BGH,
Urt. v. 9.5.2006 - 5 StR 453/05
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2, § 108e, §§
331 ff.
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
1. a) Kommunale Mandatsträger sind keine Amtsträger,
es sei
denn, sie werden mit konkreten Verwaltungsaufgaben
betraut, die über ihre Mandatstätigkeit in der
kommuna-
len Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen
hinausgehen.
b) Die Vorschrift des § 108e StGB enthält eine im
Verhältnis zu den §§ 331 ff. StGB
abschließende Sonderregelung.
2. Der Empfang von Schmiergeldzahlungen durch Abgeordnete kann
umsatzsteuerpflichtig sein.
BGH, Urteil vom 9.05.2006 - 5 StR 453/05
LG Wuppertal -
5 StR 453/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9.05.2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Bestechung u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
9.05.2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sch ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger für den Angeklagten S ,
Rechtsanwalt H ,
Rechtsanwältin B
als Verteidiger für den Angeklagten C ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger für den Angeklagten F ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 11.08.2004 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte S wegen Bestechlichkeit und Vorteilsannahme
verurteilt worden ist;
b) soweit der Angeklagte C und der Angeklagte F verurteilt worden sind;
c) in den Aussprüchen über den Verfall von Wertersatz.
Die Angeklagten S und C werden im Fall II. 4 der Urteilsgründe
(Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung) freigesprochen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S wird verworfen.
3. Soweit die Angeklagten S und C freigesprochen worden sind,
trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen der Angeklagten.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
- 4 -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten S unter Freisprechung im
Übrigen wegen Bestechlichkeit und wegen Vorteilsannahme zu
einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr und neun Monaten sowie wegen Steuerhinterziehung in sechs
Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer
Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Den
Angeklagten C hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen
Bestechung und Vorteilsgewährung unter Einbeziehung der
Einzelstrafen aus einem anderweitigen Erkenntnis des Landgerichts
Wuppertal zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und
die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Den
Angeklagten F hat das Landgericht wegen Strafvereitelung zu einer
Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Daneben hat es
gegen S und F den Verfall von Wertersatz in Höhe von 93.116,48
€ angeordnet. Die Angeklagten wenden sich - soweit sie
verurteilt wurden - mit der näher ausgeführten
Sachrüge gegen das Urteil. Ihre Rechtsmittel haben
überwiegend Erfolg.
1
I.
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
2
1. Der Angeklagte S ist von Beruf Statiker und war jahrelang Mitglied
des Rates der Stadt Wuppertal. Aufgrund seiner Vorbildung und seiner
langjährigen Erfahrungen gehörte er sowohl innerhalb
des Wuppertaler Stadtrates als auch in dessen SPD-Fraktion zu den
ausgewiesenen Kennern des Bau- und Bauplanungsrechts. Für
Investoren, die in Wuppertal „etwas bewegen“
wollten, galt er als maßgeblicher Mann, als „graue
Eminenz“. Mit dem Angeklagten F betrieb S - neben seiner
Tätigkeit im Rat der Stadt Wuppertal - ein
Ingenieurbüro. Beide Angeklagte waren darüber hinaus
einander verbunden durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts
als Eigentümer verschiedener Hausgrundstücke.
3
- 5 -
Der Angeklagte C begann Mitte der achtziger Jahre, sich an
größeren gewerblichen und Wohnzwecken dienenden
Bauvorhaben in Wuppertal zu beteiligen. In den neunziger Jahren hatte
sich C schließlich als einer der bedeutendsten Investoren
für Großbauprojekte in Wuppertal etabliert.
4
C erkannte schnell, dass S - neben anderen Stadträten der
Stadt Wuppertal - aufgrund seiner politischen Position sehr wichtig
war. Er meinte, seine Bauprojekte ohne die Unterstützung der
für Baufragen in Wuppertal maßgeblichen Personen
nicht zeitnah und reibungslos umsetzen zu können. Dabei ging
es ihm nicht darum,
„Unregelmäßigkeiten“ zu
verlangen. Er wollte vielmehr „unnötige
Störfaktoren“ vermeiden, um schnell und
komplikationslos „das Baurecht“ - im Sinne einer
ihm genehmen Satzung - zu erreichen, auf das er seiner Auffassung nach
ohnehin einen Anspruch hatte. Zur Förderung seiner Bauvorhaben
wollte C sich daher die Geneigtheit und das Wohlwollen des Angeklagten
S sichern. S sollte sich in seiner Partei, in den Ausschüssen
und im Rat für ihn einsetzen und seine Anliegen nach
Kräften unterstützen. Er sollte durch
Redebeiträge im Rat den Boden für die Bauvorhaben des
C bereiten, notwendige Mehrheiten beschaffen und schließlich
auch selbst für die Bauvorhaben stimmen; zudem sollte er
für einen geeigneten Informationsfluss zwischen C und den
politischen Gremien der Stadt Wuppertal sorgen.
5
Um S für seine „Dienste“ zu
„entschädigen“, hatte C zunächst
vor, diesem die Statikaufträge für seine Bauvorhaben
zu erteilen. Die damit offenkundig werdende Verquickung
privatgeschäftlicher Interessen mit seiner politischen
Tätigkeit scheute S hingegen. Andererseits mochte er nicht auf
eine Entlohnung seiner Bemühungen verzichten.
6
Zur Verschleierung späterer Zahlungsflüsse von C und
zur Vermeidung einer Teilung der Gewinne mit seinem
Statikbüro-Partner F gründete S 1994 deshalb
außerhalb Wuppertals eine Scheinfirma, die
7
- 6 -
Beratungsgesellschaft für Standortanalyse und
-erschließung (BGSA). Specht machte seine Ehefrau und einen
seiner Söhne zu Gesellschaftern, letzteren - einen
geschäftlich völlig unerfahrenen Studenten - zugleich
zum Geschäftsführer. Neben der steuerlichen
Absetzbarkeit der an sich als Ausbildungsunterhalt geschuldeten
finanziellen Unterstützung seines Sohnes in Form eines
„Geschäftsführergehalts“ bestand
der vornehmliche Zweck der BGSA darin, Scheinrechnungen über
in Wahrheit so nicht erbrachte Beraterleistungen an C zu schreiben, um
auf diese Weise die Tätigkeiten des S für C verdeckt
honorieren zu lassen.
2. Den Verurteilungen der Angeklagten S und C liegen folgende
Feststellungen zugrunde:
8
a) Zur Honorierung der Bemühungen des S im Rahmen der
Realisierung eines Projektes „Radenberg“ zahlte C
Ende 1994 einen Betrag von 90.000 DM netto, den C als
„politische Landschaftspflege“ bezeichnete und den
S zur Verschleierung über die BGSA mit dem Verwendungszweck
„Kieshecker Weg in Düsseldorf“ abrechnete.
Für die Unterstützung bei der Realisierung eines
Projekts „Wicküler Park“ in Wuppertal
erhielt Specht von C weitere Beträge. Mit Rechnung der BGSA
vom 20. Februar 1995 stellte S ein pauschales Bruttohonorar von 57.500
DM mit dem willkürlich gewählten Verwendungszweck
„Bauvorhaben Hennef 3, Am Bürgerberg“ in
Rechnung, welches von C am 29. März 1995 beglichen wurde. In
seiner am 8. November 1996 abgegebenen
Einkommensteuererklärung für 1995, die zu einer
erklärungsgemäßen Veranlagung
führte, verschwieg S diese Zahlung
(Einkommensteuerhinterziehung 1995). Mit Rechnung der BGSA vom 20.
