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BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 5 StR 42/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
StGB §§ 227, 22, 23
Der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge
in Form eines "erfolgsqualifizierten Versuchs" ist
möglich.
BGH, Urt. v. 9. Oktober 2002 - 5 StR 42/02
LG Cottbus -
5 StR 42/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
- 2 -
6.
7.
8.
wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
- 3 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 9. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt S ,
Staatsanwältin K
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger für den Angeklagten B ,
Rechtsanwalt Kl
als Verteidiger für den Angeklagten D ,
Rechtsanwalt Hi
als Verteidiger für den Angeklagten T ,
Rechtsanwalt N
als Verteidiger für den Angeklagten Ka ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger für den Angeklagten Ha ,
- 4 -
Rechtsanwalt Kn
als Verteidiger für den Angeklagten Sc ,
Rechtsanwalt M
als Verteidiger für den Angeklagten P ,
Rechtsanwalt Na
als Verteidiger für den Angeklagten He ,
Rechtsanwalt Bl ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin C ,
Rechtsanwältin Gi
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 5 -
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Nebenklägers M G
wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13. November
2000 dahin geändert, daß die Angeklagten B , D
, T und Ka im Fall B. VII. der Urteilsgründe
wegen der gegen F G begangenen Tat
statt einer fahrlässigen Tötung der tateinheitlich begangenen
versuchten Körperverletzung mit Todesfolge schuldig
sind.
2. Auf die Revisionen des Nebenklägers Kab wird das vorbezeichnete
Urteil dahin geändert, daß die genannten Angeklagten
und der Angeklagte Ha im Fall B. VII. der
Urteilsgründe auch der tateinheitlich begangenen versuchten
gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil dieses
Nebenklägers schuldig sind.
3. Auf die Revisionen der Angeklagten Sc und
He wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß
diese Angeklagten im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen
der gegen F G begangenen Tat statt einer
fahrlässigen Tötung der versuchten Körperverletzung mit
Todesfolge in Tateinheit unter anderem mit versuchter
gefährlicher Körperverletzung (Tat zum Nachteil des Nebenklägers
Kab ) schuldig sind.
4. Die Schuldsprüche lauten hiernach wie folgt:
Der Angeklagte B ist schuldig der versuchten Körperverletzung
mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperver-
- 6 -
letzung, mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung
sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen.
Der Angeklagte D ist schuldig der versuchten Körperverletzung
mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung
und mit Nötigung.
Der Angeklagte T ist schuldig der versuchten Körperverletzung
mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung
und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes
in Tateinheit mit räuberischer Erpressung
sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen
Körperverletzung.
Der Angeklagte Ka ist schuldig der versuchten Körperverletzung
mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung
und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes
in Tateinheit mit räuberischer Erpressung.
Der Angeklagte Ha ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung
in Tateinheit mit versuchter gefährlicher
Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen
Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung
sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Freiheitsberaubung
in Tateinheit mit Bedrohung und mit gefährlicher
Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Kör-
- 7 -
perverletzung sowie des Diebstahls sowie des versuchten
Diebstahls.
Der Angeklagte Sc ist schuldig der versuchten
Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung
und mit Nötigung sowie des erpresserischen
Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung,
sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung sowie des Diebstahls.
Der Angeklagte P ist schuldig der gefährlichen
Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher
Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte He ist schuldig der versuchten Körperverletzung
mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung,
mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung
sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie
der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren
ohne Fahrerlaubnis.
5. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
6. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten die Kosten
und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 74
JGG). Die Nebenkläger M G und Kab tragen
- 8 -
die Kosten ihrer Revisionen; jedoch wird die Gebühr um
ein Drittel ermäßigt.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung
in Tateinheit mit Nötigung und mit fahrlässiger Tötung - letzteres gilt
nicht für die Angeklagten Ha und P - sowie wegen anderer Delikte
zu Jugendstrafen verurteilt (B : zwei Jahre; D : ein Jahr zwei Monate;
T : zwei Jahre acht Monate; Ka : ein Jahr; Ha : zwei Jahre;
Sc : ein Jahr sechs Monate; He : ein Jahr sechs Monate). Die
Vollstreckung der Jugendstrafen hat es, mit Ausnahme der gegen die Angeklagten
B und T verhängten Strafen, zur Bewährung ausgesetzt.
Den Angeklagten P hat das Landgericht verwarnt und ihm Auflagen
sowie Weisungen erteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten - mit
Ausnahme des Angeklagten Ha - und die Nebenkläger M G
(als Bruder des Getöteten F G ) sowie Kab (als Geschädigter)
Revision eingelegt. Die Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der
Nebenkläger - beschränkt auf die Entscheidung über die zu ihren Lasten
bzw. zu Lasten ihrer Angehörigen von den damals Heranwachsenden begangenen
Taten - führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung der
Schuldsprüche, im übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.
A.
Dem angefochtenen Urteil liegen - neben den Feststellungen zu anderen
Taten - insbesondere folgende Feststellungen betreffend das Tatgeschehen
in der Nacht zum 13. Februar 1999 zugrunde (siehe B. VII. der Urteilsgründe,
UA S. 54 ff.):
- 9 -
In dieser Nacht besuchten der Angeklagte He , der rechtskräftig
Verurteilte Ba und der Zeuge Pe die Diskothek „Dance-Club“ in
Guben. Alsbald gerieten sie dort in einen Streit mit mehreren vietnamesischen
Besuchern, der in eine tätliche Auseinandersetzung vor der Diskothek
mündete. In deren Verlauf, es war etwa 2.30 Uhr, griff der Zeuge J N
, ein kubanischer Staatsangehöriger mit dunkler Hautfarbe, zu einem flachen
metallischen Gegenstand, der auch eine Machete gewesen sein kann.
Als er damit auf die deutschen Jugendlichen zurannte, flüchteten diese. Er
lief hinter dem Zeugen Pe her, erreichte diesen und schlug ihm mit
dem Gegenstand auf den Rücken. Bei der weiteren Flucht zog sich der Zeuge
Pe eine Prellung des Kniegelenks und eine oberflächliche Rißwunde
zu. Im Laufe der nächsten beiden Stunden trafen der Angeklagte
He und der rechtskräftig Verurteilte Ba in der Nähe der Diskothek auf
die weiteren Angeklagten B , Ha , Ka , R , Sc und
T sowie den gesondert Verfolgten Ku und berichteten ihnen, daß
sie von Ausländern bedroht und von Vietnamesen mißhandelt worden seien.
„In erregter Stimmung gegenüber dem Ausländer ‚J ‘, gegenüber Vietnamesen
und gegenüber Ausländern im allgemeinen“ entschlossen sich die
Angeklagten, den Kubaner auf eigene Faust zu suchen und zu ergreifen. Allen
war bewußt, daß sie dabei Gewalt anwenden und die Person auch möglicherweise
verletzen würden; auch die später hinzukommenden Angeklagten
D und P erklärten sich damit einverstanden.
