch deren fehlende Relevanz für
die Überzeugungsbildung des Gerichts begründet, sind auf der Grundlage der
in den Beweisanträgen und dem Ablehnungsbeschluß mitgeteilten Passagen
des Buches "Masterminds of Terror" und des Videobandes für sich gesehen
tragfähig und nachvollziehbar. Zwingend müssen sie nicht sein; ebensowenig
ist revisionsrechtlich von Bedeutung, ob eine gegenteilige Einschätzung ebensogut
möglich gewesen wäre oder gegebenenfalls sogar näher gelegen hätte.
Die Revisionsbegründung teilt keine Inhalte des Buches oder des Videobandes
mit, die der Bewertung des Oberlandesgerichts den Boden entziehen würden.
Vielmehr erschöpft sie sich im wesentlichen in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen
Versuch, die rechtsfehlerfreien Erwägungen des Oberlandesgerichts
durch ihre eigene Würdigung zu ersetzen.
Soweit der Generalbundesanwalt darüber hinaus geltend macht, das
Oberlandesgericht habe die Grenzen der im Rahmen des § 244 Abs. 5 Satz 2
StPO zulässigen Beweisantizipation überschritten, weil es die Zuverlässigkeit
der Angaben des Zeugen Fo. nicht durch dessen persönliche Vernehmung
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abgeklärt, sondern sich auf eine formale Analyse der einschlägigen Textpassagen
des Buches beschränkt habe, stellt er im Kern die Befugnis des Tatrichters
in Frage, die Beweisanträge auf Vernehmung des Zeugen Fo. überhaupt
einer antizipierten Beweiswürdigung bei der Ablehnungsprüfung nach
§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO zu unterziehen, und wendet sich damit in der Sache
gegen die gesetzliche Regelung.
II. Die Sachrüge
Mit der Sachrüge erhebt der Generalbundesanwalt zahlreiche Einzelbeanstandungen
gegen die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts. Diese
bleiben ohne Erfolg.
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts und ihre Darstellung in
den Urteilsgründen entspricht in allen wesentlichen und entscheidungserheblichen
Punkten den Anforderungen, die an die Begründung eines Freispruchs zu
stellen sind, der darauf beruht, daß sich das Tatgericht nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit von der Schuld des
Angeklagten zu überzeugen vermag. Das Oberlandesgericht hat die Umstände
nicht verkannt, die dafür sprechen können, daß der Angeklagte in die Planung
und Vorbereitung der Anschläge vom 11. September 2001 eingebunden war
oder zumindest Kenntnis von ihnen hatte und in dieser Kenntnis die Attentäter
unterstützte. Es hat sich mit diesen umfassend auseinandergesetzt und im einzelnen
dargelegt, warum es auf der Grundlage der vorhandenen Indizien, denen
insoweit eine eindeutige Beweisrichtung nicht zukommt, wegen des Fehlens
weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen sowie des Vorhandenseins
einiger eher entlastender Umstände keine Überzeugung von einem strafbaren
Verhalten des Angeklagten zu gewinnen vermochte. Die Ausführungen des
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Oberlandesgerichts ermöglichen die umfassende revisionsrechtliche Prüfung
seiner Beweiswürdigung. Diese hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.
Zu den Einzelbeanstandungen der Revision bemerkt der Senat:
1. Zutreffend macht der Generalbundesanwalt allerdings geltend, daß
das Oberlandesgericht bei der Würdigung eines Entlastungsindizes den Zweifelssatz
rechtsfehlerhaft angewendet hat.
a) Es hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht auszuschließen
vermocht, daß Atta, Alshehhi, Bi. und Jarrah vor ihrer Reise nach Afghanistan
kurzzeitig den Plan gefaßt hatten, sich in Tschetschenien am Kampf
gegen Rußland zu beteiligen. Ausgehend von der Unwiderlegbarkeit dieser
Indiztatsache hat es gemeint, diese zugunsten des Angeklagten als erwiesen in
die Beweiswürdigung einstellen zu müssen, und sie daher in verschiedenen
Beweiszusammenhängen als feststehend behandelt.
Damit hat das Oberlandesgericht Funktion und Bedeutung des Zweifelssatzes
verkannt. Dieser ist eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann
zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die
volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch
unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen vermag.
Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden.