Februar 1996 stellte S ein weiteres pauschales Bruttohonorar von 69.000
DM mit dem wiederum willkürlich gewählten
Verwendungszweck „Grundlagenermittlung und Beratung zum
Bauvorhaben Drebkau, Lebensmittelmarkt REWE (Penny)“ in
Rechnung, welches von C am 12. März 1996 bezahlt wurde. S
verschwieg auch diese Zahlung in seiner am 26. Februar 1998 abgegebenen
Einkommensteuerer-
9
- 7 -
klärung für 1996; auch insoweit wurde er
erklärungsgemäß veranlagt
(Einkommensteuerhinterziehung 1996). Ferner gab S für 1996
weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch eine
Umsatzsteuerjahreserklärung ab (Umsatzsteuerhinterziehung
1996).
b) Am 13. Mai 1998 ließ S eine weitere Rechnung über
die BGSA über pauschal 64.000 DM zzgl. 16% USt. (= 74.240 DM
brutto) mit dem Verwendungszweck „Beratung bei der
Baureifmachung des ehemaligen JVA-Geländes, Bauvorhaben
Wicküler Park, Bauteil C“ erstellen, die C am 5.
Juni 1998 über das Konto der BGSA beglich. Wie bisher stimmte
der Verwendungszweck der Rechnung nicht mit tatsächlich
erbrachten Leistungen überein. Von den 64.000 DM sollten 5.000
DM bis 15.000 DM konkrete Bemühungen des S um verschiedene
Projekte des C abgelten; die Differenz von 49.000 DM bis 59.000 DM
wurde S wegen dessen bisheriger und zukünftiger politischer
Arbeit im Wege der „Landschaftspflege“ zugedacht.
Ein konkretes Tätigwerden des S im Rahmen seiner
Mitgliedschaft im Rat der Stadt Wuppertal lag dieser Rechnung nicht
zugrunde (Vorteilsgewährung/Vorteilsannahme; Fall II. 4 der
Urteilsgründe). Auch diese Zahlung verschwieg S in seiner am
15. Februar 2002 abgegebenen Einkommensteuererklärung
für das Jahr 1998, die zu einer
erklärungsgemä-ßen Veranlagung
führte (Einkommensteuerhinterziehung 1998).
10
c) Unter Vermittlung des S erwarb C vor Ende 1998 ein in einer
Villengegend von Wuppertal gelegenes, seit längerer Zeit
ungenutztes Grundstück, welches C bebauen wollte. Da die vom
bestehenden Bauplan gedeckte Bebauungsmöglichkeit des
Grundstücks wirtschaftlich nicht lukrativ war,
drängte C auf den Erlass eines vorhabenbezogenen Bebauungplans
(VBP), der die rückwärtige Bebauung des
Grundstücks und eine erhöhte
Geschossflächenzahl ermöglichen würde. Auf
diese Weise sollte das Projekt
„Katernbergstraße“ rentabler werden.
Aufgrund erkennbarer Widerstände in Politik und Nachbarschaft
gegen dieses Projekt sah sich C veranlasst, wiederum eng mit S zu
kooperieren, wobei C be-
11
- 8 -
reits zu diesem Zeitpunkt erkannte, dass der Einsatz von S nicht
kostenlos sein würde (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
S , der eine Verdichtung der Wohnbebauung im Innenbereich
gegenüber einer Zersiedelung der städtischen
Außenbereiche auch aufgrund eigener Überzeugung
befürwortete, setzte sich in der Folgezeit sowohl in der
SPD-Fraktion als auch im Rat und in seinen Ausschüssen
für das Projekt
„Katernbergstraße“ ein; es galt, durch
entsprechende Redebeiträge die notwendigen Mehrheiten zu
beschaffen. S s Bemühungen waren trotz kleiner
Verzögerungen erfolgreich. Der Rat der Stadt Wuppertal stimmte
schließlich in der Sitzung vom 18.09.2000 dem VBP in der von
C gewünschten Form zu. Gleichwohl konnte das Projekt
„Katernbergstraße“ dann zunächst
nicht wie geplant realisiert werden, weil das Oberverwaltungsgericht
Münster aufgrund eines von einem Nachbarn angestrengten
Normenkontrollverfahrens den VBP mit der Begründung aufhob,
dass der Schallschutz nicht ausreichend berücksichtigt worden
war und die Entwässerungsberechnung Unstimmigkeiten aufwies.
Die Geschosszahl wurde vom Oberverwaltungsgericht indes nicht
beanstandet. Nach Erlass des VBP vergab der Angeklagte C den
Statikauftrag an das Ingenieurbüro S und F .
12
Entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten wollte S für das
Projekt „Katernbergstraße“
nämlich selbst den Statik-Auftrag von C erhalten. Hiermit war
C , der aus Gründen der „politischen
Landschaftspflege“ ohnehin S mit der Statik beauftragen
wollte, einverstanden. S legte in der Folgezeit ein Angebot
über 119.000 DM vor, welches C , der zuvor Alternativangebote
über 40.000 DM und 65.000 DM eingeholte hatte, aber als weit
überteuert zurückwies. Daraufhin machte S deutlich,
dass er nicht bereit sei, die ganze Arbeit für dieses Projekt
nur für ein angemessenes Statikerhonorar zu erbringen; zu
einem solchen „Hungerlohn“ könne er nicht
arbeiten. C , der diese Äußerungen als Fingerzeig
dahin verstand, dass S die Bemühungen um
„passendes“ Baurecht zukünftig
stören
13
- 9 -
könnte, anstatt sie fördernd zu begleiten, willigte
schließlich in eine erhöhte Entlohnung des S ein.
Man einigte sich zunächst auf einen Betrag vom 64.500 DM
für den Statikauftrag. Daneben ließ S - in
bewährter Manier - über die BGSA unter dem 26.
März 2001 mit dem erdachten Verwendungszweck
„Grundlagenermittlung und Beratung Bebauungsplan der Deponie
Projekt Röttgenstraße“ weitere 44.600 DM
brutto in Rechnung stellen, die C am 12. April 2001 bezahlte. Diese
Vorgänge hat das Landgericht als Bestechung und
Bestechlichkeit dem Schuldpruch in Fall II. 2 der
Urteilsgründe zugrunde gelegt. Die an die BGSA gezahlten
Beträge verschwieg der Angeklagte S in seiner am 13. Dezember
2002 abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2001;
insoweit ist eine Veranlagung noch nicht erfolgt (versuchte
Einkommensteuerhinterziehung 2001). Ferner gab S für 2001
weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch eine
Umsatzsteuerjahreserklärung ab (Umsatzsteuerhinterziehung
2001).
d) Der Angeklagte S stand indes nicht nur dem Angeklagten C bei der
Realisierung von Bauvorhaben hilfreich zur Seite. Auch der aus
subjektiven Gründen freigesprochene frühere
Mitangeklagte Schn nutzte das Wissen und die Kontakte des Angeklagten S
. Ausschließlich für tatsächliche
Beraterleistungen für Projekte außerhalb Wuppertals
ließ S insgesamt drei Rechnungen der BGSA über
insgesamt 29.988 DM netto erstellen, die im Jahre 2000 von Schn bezahlt
wurden. Diese Zahlung verschwieg S wiederum in seiner am 29. April 2002
abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr
2000; auch insoweit wurde er
erklärungsgemäß veranlagt
(Einkommensteuerhinterziehung 2000).
14
3. Hinsichtlich des Angeklagten F hat das Landgericht folgende
Feststellungen getroffen: S und F hatten im Rahmen ihrer
langjährigen beruflichen Zusammenarbeit gemeinsam mehrere
Immobilien erworben. Die aus den Objekten erzielten
Mietüberschüsse wurden u. a. in Aktiendepots
angelegt, bei denen entweder F oder S förmlicher Kontoinhaber
und der jeweils andere Kontobevollmächtigter war. Eines die-
15
- 10 -
ser Depots mit einem Depotwert von 370.000 DM wurde bei der Sparkasse
Radevormwald-Hückeswagen als Instandhaltungsrücklage
unterhalten. Hier war S Kontoinhaber und F
Kontobevollmächtigter.
S und F hatten im Jahre 2001 mit Blick auf den anstehenden Ruhestand
und die damit verbundene Beendigung gemeinsamer Tätigkeit
beschlossen, die gemeinsamen Grundstücke aufzuteilen. Am
11.07.2001 ließen sie einen Grundstückstauschvertrag
beurkunden, der die Gesellschaft bürgerlichen Rechts de facto
liquidierte und der F - wegen der unterschiedlichen
Wertansätze bei den Grundstücken - einen
Wertausgleich von 125.000 DM gewährte. Dieser Wertausgleich
sollte durch die Eheleute S Ende August 2001 ausgekehrt werden.