Alsbald nachdem diese nunmehr aus elf Personen bestehende Gruppe
mit den, von den Angeklagten R , T und Ka geführten
Fahrzeugen losgefahren waren, sahen die Angeklagten B und He in
der Nähe der Diskothek die Zeugin Ga . Da sie annahmen, daß diese „mit
Ausländern Bekanntschaften pflege“, sprangen beide aus den Wagen und
liefen auf die Zeugin zu. Sie riefen dabei sinngemäß: „Wir haben dir was mitgebracht
- Hass, Hass, Hass - Ausländer raus!“ und schütteten ihr dann Bier
über den Kopf. Nach Rückkehr in die Fahrzeuge setzten die Angeklagten die
Suche nach dem Kubaner fort. Dabei schrieen die Angeklagten B und
- 10 -
He weiterhin ausländerfeindliche Parolen; die Stimmung wurde durch das
lautstarke Abspielen von Musikkassetten mit fremdenfeindlichen Texten
weiter geschürt.
In dieser Situation - es war etwa 4.40 Uhr - bemerkten die Angeklagten
drei Ausländer: die Zeugen (und Nebenkläger) Be und Kab , sowie
den später verstorbenen F G , die nach dem Besuch des „Dance-
Clubs“ auf dem Heimweg waren. Die Fahrer bremsten auf Höhe der Ausländer
die Autos scharf ab. Die Angeklagten B und He sowie weitere
Angeklagte stürmten laut schreiend aus den Fahrzeugen auf die Ausländer
zu. Diese ergriffen beim Anblick der zum Teil mit sogenannten Bomberjacken
und Springerstiefeln bekleideten Angeklagten angstvoll die Flucht zurück in
Richtung Diskothek. Mittels der PKW, in die diese Angeklagten wieder eingestiegen
waren, setzten sie die Verfolgung fort. Nach ca. 50 bis 100 m überholten
sie die Flüchtlinge und bremsten die Wagen direkt vor ihnen ab, um
den Weg zur Diskothek zu verstellen. Die Ausländer sahen, daß wiederum
mehrere Angeklagte aus den Fahrzeugen sprangen - darin verblieben neben
den Fahrern nur die Angeklagten Ha und P sowie der rechtskräftig
Verurteilte Ba - und auf sie zuliefen. Aus Angst und in Panik liefen sie
nunmehr in unterschiedliche Richtungen davon. Die Verfolger teilten sich
entsprechend auf: Während Kab und F G durch die Angeklagten
B und He verfolgt wurden, liefen der rechtskräftig verurteilte Ku
sowie die Angeklagten Sc und D hinter Be her;
als Ku diesen eingeholt hatte, versetzte er ihm mehrere Tritte, so daß
das Opfer während des Laufs wiederholt zu Fall kam und schließlich gegen
ein geparktes Auto stürzte, wobei er sich eine blutende Kopfwunde zuzog;
ein in Richtung des Opfers geworfener Pflasterstein verfehlte dieses. Erst
jetzt erkannte Ku an der Hautfarbe des am Boden Liegenden, daß es
nicht der gesuchte Kubaner war. Er und die beiden anderen Angeklagten
ließen vom Opfer ab und kehrten zu den Fahrzeugen zurück. Die Angeklagten
B und He hatten hingegen die weitere Verfolgung der beiden anderen
Flüchtenden nach „einigen Metern“ abgebrochen, weil sie sie aus den
- 11 -
Augen verloren hatten oder ihnen deren Vorsprung mittlerweile zu groß erschien.
Ihre Suche nach den beiden weiteren gaben die Angeklagten jedoch
nicht auf.
Indessen wähnten Kab und F G die Verfolger noch hinter
sich. Sie liefen zu einem etwa 200 m von dem letzten Haltepunkt der PKW
entfernten Mehrfamilienhaus. Da F G die Haustür nicht öffnen
konnte, trat er in Todesangst die untere Glasscheibe der Tür ein. Dabei oder
beim anschließenden Durchsteigen verletzte er sich an den im Türrahmen
verbliebenen Glasresten; er zog sich eine 8,5 cm tiefe Wunde am rechten
Bein und die Verletzung einer Schlagader zu. Binnen kurzer Zeit verblutete
das Opfer.
B.
Die Revisionen der Nebenkläger Kab und M G führen zu
der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung des Schuldspruchs bei den Angeklagten,
die die Taten vom 13. Februar 1999 (Tatkomplex B. VII.) als Heranwachsende
begangen haben (vgl. § 80 Abs. 3 JGG). Im übrigen bleiben
diese Rechtsmittel ohne Erfolg.
I. Die Verfahrensrügen der Nebenkläger sind zum Teil unzulässig, weil
sie nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt worden sind,
im übrigen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Die von der Revision des Nebenklägers Kab erhobene Aufklärungsrüge
ist unzulässig. Die Revision rügt, daß die Jugendkammer versäumt
habe, den Psychiater Dr. H als Sachverständigen zu physischen
und psychischen Folgen, die die Geschädigten Kab und Be infolge
der zu ihrem Nachteil begangenen Taten erlitten hätten, zu vernehmen. Diese
Beweiserhebung hätte sich nach dem Akteninhalt, insbesondere den von
diesem Sachverständigen erstellten und zur Sachakte genommenen schriftli-
- 12 -
chen Gutachten aufgedrängt. Indes versäumt die Revision, eben diese Gutachten
mitzuteilen. Zudem verschweigt die Revision, daß Dr. H in der
Hauptverhandlung als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist (Protokollband
IV, Bl. 812).
2. Entgegen der Ansicht des Nebenklägers M G liegt ein absoluter
Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 6 StPO nicht vor.
Die Revision teilt nicht mit, daß die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme
über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten bereits durch den
Beschluß vom 6. Juli 2000 ausgeschlossen worden war (Protokollband IV,
Bl. 881, 888). Dieser Beschluß umfaßte damit auch die Einlassung des Angeklagten
Ku vom 17. Juli 2000 zu dessen persönlichen Verhältnissen.
Es kann hiernach offenbleiben, ob nicht bereits § 80 Abs. 3 JGG zum Ausschluß
der Rüge führen müßte, da der gerügte Öffentlichkeitsausschluß im
unmittelbaren Zusammenhang mit der Vernehmung eines zur Tatzeit jugendlichen
Angeklagten stand.
Der weitere Vortrag der Revision, der Angeklagte Ha habe am
17. Juli 2000 zur Sache in nichtöffentlicher Sitzung ausgesagt, ist nicht bewiesen,
findet insbesondere im Protokoll der Hauptverhandlung keine Stütze.
Es trifft zwar zu, daß die Öffentlichkeit zuvor allein für die Beweisaufnahme
über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen worden
war. Indes hat der Angeklagte Ha an diesem Tag nach erfolgtem Ausschluß
keine Angaben zur Sache gemacht. In der Sitzungsniederschrift heißt
es insoweit (Protokollband IV, Bl. 905): „Der AK Ha äußerte sich zu den
persönlichen Verhältnissen (Anlage 8 zum Protokoll)“. Zwar enthält die Anlage
8, auf die hier hingewiesen wird (Protokollband IV, Bl. 918 ff.), in einem
eigenen Abschnitt auch Ausführungen zur Sache. Doch ist die darin enthaltene
Sacheinlassung ersichtlich schon früher abgegeben worden. Denn unmittelbar
vor Öffentlichkeitsausschluß - auch dies teilt die Revision nicht mit
- hat sich der Angeklagte ausweislich des Protokolls bereits zur Sache ge-
- 13 -
äußert. Der spätere Hinweis im Protokoll auf die Anlage 8 bezieht sich mithin
allein auf die dort enthaltenen Angaben zur Person.
