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§
132 StGB
Amtsanmaßung
Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Zweck der Vorschrift ist es, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Autorität staatlichen Handelns zu schützen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11). | |
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Die
Tatmodalitäten
des § 132 StGB setzen voraus, dass der Täter entweder als
Inhaber eines öffentlichen Amtes auftritt und eine Handlung
vornimmt, die den Anschein hoheitlichen Handelns erweckt (§ 132 1.
Alternative StGB) oder dass er eine Handlung vornimmt, welche nur kraft
eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf (§ 132 2.
Alternative StGB; vgl. BGH, Urt. v. 9.12.1993 – 4 StR 416/93 -
BGHSt 40, 8, 11 f.; BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11). Wie in § 132 1. Alternative StGB wird in § 132 2. Alternative StGB zunächst vorausgesetzt, dass sich das Handeln des Täters nach außen als Wahrnehmung öffentlicher Funktionen darstellt und objektiv mit einer hoheitlichen Maßnahme verwechselt werden könnte (BGH, Urt. v. 9.12.1993 - 4 StR 416/93 - BGHSt 40, 8, 11 f.; BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11; SSW-StGB/Jeßberger § 132 Rn. 9). Im Unterschied zu der ersten Tatmodalität wird der Anschein hoheitlichen Handelns in der zweiten Alternative aber durch die Handlung selbst begründet, nicht durch das Auftreten des Täters als Amtsträger. In Betracht kommen hier insbesondere Eingriffe in die Rechte Einzelner, etwa eine Verhaftung, Durchsuchung oder Beschlagnahme (RG, Urt. v. 25.6.1925 – II 166/25 - RGSt 59, 291, 298; BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11; MünchKommStGB/Hohmann, § 132 Rn. 18). Im Hinblick auf den Zweck der Strafvorschrift, die das Vertrauen der Allgemeinheit in die Autorität staatlichen Handelns schützen soll, erfüllt eine solche oder eine ähnliche Handlung nur dann nicht den Tatbestand des § 132 2. Alternative StGB, wenn sich das Verhalten des Täters so weit von den rechtlichen Vorgaben einer Amtshandlung entfernt, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist (BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11; vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2006 – 4 Ws 98/06 - NStZ 2007, 527; SSW-StGB/ Jeßberger § 132 Rn. 10): Dabei ist auf die Sicht eines unbefangenen Beobachters abzustellen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11; BGH, Urt. v. 9.12.1993 - 4 StR 416/93 - BGHSt 40, 8, S. 13; LK-StGB/Krauß, 12. Aufl. § 132 Rn. 30). Im Gegensatz zu § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der die Verwendung einer dem Täter nicht zukommenden förmlichen Amtsbezeichnung erfasst, wird § 132 StGB maßgeblich durch die missbräuchliche Ausübung einer sachlich angemaßten Amtsbefugnis bestimmt, ohne dass es dabei auf die förmliche Bezeichnung oder überhaupt auf eine ausdrückliche Hervorhebung von Namen und Art des öffentlichen Amts ankommt; insbesondere bedarf es keines Zugehörigkeitshinweises zu einer bestimmten Dienststelle (BGH, Beschl. v. 9.8.2016 - 3 StR 109/16 Rn. 5; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.4.2002 - 1 Ss 13/01 - NStZ-RR 2002, 301, 302; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 132 Rn. 15; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 132 Rn. 4; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 132 Rn. 6; aA OLG Koblenz, Beschl. v. 9.3.1989 - 1 Ss 81/89 - NStZ 1989, 268 mit ablehnender Besprechung Krüger, NStZ 1989, 477). |
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Das
Tatbestandsmerkmal