Er gilt jedenfalls nicht für entlastende Indiztatsachen, aus denen lediglich
ein Schluß auf eine unmittelbar entscheidungsrelevante Tatsache gezogen
werden kann. Kommt das Gericht bezüglich einer derartigen Indiztatsache zu
einem non liquet, hat dies daher nicht zur Folge, daß sie zugunsten des Angeklagten
als bewiesen anzusehen wäre. Vielmehr ist sie mit der ihr zukommenden
Ungewißheit in die Gesamtwürdigung des für die unmittelbar entschei-
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dungserhebliche Tatsache gewonnenen Beweisergebnisses einzustellen (BGH
NStZ 2001, 609 m. w. N.).
Das Oberlandesgericht hätte demgemäß bei seiner Beweiswürdigung
lediglich die Möglichkeit in Betracht ziehen dürfen, daß Atta, Alshehhi, Bi-
. und Jarrah vor ihrer Afghanistanreise kurzzeitig eine Beteiligung am
Tschetschenienkrieg geplant hatten. Dagegen war es rechtsfehlerhaft, diesen
Plan bei der Bewertung des Gesamtbeweisergebnisses als positiv festgestellt
zu berücksichtigen.
b) Auf diesem Rechtsmangel beruht das Urteil indessen nicht (§ 337
Abs. 1 StPO); denn soweit der "Tschetschenienplan" im Rahmen der Beweiswürdigung
thematisiert wurde, war er für die Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts
ohne ausschlaggebende Bedeutung. Insoweit gilt:
aa) Der "Tschetschenienplan" war zunächst von Belang für die Überzeugung
des Oberlandesgerichts, daß die Pläne für die Anschläge vom
11. September 2001 nicht im Jahr 1999 in Hamburg entwickelt worden waren.
Hierbei hat es den belastenden Indiztatsachen (zweifelhafte Bekundungen der
Zeugin Du. ; unbestimmte Äußerungen M. s) neben dem
"Tschetschenienplan" als entlastend gegenübergestellt: das Studienverhalten
der späteren Attentäter; das Fehlen objektivierbarer Hinweise auf
Anschlagsvorbereitungen im Jahr 1999 im Gegensatz zu deutlichen derartigen
Anhaltspunkten für einen späteren Zeitraum; die fehlenden (finanziellen und
personellen) Möglichkeiten, einen derartigen Anschlag aus eigener Kraft
durchzuführen; die gewichtigen Hinweise für eine vorherige Planung der
Anschläge in Afghanistan. Seine Schlußfolgerung hat das Oberlandesgericht
insbesondere durch die Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz
(Zeuge Fr. ) bestätigt gesehen.
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Stellt man vor diesem Hintergrund in Rechnung, daß das Oberlandesgericht
den "Tschetschenienplan" nicht völlig unberücksichtigt lassen mußte, sondern
als möglich in seine Würdigung einzubeziehen hatte, ist auszuschließen,
daß es bei richtiger Behandlung dieses Indizes insoweit zu einer anderen
Überzeugung gelangt wäre.
bb) Der "Tschetschenienplan" wird vom Oberlandesgericht darüber hinaus
als erwiesen berücksichtigt bei der Behandlung der Frage, ob die "Gruppe
um Atta" schon in Hamburg - vor den Afghanistan-Fahrten - von der Al Qaida
für die Anschläge vom 11. September 2001 rekrutiert worden sein könnte. Hierfür
hat die Beweisaufnahme nach Überzeugung des Oberlandesgerichts keinen
Nachweis erbracht, so daß es bei der ernsthaften Möglichkeit der Rekrutierung
erst in Afghanistan verblieb. Auch hier ist der "Tschetschenienplan" eines von
mehreren Argumenten gegen eine Anwerbung der "Gruppe um Atta" bereits in
Hamburg. Es ist auch hier angesichts des Gewichts der weiteren Argumente
auszuschließen, daß das Oberlandesgericht zu einer abweichenden Überzeugung
gelangt wäre, wenn es den "Tschetschenienplan" nicht als feststehend,
sondern als möglich gewürdigt hätte; denn es handelt sich lediglich um die
Minderung der Beweisbedeutung eines Entlastungsindizes.
cc) Erwähnung findet der "Tschetschenienplan" weiterhin bei der Erörterung
der Motive für die Afghanistanreisen. Insoweit ist zunächst festzuhalten,
daß das Oberlandesgericht - entgegen der Revisionsbegründung - mit dem
Hinweis auf das "Tschetschenienvorhaben" nicht belegen will, in Afghanistan
sei nur eine klassischmilitärische und keine terroristische Ausbildung erfolgt.