Die weitergehende Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes
- betreffend die Vernehmung des Zeugen Z - hat ebenfalls keinen
Erfolg, da schon das Beweisthema, zu dem der Zeuge gehört worden ist,
nicht mitgeteilt wird. Hiernach kann nicht beurteilt werden, ob die Frage an
den Zeugen, was er unter „rechtsextrem“ verstehe, und die damit in unmittelbarem
Zusammenhang stehenden Verfahrensvorgänge (vgl. dazu BGHR
StPO § 338 Nr. 6 Ausschluß 2 m. w. N.) der Aufklärung der persönlichen
Verhältnisse der Angeklagten dienten. Dienten sie diesem Zweck, wäre der
Ausschluß der Öffentlichkeit auf Grundlage des oben genannten Beschlusses
vom 6. Juli 2000 gerechtfertigt gewesen.
3. Der Nebenkläger M G rügt ferner, daß die Jugendkammer
dem Zeugen Pe - bei der Beantwortung der Frage, ob er oder
andere, die in der Tatnacht in seiner Wohnung gewesen seien, dem „nationalen
Widerstand“ angehörten - zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht
gemäß § 55 StPO zugebilligt habe (§ 244 Abs. 2, § 245 StPO). Die Rüge
ist unbegründet. Eine unzutreffende Beurteilung der Verfolgungsgefahr im
Sinne des § 55 StPO in tatsächlicher Hinsicht ist im Revisionsverfahren
grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. BGHSt 10, 104, 105; BGHR StPO § 55
Abs. 1 Auskunftsverweigerung 10, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen;
Lemke in HK-StPO, 3. Aufl. § 55 Rdn. 10). Rechtsfehler, die zu einer
unzutreffenden Anwendung des § 55 Abs. 1 StPO geführt haben könnten,
sind nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß
überhaupt beruhen könnte, kommt es daher nicht mehr an.
4. Jedenfalls unbegründet ist auch die Rüge, das Fragerecht der Nebenklage
sei dadurch in unzulässiger Weise verkürzt worden, daß das Gericht
Fragen an den als sachverständigen Zeugen vernommenen Dr. H
(s. o. B. I. 1.) - über Befundtatsachen zu psychischen Folgen der Taten hin-
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aus - zu etwaigen Schlußfolgerungen nicht zugelassen habe. Eine Verletzung
der §§ 240, 241, 397 Abs. 1 Satz 3 StPO ist damit nicht dargetan.
Die Annahme der Revision, Dr. H hätte vorliegend zwingend als
Sachverständiger vernommen werden müssen, mit der Folge, daß er auch
zu etwaigen Schlußfolgerungen hätte befragt werden dürfen, geht fehl. Im
Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO und
gegebenenfalls nach Maßgabe der § 244 Abs. 3 bis 5, § 245 StPO bestimmt
grundsätzlich allein der Tatrichter den Umfang der Beweisaufnahme. Sofern
die genannten Vorschriften nicht zu einer weiteren Beweisaufnahme zwingen,
steht es im Ermessen des Gerichts zu bestimmen, mit Hilfe welcher
Beweismittel Beweis erhoben werden soll. Dabei hindert ein - wie hier - früher
erteilter Sachverständigenauftrag das Gericht nicht, einen Sachverständigen
später ausschließlich als Zeugen, somit auch nur zu von ihm wahrgenommenen
Tatsachen zu vernehmen (vgl. dazu BGH GA 1976, 78, 79). Dies
hat der Bundesgerichtshof für den erfolgreich als befangen abgelehnten
Sachverständigen wiederholt entschieden (BGHSt 20, 222, 224; BGH
NStZ 2002, 44; StV 2002, 4, 5). Fragen, die - wie vorliegend - reine Werturteile
und Schlußfolgerungen betrafen, waren somit nicht zulässig und durften
als „ungeeignet“ zurückgewiesen werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner,
StPO 45. Aufl. § 241 Rdn. 15; Vor § 48 Rdn. 2, 3).
5. Auch die sich inhaltlich anschließende Aufklärungsrüge des Nebenklägers
M G (Revisionsbegründung S. 151 f.) ist unbegründet.
Denn originäre Beweismittel zur Feststellung etwaiger Tatfolgen waren die
beiden als Zeugen gehörten Nebenkläger. Zudem ist der Psychiater
Dr. H zu den bei den Explorationen von ihm wahrgenommenen Tatsachen
ergänzend als sachverständiger Zeuge vernommen worden, so daß
etwaige nach Vernehmung der Geschädigten verbliebene Aufklärungsdefizite
jedenfalls beseitigt werden konnten. Konkrete Angaben zu dem verstorbenen
Geschädigten hätte er ohnehin nicht machen können. Soweit die Revision
darauf hinweist, daß mit Hilfe eines Sachverständigen als Folgen der Tat
- 15 -
„posttraumatische Belastungsstörungen im Sinne des ICD-10 F 43.1“ (vgl.
Dilling/Mombour/Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen,
4. Aufl.) hätten festgestellt werden können, war dies jedenfalls bei dem
Geschädigten F G auszuschließen, da dieser innerhalb kürzester
Zeit an den Folgen der Verletzungen verstorben war.
6. Keinen Erfolg haben auch die weiteren Rügen, mit denen der Nebenkläger
M G die Verletzung seines Frage- und Beweisantragsrechts
rügt.
a) In der Hauptverhandlung fragte eine der Nebenklägervertreterinnen
den Sachverständigen Dr. Sch , ob ihm anläßlich der Begutachtung des
Angeklagten He - zur Tatzeit noch Jugendlicher - eine freundschaftliche
Beziehung zu dem Angeklagten B - zur Tatzeit Heranwachsender - mitgeteilt
worden sei. Der Vorsitzende und das nach Beanstandung seiner Anordnung
angerufene Gericht wiesen die Frage zurück, da die Nebenklage
bezüglich des Angeklagten He nicht zugelassen und eine Befragung des
Gutachters daher nicht möglich sei. Die Rüge der Verletzung des Fragerechts
dringt nicht durch (§ 240 Abs. 2, § 241, § 397 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Bei der (früher getroffenen) Entscheidung über die nur partielle Zulassung
der Nebenkläger hat sich die Jugendkammer ersichtlich an den vom
Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen orientiert. Hiernach ist in verbundenen
Verfahren vor den Jugendgerichten die Nebenklage zulässig, soweit
sie sich nicht gegen den Jugendlichen richtet. Dies hat der Bundesgerichtshof
für nach § 103 Abs. 1 JGG verbundene Verfahren ausdrücklich entschieden
(BGHSt 41, 288; BGH NStZ 1997, 97; zur Gegenansicht vgl. Eisenberg,
JGG 9. Aufl. § 80 Rdn. 13, 13a). Da nach § 109 JGG die Regelung
des § 80 Abs. 3 JGG auf Heranwachsende keine Anwendung findet, gilt der
genannte Grundsatz auch für verbundene Verfahren gegen Jugendliche und
Heranwachsende (Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 109 Rdn. 6; Kleinknecht/
Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. Vor § 395 Rdn. 6; Senge in KK 4. Aufl.
