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§
86a StGB
Verwenden von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder 2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt. (2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum verwechseln ähnlich sind. (3) § 86 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Allgemeines |
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Mit
der Einfügung dieser Bestimmung in das Strafgesetzbuch durch
das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl I S.
3186) sollten zur wirksamen Verfolgung verfassungsfeindlicher Umtriebe
Strafbarkeitslücken geschlossen werden (vgl. BTDrucks. 12/7960 S.
4; BGH,
Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW
2002,
3186; Dahs NJW 1995, 553, 554). Der Schutzzweck dieses Straftatbestandes ist die Abwehr einer Wiederbelebung der verbotenen Organisation oder der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Die Vorschrift dient aber auch der Wahrung des politischen Friedens dadurch, dass jeglicher Anschein einer solchen Wiederbelebung sowie der Eindruck bei in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland vermieden werden soll, in ihr gebe es eine rechtsstaatswidrige innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet würden. Auch ein solcher Eindruck und die sich daran knüpfenden Reaktionen können den politischen Frieden empfindlich stören. § 86a StGB will darüber hinaus verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen - ungeachtet der damit verbundenen Absichten - sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können (vgl. BGHSt 25, 30, 33 f.; 25, 128, 130 f.; BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186; BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602; BGH, Beschl. v. 1.10.2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364 - NStZ 2009, 384 betr. Keltenkreuz; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). Weiterer Schutzzweck des § 86a StGB ist, die von der Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation ausgehende gruppeninterne Wirkung zu unterbinden (vgl. BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186). |
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§ 86a StGB wird allgemein als abstraktes Gefährdungsdelikt verstanden (vgl. BGHSt 23, 267, 268, 270; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 86 a Rdn. 1), so daß der Tatbestand eine konkrete Gefährdung des politischen Friedens nicht voraussetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186; BGH, Beschl. v. 1.10.2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364 - NStZ 2009, 384). Als abstraktes Gefährdungsdelikt wehrt die Vorschrift Gefahren ab, die allein mit dem äußeren Erscheinungsbild solcher Kennzeichen verbunden sind, und verbannt deshalb die von diesen Organisationen verwendeten Symbole aus dem Bild des politischen Lebens (BGH, Beschl. v. 1.10.2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364, 373 - NStZ 2009, 384; BVerfG, Beschl. v. 18.5.2009 - 2 BvR 2202/08; BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). | |
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder 2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt. ... |
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Beispiel (BGH,
Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14): Im April 2011 gründete
der Angeklagte von einem Computer in Tschechien aus auf dem
Internet-Videoportal YouTube eine Plattform mit der Bezeichnung
"Arische Musikfraktion". Auf diese lud er u.a. Abbildungen von
Hakenkreuzen hoch. Während der Betriebsdauer von mindestens drei
Monaten, während der der Angeklagte als Betreiber eine
ständige Zugriffsmöglichkeit auf die Plattform hatte, wurden
durch mindestens zwei Personen von Deutschland aus deren Inhalte