Vielmehr vermag das Oberlandesgericht lediglich nicht auszuschließen, daß
die "Hamburger Gruppenmitglieder" sich zunächst allein mit der Absicht nach
Afghanistan begaben, dort eine militärische Ausbildung zu erhalten. Insoweit
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werden als mögliche Motive für das Durchlaufen einer derartigen Ausbildung
die Beteiligung am Bürgerkrieg in Tschetschenien oder auch nur eine "Solidarisierungsaktion"
für denkbar gehalten. Damit ist schon fraglich, ob das Oberlandesgericht
das Entlastungsindiz in diesem Zusammenhang nicht doch rechtlich
zutreffend nur als möglich in seine Würdigung einbezogen hat. Selbst
wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, ist das Tschetschenienargument
an dieser Stelle so untergeordnet, daß ein ausschlaggebender Einfluß auf die
Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts auszuschließen ist.
dd) Gleiches gilt für die in demselben Zusammenhang angestellte Erwägung
des Oberlandesgerichts, daß unter anderem das "Tschetschenienvorhaben"
eine Erklärung für die Kündigung des Mietvertrages über die Wohnung
W. straße 30 sowie der Krankenversicherung Bi. s liefern könnte.
2. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts erweist sich die
Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts auch nicht deswegen als rechtsfehlerhaft,
weil es nicht geprüft hat, wie das "Tschetschenienvorhaben" in Übereinstimmung
mit der Feststellung zu bringen ist, die Gruppe in Hamburg habe
sich bis zu den Afghanistanaufenthalten der Gruppenmitglieder lediglich mit
radikalem Gerede befaßt und geistig radikalisiert, und weil es nicht erörtert hat,
wie später die Aufgabe dieses Vorhabens gegenüber den in die Pläne für die
Anschläge in den USA nicht eingeweihten Angehörigen der Gruppe,
namentlich dem Angeklagten, hätte gerechtfertigt werden können. Da das
Oberlandesgericht den "Tschetschenienplan" nicht für erwiesen, sondern nur
für möglich hielt, durfte es die vom Generalbundesanwalt vermißten
Überlegungen nicht anstellen; denn es hätte ihn in diesem Zusammenhang als
belastendes Indiz verwertet. Auf nicht zweifelsfrei festgestellte belastende
Indizien darf - auch in der Summe (BGH bei Dallinger MDR 1969, 194) - ein
Urteil indes nicht gestützt, sie dürfen zu dessen Begründung nicht einmal
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stützt, sie dürfen zu dessen Begründung nicht einmal ergänzend herangezogen
werden (BGH JR 1954, 468; s. umfassend Schlüchter in SK-StPO 13. Lfg. -
1995 - § 261 Rdn. 75 m. w. N.). Danach ist es dem Tatrichter aber auch verwehrt
zu erörtern, wie sich das zweifelhaft gebliebene Belastungsindiz in das
sonstige Beweisergebnis einfügt, oder gar zu prüfen, ob der zweifelhaft gebliebene
indizielle Sachverhalt für sich - im Rahmen der angeklagten Tat (§ 264
Abs. 1 StPO) - auf von der Anklage abweichender tatsächlicher Grundlage eine
Verurteilung tragen könnte.
3. Der Generalbundesanwalt zeigt auch keinen durchgreifenden Rechtsfehler
auf, soweit er die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts zu der Frage
als lückenhaft beanstandet, ob der Angeklagte nach der Rückkehr Attas,
Alshehhis, Jarrahs und Bi. s aus Afghanistan in deren konkretes terroristisches
Vorhaben eingeweiht wurde oder zumindest damit rechnete und billigend
in Kauf nahm, daß sie nunmehr einen Anschlag nach Art und Ausmaß der
am 11. September 2001 verwirklichten Attentate beabsichtigten bzw. jedenfalls
allgemein terroristische Ziele verfolgten.
a) In diesem Zusammenhang begründet es zunächst keinen Mangel in
der Darstellung des Urteils (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO), daß das Oberlandesgericht
den Angeklagten aus subjektiven Gründen vom Vorwurf der Mitgliedschaft
in einer terroristischen Vereinigung (und auch vom Vorwurf deren Unterstützung;
§ 264 Abs. 1 StPO) freigesprochen, dabei jedoch offen gelassen hat,
ob Atta, Alshehhi, Jarrah und Bi. nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan in
Hamburg eine terroristische Vereinigung bildeten.