- 16 -
§ 395 Rdn. 18; jeweils m. w. N.). Indes hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich
betont, daß das Nebeneinander von Jugendlichen einerseits und Erwachsenen
andererseits im gleichen Verfahren nicht zu einer Beeinträchtigung
der - das Jugendstrafrecht beherrschenden - erzieherischen Belange
führen darf (BGHSt aaO S. 292). Daraus folgt, daß in Fällen gegenläufiger
Interessen zwischen Nebenklage und Jugendlichen - etwa bei Ausübung
des Frage- und Beweisantragsrechts zur Aufklärung des Vorwurfs gemeinsamer
Tatbegehung von Jugendlichen und Heranwachsenden/Erwachsenen
- im Zweifel der Position des Jugendlichen Vorrang einzuräumen ist (vgl.
Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 80 Rdn. 1a; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO
25. Aufl. Vor § 395 Rdn. 14 f.).
Die Entscheidung des Tatgerichts, die Frage der Nebenklage zurückzuweisen,
läßt hiernach keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
Zwar war die Frage der Nebenklage nicht unmittelbar an einen zur Tatzeit
noch jugendlichen Angeklagten, sondern an den Sachverständigen gerichtet,
doch diente sie ersichtlich (jedenfalls auch) dem Zweck, Informationen über
die persönlichen Verhältnisse des bei Begehung der Tat jugendlichen Angeklagten
He zu gewinnen. Sie war somit potentiell geeignet, dem mit § 80
Abs. 3 JGG verfolgten Zweck zuwiderzulaufen.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Jugendkammer habe zu Unrecht
die Vernehmung des Leiters der Polizeiwache Guben zum Inhalt von
Ermittlungsverfahren abgelehnt, die gegen einzelne Angeklagte wegen weiterer
Vorwürfe geführt worden seien (§ 244 Abs. 3 StPO). Allerdings trifft die
Auffassung des Landgerichts nicht zu, die Unschuldsvermutung stehe der
Einführung etwaiger Nachtaten im Strengbeweisverfahren grundsätzlich entgegen
(vgl. BGHSt 34, 209; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl.
Art. 6 MRK Rdn. 156; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 261 Rdn. 7). Gleichwohl hat
die Rüge keinen Erfolg, da die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptungen
auf der Hand liegt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit
12, 14). Soweit im Beweisantrag behauptet wird, daß sich
- 17 -
der Angeklagte He fünf Stunden nach der Schändung eines für den Verstorbenen
aufgestellten Gedenksteines mit weiteren Personen in einem Auto
befunden habe, auf dem ein Hakenkreuz geschmiert gewesen sei, läßt dies
keinen Rückschluß darauf zu, daß er an dem genannten Geschehen teilgenommen
hat; gleiches gilt für die Behauptung, daß die Polizei nach einer
weiteren Schändung des Gedenksteines „einen der hier Angeklagten“ - eine
nähere Individualisierung erfolgt im Antrag nicht - festgenommen habe.
c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Vernehmung des Zeugen
Dr. Hä mit der Begründung abgelehnt, das im Beweisantrag näher bezeichnete
Beweisthema sei bereits erwiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO); die
Urteilsgründe stehen zu diesem Beweisergebnis nicht in Widerspruch (vgl.
BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 erwiesene Tatsache 1). Ein Fehler liegt
auch nicht darin, daß sich die Strafkammer mit dem Ergebnis im Urteil nicht
auseinandersetzt. Eine Erörterung von für „erwiesen“ erklärten Tatsachen ist
in den Urteilsgründen nicht zwingend erforderlich, zumal da die Beweiserhebung
auch über nicht erhebliche Tatsachen mit dieser Begründung abgelehnt
werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 244 Rdn. 57).
7. Der Revisionsführer rügt weiter einen Verstoß gegen das Gebot der
„erschöpfenden Beweiswürdigung“ aus § 261 StPO (vgl. Engelhardt in KK
4. Aufl. § 261 Rdn. 49 f.), da einzelne in der Hauptverhandlung erzielte Beweisergebnisse
im Urteil nicht erörtert worden seien (vgl. Revisionsbegründung
F G S. 36 - 132).
Diese Rügen sind bereits unzulässig. Denn die Revision kann grundsätzlich
nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich
mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt,
wenn sich diese Aussage nicht aus dem Urteil selbst ergibt. Denn die Ergebnisse
der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen, ist allein Sache
des Tatrichters; der dafür bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über das
Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet
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das Revisionsgericht. Eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist ihm
grundsätzlich verwehrt (BGHSt 38, 14, 15; 43, 212, 213).
Dies gilt letztlich auch für die gemäß § 254 StPO in die Hauptverhandlung
eingeführten Vernehmungsniederschriften. Zwar ist der Inhalt von
in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden im Revisionsverfahren regelmäßig
rekonstruierbar (vgl. BGHSt 43, 212, 214). Doch legt die Revision entgegen
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dar, daß die verlesenen Protokolle
zum Zeitpunkt der Urteilsberatung noch beweiserheblich waren. Der Tatrichter
muß aber nur die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen beweiserheblichen
Umstände in den Urteilsgründen erörtern. Ob der Inhalt einer
Aussage zu diesem Zeitpunkt beweiserheblich war, läßt sich nur aus
dem Inbegriff der gesamten Hauptverhandlung aufgrund des persönlichen
Eindrucks vom Beweiswert der Beweismittel beurteilen. Ein Widerspruch
zwischen den Bekundungen verschiedener Beweispersonen kann sich durch
eine einfache Erklärung einer dieser Personen oder durch sonstige Beweismittel
für alle Verfahrensbeteiligten zweifelsfrei gelöst haben, so daß kein
Anlaß für seine Darlegung in den Urteilsgründen mehr bestand (vgl. BGHR
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 5, 6; Schäfer StV 1995, 147,
156 f.).
8. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der geltend gemacht
wird, das Tatgericht hätte die Zeugen Ky und No angesichts
ihrer bisherigen Angaben und der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme
nochmals hören müssen. Die Revision legt nicht dar, welcher Aufklärungsgewinn
durch die wiederholte Vernehmung zu erzielen gewesen wäre. Auch
die weiteren Aufklärungsrügen sind unzulässig, da sie das jeweilige Ergebnis,
das von den begehrten Beweiserhebungen zu erwarten gewesen wäre,
nicht mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit behaupten (vgl. BGHR
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1, 4, 6, 9; Sarstedt/Hamm, Revision
im Strafverfahren 6. Aufl. Rdn. 554 f.).
- 19 -
II. Die sachlich-rechtlichen Einwendungen der Nebenkläger haben dagegen
zum Teil Erfolg.
Die Angeklagten haben sich durch die zum Nachteil der Geschädigten
begangenen Taten nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung (Vorgehen
gegen Be ) in Tateinheit mit Nötigung, sondern tateinheitlich dazu auch
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4,
§§ 22, 23 StGB (Vorgehen gegen Kab ) und - ausgenommen die Angeklagten
Ha und P - in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung
mit Todesfolge gemäß §§ 227, 22, 23 StGB (Vorgehen gegen F G
) schuldig gemacht. Im übrigen ist das sachlich-rechtliche Vorbringen der
Nebenkläger unbegründet.