abgerufen. Der Angeklagte hat sich nicht wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht. Durch das Einfügen von Hakenkreuzen in die von ihm eingerichtete Internetplattform "Arische Musikfraktion" im obigen Beispiel verwendete der Angeklagte Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (vgl. BGH, Urt. v. 25.7.1979 - 3 StR 182/79 - BGHSt 29, 73, 83 f.) zwar öffentlich (§ 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Da er dies in Tschechien tat, fehlt es jedoch an dem Tatbestandsmerkmal der Inlandstat im Sinne dieser Vorschrift. Dessen Auslegung bestimmt sich nach §§ 3, 9 StGB. Danach muss im Inland entweder die Tathandlung begangen bzw. unterlassen worden oder ein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten bzw. beabsichtigt gewesen sein (§ 9 Abs. 1 StGB) (BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). siehe hierzu: § 9 StGB, Ort der Tat - Rdn. Z.1.10 - Abstrakte Gefährdungsdelikte Das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 86a StGB (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.1970 - 3 StR 2/70 - BGHSt 23, 267, 268) umschreibt keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, so dass eine Inlandstat über § 9 Abs. 1 Var. 3 oder 4 StGB nicht begründet werden kann. Selbst wenn man der Ansicht zustimmen wollte, dass die Frage nach dem Erfolgsort im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB normspezifisch am Schutzzweck der jeweiligen Strafvorschrift ausgerichtet werden muss (so BGH, Urt. v. 22.8.1996 - 4 StR 217/96 - BGHSt 42, 235, 242 zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit des abstrakten Gefährdungsdelikts des § 323a StGB), die Regelung mithin nicht nur auf Erfolgsdelikte im Sinne der allgemeinen Deliktslehre abstellt, ist jedenfalls an dem Ort, an dem die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete umgeschlagen ist oder gar nur umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten (ebenso S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 9 Rn. 6a; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 9 Rn. 2; Satzger, NStZ 1998, 112, 114 f.; offengelassen für den Fall, dass sich die abstrakte Gefahr realisiert hat, von BGH, Urt. v. 12.12.2000 - 1 StR 184/00 - BGHSt 46, 212, 221). Dieser muss vielmehr in einer von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbaren Außenweltsveränderung bestehen (Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876). Das Argument, diese Auffassung konterkariere die Bemühung, den Schutz bestimmter Rechtsgüter durch die Schaffung von abstrakten Gefährdungsdelikten zu erhöhen (so Heinrich, GA 1999, 72, 81), vermag nicht zu überzeugen. Gerade die diesen Schutz ausmachende Vorverlagerung der Strafbarkeit kann Anlass sein, diese - schon mit Blick auf völkerrechtliche Fragen (vgl. hierzu Roegele, Deutscher Strafrechtsimperialismus, 2014, 53 ff., 132 ff.) - nicht ausnahmslos auf Sachverhalte mit internationalem Bezug zu erstrecken. Auch soweit die Gegenmeinung betont, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 9 StGB durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, S. 717) keine Einschränkung der bis dahin zu § 3 Abs. 3 StGB aF herrschenden Auffassung zum Begehungsort abstrakter Gefährdungsdelikte habe erreichen wollen (so LK/Werle/Jeßberger, StGB, 12. Aufl., § 9 Rn. 33 mwN), steht dieser etwaige Gesetzgeberwille im diametralen Widerspruch zu der mit der Neufassung eingefügten Voraussetzung, dass der Erfolg zum Tatbestand der Strafnorm gehören muss (ebenso Satzger aaO, S. 115 f.) (BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). Der Angeklagte hat auch allein im Ausland gehandelt (§ 9 Abs. 1 Var. 1 StGB). Der Handlungsort wird bei aktivem Tun durch den Aufenthaltsort des Täters bestimmt (MüKoStGB/Ambos, 2. Aufl., § 9 Rn. 8 mwN). Schon deshalb vermag die Ansicht nicht zu überzeugen, nach der ein Handlungsort auch dort gegeben sein soll, wo die durch mediale Übertragung transportierte Handlung ihre Wirkung entfaltet (so aber KG, Urteil vom 16. März 1999 - 1 Ss 7/98, NJW 1999, 3500, 3502; zustimmend S/S-Eser aaO, § 9 Rn. 4). Der Radius der Wahrnehmbarkeit einer Handlung ist nicht Teil ihrer selbst (ebenso Heinrich, NStZ 2000, 533, 534; ablehnend auch MüKoStGB/Steinmetz aaO, § 86 Rn. 8 f.). Aus denselben Erwägungen kommt es auch nicht in Betracht, den Standort des vom Täter angewählten Servers für ausschlaggebend zu erachten (so aber S/S-Eser aaO, § 9 Rn. 7b) (BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). Ebenfalls eine Frage der Wirkung der tatbestandlichen Handlung wäre es, wenn man in dem Abruf der vom Angeklagten bereitgestellten Inhalte von Deutschland aus den Abschluss des Verwendens durch Verbreiten von Schriften sehen würde. Denn anders als bei der Beförderung durch andere Personen fehlt es bei der rein technischen Übertragung im Internet an der Möglichkeit, Handeln Dritter und damit deren Handlungsort selbst dem Täter gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 bzw. § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen (vgl. hierzu MüKoStGB/Steinmetz aaO, § 86 