Zwar hat der Tatrichter im allgemeinen das äußere Tatgeschehen soweit
wie möglich aufzuklären und in einer geschlossenen Darstellung diejenigen
objektiven Tatsachen festzustellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der
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Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen er die für einen Schuldspruch
erforderlichen zusätzlichen Feststellungen zur objektiven oder zur subjektiven
Tatseite nicht zu treffen vermag (vgl. BGH NJW 1980, 2423; 1991, 2094;
BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2, 5, 7, 9, 10). Diese Anforderungen dürfen
jedoch nicht schematisch in dem Sinne verstanden werden, daß Ausnahmen
hiervon nicht möglich wären (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 12).
Maßgeblich ist stets, ob die Urteilsgründe ihrer Aufgabe gerecht werden, dem
Revisionsgericht die Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu
ermöglichen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2 und 3). Insbesondere
bei einem Freispruch aus subjektiven Gründen ist es nicht in allen Fällen erforderlich,
den äußeren Tatbestand umfassend aufzuklären und festzustellen,
sofern nur die Urteilsgründe die tatsächlichen oder rechtlichen Überlegungen
soweit verdeutlichen, daß sie umfassender revisionsgerichtlicher Prüfung offen
stehen (vgl. BGH GA 1974, 61; BGH NJW 1980, 2423).
So liegt es hier. Das Oberlandesgericht hat - soweit ihm dies nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme möglich war - die terroristischen Pläne sowie
das Verhalten Attas, Alshehhis, Jarrahs, Bi. s und auch E. s nach
deren Rückkehr aus Afghanistan im einzelnen festgestellt und dargelegt. Es
hat lediglich offen gelassen, ob die Genannten nach den rechtlichen Erfordernissen
des § 129 a Abs. 1 StGB aF eine inländische terroristische Vereinigung
im Sinne dieser Vorschrift bildeten. Dies war auf der Grundlage der sonstigen
Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts für seine freisprechende Entscheidung
indessen ohne Belang. Denn da es sich nicht davon überzeugen konnte,
daß der Angeklagte um terroristische Absichten der Genannten und den von
ihnen konkret geplanten terroristischen Anschlag wußte, hing sein Freispruch
nicht davon ab, ob die Gruppierung rechtlich als inländische terroristische Vereinigung
zu werten war. Das versteht sich für den Vorwurf der Beihilfe zum
- 20 -
Mord von selbst, gilt gleichermaßen aber auch für den Vorwurf der Mitgliedschaft
in einer terroristischen Vereinigung bzw. deren Unterstützung. Denn ob
die späteren Attentäter sowie Bi. und E. rechtlich als Vereinigung
im Sinne des § 129 a Abs. 1 StGB aF einzustufen waren oder nicht, ist kein
Umstand, der Rückschlüsse auf den Wissensstand bzw. die Vorstellungen des
Angeklagten und damit auf die subjektive Tatseite zuläßt. Nur soweit dies der
Fall ist, muß eine umfassende Aufklärung des objektiven Sachverhalts vorgenommen
werden. Das Oberlandesgericht war daher nicht gehalten, sich mit der
genannten Rechtsfrage in den Urteilsgründen zu befassen.
b) Die Beweiswürdigung ist auch nicht deswegen lückenhaft, weil nicht
erörtert wurde, ob der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten bedingt vorsätzlich
begangen haben könnte.
Beihilfe (zum Mord) ist mit bedingtem Vorsatz möglich (vgl. BGHSt 2,
279, 281; 42, 135, 137 m. w. N.); ebenso kann § 129 a StGB - jedenfalls
rechtstheoretisch - in allen seinen Tatvarianten bedingt vorsätzlich verwirklicht
werden (s. BGHSt 29, 99, 101 f.; von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 129 a Rdn. 19
sowie § 129 Rdn. 69 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund weist der Generalbundesanwalt
zwar im Grundsatz zutreffend darauf hin, daß das Oberlandesgericht
eine rechtlich mögliche Variante der angeklagten Tat (§ 264 Abs. 1 StPO) in
den Urteilsgründen nicht ausdrücklich erwogen hat. Dazu war das Oberlandesgericht
hier indessen nicht gehalten.