1. Das Landgericht hat die Begehung versuchter Körperverletzungen
zum Nachteil von F G und Kab verneint, da die Angeklagten zu
diesen weiteren Delikten noch nicht „unmittelbar angesetzt“ hätten (§ 22
StGB). Das ist rechtsfehlerhaft.
Für ein unmittelbares Ansetzen ist nicht erforderlich, daß der Täter bereits
ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen
vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals
vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden.
Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auch auf Handlungen,
die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen
sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang
mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum
„jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht
mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt,
so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes
übergeht (vgl. BGHSt 28, 162, 163; 26, 201, 202 ff.; BGH NStZ 2000, 422;
1999, 395, 396).
- 20 -
Es kann dabei offenbleiben, ob die Angeklagten etwa bereits mit dem
ersten Bremsmanöver und dem folgenden Hinausspringen aus den Fahrzeugen
unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben. Spätestens
mit dem zweiten Halt, der Verfolgung der Flüchtenden zu Fuß und dem weiteren,
dem Verhalten der Flüchtenden angepaßten arbeitsteiligen Vorgehen
haben die Angeklagten die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten;
eines weiteren „Willensimpulses“ oder „Willensrucks“ zur Umsetzung ihrer
Pläne bedurfte es hiernach nicht mehr, was auch durch die unmittelbar folgende
Mißhandlung des Geschädigten Be belegt wird.
2. Der für die Vollendung eines Körperverletzungsdeliktes nach
§§ 223 ff. StGB erforderliche Verletzungserfolg ist - entgegen der Ansicht
der Nebenkläger - bei den Geschädigten Kab und F G nicht
eingetreten. Im Hinblick auf die Schnitt- und Stichverletzungen des F
G haben die Angeklagten jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt.
Zwar weisen die Nebenkläger zu Recht darauf hin, daß die Verfolgung
bei den Opfern Angst- und Panikgefühle ausgelöst hätten. Jedoch genügen
solche rein psychische Empfindungen nicht, um eine Körperverletzung im
Sinne des § 223 StGB zu begründen. Dafür spricht neben dem Wortlaut dieser
Vorschrift auch § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB, der zwischen der Gefahr einer
erheblichen Schädigung der körperlichen und der seelischen Entwicklung
ausdrücklich unterscheidet. Vielmehr liegt in diesen Fällen eine Körperverletzung
nur dann vor, wenn die psychischen Einwirkungen den Geschädigten in
einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzt haben
(vgl. nur BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2, insoweit in
BGHSt 41, 285 nicht abgedruckt; BGH NStZ 1997, 123; 1986, 166; NStZRR
2000, 106). Ungeachtet der Frage, ob auch „posttraumatische Belastungsstörungen“
(sub I. 5.) einen „pathologischen, somatisch objektivierbaren
Zustand“ begründen können, hat das Landgericht solche Störungen weder
ausdrücklich festgestellt, noch sind sie dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe zu entnehmen.
- 21 -
Die Stich- und Schnittverletzungen, die sich F G bei der
Flucht zugezogen hat und die innerhalb kürzester Zeit zu seinem Tod geführt
haben, sind von den Angeklagten nicht vorsätzlich herbeigeführt worden.
Angesichts der gesamten Tatumstände liegt insoweit eine wesentliche Abweichung
zwischen vorgestelltem und tatsächlich eingetretenem Kausalverlauf
vor (vgl. BGHSt 38, 32, 34; 37, 106, 131; 7, 325, 329).
3. Die genannten Angeklagten haben sich darüber hinaus auch wegen
versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. § 227 StGB
setzt unter anderem voraus, daß der Tod der verletzten Person „durch die
Körperverletzung (§§ 223 bis 226)“ verursacht worden ist, wobei dem Täter
hinsichtlich dieser Tatfolge Fahrlässigkeit zur Last fallen muß (§ 18 StGB).
a) Dabei reicht es nicht aus, daß zwischen der Körperverletzungshandlung
und dem Todeserfolg überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang
besteht, die Körperverletzung also nicht hinweggedacht werden kann, ohne
daß damit zugleich der Tod des Verletzten entfiele. § 227 StGB soll allein der
mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden
Todesfolge entgegenwirken. Die genannte Vorschrift erfaßt deshalb nur
solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode
des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muß sich im tödlichen Ausgang
niedergeschlagen haben (BGHSt 31, 96, 98; BGHR StGB § 227 [i.d.F.
6. StrRG] Todesfolge 1; BGH NStZ 1992, 335; NJW 1971, 152, 153).
Eine solche deliktsspezifische Gefahr kann auch schon von der bloßen
Körperverletzungshandlung ausgehen (BGHSt 14, 110, 112; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; aA Hirsch in LK 11. Aufl.
§ 227 Rdn. 4 ff.; Küpper in FS H. J. Hirsch [1999] S. 615 ff.; jeweils m. w. N.).
Der Wortlaut der Bestimmung steht einer solchen Auslegung nicht entgegen
(BGHSt 14, 110, 112; Tröndle GA 1962, 225, 238). Auch der Gesetzgeber ist
dieser Rechtsprechung nicht entgegengetreten. Vielmehr hat er § 227 Abs. 1
StGB durch den Zusatz „(§§ 223 bis 226)“ ergänzt (vgl. BGBl 1998 I 164),
- 22 -
ohne - was im Sinne der sogenannten Letalitätstheorie (vgl. Hirsch und Küpper
aaO; Roxin Strafrecht AT Bd. 1, 3. Aufl. § 10 Rdn. 115; jeweils m. w. N.)
dann aber angezeigt gewesen wäre - die in §§ 223, 224, 225 StGB enthaltenen
versuchten Körperverletzungsdelikte (jeweils Abs. 2) vom Anwendungsbereich
des § 227 StGB auszunehmen (vgl. Rengier, Strafrecht BT II 4. Aufl.
§ 16 Rdn. 4; aA Kühl in 50 Jahre Bundesgerichtshof Festgabe Bd. IV S. 237,
255). Verwirklicht sich die von der Körperverletzungshandlung ausgehende
Gefahr und führt dies zum Tod des Opfers, kann die Anwendbarkeit des
§ 227 StGB ferner nicht davon abhängen, ob darüber hinaus ein vorsätzlich
herbeigeführter Körperverletzungserfolg eingetreten ist, da dieser für den
Unrechtsgehalt der Tat allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein kann
(aA zur Rechtslage vor der Versuchspönalisierung in § 223 Abs. 2 StGB
[BGBl 1998 I 164]: BGH NJW 1971, 152 ohne Begründung und nicht tragend).