16
Am 14.08.2001 erfuhr F im Urlaub, dass gegen S Untersuchungshaft
angeordnet worden war. F rechnete damit, dass der Staat in irgendeiner
Form Zugriff auf die Vermögenswerte des Angeklagten S nehmen
würde. Kurzerhand unterbrach F seinen Auslandsurlaub und
übertrug - in Absprache mit der Ehefrau des Angeklagten S -
den Bestand des auf S lautenden Depotkontos auf ein eigenes Konto, um
einen Zugriff auf die Depotwerte zu verhindern. F wollte das Depot
seines Partners „gesichert“ sehen, damit die
Durchsetzung seiner Ansprüche, die aus dem Depot realisiert
werden sollten, nicht durch den Zugriff des Staates im Rahmen des
Verfahrens gegen S gefährdet werde. Die einige Tage nach der
Umbuchung erfolgte Pfändung des Depotkontos aufgrund des am
23.08.2001 gegen S angeordneten dinglichen Arrests nach § 111d
StPO ging daraufhin ins Leere.
17
4. Das Landgericht hat eine Amtsträgereigenschaft des
Angeklagten S nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB bejaht und
dabei zusammengefasst namentlich darauf abgestellt, dass der Rat im
Wesentlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung
erfülle und daher eine Gleichbehandlung mit Bundes- oder
Landtagsabgeordneten - auch mit Blick auf die unterschiedli-
18
- 11 -
che statusrechtliche Ausgestaltung der Ämter - nicht angezeigt
sei. Auch § 108e StGB führe zu keiner anderen
Bestimmung des Amtsträgerbegriffs.
II.
Zur Revision des Angeklagten S :
19
Die Revision des Angeklagten S ist überwiegend
begründet.
20
1. Die Schuldsprüche wegen Bestechlichkeit und wegen
Vorteilsannahme in den Fällen II. 2 und II. 4 der
Urteilsgründe haben keinen Bestand. Der Angeklagte S hat sich
durch den Erhalt und das Fordern von Zahlungen im Zusammenhang mit
seiner Tätigkeit im Rat der Stadt Wuppertal nicht nach den
§§ 331 ff. StGB strafbar gemacht. Die Zahlungen an S
erfolgten nach den Feststellungen des Landgerichts allenfalls
für Abstimmungen S s in einer Volksvertretung der Gemeinde
(vgl. § 108e Abs. 1 StGB) oder für die Vorbereitung
solcher Abstimmungen; derartiges Verhalten ist nicht nach den
§§ 331 ff. StGB strafbar.
21
a) Kommunale Mandatsträger sind keine Amtsträger, es
sei denn, sie werden mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut, die
über ihre Mandatstätigkeit in der kommunalen
Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen
hinausgehen.
22
Amtsträger ist gemäß § 11 Abs. 1
Nr. 2 StGB, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist
(Buchstabe a), in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen
Amtsverhältnis steht (Buchstabe b) oder sonst dazu bestellt
ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in
deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet
der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform
wahrzunehmen (Buchstabe c). Diese
23
- 12 -
Voraussetzungen treffen auf kommunale Mandatsträger in der
Regel nicht zu.
- 13 -
aa) Kommunale Mandatsträger fallen nicht unter § 11
Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB. Sie stehen auch nicht in einem sonstigen
öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis
gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b StGB.
24
(1) Zwar lässt es der Wortlaut von § 11 Abs. 1 Nr. 2
lit. b StGB zu, kommunale Mandatsträger in der
Ausübung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit eigener Art
als Träger eines öffentlich-rechtlichen Amtes zu
verstehen (vgl. Rübenstahl HRRS 2006, 23, 33). Einem solchen
Verständnis stehen jedoch historische, systematische und
teleologische Argumente entgegen.
25
(2) Als in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen
Amtsverhältnis stehende Personen sollen nach dem Willen des
Gesetzgebers diejenigen Träger eines öffentlichen
Amts wie etwa Minister, Wehrbeauftragte, Notare oder Notarassessoren zu
verstehen sein, die in einem ähnlichen
öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis wie Beamte und
Richter stehen (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 7/550 S. 209);
darunter fallen Abgeordnete nicht (vgl. Tröndle/Fischer, StGB
53. Aufl. § 11 Rdn. 16; Dahs/Müssig NStZ 2006, 191,
192 m.w.N.). Bekräftigt hat der Gesetzgeber seinen
diesbezüglichen Willen in der Gesetzesbegründung zu
§ 108e StGB. Die systematische Einstellung des Tatbestands der
Abgeordnetenbestechung, der auch kommunale Mandatsträger
erfasst, im fünften und nicht im dreißigsten
Abschnitt des Besonderen Teils des StGB wurde damit begründet,
dass „… der Abgeordnete kein Amtsträger
ist“ (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/1630 und
12/5927, jeweils S. 5). Diese Nichtanwendbarkeit der Amtsdelikte,
insbesondere der Bestechungsvorschriften in §§ 331
ff. StGB auf kommunale Mandatsträger, war für den
Gesetzgeber der ausschlaggebende Grund, mit § 108e StGB einen
eigenen Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung zu schaffen (vgl.
Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/1630 und 12/5927, jeweils S.
3 ff.).
26
(3) Die systematische Auslegung spricht ebenfalls dagegen, kommunale
Mandatsträger als Amtsträger im Sinne von §
11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b StGB anzusehen. Das Strafgesetzbuch
unterscheidet zwischen zwei For-
27
- 14 -
men hoheitlichen Handelns, bei denen eine Einflussnahme durch
Vorteilszuwendungen und eine Beeinflussbarkeit durch Vorteilsannahme
strafbar ist: zwischen dem Stimmenkauf oder -verkauf im Zusammenhang
mit Wahlen oder Abstimmungen in den Volksvertretungen
(Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB) und der
Dienstausübung oder Diensthandlung von Amtsträgern
bzw. für den öffentlichen Dienst besonders
Verpflichteten (§§ 331 ff. StGB). Die Schaffung
dieser zwei unterschiedlichen Straftatbestände, die zudem
unterschiedlich verortet sind (§ 108e StGB im Abschnitt der
Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen,
die §§ 331 ff. StGB im Abschnitt der Straftaten im
Amt), spricht dafür, dass von § 108e StGB erfasste
Abgeordnete nicht gleichzeitig Amtsträger sind. Sonst
wäre die Schaffung einer Sonderstrafnorm für
Abgeordnete systematisch unverständlich (vgl. Deiters NStZ
2003, 453, 457; Marel StraFo 2003, 259, 261). Bestätigt wird
dieses Ergebnis durch die gesetzliche Gleichbehandlung der kommunalen
Abgeordneten mit den unstreitig nicht unter den
Amtsträgerbegriff fallenden Parlamentariern des Bundestages
und der Länderparlamente.
(4) Auch teleologische Argumente sprechen dagegen, kommunale
Mandatsträger als Amtsträger im Sinne von §
11 Abs. 1 Nr. 2 lit. b StGB anzusehen. Amtsausübung ist etwas
anderes als Mandatsausübung. Zwischen dem typischen
Verwaltungshandeln in behördlichen oder
behördenähnlichen Strukturen und dem politischen
Handeln in Volksvertretungen aufgrund eines freien Mandats gibt es
strukturelle Unterschiede, die eine differenzierte Behandlung beider
Handlungsformen öffentlicher Gewalt rechtfertigen
(ausführlich hierzu Nolte DVBl 2005, 870, 871 ff. m.w.N.).
