§ 106 JGG
Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende;
Sicherungsverwahrung
(1) Ist
wegen der Straftat
eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das
Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine
Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.
(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der
Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus
öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des
Strafgesetzbuches), nicht eintritt.
(3) Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden.
Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung
vorbehalten, wenn
1. der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf
Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen
a) gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle
Selbstbestimmung oder
b) nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder
§ 255 des Strafgesetzbuches,
durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder
einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2. auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner
Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder
zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der
in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum
Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich
ist.
(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das
Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn
1. die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach § 176 des
Strafgesetzbuches erfolgt,
2. die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des
Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66
Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und
3. es sich auch bei den maßgeblichen früheren und
künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz
3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer
seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen
Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.
(5) Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung
vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr
noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe
in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei
denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser
gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich
erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen
Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine
sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber
jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die
nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die
Strafvollstreckungskammer zuständig. 5§ 66c Absatz 2 und
§ 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.
(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die
Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und
ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung
ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder
Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1
des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.
(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten
Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach
§ 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt
worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder
vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt
der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich
anordnen, wenn
1. die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des
Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder
wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor
der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches
führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe
von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen
Krankenhaus untergebracht worden war und
2. die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und
ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung
ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in
Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.
Jugendgerichtsgesetz, Stand:
25.7.2015