Mithin ist der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge auch in
Form eines „erfolgsqualifizierten Versuchs“ möglich. Es gilt insoweit nichts
anderes als bei sonstigen erfolgsqualifizierten Delikten wie beim Raub mit
Todesfolge nach § 251 oder bei der Brandstiftung mit Todesfolge nach
§ 306c StGB (vgl. BGHSt 7, 37; BGHSt 46, 24; BGHR StGB § 251 Todesfolge
3; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 18 Rdn. 4; Stree in Schönke/
Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 5 m. w. N.; differenzierend Ferschl,
Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim erfolgsqualifizierten Delikt
1999 S. 128 ff.).
b) Eine solche im Rahmen der Körperverletzung mit Todesfolge nach
§ 227 StGB spezifische Gefahr ging von den Handlungen der genannten Angeklagten
aus und führte zum Tod des F G . Der erforderliche
Zurechnungszusammenhang wurde auch nicht durch das eigene Verhalten
des Opfers unterbrochen. Denn dessen Reaktion war eine naheliegende und
nachvollziehbare Reaktion auf den massiven Angriff der Angeklagten. Ein
solches durch eine Flucht „Hals über Kopf“ geprägtes Opferverhalten ist
vielmehr bei den durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu
- 23 -
deliktstypisch und entspringt dem elementaren Selbsterhaltungstrieb des
Menschen (vgl. Wessels/Hettinger, Strafrecht BT Teil 1, 25. Aufl. Rdn. 301).
Zwar hat der Bundesgerichtshof in Einzelfällen eine Zurechnung in
Folge selbstgefährdenden Verhaltens des Opfers ausgeschlossen (vgl. etwa
NJW 1971, 152; siehe aber auch BGHR StGB § 226 Todesfolge 5, 8 und
BGH, Urt. vom 28. Juni 1960 - 1 StR 203/60); doch steht dies hier - angesichts
des außergewöhnlich massiven Vorgehens der Angreifer und der
weiteren Besonderheiten - dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Schon
angesichts der Anzahl der Fahrzeuge, des Gebarens der Fahrzeugführer, vor
allem aber in Anbetracht der Anzahl und des aggressiven Auftretens der aus
den Wagen überfallartig auf sie losstürmenden Angeklagten mußten alle Geschädigten
damit rechnen, binnen kürzester Zeit heftig attackiert und mißhandelt
zu werden. Dies veranlaßte (auch) F G in „Todesangst
zur panischen Flucht in den Hauseingang“ (vgl. UA S. 170). Daß seine Verfolger
zwischenzeitlich zu den Fahrzeugen zurückgekehrt waren, ohne indes
die Suche endgültig aufgegeben zu haben, ist ohne Belang, da F G
dies nicht bemerkt hatte. Um nicht dort noch von den Angeklagten ergriffen
zu werden und um von den Bewohnern Beistand zu erlangen, sah er
keine andere Möglichkeit, als die Glastür einzutreten und in das Treppenhaus
einzusteigen, wobei er sich die tödlichen Verletzungen zuzog.
c) Der Tod des F G ist im Rahmen des § 227 StGB allen
Angeklagten als Mittätern zuzurechnen (§ 25 Abs. 2 StGB). Anders als bei
Fahrlässigkeitsdelikten, bedarf es bei der Körperverletzung mit Todesfolge
nicht des Nachweises, daß ein jeder von mehreren Beteiligten einen für den
Erfolg kausalen Beitrag erbracht hat. Es macht sich nach § 227 StGB nämlich
auch derjenige strafbar, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt,
jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem
Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt. Voraussetzung ist
allerdings, daß - wie vorliegend festgestellt - die Handlung der anderen im
- 24 -
Rahmen des allseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses
lag (vgl. BGHR StGB § 226 Kausalität 2, 3).
d) Zudem muß ein jeder hinsichtlich des Erfolges wenigstens fahrlässig
gehandelt haben, insbesondere muß der Todeserfolg für jeden vorhersehbar
gewesen sein. Hierfür reicht es aus, daß der Erfolg nicht außerhalb
aller Lebenserfahrung liegt; alle konkreten Einzelheiten brauchen dabei nicht
voraussehbar zu sein. Es genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolgs im allgemeinen
(Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 227 Rdn. 3; § 222 Rdn. 25, 26).
Dies hat das Landgericht - im Rahmen des einen gleichgelagerten Prüfungsmaßstab
aufweisenden § 222 StGB - hinsichtlich der aktiv an der Verfolgung
beteiligten Angeklagten rechtsfehlerfrei bejaht, im Hinblick auf die in
den Fahrzeugen passiv verbliebenen Angeklagten Ha und P dagegen
verneint. Gegen diese Differenzierung ist aus revisionsrechtlicher
Sicht nichts zu erinnern. Soweit das Landgericht dieses Ergebnis u.a. mit den
individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten gerade dieser beiden Angeklagten
und zudem, den Angeklagten P betreffend, mit dessen erheblicher
alkoholischer Beeinträchtigung begründet (UA S. 169), läßt auch das keinen
Rechtsfehler erkennen.
4. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Die
hiervon betroffenen Angeklagten hätten sich gegen die Annahme einer versuchten
Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter gefährlicher
Körperverletzung nicht anders verteidigen können.
5. Auf die Strafaussprüche bleibt dies ohne Einfluß. Der Senat schließt
aus, daß ein neuerlich zur Entscheidung berufener Tatrichter auf Grundlage
der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldsprüche gegen die Heranwachsenden
andere Rechtsfolgen aussprechen würde. Die Körperverletzung mit Todesfolge
weist zwar gegenüber den jeweiligen Grunddelikten einen gesteigerten
Unrechtsgehalt auf. Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten,
daß seit Erlaß des tatrichterlichen Urteils beinahe zwei Jahre verstrichen
- 25 -
sind. Schon angesichts des außergewöhnlichen Umfangs des Verfahrens
und der erforderlichen Zeit, das tatrichterliche Urteil abzusetzen, stellt dies
zwar keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar (vgl. nur BGHR
StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11). Doch müßte allein schon der
Zeitablauf bei erneuter Strafzumessung jedenfalls strafmildernd berücksichtigt
werden. Hinzu kommt, daß gerade im Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts
einer zügigen strafrechtlichen Reaktion auf Straftaten ein besonderer
Stellenwert zukommt (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 8;
Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. Einf. II Rdn. 25; Eisenberg, JGG 9. Aufl. § 18
Rdn. 15e; Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 43 Rdn. 6, 8a).
C.
Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
I. Sämtliche von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind,
soweit sie zulässig sind, unbegründet. Der Erörterung bedürfen nur folgende
Rügen:
1. Die vom Angeklagten T erhobene Besetzungsrüge (§ 338
Nr. 1 StPO) ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Revision war das
Präsidium des Landgerichts zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes
während des laufenden Jahres befugt, weil die Voraussetzungen des
§ 21e Abs. 3 Satz 1 GVG vorlagen. Da der Beisitzer der 3. Strafkammer,
Richter Kr , aus dem Richterdienst ausschied, lag ein „Wechsel“ im
Sinne dieser Bestimmung vor (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO
45. Aufl. § 21e GVG Rdn. 15). Auch die zum 1. Juni 1999 und damit vor Beginn
der Hauptverhandlung erfolgte Abordnung der Richterin am Landgericht
Has an das Oberlandesgericht Brandenburg für eine Dauer von
neun Monaten stellt einen Grund dar, der das Präsidium zur Änderung des
Geschäftsverteilungsplanes im laufenden Jahr berechtigte. Eine Abordnung
eines Richters führt grundsätzlich zu einer „Verhinderung“ im Sinne des
- 26 -
§ 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, die jedenfalls dann auch „dauernd“ und nicht nur
vorübergehend ist, wenn sie - wie hier - einen Zeitraum von drei Monaten
überschreitet (so auch Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl.