Dies wird auch im Hinblick auf die handelnden Personen deutlich: Bei
Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung ist der
Entscheidungsträger grundsätzlich substituierbar;
seine Entscheidungsbefugnis kann regelmäßig in der
Verwaltungshierarchie delegiert oder von höherrangiger Stelle
evoziert werden. Das Amt ist nicht personengebunden, der
Amtsträger dafür aber zumeist weisungsgebunden. Im
Gegensatz dazu trifft der Abgeordnete aufgrund seines freien
28
- 15 -
Mandats im Plenum seiner Volksvertretung eine in diesem Sinne
„unvertretbare“ Entscheidung. Sein Amt ist
personengebunden, er kann seine Stimmabgabe nicht auf einen Vertreter
übertragen; kein anderer darf die Entscheidungsbefugnis des
Abgeordneten an sich ziehen. Gerade wegen der Unvertretbarkeit der
Entscheidung bei der Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung
spielen dabei auch legitime Partikularinteressen, für deren
Wahrnehmung der Mandatsträger in die Volksvertretung
gewählt wurde, eine wesentliche Rolle.
Die Unterschiede zwischen politischer Willensbildung in der
Volksvertretung einerseits und dienstlichem Verwaltungshandeln
andererseits betreffen auf der Ebene kommunaler Mandatsträger
weniger den Inhalt der Entscheidung, als vielmehr die Art und Weise des
Zustandekommens hoheitlicher Entscheidungen (vgl. Deiters NStZ 2003,
453, 456 f.; Nolte DVBl 2005, 870, 880). Inhaltlich macht es etwa
keinen Unterschied, ob die Entscheidung zum Erwerb eines
Wirtschaftsguts für die Gemeinde durch Abstimmung im
Gemeinderat fällt oder allein vom Bürgermeister
getroffen wird; das Zustandekommen der Entscheidung ist indes
verschieden.
29
bb) Kommunale Mandatsträger sind auch nicht
gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB sonst
dazu bestellt, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen
Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung wahrzunehmen. Zwar spricht viel dafür, dass
kommunale Mandatsträger Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB
wahrnehmen (dazu unter 1); es fehlt aber aufgrund ihres freien
politischen Mandats an der notwendigen Ein- oder Unterordnung in ein
Dienst- oder Auftragsverhältnis zur öffentlichen Hand
(dazu unter 2).
30
(1) Kommunale Volksvertretungen sind eher der Exekutive, nicht der
Legislative zuzuordnen. Die Gemeindevertretung ist im staatsrechtlichen
Sinne kein Parlament, sondern Organ einer
Selbstverwaltungskörperschaft (BVerfGE 78, 344, 348). Damit
gehört die Rechtsetzungstätigkeit der
31
- 16 -
Gemeinden trotz eines gewissen legislatorischen Charakters im System
der grundgesetzlichen Gewaltenteilung zum Bereich der Verwaltung und
nicht zum Bereich der Gesetzgebung (BVerwG NJW 1993, 411, 412; vgl.
auch BVerfGE 65, 283, 289; Rübenstahl HRRS 2006, 23, 28 ff.).
Die Willensbildung der Gemeindevertretung ist überwiegend auf
die praktische Erledigung konkreter Verwaltungsaufgaben gerichtet und
nicht - wie bei einem Parlament - auf den Erlass abstrakter Normen
(vgl. OLG Braunschweig MDR 1950, 629). Mitglieder kommunaler
Volksvertretungen werden bei der Entscheidung von Einzelfragen im
Rahmen der gemeindlichen Selbstverwaltung tätig, nicht als
originäre Gesetzgebungsorgane (vgl. zu dieser Unterscheidung
auch § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 StGB sowie § 353b Abs.
2 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 1 StGB).
Die vorliegend relevante Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen
(GO-NRW) folgt in ihren Bestimmungen über Aufgaben und
Funktion des Rates dieser Einteilung (vgl. § 2, § 40
und § 41 GO-NRW). Mit dieser staatsrechtlichen Einordnung
korrespondiert in gewissem Umfang auch die rechtliche Ausgestaltung des
Amtes der Ratsmitglieder in der GO-NRW (vgl. LG Krefeld NJW 1994, 2036,
2037; LG Köln StV 2003, 507, 508): Im Gegensatz zu
„echten“ Parlamentariern sind die Mitglieder des
Rates nach § 43 Abs. 2 i.V.m. § 30 GO-NRW zur
Verschwiegenheit verpflichtet. Die
Ausschließungsgründe in § 31 GO-NRW i.V.m.
§ 43 GO-NRW bestimmen, unter welchen Voraussetzungen
Ratsmitglieder - im Gegensatz zu „echten“
Parlamentariern - bei persönlicher Betroffenheit von der
Mitwirkung ausgeschlossen sind. Die Gemeindeordnung kennt auch keine
Immunität oder Indemnität der Mitglieder kommunaler
Volksvertretungen (vgl. Häger in LK 11. Aufl. § 36
Rdn. 30); ihnen steht - anders als den Abgeordneten des Bundestages und
der Länderparlamente - auch kein Zeugnisverweigerungsrecht
nach § 53 Abs. 1 Nr. 4 StPO zu.
32
(2) Kommunale Mandatsträger sind aber nicht dazu bestellt,
derartige öffentliche Aufgaben bei einer Behörde oder
sonstigen Stelle oder
33
- 17 -
in deren Auftrag wahrzunehmen. Der Mandatsträger handelt nicht
„im Auftrag“ einer Behörde. Er ist auch
nicht im Sinne der ersten Variante von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit.
c StGB „bei einer Behörde“ bestellt. Mit
diesem zusätzlichen Kriterium hat der Gesetzgeber deutlich
gemacht, dass die Erfüllung öffentlicher Aufgaben in
derartigen Fällen allein eine Amtsträgerstellung
nicht begründen kann, sondern der Betreffende durch
organisatorische Eingliederung in die Behördenstruktur eine
vergleichbare Stellung haben muss wie die in § 11 Abs. 1 Nr. 2
lit. a und b StGB genannten Beamten, Richter oder Personen, die in
einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis
stehen (vgl. BGHSt 43, 96, 104; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 11 Rdn.
27). Kommunale Mandatsträger nehmen bei der Tätigkeit
in den Volksvertretungen der Gemeinden ihre öffentlichen
Aufgaben jedoch nicht im Rahmen eines Dienst- oder
Auftragsverhältnisses, sondern in freier Ausübung
ihres durch Wahl erworbenen Mandats wahr (vgl. Marel StraFo 2003, 259,
261; Nolte DVBl 2005, 870, 871 f.; Dahs/Müssig NStZ 2006, 191,
193). Dies unterscheidet sie grundlegend von allen sonstigen unter
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB fallenden Personen. Mitglieder
kommunaler Volksvertretungen haben ein freies Mandat und keinen
Dienstherrn, sie sind an Weisungen nicht gebunden (vgl. § 43
Abs. 1 GO-NRW). Ihre Mitwirkungsrechte sind unmittelbar mit ihrer
Person verknüpft und sie unterfallen nicht dem
beamtenrechtlichen Disziplinarrecht. Dies hindert zwar nicht daran,
ihre inhaltliche Tätigkeit als Erledigung von Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung zu verstehen (vgl. Deiters NStZ 2003,
453, 457). Diese Umstände belegen aber, dass kommunale
Volksvertreter nicht in den von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB
vorausgesetzten behördlich-hierarchischen, sondern in
eigenbestimmtpolitischen Strukturen tätig werden.
Ein solches Verständnis entspricht dem Willen des
Gesetzgebers: Dieser wollte im Rahmen des § 11 Abs. 1 Nr. 2
lit. c StGB mit dem Begriff „bestellt“ lediglich
alle möglichen Arten von Dienst- und
Auftragsverhältnissen erfassen (Gesetzesbegründung
BT-Drucks. 7/550 S. 209); hierzu zählt jedoch das freie Mandat
des kommunalen Volksvertreters nicht. Für
34
- 18 -
diese Interpretation von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB
sprechen zudem die bereits oben unter aa) genannten sonstigen
systematischen, historischen und teleologischen Argumente.
cc) Europäisches Gemeinschaftsrecht und
völkerrechtliche Vereinbarungen enthalten keine bindenden
Vorgaben zur Frage, ob kommunale Mandatsträger
Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind:
35
Das Übereinkommen aufgrund von Art. K. 3 Abs. 2 lit. c des
Vertrages über die Europäische Union über
die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der
Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union beteiligt sind (ABl. C 195 vom 25. Juni
1997, S. 3 ff.), überlässt durch Verweis in Art. 1
lit. c die Regelung des Amtsträgerbegriffs dem
innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten. Das Übereinkommen
über die Bekämpfung der Bestechung
ausländischer Amtsträger im internationalen
Geschäftsverkehr (BGBl II 1998, 2329 ff.) definiert den
„ausländischen Amtsträger“ als
eine Person, „die in einem anderen Staat durch Ernennung oder
Wahl ein Amt im Bereich der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz
innehat“ (BGBl II 1998, 2330). Die deutsche Umsetzung dieses
Übereinkommens (Gesetz zu dem Übereinkommen vom 17.
Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung
ausländischer Amtsträger im internati-onalen
Geschäftsverkehr - IntBestG, BGBl II 1998, 2327 f.)
führt daher in § 2 IntBestG zu dem Ergebnis, dass die
Bestrafung der Bestechung eines ausländischen Abgeordneten
nach deutschem Strafrecht unter wesentlich weitergehenden
tatbestandlichen Voraussetzungen möglich ist als die
Bestrafung eines inländischen Abgeordneten nach §
108e StGB (vgl. dazu Möhrenschlager in Festschrift
für Ulrich Weber, 2004, S. 217, 228); das Verhältnis
der beiden Normen bei den von beiden Straftatbeständen
umfassten Mitgliedern des Europäischen Parlaments bleibt damit
unklar (vgl. auch Zieschang NJW 1999, 105). Die Criminal Law Convention
on Corruption des Europarats vom 27. Januar 1999
überlässt die Definitionsmacht im Hinblick auf den
36
- 19 -
Amtsträgerbegriff den Signatarstaaten (Art. 1 a der
Konvention), verlangt aber die Schaffung von Straftatbeständen
der aktiven und passiven Bestechung von Beamten (Art. 2 und 3 der
Konvention) sowie (Art. 4 der Konvention) der aktiven und passiven
Bestechung von Mitgliedern nationaler Volksvertretungen
(„domestic public assemblies“) mit legislativen
oder administrativen Kompetenzen (vgl. zum Ganzen und zu weitergehenden
völkerrechtlichen Abkommen unter der Ägide der UNO:
Möhrenschlager aaO S. 229 ff.).
b) Eine Strafbarkeit des Angeklagten S nach den §§
331 ff. StGB im Hinblick auf Vorteilszuwendungen für sein
Verhalten im Rat der Stadt Wuppertal und den zugehörigen
Ausschüssen sowie für sein Verhalten im Vorfeld
solcher Abstimmungen scheidet zudem auch deshalb aus, weil es sich bei
§ 108e StGB um eine abschließende Sonderregelung
für sämtliche Vorteilszuwendungen im Zusammenhang mit
Wahlen und Abstimmungen in den Volksvertretungen der Gemeinden und
Gemeindeverbände handelt (vgl. Marel StraFo 2003, 259, 260;
Dahs/Müssig NStZ 2006, 191, 195 f.; zu dieser Form von
„Spezialität“ im weiteren Sinne BGHSt 36,
100, 101 [Verhältnis § 370 AO zu § 263
StGB]; 32, 165, 176 [Verhältnis § 105 StGB zu
§ 240 StGB]; näher Rissing-van Saan in LK 11. Aufl.
vor §§ 52 ff. Rdn. 82 f. m.w.N.). Dies ergibt sich
aus der Gesetzessystematik, aus dem historischen Willen des
Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck von § 108e StGB:
37
aa) Schon die gesetzliche Unterscheidung zwischen zwei Formen
hoheitlichen Handelns, bei denen eine Einflussnahme durch
Vorteilszuwendungen und eine Beeinflussbarkeit durch Vorteilsannahme
strafbar ist (§ 108e StGB und §§ 331 ff.
StGB), durch Schaffung zweier systematisch in unterschiedlichen
Abschnitten befindlichen Straftatbestände spricht
dafür, dass die Formen der Einflussnahme oder
Beeinflussbarkeit bei hoheitlichen Entscheidungen nach dem Gesetz
jeweils unterschiedlich behandelt werden sollen. Wäre
§ 108e StGB neben den §§ 331 ff. StGB
prinzipiell anwendbar, käme es angesichts unterschiedlicher
Strafrahmen und überschneidender
38
- 20 -
Tatbestandsvoraussetzungen zu kaum lösbaren
Wertungswidersprüchen (vgl. Deiters NStZ 2003, 453, 454;
Heinrich NStZ 2005, 197, 202).
- 21 -
bb) Der historische Gesetzgeber hat § 108e StGB als
abschließende Sondernorm für Zuwendungen an
Mandatsträger auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene in Bezug
auf ihr Handeln in Wahlen und Abstimmungen in den Volksvertretungen
verstanden (vgl. Dahs/Müssig NStZ 2006, 191, 195 f.; Marel
StraFo 2003, 259, 261). Der Gesetzgeber ging in der
Gesetzesbegründung ausdrücklich davon aus, dass er
mit dem neuen Straftatbestand des § 108e StGB eine
„Sonderregelung“, einen „Sondertatbestand
der Abgeordnetenbestechung“ (Gesetzesbegründung
BT-Drucks. 12/1630 S. 6; 12/5927 S. 6) schafft. Mit der Sondernorm
sollten die Vorraussetzungen für eine Strafbarkeit der
Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit für alle
Mandatsträger des Deutschen Bundestags, der
Länderparlamente und der Volksvertretungen in den Gemeinden
und Gemeindeverbänden eng und abschließend geregelt
werden (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/1630 S. 6;
12/5927 S. 6; 12/6092 S. 6).
39
Eine Fassung des § 108e StGB im Sinne der damals geltenden
§§ 331 ff. StGB wurde mit der Begründung
abgelehnt, der Amtsträger solle eine Entscheidung im Rahmen
der maßgeblichen Rechtsvorschriften stets unparteiisch und
frei von unsachlichen Einflüssen treffen, während bei
der Ausübung von Stimmrechten im Parlament auch politische
Gesichtspunkte und Rücksichtnahmen eine Rolle spielten; es sei
nicht zu beanstanden, wenn bei der Stimmabgabe politische Zwecke
mitverfolgt würden, die dem eigenen Interesse des
Stimmberechtigten entgegenkämen. Weil bei zahlreichen
Abgeordneten die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen
Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als
Kandidat und die Interessenwahrnehmung auch außerhalb des
Parlaments Bestandteil des politischen Kräftespiels sei,
könnten die Voraussetzungen für die strafbare
Bestechung und Bestechlichkeit bei der Ausübung von
Stimmrechten nicht die gleichen sein wie bei der Tätigkeit von
Amtsträgern im öffentlichen Dienst
(Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/5927 S. 5). Bestechung und
Bestechlichkeit deshalb nur insoweit mit Strafe bedroht werden, als sie
sich auf eine konkrete Unrechtsvereinbarung hinsichtlich einer
künftigen Stimmabgabe
40
- 22 -
beziehen (BT-Drucks. 12/1630 S. 6; 12/5927 S. 6; 12/6092 S. 6). Alle
anderen Formen der Einflussnahme sollten dagegen
beabsichtigtermaßen straflos bleiben.
cc) Auch Sinn und Zweck des § 108e StGB sprechen für
ein Verständnis als abschließender Sonderregelung.
Nach § 108e StGB soll die Einflussnahme auf politische
Entscheidungen in geringerem Maße strafbar sein als bei der
Einflussnahme auf Verwaltungshandeln. Die politische Willensbildung auf
Gemeindeebene unterscheidet sich von der Rechtsanwendung der
öffentlichen Verwaltung wesentlich dadurch, dass erstere
zulässigerweise auch von Partikularinteressen beeinflusst
werden darf und letztlich politische Wertentscheidungen trifft,
während letztere vorhandene gesetzliche Wertentscheidungen
frei von parteipolitischen Gesichtspunkten nachzuvollziehen und
ausschließlich von den Interessen der Gesamtheit geleitet
umzusetzen hat (vgl. Rudolphi/Stein in SK-StGB 40. Lfg. § 11
Rdn. 21).