"öffentliches Amt“ ist nach den Kriterien des Staats- und
Verwaltungsrechts zu bestimmen und sowohl im statusrechtlichen als auch
im funktionellen Sinne zu verstehen (BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR
40/11; zur Amtsträgereigenschaft BGH, Urt. v. 10.3.1983
– 4 StR 375/82 - BGHSt 31, 264, 267 f.; MünchKommStGB/Radtke
§ 11 Rn. 16 f.; MünchKommStGB/Hohmann, § 132 Rn. 7). Die Ausübung militärischer Hoheitsbefugnisse und die Wahrnehmung militärischer Aufgaben sind deshalb regelmäßig nicht dem Begriff des öffentlichen Amtes im Sinne des § 132 StGB zuzuordnen; Soldaten sind keine Amtsträger im strafrechtlichen Sinne (vgl. SSW-StGB/Satzger § 11 Rn. 18; Fischer StGB 58. Aufl. § 11 Rn. 16). Dies ergibt sich – im Umkehrschluss – auch aus § 48 WStG, durch den Soldaten der Bundeswehr lediglich für einen abschließenden Katalog von (Amts-)delikten den Amtsträgern im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gleich gestellt werden. Bei der Anmaßung militärischer Befugnisse handelt es sich daher, soweit die Bundeswehr betroffen ist (anders im Fall der Anmaßung solcher Befugnisse von in Deutschland stationierten NATO-Truppen; vgl. dazu MünchKommStGB/Hohmann, § 132 Rn. 9), grundsätzlich auch nicht um die Anmaßung eines öffentlichen Amtes im Sinne dieser Strafvorschrift (LK-StGB/Krauß, 12. Aufl. § 132 Rn. 12; Fischer, StGB 58. Aufl. § 132 Rn. 5). Während für Soldaten und für die bei der Bundeswehr beschäftigten Zivilpersonen im Sinne von § 1 Abs. 2 WStG in solchen Fällen ausschließlich eine Strafbarkeit nach § 38 WStG in Betracht kommt, ist die Anmaßung militärischer Befugnisse durch sonstige Zivilpersonen regelmäßig weder von § 132 StGB noch von § 38 WStG erfasst (Krauß, Hohmann und Fischer, jeweils aaO; ebenso SSW-StGB/Jeßberger § 132 Rn. 5). |
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35.5 |
Leitsatz - StGB § 132 Alternative 1 Als Inhaber eines öffentlichen Amtes gibt sich aus, wer auf seine Funktion als Amtsinhaber ausdrücklich oder konkludent, sei es auch nur durch eine allgemein gehaltene Kennzeichnung als Funktionsträger, hinweist; des Zugehörigkeitshinweises zu einer bestimmten Dienststelle bedarf es nicht (BGH, Beschl. v. 9.8.2016 - 3 StR 109/16 - LG Osnabrück). Für eine amtliche Betätigung genügt es, dass sein Handeln nach außen als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit erscheint, wobei auf den Empfängerhorizont eines unbefangenen Dritten abzustellen ist (BGH, Beschl. v. 9.8.2016 - 3 StR 109/16 Rn. 6; OLG Karlsruhe Beschl. v. 3.4.2002 - 1 Ss 13/01 - NStZ-RR 2002, 301, 302; LK/Krauß StGB, 12. Aufl., § 132 Rn. 22 mwN). Abzugrenzen ist solches Handeln von einem rein privaten Auftreten oder erwerbswirtschaftlich-fiskalischer Tätigkeit; im Übrigen braucht es sich nicht um eine für den jeweiligen angeblichen Hoheitsträger zulässige Amtsausübung zu handeln (BGH, Beschl. v. 9.8.2016 - 3 StR 109/16 Rn. 6; LK/Krauß StGB, 12. Aufl., § 132 Rn. 20 mwN). Beispiel: Der Angeklagte behauptete in den Gesprächen, die Polizei habe die aufgefundenen Zahlungskarten - routinemäßig - sperren lassen, was sowohl im Rahmen der Fundsachenbearbeitung als auch zur Verhinderung von Straftaten in den Zuständigkeitsbereich der Polizeibehörden fallen kann. Durch das Angebot in Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse diese Sperrung wieder rückgängig zu machen, spiegelte der Angeklagte nicht nur vor, eine "soziale Gefälligkeit" erbringen zu wollen, sondern vermittelte den Geschädigten, dass er - wenn auch in ihrem Interesse - sich amtlich betätigte (vgl. BGH, Beschl. v. 9.8.2016 - 3 StR 109/16). Handelt der Täter aber nicht nur unter Vortäuschung seiner Zugehörigkeit zu den Soldaten oder dem zivilen Personal der Bundeswehr, sondern beansprucht er zusätzlich "Amtsbefugnisse“ als Feldjäger, kommt hingegen eine Strafbarkeit gemäß § 132 2. Alternative StGB in Betracht (BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11). Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw) vom 12. August 1965 (BGBl. I 1965 S. 796, zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007, BGBl. I 3198) sind Soldaten der Bundeswehr, denen militärische Wach- oder Sicherheitsaufgaben übertragen sind, befugt, in Erfüllung dieser Aufgaben Personen anzuhalten, zu überprüfen, vorläufig festzunehmen und zu durchsuchen sowie Sachen sicherzustellen und zu beschlagnahmen und unmittelbaren Zwang gegen Personen und Sachen anzuwenden. Den Soldaten mit Sicherheitsaufgaben im Sinne dieses Gesetzes, zu denen nach Kapitel 1 Nr. I. 2 (1. Spiegelstrich) der Zentralen Dienstvorschrift 14/9 (ZDv 14/9) des Bundesministeriums der Verteidigung auch die im Feldjägerdienst stehenden Soldaten der Bundeswehr gehören, werden damit allgemeine polizeiliche Befugnisse auch gegenüber Privatpersonen verliehen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11; BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1990 – 7 C 88/88, BVerwGE 84, 247, Tz. 14 ff. zur Einrichtung eines militärischen Sicherheitsbereichs im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 UZwGBw durch Sperrung eines nichtmilitärischen Ortes; i.E. ebenso Fischer aaO; vgl. dazu auch Heinen, Rechtsgrundlagen Feldjägerdienst, 9. Aufl. 2010, S. 14 ff.). Beispiel: Der Angeklagte hat mit seinem Mittäter Handlungen vorgenommen, die nur in Ausübung hoheitlicher Funktionen vorgenommen werden durften. Er hat unter Vorlage zweier gefälschter Schriftstücke mit quasiamtlichem Inhalt bei dem Geschädigten, der das Geschehen für authentisch hielt und beiden Tätern die Feldjäger-Eigenschaft glaubte, eine "Durchsuchung“ sowie eine "Beschlagnahme“ durchgeführt und ist dabei in vorgetäuschter amtlicher Funktion als Feldjäger aufgetreten, also als vermeintlicher Angehöriger der Polizei der Bundeswehr. Ungeachtet formaler Mängel der von ihm gefertigten Schriftstücke entfernte sich sein Vorgehen unter Berücksichtigung seine Uniformierung und seines einen amtlichen Anschein erweckenden Gesamtverhaltens nicht so weit von den rechtlichen Vorgaben einer Amtshandlung, dass eine Verwechslung vom Standpunkt eines unbefangenen Betrachters ausgeschlossen war (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11). |
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Bei bewusster Überschreitung der Zuständigkeit liegt eine Amtsanmaßung vor, wenn der Kompetenzmangel nicht nur auf innerdienstlichen Regeln beruht (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.1958 - 1 StR 310/58 - BGHSt 12, 85, 86; BGH, Urt. v. 24.10.1990 - 3 StR 196/90 - BGHSt 37, 207, 211). | |
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S.1 |
Strafrahmen § 132 StGB: 1 Monat bis 2 Jahre
Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 1 Jahr 6 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 1 Jahr 1 Monat 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 10 Monate 3 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die
Verjährungsfrist für Amtsanmaßung
beträgt fünf Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 4 StGB). |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 7. Abschnitt (Straftaten gegen die öffentliche Ordnung) |
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