§ 21e Rdn. 9 und Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 21e GVG Rdn. 4 unter Hinweis auf
§ 21c Abs. 2 GVG; vgl. auch Kissel, GVG 3. Aufl. § 21e Rdn. 114).
2. Die von mehreren Angeklagten unter dem Gesichtspunkt etwaiger
richterlicher Befangenheit (§§ 24, 338 Nr. 3 StPO) erhobenen Rügen haben
ebensowenig Erfolg:
a) Die Rügen, mit denen behauptet wird, der Vorsitzende habe die
Verteilung einzelner Flugblätter („Antifaschistisches Info-Blatt“) in der Nähe
des Sitzungssaals während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gebilligt,
genügen schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO. Die Revision des Angeklagten D teilt den Beschluß vom 7. September
1999 nicht vollständig mit (vgl. Protokollband I, Bl. 154 ff.); die Revision
des Angeklagten Ka läßt die Wiedergabe der auf das Ablehnungsgesuch
ergangenen dienstlichen Stellungnahmen vermissen. Vor allem
aber ist in keiner Weise ersichtlich, daß die Verteilung von Flugblättern mit
Wissen des Vorsitzenden erfolgte. Dieser hat vielmehr angebeben, daß er
von diesem Vorgang nichts gewußt habe. Alles was die Revisionen hiergegen
vorbringen, erschöpft sich in haltlosen Vermutungen und Spekulationen.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, der Vorsitzende und ein Beisitzer
des erkennenden Gerichts seien befangen gewesen, da sie eine Urkundsbeamtin
„angewiesen“ hätten, nachträglich das Protokoll einer richterlichen
Vernehmung des Angeklagten Ka zu unterschreiben, um dieses dann
in der Hauptverhandlung verlesen zu können. Die Rüge ist unzulässig, da
verschwiegen wird, daß die Staatsanwaltschaft zum Ablehnungsgesuch eine
Stellungnahme abgegeben hat (vgl. Befangenheitsband II, Bl. 253 f.). Ungeachtet
dessen sind aber auch auf Grundlage des mitgeteilten Sachverhalts
keine Umstände vorgetragen, die Mißtrauen in die Unparteilichkeit der bei-
- 27 -
den Richter rechtfertigen könnten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO
45. Aufl. § 24 Rdn. 8 m. w. N.). Schon aufgrund der dem Gericht obliegenden
Amtsaufklärungspflicht war der Vorsitzende gehalten, die fehlende Unterschrift
unter dem Vernehmungsprotokoll nachholen zu lassen. Soweit er diesen
Vorgang in der Hauptverhandlung mit den Worten wiedergegeben hat,
das Protokoll sei „auf mein Betreiben hin“ unterschrieben worden, läßt sich
dieser Äußerung - entgegen der Ansicht der Revision - nicht entnehmen,
daß die Urkundsbeamtin zur Unterschriftsleistung in unzulässiger Weise gedrängt
worden sei, zumal da das Protokoll mit dem Zusatz übersandt wurde,
daß die Urkundsbeamtin es unterschreiben solle, „sofern ihr das noch möglich
ist“.
3. Die Rüge, die Hauptverhandlung habe am 29. Juni 2000 zwischen
10.50 und 11.10 Uhr in Abwesenheit der Verteidiger des Angeklagten
Ka stattgefunden (§ 338 Nr. 5 StPO), ist unzulässig. Entgegen § 344
Abs. 2 Satz 2 StPO hat der Revisionsführer die den Mangel enthaltenen Tatsachen
nicht vollständig mitgeteilt. Zwar trägt er vor, daß Rechtsanwalt
N in dieser Zeitspanne nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen
hat und daß auch der weitere Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt
Now , die Verhandlung bereits um 10.10 Uhr verlassen habe. Doch
verschweigt die Revision, daß letztgenannter Verteidiger nicht erst um
12.00 Uhr, sondern schon früher, möglicherweise schon vor 10.50 Uhr, in
den Sitzungssaal zurückgekehrt ist. Denn im Protokoll der Hauptverhandlung
heißt es (Protokollband IV, Bl. 861 R): „Die HV wurde ... um 11.25 Uhr unterbrochen
und um 12:00 Uhr mit denselben Verfahrensbeteiligten wie vor der
Unterbrechung fortgesetzt (außer Rechtsanwalt Now )“. Der Hinweis „außer
Rechtsanwalt Now “ läßt eindeutig darauf schließen, daß dieser Verteidiger
schon vor der Unterbrechung wieder an der Hauptverhandlung teilgenommen
hatte.
4. Die Revision des Angeklagten T rügt, daß „ausweislich“ der
Sitzungsniederschrift vom 8. Juni 1999 der Angeklagte und sein Verteidiger
- 28 -
durch Beschluß „gemäß § 231c StPO beurlaubt“ worden seien, gleichwohl
sei der im Sitzungssaal verbliebene Angeklagte aber später, nachdem sich
sein Verteidiger entfernt habe, zu Fall 2 der Anklage vom 23. Februar 1999
vernommen worden (§ 338 Nr. 5 StPO). Der Rüge muß der Erfolg versagt
bleiben.
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsführer einen Verfahrensmangel,
wie für § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlich, überhaupt bestimmt
behauptet oder insoweit nur eine von vornherein unzulässige „Protokollrüge“
erhebt (vgl. BGHSt 7, 162; Dahs/Dahs, Revision im Strafprozeß 6. Aufl.
Rdn. 471 m. w. N.). Ungeachtet dessen teilt die Revision aber auch die im
Zusammenhang mit der Vernehmung in der Hauptverhandlung verlesene
Urkunde inhaltlich nicht mit, obgleich diese für die Auslegung des in der Sitzungsniederschrift
verwandten Begriffs der „Angeklagten“ von Bedeutung
hätte sein können.
Zudem wird der bezeichnete Verfahrensverstoß durch die Sitzungsniederschrift
nicht bewiesen. Zwar enthält das Protokoll die Angabe, daß
(nach Beurlaubung u.a. des Revisionsführers, seines Verteidigers und Entfernung
desselben) „die Angeklagten“ „bezüglich Fall 2 ... zur Sache“ ausgesagt
hätten (Protokollband I, Bl. 20). Doch ergibt sich aus dem Zusammenhang
eindeutig, daß der zu diesem Zeitpunkt in der Hauptverhandlung noch
anwesende und der Begehung dieser Tat - ein im September 1998 begangener
Diebstahl - gar nicht beschuldigte Revisionsführer damit nicht gemeint
war, sondern allein die Angeklagten Ha und Sc . Dies erschließt
sich ohne weiteres schon aus dem vorhergehenden Inhalt der Sitzungsniederschrift:
Da an diesem Verhandlungstag allein Beweis zu den Fällen 1 und
2 der genannten Anklageschrift erhoben werden sollte, deren Begehung aber
allein den beiden genannten Angeklagten vorgeworfen worden ist, hat die
Jugendkammer allen weiteren Angeklagten und deren Verteidigern gestattet,
sich von der Verhandlung zu entfernen. Folgerichtig enthält das Protokoll die
weitere Feststellung, daß (allein) die Angeklagten Ha und Sc
- 29 -
über ihr Recht, sich zu den Beschuldigungen zu äußern, belehrt worden sind
(§ 243 Abs. 4 StPO) und eben (nur) diese - namentlich ausdrücklich bezeichnet;
anders aber der Revisionsführer, der einen Belehrungsmangel im
übrigen auch gar nicht rügt - daraufhin erklärten, aussagen zu wollen, und
dies dann auch taten. Sofern unmittelbar danach im Protokoll festgehalten
ist, daß sich „die Angeklagten“ zu Fall 2 der Anklage eingelassen haben, sind
auch damit nur die Angeklagten Ha und Sc , nicht aber der Beschwerdeführer
gemeint.