aa) Das Oberlandesgericht hat im einzelnen dargelegt, warum es sich
nicht davon zu überzeugen vermochte, daß der Angeklagte nach der Rückkehr
Attas, Alshehhis, Jarrahs und Bi. s aus Afghanistan in deren konkrete
Planungen für die Anschläge vom 11. September 2001 eingeweiht wurde. Die-
21 -
se Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Weder die dort
erörterten Umstände noch die sonstigen vom Oberlandesgericht festgestellten
Tatsachen, insbesondere zu den Geschehnissen zwischen der Rückkehr der
Genannten aus und dem Aufbruch des Angeklagten nach Afghanistan, boten
greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte - ohne positiv
eingeweiht worden zu sein - zu der Überlegung hätte veranlaßt sein können,
Atta und die anderen seien in Afghanistan möglicherweise für Anschläge der
am 11. September 2001 ausgeführten Art angeworben worden. Die Möglichkeit
bedingt vorsätzlicher Beihilfe zum Mord an 3.066 Menschen mußte daher in
den Urteilsgründen nicht erwogen werden.
bb) Aber auch eine bedingt vorsätzliche Verwirklichung des § 129 a
Abs. 1 oder Abs. 3 StGB aF in der Weise, daß der Angeklagte zwar nicht mit
dem konkreten Plan der aus Afghanistan Zurückgekehrten, jedoch mit sonstigen
terroristischen Vorhaben der Gruppierung rechnete und - diese billigend in
Kauf nehmend - Hilfs- oder Unterstützungsleistungen erbrachte, kam nicht
ernsthaft in Betracht. Auch insoweit läßt das Beweisergebnis keine greifbaren
Umstände erkennen, die dem nicht eingeweihten Angeklagten die Überlegung
nahegelegt hätten, die aus Afghanistan Zurückgekehrten könnten sich in Umsetzung
eines dort entgegengenommenen Auftrags in Deutschland als terroristische
Vereinigung betätigen mit der Folge, daß sich jede ihnen hier geleistete
Unterstützung - selbst durch für sich alltägliche Gefälligkeiten oder unter Studenten
übliche Hilfsleistungen - als strafbar erweise.
4. Auch mit den übrigen Beanstandungen gegen die Würdigung einzelner
Indiztatsachen durch das Oberlandesgericht vermag der Generalbundesanwalt
nicht durchzudringen.
- 22 -
Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen
(§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der
Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten
zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt,
ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa
weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem
Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung
von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt. Sind derartige
Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche
Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung
der Beweise möglich gewesen wäre. Nach diesen Grundsätzen ist es
auch Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen beoder
entlastenden Indizien in einer Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses
zu bewerten. Ist diese Bewertung vertretbar, kann das Revisionsgericht nicht
auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache
in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen. Dies gilt unabhängig
von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs
des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche
Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu
rechtfertigen.
Nach diesen Maßstäben zeigt die Revision des Generalbundesanwalts
mit ihren Rügen zu der Behandlung einzelner Indiztatsachen durch das Oberlandesgericht
keinen Rechtsfehler im dargelegten Sinne auf. Denn soweit sie
das Fehlen der Erörterung des einen oder anderen belastenden Indizes in verschiedenen
Sachzusammenhängen als lückenhaft beanstandet, beruht dies
- unausgesprochen - auf einer eigenen Gewichtung von deren Beweisbedeu-
23 -
tung. Dadurch wird die vom Oberlandesgericht vorgenommene abweichende
Bewertung rechtlich nicht unvertretbar; zwingend muß sie nicht sein. Durch die
fehlende Erwähnung einer Indiztatsache in einem bestimmten Beweiszusammenhang
wäre nur dann eine Lücke der Beweiswürdigung begründet, wenn sie
nach der ihr vom Oberlandesgericht zugemessenen Beweisbedeutung in diesem
Zusammenhang zwingend ausdrücklich zu erörtern war. Eine derartige
Lücke ist nicht erkennbar.
Dies gilt auch für die vom Generalbundesanwalt beanstandeten Gesamtwürdigungen.