41
Im Sinne dieser Unterscheidung hat der Bundesgerichtshof für
ein bürgerliches Mitglied eines seinerzeit nach
Kontrollratsgesetz Nr. 18 eingerichteten kommunalen Wohnungsausschusses
die strafrechtliche Beamteneigenschaft bejaht, obwohl die
Hälfte der Mitglieder des Ausschusses zugleich Stadtverordnete
waren (BGHSt 8, 21, 23 f.). Der Bundesgerichtshof hat dies damit
begründet, dass der Wohnungsausschuss trotz seiner
Zusammensetzung keine politische Körperschaft, sondern ein
reines Verwaltungsorgan gewesen sei und als solches nicht
parteipolitischen Gesichtspunkten habe folgen, sondern sich
ausschließlich von den Interessen der Gesamtheit habe leiten
lassen dürfen.
42
c) Aus dem Dargelegten folgt: Erschöpft sich die
Tätigkeit eines kommunalen Mandatsträgers im Handeln
in Wahlen und Abstimmungen in der Volksvertretung selbst, in Teilen der
Volksvertretung wie den Fraktionen oder in den unmittelbar der
Volksvertretung zugehörigen Ausschüssen (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 108e Rdn. 3;
Lackner/Kühl, StGB 25.
43
- 23 -
Aufl. § 108e Rdn. 2), kommt lediglich eine Strafbarkeit nach
§ 108e StGB in Betracht. Gleiches gilt für die
Tätigkeit im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen in
Volksvertretungen, also etwa für die Einflussnahme auf andere
Ratsmitglieder und die sonstige Beteiligung an der politischen
Willensbildung auf Gemeindeebene. Wird der Mandatsträger
darüber hinaus mit konkreten Verwaltungsfunktionen auf
Gemeindeebene betraut, kommt allerdings grundsätzlich eine
Amtsträgerstellung und damit eine Strafbarkeit nach den
§§ 331 ff. StGB in Betracht (vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 11 Rdn. 23;
Lackner/Kühl aaO § 11 Rdn. 11; Radtke in
MünchKomm-StGB § 11 Rdn. 48; Gribbohm in LK 11. Aufl.
§ 11 Rdn. 37; Eser in Schönke/Schröder aaO
§ 11 Rdn. 23). Dies kann etwa der Fall sein bei Entsendung
oder Wahl eines Mitglieds einer kommunalen Volksvertretung in ein
anderes Gremium, das - wie etwa der Aufsichtsrat eines kommunalen
Versorgungsunternehmens - selbst keine Volksvertretung im Sinne von
§ 108e StGB ist. Gleiches gilt für die Mitgliedschaft
im einem nicht der kommunalen Volksvertretung unmittelbar
zugehörigen Ausschuss wie etwa in dem Verwaltungsausschuss
nach der niedersächsischen Gemeindeordnung (vgl. OLG Celle MDR
1962, 671). Dieser Ausschuss ist nach der Konzeption des
niedersächsischen Kommunalrechts kein organinterner Ausschuss
des Rates und damit letztlich nicht der Volksvertretung auf
Gemeindeebene zugehörig. Mit dieser spezifischen Ausgestaltung
des niedersächsischen Kommunalrechts korrespondiert die
Tatsache, dass für den Fall der Verhinderung bei der
Stimmabgabe in diesem Gremium Regelungen für die Vertretung
bei der Stimmabgabe getroffen sind (vgl. § 56 Abs. 3 Satz 2
GO-Niedersachsen).
Bei Zweifelsfällen kann für die Abgrenzung zwischen
bloßer Mitwirkung an der politischen Willensbildung in der
gemeindlichen Volksvertretung einerseits und dem Betrautsein mit der
Erfüllung konkreter Verwaltungsaufgaben auf kommunaler Ebene
andererseits insbesondere auf zwei Kriterien zurückgegriffen
werden: Zum einen ist zu fragen, ob der Mandatsträger in der
konkreten Entscheidungssituation ersetzbar ist oder ob es rechtlich
zwingend auf seine persönliche Entscheidung ankommt. Zum
anderen ist
44
- 24 -
zu untersuchen, ob die Entscheidung inhaltlich eher dem politischen
oder dem verwaltenden Bereich zuzuordnen ist; dies bestimmt sich
danach, ob die zur Entscheidungsfindung Berufenen
ausschließlich den Interessen der Gesamtheit verpflichtet
sind oder sich auch von (partei-)politischen Gesichtspunkten leiten
lassen dürfen (vgl. BGHSt 8, 21, 23 f.).
d) Im Ergebnis bleibt nach dem Willen des Gesetzgebers damit eine Reihe
von Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Vorteilszuwendungen an
kommunale Mandatsträger straflos:
45
Strafbar nach § 108e Abs. 1 StGB ist lediglich das Unternehmen
des Stimmenkaufs und -verkaufs. Die Tathandlung muss also zumindest im
Versuch einer ausdrücklichen oder konkludenten
Unrechtsvereinbarung in Bezug auf ein künftiges
Abstimmungsverhalten in einer Volksvertretung der Gemeinden oder
Gemeindeverbände durch das Angebot oder das Fordern von
Vorteilen bestehen (näher Tröndle/Fischer aaO
§ 108e Rdn. 6 ff.). Die Abgeordnetenbestechung nach §
108e StGB erfasst deshalb - anders als die §§ 331,
333 StGB - nicht das „Anfüttern“ im Sinne
der Vorteilszuwendung für allgemeine Gewogenheit beim
Verhalten in Wahlen und Abstimmungen, sondern nur eine konkrete
„Unrechtsvereinbarung“ (Stimmenkauf und -verkauf).
Deshalb können allgemeine oder belohnende Zuwendungen an
kommunale Mandatsträger nur strafbar sein, wenn sie zumindest
auch einem von §§ 331 ff. StGB erfassten
Verwaltungshandeln gelten und nicht nur dem politischen Handeln in
Wahlen und Abstimmungen innerhalb der Volksvertretung bzw. bei deren
Vorbereitung. Straflos sind bei § 108e StGB im Gegensatz zu
§§ 331 ff. StGB auch nachträgliche
„belohnende“ Zuwendungen für ein
bestimmtes Abstimmungsverhalten in der Volksvertretung (vgl.
Laufhütte/Kuschel in LK 11. Aufl. § 108e Rdn. 7).
Nachträgliche Zuwendungen können allerdings ein
gewichtiges Beweisanzeichen für eine vorherige
ausdrückliche oder konkludente Unrechtsvereinbarung sein.
46
e) Die gesetzliche Regelung der Abgeordnetenbestechung
47
- 25 -
führt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers
dazu, weite Teile von als strafwürdig empfundenen
Manipulationen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen in
Volksvertretungen der Gemeinden und Gemeindeverbände straflos
zu stellen. Der Senat sieht hier gesetzgeberischen Handlungsbedarf: In
allen anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens
hat das gewandelte öffentliche Verständnis einer
besonderen Sozialschädlichkeit von Korruption zu einer
erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit von korruptivem Verhalten
geführt (insbesondere durch das
Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 BGBl I S.
2038). Diese Entwicklung ist bislang an dem Tatbestand der
Abgeordnetenbestechung vorbeigegangen (vgl. auch Geerds JR 1996, 309,
312; de With Kriminalistik 1997, 400). Der Straftatbestand des
§ 108e StGB wird deshalb vielfach als praktisch bedeutungslose
„symbolische Gesetzgebung“ angesehen, die mit der
Überschrift nur auf den ersten Blick - und namentlich der
Öffentlichkeit - vortäuscht, dass Abgeordnete unter
dem Gesichtspunkt der Bestechungsdelikte den Amtsträgern
wenigstens annähernd gleichgestellt wären (vgl.
Häger in LK 11. Aufl. § 36 Rdn. 5 und 12a; Barton NJW
1994, 1098, 1100; Tröndle/Fischer aaO § 108e Rdn. 2).