Rn. 7). Der Senat kann daher offenlassen, ob der zu der Vorgängerregelung des heutigen § 176a Abs. 3 StGB ergangenen Entscheidung (BGH, Urt. v. 27.6.2001 - 1 StR 66/01 - BGHSt 47, 55, 58 ff.), die sich für das Internet von dem herkömmlichen Verständnis des Verbreitens von Schriften als einem Akt deren körperlicher Übergabe löst und die gespeicherten Daten mit dem Datenspeicher gleichsetzt (kritisch hierzu Kudlich, JZ 2002, 310, 311; SK-StGB/Rudolphi/Stein, 40. Lfg., § 11 Rn. 61 f.), zu folgen wäre, zumal angesichts der weiteren Tathandlungsvariante des öffentlichen Verwendens im Rahmen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB hierzu ein Bedürfnis nicht besteht (BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). Der Angeklagte hat sich dadurch, dass er als Betreiber der Plattform es im Inland unterlassen hat, die von ihm eingestellten Kennzeichen wieder zu entfernen, auch nicht gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, § 13 StGB strafbar gemacht. Unabhängig von den Fragen, ob § 13 StGB überhaupt auf abstrakte Gefährdungsdelikte Anwendung findet und ob eine Pflicht zur Abwehr von Gefahren bestehen kann, die durch eigenes vorsätzliches Verhalten hervorgerufen wurden (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.1995 - 1 StR 465/95 - NStZ-RR 1996, 131), fehlt es angesichts der bereits objektiven Tatbestandslosigkeit des Vorverhaltens jedenfalls an der eine Garantenstellung begründenden Pflichtwidrigkeit (BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). Der 3. Strafsenat hat den Angeklagten insoweit freigesprochen (§ 354 Abs. 1 StPO) und dabei nicht verkannt, dass seine Auffassung dazu führen kann, dass Personen - wie vorliegend der Angeklagte - gezielt die Grenze überqueren werden, um Kennzeichen in das Internet einzustellen, deren Verwendung im Inland mit Strafe bedroht wäre. Es ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, diese Strafbarkeitslücke zu schließen, falls er dies für erforderlich erachtet (vgl. BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). |
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Kennzeichen,
wie sie beispielhaft in § 86a Abs. 2 StGB
aufgezählt sind, sind sicht-
oder hörbare Symbole, deren sich
die in § 86
Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB aufgeführten
Organisationen bedienen oder bedient haben, um propagandistisch auf
ihre politischen Ziele und die Zusammengehörigkeit ihrer
Anhängerschaft hinzuweisen (BGH,
Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09
- BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163; Rudolphi in SK-StGB 53. Lfg. § 86
a Rdn. 2). Zur Begründung der Kennzeicheneigenschaft ist deshalb
allein erforderlich, dass sich die Vereinigung ein bestimmtes Symbol
durch einen Autorisierungsakt - sei es durch formale Widmung, sei es
durch schlichte Übung - zu eigen gemacht hat, so dass dieses
Symbol zumindest auch als Zeichen der verbotenen Organisation erscheint
(vgl. BGH NJW 1999, 435, 436; BGH,
Beschl. v. 1.10.2008 - 3 StR 164/08
- BGHSt 52, 364 - NStZ 2009, 384 betr. Keltenkreuz; BGH,
Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 -
BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). Ist dies der Fall, so ist darüber hinaus eine Unverwechselbarkeit des Symbols nicht erforderlich. Dass das Kennzeichen auch unverfängliche Verwendung in anderem Zusammenhang findet und von der Organisation lediglich übernommen wurde, ist für den Kennzeichenbegriff nicht von Bedeutung. Von solchen außerhalb des Symbols liegenden tatsächlichen Umständen kann die Feststellung, ob es sich bei ihm um das Kennzeichen einer verbotenen Organisation handelt, ohne nachteilige Folgen für die Rechtssicherheit und Bestimmtheit des Tatbestands nicht abhängig gemacht werden (vgl. BGH NJW 1999, 435, 436; BGH, Beschl. v. 1.10.2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364 - NStZ 2009, 384). Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn sich die verbotene Vereinigung ein rein staatliches Hoheitssymbol oder ein Symbol einer Weltreligion in unveränderter Form als Kennzeichen zu eigen macht, brauchte der Bundesgerichtshof nicht zu entscheiden (bejahend: Steinmetz in MünchKomm-StGB § 86a Rdn. 11; Fischer StGB 55. Aufl. § 86a Rdn. 4; vgl. VGH Mannheim NVwZ 2006, 935; Stegbauer NStZ 2008, 73, 76 f.; offen gelassen in BGHSt 28, 394, 395). Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die weite Fassung des § 86a StGB eine Restriktion des Tatbestands in der Weise, dass solche Handlungen, die dem Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem Sinne wirken, nicht dem objektiven Tatbestand unterfallen (vgl. BGHSt 25, 30, 32 ff.; 25, 133, 136 f.; 51, 244, 246 ff.). Dies ist bislang für Fälle anerkannt, in denen das Kennzeichen in einer Weise dargestellt wird, die offenkundig gerade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zugrunde liegenden Ideologie eingesetzt wird (vgl. BGHSt 25, 30, 34; 51, 244) oder erkennbar verzerrt, etwa parodistisch verwendet wird (vgl. BGHSt 25, 133, 136 f.). Mit dieser Rechtsprechung wird einerseits dem Anliegen, verbotene Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens zu verbannen, andererseits den hohen Anforderungen, die das Grundrecht der freien Meinungsäußerung an die Beurteilung solcher kritischen Sachverhalte stellt, Rechnung getragen (vgl. BVerfG NJW 2006, 3052; BGH, Beschl. v. 1.10.2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364 - NStZ 2009, 384). Bei der Auslegung darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesetz - wenn-gleich nicht abschließend, aber dennoch beispielhaft - markante Kennzeichen aufzählt, namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen, die dem Tatbestand unterfallen sollen. Durch diese Aufzählung wird jedoch gleichzeitig die Reichweite des Tatbestands bestimmt. Dies bedeutet, dass von der Vorschrift nur solche körperlichen und nichtkörperlichen Erkennungszeichen erfasst werden, die einen den beispielhaft aufgeführten Kennzeichen entsprechenden Symbolcharakter aufweisen. Erforderlich ist deshalb, dass sie einen gedanklich an das äußere Erscheinungsbild gekoppelten, jedoch über dessen unmittelbaren Informationsgehalt hinausgehenden Sinn vermitteln (Stegbauer, Rechtsextremistische Propaganda im Lichte des Strafrechts S. 94). Anerkannt ist dies etwa für Lieder und Kopfbilder von Personen, die sinnbildhaft für eine Organisation oder Vereinigung stehen (vgl. BGH MDR 1965, 923 - für das Horst-Wessel-Lied und das Kopfbild Hitlers; BVerfG, Beschl. vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08 - für den Anfang des Horst-Wessel-Liedes; ablehnend hingegen für das Kopfbild von Rudolph Heß: OLG Rostock NStZ 2002, 320; BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163 betr. Aufdruck "Blood & Honour" auf T-Shirts). Nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB i. V. mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist es verboten, Kennzeichen einer ehemaligen Organisation zu verwenden. Damit sind nur Kennzeichen erfasst, die diese Organisation selbst verwendet hat. Nach § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB stehen diesen Kennzeichen auch solche gleich, die "ihnen" zum Verwechseln ähnlich sind. Damit ist klargestellt, dass eine Ähnlichkeit mit den von der Organisation verwendeten Kennzeichen bestehen muss (vgl. BGH, Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05 - NJW 2005, 3223; so auch Steinmetz NStZ 2002, 118 f.; ders. in MünchKomm § 86 a Rdn. 13). Leitsatz: Der objektive Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist grundsätzlich erfüllt, wenn das von der verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) als Symbol benutzte stilisierte Keltenkreuz oder diesem zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen (§ 86a Abs. 2 Satz 2 StGB) öffentlich verwendet werden. Eines zusätzlichen Hinweises auf die Organisation bedarf es nicht. Ein tatbestandliches Handeln scheidet aber dann aus, wenn sich aus den Gesamtumständen der Verwendung des Kennzeichens eindeutig ergibt, dass diese dem Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zuwider läuft (BGH, Beschl. v. 1.10.2008 - 3 StR 164/08 - Ls. - BGHSt 52, 364 - NStZ 2009, 384). siehe zum Kennzeichenbegriff in § 20 VereinsG: § 20 VereinsG, Rdn. 40.5 - Kennzeichen |
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17.5 |
Verbreiten
im Sinne des
§ 86a Abs. 1 StGB ist die mit einer körperlichen
Weitergabe
einer Schrift verbundene Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, die
Schrift ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis
zugänglich zu machen, wobei dieser nach Zahl und
Individualität so groß sein muss, dass er für den
Täter nicht mehr kontrollierbar ist (BGH,
Urt. v. 22.12.2004 - 2
StR 365/04 - NJW 2005, 689, 690; BGH, Beschl. v. 16.5.2012 -
3 StR
33/12; LK/Laufhütte/Kuschel, StGB, 12. Aufl., § 86 Rn. 19).