Das Oberlandesgericht hat sowohl am Ende seiner Beweiswürdigung
als auch am Ende der Würdigung einzelner Beweiskomplexe ausdrücklich
dargelegt, daß es sich der Möglichkeit bewußt war, eine Überzeugung von
der Schuld des Angeklagten aufgrund einer Gesamtschau der belastenden Indizien
auch dann zu gewinnen, wenn diese je für sich nicht für einen Tatnachweis
hinreichen. Es hat nicht nur, wie die Revision meint, einzelne Indiztatsachen
aufgezählt, sondern in hinreichender Weise das Beweisergebnis in seiner
Gesamtheit gewürdigt und näher dargestellt, warum es sich auch auf der
Grundlage einer Gesamtschau der vorhandenen Indizien nicht mit ausreichender
Sicherheit von der Berechtigung des Tatvorwurfs hat überzeugen können.
Damit ist den Anforderungen an die revisionsrechtliche Nachprüfbarkeit der
Beweiswürdigung genügt. Das Oberlandesgericht mußte im Rahmen der Gesamtwürdigungen
nicht nochmals alle jeweils in Betracht kommenden Indizien
erörtern; insbesondere war es nicht gehalten, auch solche Beweisanzeichen
erneut ausdrücklich in seine Erwägungen mit einzubeziehen, denen es rechtsfehlerfrei,
wenn auch im Gegensatz zur Bewertung des Generalbundesanwalts,
nur eine geringe belastende Bedeutung zumaß.
B. Die Nebenklägerrevisionen
- 24 -
I. Revisionen der Nebenkläger Ca. , D. , He. , L. und
P.
1. Die Revisionen erheben in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Aufklärungsrüge.
Sie beanstanden als rechtsfehlerhaft, daß das Oberlandesgericht
den am 4. Februar 2004 erneut gestellten Antrag zurückgewiesen hat, die USA
nochmals um Rechtshilfe zu ersuchen mit dem Ziel, Aussagen Bi. s in
das Verfahren einführen zu können.
Die Rüge ist unzulässig. Ob das Oberlandesgericht erneut den Versuch
unternehmen mußte, Rechtshilfe durch die USA zu erlangen, ist eine Frage der
gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Demgemäß muß die für
rechtsfehlerhaft gehaltene Ablehnung eines entsprechenden Antrags mit der
Aufklärungsrüge beanstandet werden. Den an diese gemäß § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO zu stellenden Anforderungen genügt das Revisionsvorbringen
nicht; denn es teilt nicht mit, welches konkrete Beweisergebnis durch ein etwa
positiv beschiedenes Rechtshilfeersuchen und die daran anschließende Beweisaufnahme
erzielt worden wäre. Die nicht näher substantiierte Behauptung,
Bi. hätte den Angeklagten belastet, entbehrt jedes durch die Beweiserhebung
aufklärbaren Sachverhaltselements, das den Tatvorwurf unmittelbar
ausfüllen oder auch nur indiziell bestätigen würde.
2. Die Sachrüge ist nicht näher ausgeführt. Sie ist unbegründet, da die
Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts, wie bereits im einzelnen dargestellt,
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist.
II. Revisionen der Nebenkläger C. , F. , G. , H. , R. ,
S. und Y.
- 25 -
1. Die Revisionen beanstanden als verfahrensrechtlichen Fehler eine
Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 397 Abs. 1 Satz 2, § 385 Abs. 3
StPO, weil es dem Nebenklägervertreter nicht gestattet wurde, die Akten des
Verfahrens gegen den Zeugen A. vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf
(etwa 100 Leitzordner) in vollem Umfang einzuscannen.
Die Rüge scheitert bereits daran, daß sie keinen Verfahrensverstoß des
Oberlandesgerichts Hamburg in dieser Strafsache geltend macht. Nach dem
Revisionsvortrag waren die Akten des Düsseldorfer Verfahrens nicht beigezogen.
Das Einsichtsrecht der Nebenkläger richtete sich daher nicht nach § 397
Abs. 1 Satz 2, § 385 Abs. 3, sondern nach § 475 StPO. Die Entscheidung des
zuständigen Richters des Oberlandesgerichts Düsseldorf über Art und Umfang
der gewährten Akteneinsicht war unanfechtbar (§ 478 Abs. 3 Satz 2 StPO).
2. Die Sachrüge ist ebenfalls nicht ausgeführt. Das zur Revision des
Generalbundesanwalts Gesagte gilt auch hier entsprechend.
Tolksdorf Miebach Pfister
Becker Hubert



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