www.wiete-strafrecht.de |
|
§
132a StGB
Mißbrauch von Titeln,
Berufsbezeichnungen und Abzeichen
(1) Wer unbefugt 1. inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt, 2. die Berufsbezeichnung Arzt, Zahnarzt, Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Psychotherapeut, Tierarzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter führt, 3. die Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger führt oder 4. inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Den in Absatz 1 genannten Bezeichnungen, akademischen Graden, Titeln, Würden, Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Amtsbezeichnungen, Titel, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts. (4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 4, allein oder in Verbindung mit Absatz 2 oder 3, bezieht, können eingezogen werden. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
|
Allgemeines |
|
|
5 |
§
132a StGB schützt die Allgemeinheit vor dem Auftreten von
Personen, die sich durch den unbefugten Gebrauch falscher Bezeichnungen
den Anschein besonderer Funktionen, Fähigkeiten und
Vertrauenswürdigkeit geben (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.1993 - 1 StR
280/93 - NJW 1994, 808; BGHSt 31, 61, 62; BGHR StGB § 132a
Probebeamter 1; Fischer, StGB 56. Aufl. § 132a Rdn. 2;). Das
Vertrauen der Allgemeinheit in solche persönlichen Eigenschaften
beruht auf der Annahme, daß der Träger eines bestimmten
Titels, akademischen Grades, einer Berufs- oder Amtsbezeichnung, einer
Uniform oder Amtskleidung die damit üblicherweise verbundenen
Funktionen oder Fähigkeiten besitzt. Dies setzt voraus, daß
er den betreffenden Titel überhaupt erworben hat oder daß er
ihm verliehen worden ist. Das gilt auch für den Fall des Erwerbs
oder der Verleihung im Ausland; denn nur dieser Vorgang bestätigt
die durch die Bezeichnung hervorgehobene berufliche Ausbildung oder
fachliche Leistung (BGH, Urt. v. 6.7.1993 - 1 StR 280/93 - NJW 1994,
808). Den Tatbestand des § 132a StGB erfüllt nicht jede unbefugte Inanspruchnahme eines Titels oder einer Berufsbezeichnung. Der Täter muss vielmehr Titel oder Berufsbezeichnung unter solchen Umständen verwenden, dass das durch § 132a StGB geschützte Rechtsgut gefährdet wird (BGH, Beschl. v. 13.5.1982 - 3 StR 118/82 - BGHSt 31, 61). Geschützt wird die Allgemeinheit davor, dass einzelne im Vertrauen darauf, dass eine bestimmte Person eine bestimmte Stellung hat, Handlungen vornehmen könnten, die für sie oder andere schädlich sein können. Der Schutzzweck der Vorschrift erfasst also nicht schon "den rein äußerlichen Missbrauch, durch den sich der Täter einen falschen Schein gibt" (BGH, Beschl. v. 13.5.1982 - 3 StR 118/82 - BGHSt 31, 61; BGH, Beschl. v. 17.11.2011 - 3 StR 203/11). |
|
§ 132a Abs. 1 StGB |
|
(1) Wer unbefugt 1. inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt, 2. die Berufsbezeichnung Arzt, Zahnarzt, Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Psychotherapeut, Tierarzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter führt, 3. die Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger führt oder 4. inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. ... |
|
|
10 |
Wer
sich als "Polizeibeamter" ausgibt, führt damit keine
Amtsbezeichnung. Mit dem Wort Amtsbezeichnung hat der Gesetzgeber einen
feststehenden Begriff des öffentlichen Dienstrechts
übernommen, der sich auf bestimmte Benennungen bezieht, die durch
Gesetz, vorwiegend durch die Besoldungsordnungen oder durch gesetzlich
legitimierte Hoheitsakte - etwa Anordnungen des Bundespräsidenten
nach § 81 BBG - festgesetzt und aus Anlaß von Ernennungen
und Beförderungen förmlich verliehen werden (vgl. BGH, Urt.
v. 28.1.1976 - 2 StR 696/75 - BGHSt 26, 267). |
|
|
14 |
vgl. zum Missbrauch von Berufsbezeichnungen gemäß § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB durch gefälschte Anwaltsschreiben und persönlicher Vorsprache beim Amtsgericht, bei der sich der Angeklagte als Rechtsanwalt ausgab etwa BGH, Beschl. v. 27.7.2012 - 1 StR 238/12 | |
|
15 |
|
15.1 |
Eine Strafbarkeit nach § 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB (unbefugtes Tragen von Uniformen) kommt nicht in Betracht, wenn sich das unbefugte Tragen einer Uniform als offenkundige Maskerade darstellt und somit von vornherein nicht geeignet ist, bei anderen den Anschein zur Berechtigung des Tragens der Uniform zu erwecken und diese irrezuführen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 25.3.1996 - 5 St RR 5/96 - NStZ-RR 1997, 135). | |
|
15.2 |
Der Tatbestand des § 132a StGB ist in der Tatvariante des Missbrauchs von (inländischen) Uniformen im Sinne des § 132a Abs. 1 Nr. 4 1. Variante StGB nur erfüllt, wenn es sich bei der jeweiligen Uniform um eine solche handelt, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen eingeführt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11 betr. "Feldjägeruniform"; dazu eingehend LK-StGB/Krauß, 12. Aufl. § 132a Rn. 50 ff. m.w.N.). | |
|
20 |
|
20.1 |
Der
Tatbestand des
§ 132a StGB ist in der Tatvariante des Missbrauch von
Amtsabzeichen im Sinne des § 132a Abs. 1 Nr. 4 4. Variante StGB
nur erfüllt, wenn es sich bei den jeweiligen Amtsabzeichen
um solche handelt, die auf Grund öffentlich-rechtlicher
Bestimmungen
eingeführt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11
betr. Armbinde mit der Aufschrift "MP“; dazu
eingehend LK-StGB/Krauß, 12. Aufl. § 132a Rn. 50 ff.