Dazu reicht die Weitergabe an einzelne bestimmte Dritte nicht aus, wenn
nicht feststeht, dass der Dritte seinerseits die Schrift weiteren
Personen überlassen werde (BVerfG, Beschl. v. 9.11.2011 - 1 BvR
461/08 - NJW 2012, 1498, 1499 f. mwN; BGH, Beschl. v. 16.5.2012 - 3 StR
33/12). Ein (beabsichtigtes) Verbreiten kommt nicht nur hinsichtlich des individuellen Inhalts der verschiedenen Schreiben, sondern auch bezüglich etwaiger vorgefertigter "Briefbögen" oder standardmäßiger Beilagen mit inkriminiertem Inhalt (wie beispielsweise des "Merkblatts für Kollaborateure") in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 16.5.2012 - 3 StR 33/12). |
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Unter Verwenden ist jeder Gebrauch zu verstehen, der das Kennzeichen optisch oder akustisch wahrnehmbar macht (BGH, Urt. v. 29.5.1970 - 3 StR 2/70 - BGHSt 23, 267, 268 f.; BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14 ). | |
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Das
Verwenden geschieht öffentlich,
wenn das Kennzeichen durch die Art
seiner
Verwendung für einen größeren, nicht durch persönliche Beziehungen
zusammenhängenden Personenkreis wahrnehmbar ist (BGH, Beschl. v.
19.8.2014 - 3 StR 88/14; OLG Celle, Urt. v. 10.5.1994 - 1 Ss
71/94 - NStZ 1994, 440; MüKoStGB/Steinmetz aaO, Rn. 26). Ein
öffentliches
Verwenden liegt nur vor, wenn eine nicht überschaubare Anzahl von
Personen den Symbolgehalt des Kennzeichens zur Kenntnis nehmen kann
(BGH, Beschl. v. 10.8.2010 - 3 StR 286/10; Fischer, StGB, 57. Aufl.,
§ 86a Rn. 15 mwN). Nicht öffentlich sind demgegenüber
etwa vom Tatbestand erfasste Äußerungen, wenn diese nur
gegenüber wenigen Polizeibeamten abgegeben wurden (vgl. BGH,
Beschl. v. 10.8.2010 - 3 StR 286/10). Zwar besteht zwischen den als "Freunden" gespeicherten Nutzern und dem Inhaber eines Facebook-Profils jeweils eine Beziehung derart, dass die entsprechende Anfrage des einen zur Aufnahme in den Kreis der "Freunde" durch den anderen bestätigt werden muss, die Verlinkung mithin auf einer kongruenten Willensbildung beruht. Damit ist über die persönliche Ebene dieser Beziehung jedoch noch nichts Hinreichendes ausgesagt. Das Landgericht hatte in dem vom 3. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14 entschiedenen Fall keine weiteren Feststellungen dazu getroffen, welcher Art die Beziehungen des Angeklagten bzw. des S. zu den mit ihnen verlinkten Personen war. Dies gefährdete den Schuldspruch dort indessen nicht, denn bei 844 sogenannten Freunden des S. konnte der Senat ausschließen, dass zu mehr als einem Bruchteil von diesen eine Verbindung bestand, die über eine zufällige, mitunter sogar nur virtuelle Bekanntschaft hinausging (vgl. BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). Für ein öffentliches Verwenden kommt es nicht entscheidend auf die Öffentlichkeit des gewählten Ortes an, sondern darauf, ob die Art der Verwendung die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis begründet (BGH, Beschl. v. 19.8.2010 - 3 StR 301/10 betr. Wahrnehmung eines "Hakenkreuzes" im Hausflur allein durch persönliche Beziehungen verbundene Personen, um diesen ggü. Unmutsbekundungen zu äußern; BayObLG, Beschl. v. 12.3.2003 - 5 StRR 20/2003 - NStZ-RR 2003, 233; OLG Frankfurt, Urt. v. 18.3.1998 - 1 Ss 407/97 - NStZ 1999, 356; OLG Celle, Urt. v. 10.5.1994 - 1 Ss 71/94 - NStZ 1994, 440; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 86a Rn. 15). |
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... (2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum verwechseln ähnlich sind. ... |
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Nach
§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB i. V. m. § 86
Abs. 1 Nr. 4 StGB macht sich strafbar, wer vorsätzlich im Inland
Originalkennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen
Organisation verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder
in von ihm verbreiteten Schriften verwendet (vgl. BGH,
Beschl. v.