Indes zeigen gerade Fälle wie der vorliegende, dass die
Tatbestandsfassung nicht ausreicht, um alle strafwürdigen
korruptiven Verhaltensweisen - insbesondere auf kommunaler Ebene - zu
erfassen. Weil sich der Inhalt der Tätigkeit einer kommunalen
Volksvertretung in Teilbereichen kaum von der kommunalen
Verwaltungstätigkeit unterscheidet, kommt es gerade in diesem
Bereich durch die vom Gesetzgeber gewollte Sonderstellung des
§ 108e StGB zu einer Reihe von Wertungswidersprüchen
(vgl. LG Köln NStZ-RR 2003, 364). Im Zusammenhang mit der
ohnehin aufgrund internationaler Abkommen notwendigen Modifizierung des
Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung (näher hierzu
Zypries StraFo 2004, 221, 224) sollte der Gesetzgeber deshalb nach
Auffassung des Senats für entsprechende Abhilfe sorgen,
insbesondere auch hinsichtlich einer Einbeziehung kommunaler
Mandatsträger in strafbewehrte Verschwiegenheitspflichten
(vgl. § 203 Abs. 2 StGB).
- 26 -
f) Auf dieser Grundlage ergibt sich für den Angeklagten S ein
Freispruch im Fall II. 4 der Urteilsgründe und eine Aufhebung
des Schuldspruchs einschließlich der zugehörigen
Feststellungen im Fall II. 2 der Urteilsgründe:
48
aa) Die Feststellungen des Landgerichts tragen eine Verurteilung des
Angeklagten S nach den §§ 331 ff. StGB in den
Fällen II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe nicht. Das
Landgericht hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte S in diesen
Fällen über seine Mandatstätigkeit hinaus
konkrete Verwaltungsfunktionen auf Gemeindeebene wahrgenommen und
dafür Zuwendungen vom Angeklagten C erhalten hätte.
Das festgestellte Verhalten des Angeklagten S erschöpfte sich
vielmehr in der Einflussnahme auf sowie in der Teilnahme an
Abstimmungen in einer gemeindlichen Volksvertretung, also in einem
lediglich von § 108e StGB erfassten Tun.
49
bb) Der Senat spricht den Angeklagten S im Fall II. 4 der
Urteilsgründe (Vorwurf der Vorteilsannahme) frei (§
354 Abs. 1 StPO). Die Sache ist entscheidungsreif. Der Senat kann
ausschließen, dass das Landgericht zur Annahme der
Voraussetzungen des § 108e StGB gekommen wäre, wenn
es einen rechtlich zutreffenden Ausgangspunkt gewählt
hätte, und dass insoweit eine neue Hauptverhandlung noch
weitere Aufschlüsse erbringen könnte. Eine konkrete -
wenigstens konkludente und zumindest versuchte - Unrechtsvereinbarung
im Sinne des Unternehmens eines Stimmenkaufs oder -verkaufs nach
§ 108e Abs. 1 StGB ist nach den vom Landgericht im Rahmen der
Prüfung der §§ 331 ff. StGB getroffenen
Feststellungen ausgeschlossen, weil die Zahlungen an S in diesem
Zusammenhang nach Auffassung des Landgerichts lediglich ganz allgemein
der „politischen Landschaftspflege“ galten. Solches
„Anfüttern“ kommunaler
Mandatsträger ist jedoch nicht nach § 108e Abs. 1
StGB strafbar (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 108e Rdn.
7).
50
- 27 -
cc) Im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Bestechlichkeit) hebt der
Senat hingegen die Verurteilung des Angeklagten S mit den
zugehörigen Feststellungen auf. Nach den bisherigen
Feststellungen des Landgerichts gerade zum Vorlauf und zur Einbettung
der gegenseitigen Beziehungen in ein Geflecht von Zuwendungen und
Vorteilserwartungen kann eine neue Verhandlung möglicherweise
zur Feststellung eines wenigstens konkludenten Stimmenverkaufs im Sinne
von § 108e Abs. 1 StGB führen.
51
g) Für die neue Hauptverhandlung zu Fall II. 2 der
Urteilsgründe weist der Senat auf Folgendes hin:
52
Im Rahmen von § 108e Abs. 1 StGB, der keinen
grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 108e Rdn. 1), sind an die
Feststellung einer (zumindest konkludenten) Unrechtsvereinbarung (bzw.
von deren vom Unternehmensdelikt erfassten Versuch) keine
höheren Anforderungen zu stellen als bei der Bestechlichkeit
bzw. Bestechung von Amtsträgern im Rahmen von
§§ 332, 334 StGB. Erforderlich ist lediglich die
Feststellung, dass dem Empfänger ein Vorteil zumindest auch um
eines bestimmten künftigen Abstimmungsverhaltens willen zugute
kommen soll, der Vorteil also nach dem ausdrücklichen oder
stillschweigenden Einverständnis der beiden Beteiligten seinen
Grund gerade in der zukünftigen Wahl oder Abstimmung in der
Volksvertretung hat und damit „Äquivalent“
oder „Entgelt“ für das
Abstimmungsverhalten ist (vgl. BGHR StGB § 334
Unrechtsvereinbarung 2). Das zukünftige Abstimmungsverhalten
muss nach der Vorstellung und dem Willen der Beteiligten zwar
hinreichend bestimmt sein, die Anforderungen an die Bestimmtheit
dürfen aber auch nicht überspannt werden. Es
genügt, wenn das ins Auge gefasste Abstimmungsverhalten nach
seinem sachlichen Gehalt in groben Umrissen erkennbar und festgelegt
ist (vgl. BGHR StGB § 332 Abs. 1 Satz 1 Unrechtsvereinbarung
4). Wenn - wie hier - über einen längeren Zeitraum
hin einseitig Zuwendungen an einen Mandatsträger geflossen
sind, die ihn für die Sache des Zuwendenden (im Sinne des von
§ 331 StGB erfassten
„Anfütterns“) einnehmen
53
- 28 -
sollen, wird eine konkludente Unrechtsvereinbarung jedenfalls dann nahe
liegen, wenn sich die erwartete Gegenleistung durch ein bestimmtes
Projekt konkretisiert. Weil bei derartigen Beziehungen mit einseitig
materiellen Zuwendungen stets zumindest konkludent die Erwartung einer
konkreten Gegenleistung im Raum steht, kann der Schluss auf ein
zumindest konkludentes Unternehmen eines Stimmenkaufs oder -verkaufs
häufig schon dann tragfähig sein, wenn es im
Zusammenhang mit einem derartigen Zuwendungsgeflecht zu einem
für den Vorteilsgeber konkret vorteilhaften Verhalten vor oder
in Wahlen und Abstimmungen in den kommunalen Volksvertretungen oder den
zugehörigen Ausschüssen durch den
Mandatsträger kommt.
Ob sich der Mandatsträger innerlich vorbehält, sein
Abstimmungsverhalten nicht durch die Zuwendung beeinflussen zu lassen,
ist für die Strafbarkeit unerheblich (Tröndle/Fischer
aaO § 108e Rdn. 10). Entscheidend sind insoweit nicht innere
Vorbehalte, sondern der vom Vorsatz erfasste äußere
Erklärungswert des Verhaltens. Wer nach außen seine
Stimme für eine Wahl oder Abstimmung in einer kommunalen
Volksvertretung gegen Vorteilszuwendungen
„verkauft“, kann sich nicht darauf berufen, er habe
sowieso im Sinne des Zuwendenden stimmen oder überhaupt nicht
an der Stimmabgabe teilnehmen wollen, sich schließlich der
Stimme enthalten oder sogar dagegen gestimmt.
54
2. Die Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung in sechs
Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung sind
rechtsfehlerfrei. Auch die Strafaussprüche halten im Ergebnis
sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
55
a) Hinsichtlich der Schuldsprüche bedürfen lediglich
die Verurteilungen wegen Umsatzsteuerhinterziehung näherer
Erörterung. Zu Recht hat das Landgericht für die
Steuerjahre 1996 und 2001 insoweit eine Verpflichtung des Angeklagten S
zur Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen nach §
18 Abs. 3 UStG angenommen. Die pflichtwidrige Nichtabgabe der
Umsatzsteuerjahreserklärung führt zur Strafbarkeit
nach § 370 Abs. 1 Nr.