m.w.N.). Amtsabzeichen werden zudem nur dann von der Strafvorschrift
erfasst, wenn sie, ohne Bestandteil der Amtskleidung zu sein, an
vorschriftsmäßigen Uniformen angebracht sind und den
Träger als Inhaber eines bestimmten Amtes kennzeichnen (BGH,
Beschl. v. 23.4.1992 – 1 StR 58/92 - NStZ 1992, 490; BGH, Beschl.
v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11; LK-StGB/Krauß, 12. Aufl. § 132a
Rn. 52; MünchKommStGB/Hohmann § 132a Rn. 16, jeweils m.w.N.). Ein tatbestandsmäßiges Tragen von Amtsabzeichen liegt dann nicht vor, wenn Dienstgradabzeichen der Bundeswehr nicht an einer Bundeswehruniform angebracht sind, sondern mit anderen Kleidungsstücken, z.B. ausländischen Uniformen oder ziviler Kleidung kombiniert werden. Unmittelbare rechtliche und praktische Bedeutung haben militärische Dienstgradabzeichen allein in Verbindung mit der Uniform, für die sie bestimmt sind. Nur das unbefugte Tragen der vorschriftsmäßigen Uniform einschließlich der Dienstgradabzeichen erfaßt § 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB. Davon abweichende Gestaltungen können allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr strafrechtlich relevant sein (§ 132a Abs. 2 StGB; vgl. BGH, Beschl. v. 23.4.1992 - 1 StR 58/92 - NStZ 1992, 490). |
|
|
25 |
Über die Strafbarkeit wegen Titelmißbrauchs hinaus kommt bei Veranlassung der Eintragung des zu Unrecht geführten ("gekauften") Titels in den Personalausweis eine Strafbarkeit wegen mittelbarer Falschbeurkundung und ggfls. wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 5.8.2008 - 3 StR 242/08 - wistra 2008, 426). | |
§ 132a Abs. 2 StGB |
|
... (2) Den in Absatz 1 genannten Bezeichnungen, akademischen Graden, Titeln, Würden, Uniformen, Amtskleidungen oder Amtsabzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind. ... |
|
|
30 |
Das
Tatbestandsmerkmal "zum Verwechseln ähnlich", das sich auch in
anderen Straftatbeständen wie etwa § 86a
Abs. 2 Satz 2,
§ 149
Abs. 1 Nr. 2 und § 275
Abs. 1 Nr. 2 StGB findet,
umschreibt seinem Wortlaut nach einen gesteigerten Grad sinnlich
wahrnehmbarer Ähnlichkeit. Maßgeblich ist, ob nach dem
Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden
Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich ist (vgl.
BGH GA 1966, 279; BGH NStZ 1994, 124; BGH,
Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR
495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186;
Cramer/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 132 a Rdn. 13;
Rudolphi in SK-StGB 46. Lfg. § 132 a Rdn. 11). siehe auch: § 86a StGB, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - Rdn. 35 - Zum Verwechseln ähnlich; § 149 StGB, Vorbereitung der Fälschung von Geld und Wertzeichen --> Rdn. 20; § 275 StGB, Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen --> Rdn. 5 |
|
Konkurrenzen |
|
|
K.1 |
Ist
die Verwendung des Doktortitels Mittel des Betrugs, besteht
zwischen den Delikten des § 132a und des § 263 StGB
Tateinheit. Eine Klammerwirkung bezüglich mehrerer
Betrugsfälle kann der Titelmißbrauch jedoch nicht
herbeiführen. Trifft daher das unerlaubte Führen eines
Doktor-Grades mit mehreren Fällen des Betrugs zusammen, so kann es
diese nicht zur Tateinheit verklammern. (vgl. BGH, Beschl. v. 1.10.1996
- 1 StR 568/96; BGH, Beschl. v. 19.11.1996 - 1 StR 572/96 - NStZ 1997,
121). siehe auch: § 263, Betrug; zur Verklammerung: § 52 StGB, Tateinheit - Rdn. 25 - Verklammerung |
|
Strafzumessung |
|
|
S.1 |
Strafrahmen
§ 132a StGB: 1 Monat bis 1 Jahr Freiheitsstrafe oder
Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 9 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 6 Monat 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 5 Monate 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen |
|
|
U.2 |
Die Urteilsgründe müssen sich dazu verhalten, ob die vom Angeklagten getragene Uniform bzw. das vom Angeklagten verwendete Abzeichen tatsächlich zu den durch öffentlich-rechtliche Vorschriften eingeführten Uniformen bzw. Amtsabzeichen gehören oder solchen zum Verwechseln ähnlich sind (§ 132a Abs. 2 StGB) (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 4 StR 40/11 unter Hinweis auf Art. 2 der gemäß § 4 Abs. 3 SG erlassene Anordnung des Bundespräsidenten über die Dienstgradbezeichnungen und die Uniform der Soldaten (BPräsUnifAnO) vom 14. Juli 1978 (BGBl. I S. 1067; i.d.F. vom 31. Mai 1996, VMBl. 1996 S. 260)). | |
Prozessuales |
|
|
Z.1 |
|
Z.1.1 |
Die Verjährungsfrist für Mißbrauch von
Titeln,
Berufsbezeichnungen und Abzeichen beträgt drei Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 5 StGB). |
|
Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 7. Abschnitt (Straftaten gegen die öffentliche Ordnung) |
|
© 2000-2017 Peter Wiete • E-Mail: info@wiete-strafrecht.de