5. Die Revision des Angeklagten Ka rügt ferner die Verletzung
von § 338 Nr. 6 StPO und stützt sich hierbei auf die Verlesung eines an einen
der Nebenkläger gerichteten Briefes des Angeklagten R in nichtöffentlicher
Hauptverhandlung. Die Rüge genügt nicht den Anforderungen
des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision verschweigt, daß die Jugendkammer
schon mit Beschluß vom 6. Juli 2000 (s. o.) „die Öffentlichkeit für die
Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen“
hat (vgl. § 48 Abs. 3 JGG).
6. Die Revision des Angeklagten T macht weiter geltend, das
Gericht habe die Nebenkläger entgegen § 80 Abs. 3 JGG zum Verfahren
zugelassen.
Die Verfahrensrüge ist schon unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO),
weil der Beschluß des Gerichts vom 17. Mai 1999, mit der die Nebenkläger
zum Verfahren zugelassen worden sind, nicht mitgeteilt wird. Im übrigen entsprach
die Entscheidung, die Nebenklage nur im Hinblick auf die zur Tatzeit
schon volljährigen Angeklagten zuzulassen, der Gesetzeslage (sub B. I. 6. a;
vgl. zur Frage des Beruhens des Urteils nach fehlerhafter Entscheidung über
die Zulassung der Nebenklage: BGH NStZ 1997, 97; Senge in KK 4. Aufl.
§ 396 Rdn. 13, 14 m. w. N.).
- 30 -
7. Schließlich macht der Angeklagte D geltend, daß das Urteil
entgegen § 261 StPO eine Auseinandersetzung mit den in der Hauptverhandlung
verlesenen Protokollen der richterlichen Vernehmungen der damaligen
Beschuldigten T und Ka vermissen lasse.
Die Rüge kann schon deswegen keinen Erfolg haben, weil entgegen
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt wird, daß die genannten Aussagen
der Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung
noch beweiserheblich waren, und dem Revisionsgericht eine Rekonstruktion
der Hauptverhandlung versagt ist (vgl. BGHR StPO § 344
Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 6; s. o.). Die Rüge wäre im übrigen auch
unbegründet. Die Angaben des Angeklagten T gegenüber dem Ermittlungsrichter
deuten lediglich darauf hin, daß nach seiner Erinnerung der Angeklagte
D nicht in seinem Wagen mitgefahren sei. Zu der insoweit allein
bedeutsamen Frage, wer die Geschädigten zu Fuß verfolgt hat, konnte
der Angeklagte aber keine eindeutigen Angaben machen; danach ist insbesondere
nicht auszuschließen, daß auch der Angeklagte D einer der
Verfolger der Opfer war. Gleiches gilt auch für die Angaben des Angeklagten
Ka . Aber selbst wenn der Angeklagte D einer seiner Mitfahrer
gewesen sein sollte, schließt dies nicht aus, daß dieser den PKW verlassen
und die Geschädigten mit verfolgt hat, da der Angeklagte Ka es immerhin
für möglich hielt, daß nach dem gemeinsamen Bremsmanöver aller
drei Wagen, auch die Tür seines Fahrzeugs kurzzeitig geöffnet war. Einen
Widerspruch vermag die Revision nach alledem nicht aufzuzeigen. Eine Erörterung
dieser Umstände im Urteil war auch aus diesem Grund nicht erforderlich.
II. Die umfassende sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils deckt
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
Das Vorbringen einzelner Angeklagter zur Beweiswürdigung hat keinen
Erfolg. Die Angriffe der Revision hiergegen erschöpfen sich in dem un-
- 31 -
zulässigen Versuch, eine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters
zu setzen (vgl. BGHSt 41, 376, 380 m. w. N.). Entsprechendes gilt
für die Bemessung der Straftatfolgen. Die Strafzumessung ist grundsätzlich
Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden
Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit
des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und
belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander
abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der
Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen
in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte
Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben
oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein
(vgl. BGHSt 34, 345, 349; 15, 224, 225 f. m. w. N.). Fehler der genannten Art
liegen hier nicht vor.
Zum Vorgehen der Angeklagten T , Ka , Ha und Sc
vom 28. November 1998 zum Nachteil des Zeugen Pl (B. VI. der
Urteilsgründe, UA S. 50 ff.) ist folgendes anzumerken: Die Jugendkammer
hat das Geschehen zutreffend als erpresserischen Menschenraub in Tateinheit
mit räuberischer Erpressung bewertet. Es kann offenbleiben, ob das
Verbringen des Opfers zum Kirchplatz gegen dessen ausdrücklich geäußerten
Willen nicht bereits als „Entführen“ gemäß § 239a Abs. 1 StGB zu würdigen
gewesen wäre. Jedenfalls erfüllten - angesichts der weiteren festgestellten
Umstände - die sich über mehrere Minuten hinziehende Fahrt und
das sich daran anschließende weitere Vorgehen der Angeklagten das Tatbestandsmerkmal
„Sichbemächtigen“ im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB. Die
hierfür erforderliche „gewisse Stabilisierung“ der Zwangslage (vgl. BGHSt 40,
350, 359) war dadurch schon eingetreten. Die relativ geringe Dauer und Intensität
des Vorgehens gegen das Opfer hat die Jugendkammer ausdrücklich
berücksichtigt und das Vorgehen der Angeklagten als minder schweren Fall
eingeordnet.
- 32 -
Der Senat ändert auch die Schuldsprüche der zur Zeit der Tat vom
13. Februar 1999 noch nicht volljährigen Angeklagten Sc , He
und P in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang. Denn auch
diese Angeklagten haben sich jeweils (auch) wegen versuchter gefährlicher
Körperverletzung und die Angeklagten Sc und He in Tateinheit
dazu wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht.
Zwar waren die von den Nebenklägern eingelegten Rechtsmittel von vornherein
auf die anderen (zur Tatzeit heranwachsenden) Angeklagten beschränkt.
Doch ist es hier - schon aus Gründen der Gleichstellung aller Tatbeteiligten
- geboten, von der Möglichkeit (vgl. BGHSt 14, 5, 7) Gebrauch zu
machen, die Schuldsprüche gegen die genannten Angeklagten allein auf deren
Revision schärfend zu ändern.
Harms Häger Raum
Brause Schaal



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