56
- 29 -
2 AO. Die regelmäßigen Bemühungen des
Angeklagten S in seiner Eigenschaft als Ratsmitglied im Interesse des
Bauunternehmers C stellen sich als entgeltlich erbrachte
Dienstleistungen und damit als steuerbare Umsätze im Sinne von
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG dar.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der
Umsatzsteuer u. a. sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Rahmen
seines Unternehmens ausführt, die einen wirtschaftlichen Wert
haben und Gegenstand eines Leistungsaustausches sind (vgl. BFH BStBl.
II 1969, 637 f.; 1973, 171, 172).
57
Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG ist derjenige, der
eine Tätigkeit nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen
selbständig ausübt, wobei die gesamte gewerbliche
oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers erfasst wird. Die
Tätigkeit eines Abgeordneten in einem Parlament ist nicht ohne
weiteres dem umsatzsteuerrechtlichen Unternehmensbegriff zuzuordnen
(vgl. Klenk in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuer Stand:
1.09.2005 § 2 UStG Rdn. 180); indes kann dies nur für
die von der Verfassung vorgesehene eigentliche
Mandatstätigkeit im Interesse der Allgemeinheit gelten. Die
darüber hinausgehende von eigenem wirtschaftlichen Interesse
geleitete politische Tätigkeit zur Bevorzugung Einzelner
unterliegt den allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Kriterien.
58
Danach bestimmt sich der Begriff der Selbständigkeit nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten und dem Gesamtbild der
Verhältnisse (Klenk aaO Rdn. 72); Nachhaltigkeit im
umsatzsteuerrechtlichen Sinne liegt bei jeder auf Wiederholung
angelegten Tätigkeit vor (Klenk aaO Rdn. 158). Die vom
Angeklagten S erbrachten Leistungen bestanden in den über
Jahre hinweg erbrachten Hilfestellungen für den Investor C bei
der Entwicklung einzelner Bauvorhaben sowie der Aufbereitung der
dafür erforderlichen politischen Entscheidungen im Rat bereits
im Vorfeld der Abstimmungen wie auch in der Beschaffung von Mehrheiten
bei den Abstimmungen
59
- 30 -
selbst. Die durch die regelmäßigen Zahlungen des C
veranlassten Aktivitäten stellten sich nicht als der
Allgemeinheit verpflichtete Abgeordnetentätigkeit dar, sondern
als von eigenem wirtschaftlichen Interesse gelenkte
Unternehmertätigkeit, die als solche der Umsatzsteuer
unterfällt (vgl. allgemein zu Schmiergeldzahlungen BFH,
Beschl. vom 13. Januar 1997 - V B 102/96; FG Nürnberg EFG
1995, 502; FG Niedersachsen EFG 1997, 182; FG Hamburg EFG 1990, 542; FG
München EFG 2003, 965).
Dem steht nicht entgegen, dass auf Veranlassung des Angeklagten S die
BGSA - vertreten durch seinen Sohn -
„steuerehrlich“ war und die unter dem Briefkopf der
BGSA erstellten Rechnungen zur Grundlage ihrer eigenen
Umsatzsteuererklärungen machte. Denn insoweit handelte es sich
um eine Scheinfirma, die ausschließlich dazu diente, die
Schmiergeldzahlungen zu verschleiern. Die Umsatzsteuerpflicht
hinsichtlich der vom Landgericht festgestellten Rechnungen der BGSA
folgte demnach aus § 14 Abs. 3 a.F. UStG (nunmehr: §
14c UStG) und nicht aus § 1 Abs. 1 UStG, weil seitens der BGSA
keine Leistungen gegenüber C oder anderen Personen erbracht
worden waren. Allerdings hat das Landgericht zu Recht diese von der
BGSA erfolgten Steuerzahlungen strafmildernd berücksichtigt.
60
b) Die Bestimmung des Schuldumfangs hinsichtlich der
Einkommensteuerhinterziehungen ist hingegen nicht frei von
Rechtsfehlern.
61
aa) Mit Blick auf die Zahlung von 90.000 DM netto aus dem Projekt
„Radenberg“ (vgl. oben II. 2. a) vermag der Senat
dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch mit
hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass dieser Betrag dem
Veranlagungszeitraum 1995 zuzurechnen ist.
62
bb) Im Übrigen gilt hinsichtlich der
Einkommensteuerhinterziehungen Folgendes: Rechtsfehlerfrei festgestellt
hat das Landgericht zusätzli-
63
- 31 -
che Einkünfte des Angeklagten S aus gewerblicher
Tätigkeit im Sinne des § 15 EStG. Demnach
hätte das Landgericht die Berechnung der hinterzogenen Steuern
an sich auf der Grundlage einer Gewinnermittlung nach den
§§ 4 ff. EStG vornehmen müssen.
Darüber hinaus hätte das Landgericht bei der
Bestimmung des Umfangs der übrigen
Einkommensteuerhinterziehungen nicht auf die in den Rechnungen
ausgewiesenen Bruttobeträge abstellen, sondern nur die
Beträge ohne Umsatzsteuer in seine Berechnung einstellen
dürfen. Der Senat schließt indes angesichts der sehr
moderaten Einzelgeldstrafen (10 bis 80 Tagessätze) und der
milden Gesamtgeldstrafe aus, dass ein neues Tatgericht auch bei
entsprechend verringertem Schuldumfang rechtsfehlerfrei noch geringere
Geldstrafen verhängen könnte.
III.
64
Zur Revision des Angeklagten C :
Die Revision des Angeklagten C ist begründet. Eine
Strafbarkeit des Angeklagten C wegen Bestechung (§ 334 StGB)
oder Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) scheidet aus den
zur Revision des Angeklagten S erörterten Gründen
aus. Hinsichtlich des unter II. 4 der Urteilsgründe
festgestellten Geschehens ist die Sache wie bei dem Angeklagten S aus
den dort ausgeführten Gründen im Sinne von §
354 Abs. 1 StPO entscheidungsreif. Bei dem Projekt
„Katernbergstraße“ (Fall II. 2 der
Urteilsgründe) wird der neue Tatrichter das Geschehen nunmehr
wie bei dem Angeklagten S unter dem Gesichtspunkt einer
möglichen Strafbarkeit nach § 108e Abs. 1 StGB zu
prüfen haben.
65
- 32 -
IV.
Zur Revision des Angeklagten F :
66
Die Revision des Angeklagten F ist begründet.
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Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass im
Verhalten des F eine Strafvereitelung in Form der
Maßnahmevereitelung nach § 258 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu
Gunsten des S gesehen werden kann (vgl. zur
Maßnahmevereitelung BGH wistra 2004, 186). Voraussetzung
jeder Strafvereitelung ist aber, dass zum Zeitpunkt der Tathandlung ein
staatlicher Anspruch auf Strafe oder Anordnung einer Maßnahme
besteht (Tröndle/Fischer aaO § 258 Rdn. 2). Der auf
den Verdacht der Bestechlichkeit gestützte Arrestbeschluss des
Amtsgerichts Wuppertal vom 23.08.2001 und der im angefochtenen Urteil
angeordnete Verfall von Wertersatz bieten aber aus den zur Revision des
Angeklagten S erörterten Gründen hierfür
derzeit keine tragfähige Grundlage. Die gegen den Angeklagten
S angeordnete Maßnahme ist mit der Aufhebung der Verurteilung
des Angeklagten S weggefallen.
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Sollte das neue Tatgericht im Lichte des § 108e StGB zu
Schuldfeststellungen bezüglich der Handlungen des Angeklagten
S im Zusammenhang mit dem Projekt
„Katernbergstraße“ gelangen, wird es bei
der Be-
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stimmung des Schuldumfangs der Strafvereitelung durch F zu bedenken
haben, dass F im Innenverhältnis zu S Eigentümer der
ideellen Hälfte des Wertpapierdepots war.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Schaal |