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BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 1 StR 137/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 1 StR 137/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 137/02
vom
9. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
9. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten M. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das
Urteil des Landgerichts Ansbach vom 22. November
2001
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß die Angeklagten
in den Fällen II. 26 bis 37 der Urteilsgründe
des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem
Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in zwölf Fällen schuldig sind,
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in 37 Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei
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Jahren verurteilt. Die Angeklagten K. , S. und M. hat es wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, jeweils
in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie den Angeklagten
K. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in einem
weiteren Fall zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren verurteilt. Die
Vollstreckung der Jugendstrafe und der Freiheitsstrafen hat das Landgericht
zur Bewährung ausgesetzt. Im übrigen hat es die Angeklagten A. ,
K. und S. freigesprochen. Ferner hat es den Angeklagten die
Fahrerlaubnis entzogen bei einer Sperrfrist von jeweils einem Jahr. Die Staatsanwaltschaft
erstrebt in den Fällen II. 26 bis 37 eine Verurteilung der Angeklagten
nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Sie beanstandet zudem beim Angeklagten
K. die unterbliebene Festsetzung einer Einzelstrafe im Fall II. 38.
Schließlich wendet sie sich gegen die Strafaussetzungen zur Bewährung. Die
Rechtsmittel haben überwiegend Erfolg.
In den Fällen II. 26 bis 37 der Urteilsgründe haben sich die Angeklagten
des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in zwölf Fällen schuldig gemacht.
1. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte A. in der Zeit
von Juli 1999 bis März 2000 von einem Verkäufer Marihuana und Heroin und
veräußerte das Rauschgift gewinnbringend weiter (Fälle II. 1 bis 25). Ab Sommer
2000 erkannten die drei Angeklagten K. , S. und M. , die
mit A. bekannt waren und die selbst Heroin konsumierten, daß bei derartigen
Rauschgiftgeschäften nicht unerhebliche Einnahmen zu erzielen waren.
Die Angeklagten kamen überein, über A. s Kontakte auch für sich selbst
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Heroin zu erwerben, das sie nach Aufteilung in eigener Verantwortung und in
eigener Planung an unbekannte Abnehmer zur Finanzierung ihres Eigenbedarfs
selbständig verkaufen wollten. A. sollte den Erwerb organisieren
und das Rauschgift in Begleitung eines der drei Angeklagten abholen, um es
sogleich nach der Rückfahrt gleichmäßig an alle vier zu verteilen. Zur Finanzierung
des jeweiligen Einkaufs stellte jeder der vier Angeklagten eine bestimmte
Geldsumme zur Verfügung. A. fuhr in elf Fällen, etwa im zwei- bis dreiwöchigen
Abstand, zu seinem Lieferanten. Er wurde dabei jeweils von einem
der drei Mitangeklagten begleitet, so daß M. , S. und K. jeweils
drei- bis viermal als Begleiter mitfuhren. In einem weiteren Fall verabredete
A. den Kauf; die Abwicklung erfolgte in diesem Fall durch die Angeklagten
S. und M. . Nachdem alle Angeklagten in zehn Fällen jeweils
1.000 DM und in zwei Fällen jeweils 1.200 DM zum Heroinerwerb beigesteuert
hatten, erwarben sie zehnmal 40 Gramm Heroin zum Preis von 4.000
DM und zweimal 60 Gramm zum Preis von 6.000 DM. Nach der Rückkehr teilten
die vier Angeklagten das Rauschgift absprachegemäß sofort anteilmäßig
auf. Davon schnupften S. , K. und M. etwa die Hälfte der
jeweils erhaltenen Heroinmenge von zehn oder fünfzehn Gramm - die stets einen
Heroinhydrochloridanteil von zehn Prozent aufwiesen - selbst, während sie
die andere Hälfte in erster Linie auch zur Finanzierung ihres Eigenbedarfs zu
unterschiedlichen Grammpreisen von 150,- bis 200,- DM an eine Vielzahl von
Abnehmern verkauften (UA 13).
Das Landgericht hat sowohl hinsichtlich der Handelsmengen als auch
hinsichtlich der für den Eigenverbrauch bestimmten Mengen ein Handeltreiben
als auch den Besitz einer nicht geringen Menge im Sinne des § 29a Abs. 1
Nr. 2 BtMG verneint. Den Angeklagten könnten nur die auf sie selbst entfalle-
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nen Mengen (10 g bei dem Einkauf von 40 g und 15 g bei dem Einkauf von
60 g) zugerechnet werden. Da die anteiligen Mengen zudem noch bei den Angeklagten
S. , K. und M. zur Hälfte, beim Angeklagten
A. zu einem geringen Teil zum Eigenverbrauch bestimmt waren, sei in
keinem Fall die nicht geringe Menge von 1,5 g HHC - sowohl was die Handelsmenge
(Handeltreiben nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) als auch die für den
Eigenverbrauch (Besitz nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) bestimmte Menge angeht
- erreicht worden.
2. Die nur anteilsmäßig erfolgte Zurechnung der jeweiligen Mengen
(Handelsmenge und Eigenverbrauch) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Da die Angeklagten als Mittäter handelten, mußte ihnen sowohl für das Handeltreiben
als auch für den Besitz die Gesamtmenge jeder Einkaufsfahrt zugerechnet
werden.
a) Soweit es die Handelsmenge angeht, ergibt sich die Zurechnung
schon daraus, daß der Sammelkauf der Gesamtmenge im gemeinsamen Interesse
aller Angeklagten lag. Sie konnten so ihre Transportkosten reduzieren
und ersichtlich konnten sie wegen der größeren Menge das Heroin auch günstiger
einkaufen.
b) Sie übten aufgrund des arbeitsteiligen Vorgehens auch gemeinsam
Besitz an der für den Eigenverbrauch bestimmten Gesamtmenge aus. Sie hatten
einen gemeinsamen Besitzwillen. Daran ändert auch der Umstand nichts,
daß bei dem Ankauf und bei dem Transport nicht stets alle vier Angeklagten
unmittelbar mitgewirkt haben.
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3. Der Senat kann den Schuldspruch umstellen, da weitergehende Feststellungen
nicht zu erwarten sind.
Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der in den Fällen
II. 26 bis 37 festgesetzten Einzelstrafen, der Gesamtstrafen und der beim Angeklagten
A. verhängten Jugendstrafe. Da der Senat nicht ausschließen
kann, daß der dargelegte Rechtsfehler auch den Ausspruch über die Entziehung
der Fahrerlaubnis beeinflußt hat, war der gesamte Rechtsfolgenausspruch
aufzuheben.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Jugendkammer wird Gelegenheit
haben zu prüfen, ob die Angeklagten auch gewerbsmäßig im Sinne von
§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG gehandelt haben. Diese Strafzumessungsregel
kann auch beim Vorliegen des Verbrechenstatbestandes nach § 29a Abs. 1
Nr. 2 BtMG Bedeutung haben (BGH NStZ 1994, 39). Von Bedeutung kann ferner
sein, daß zumindest bei den drei Angeklagten S. , K. und
M. der Eigenkonsum wesentliches Motiv für die Beschaffung und den Handel
mit den Betäubungsmitteln war.
Nack Wahl Boetticher
Kolz Hebenstreit



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