31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186). Das Tatbestandsmerkmal "zum Verwechseln ähnlich", das sich auch in anderen Straftatbeständen wie etwa § 132a Abs. 2, § 149 Abs. 1 Nr. 2 und § 275 Abs. 1 Nr. 2 StGB findet, umschreibt seinem Wortlaut nach einen gesteigerten Grad sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeit. Maßgeblich ist, ob nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich ist (vgl. BGH GA 1966, 279; BGH NStZ 1994, 124; BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186; Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 132 a Rdn. 13; Rudolphi in SK-StGB 46. Lfg. § 132 a Rdn. 11). Es muss nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen Betrachters, Hörers oder Lesers eine Verwechslung mit dem Original möglich sein. Dafür genügt nicht, dass sich lediglich einzelne Merkmale des Vorbildes in der Abwandlung wieder finden, ohne dass dadurch einem unbefangenen Betrachter, der das Original kennt, der Eindruck des Originalkennzeichens vermittelt wird (BGH NStZ 2003, 31, 32; BGH NJW 2005, 3223 f.; BVerfG, Beschl. vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08; BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). Das Wort "ähnlich" bezeichnet allgemein die objektiv vorhandene Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten. Bei einem Kennzeichen, das seiner Funktion nach optisch wahrgenommen werden soll, kommt es maßgeblich auf die das äußere Erscheinungsbild prägenden Merkmale an, in denen sich sein Symbolgehalt verkörpert. Diese charakteristischen Merkmale haften dem Kennzeichen als solchem an, und zwar unabhängig von der Person des Betrachters (vgl. BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186). Ein Kennzeichen ist dem Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne von § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB, wenn es aus der Sicht eines nicht besonders sachkundigen und nicht genau prüfenden Betrachters die typischen Merkmale aufweist, welche das äußere Erscheinungsbild des Kennzeichens einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen prägen, und dadurch dessen Symbolgehalt vermittelt (vgl. BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186; BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). Von einer derartigen Ähnlichkeit ist nicht schon dann auszugehen, wenn das verwendete Kennzeichen lediglich Assoziationen zu dem Kennzeichen einer in § 86 Nr. 1, 2 oder 4 StGB genannten Organisation erweckt (BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). Normativer Maßstab ist dabei die Übereinstimmung in den wesentlichen wahrnehmbaren Merkmalen. Entscheidend ist, ob trotz der Änderungen das Originalkennzeichen und dessen Symbolgehalt hervortreten, mithin Aussage und Erscheinungsbild prägen (BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61, 63 f.; MüKoStGB/Steinmetz, 2. Aufl., § 86a Rn. 17 f.). Hiervon kann bei der Gestaltung mit drei anstelle von vier Haken, deren Zusammenspiel ein völlig anderes geometrisches Gebilde schaffen, nicht mehr ausgegangen werden. Allein die Übereinstimmung in der farblichen Gestaltung genügt insoweit nicht (BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14). Leitsatz Für die Beurteilung, ob ein Kennzeichen "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB ist, kommt es nicht darauf an, daß das Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat (BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - Ls. - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186). Leitsatz Der in eine andere Sprache übersetzte Leitspruch einer ehemaligen national-sozialistischen Organisation ist kein Kennzeichen, das der Originalparole im Sinne des § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB zum Verwechseln ähnlich ist (BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - Ls. - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). "Zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB ist eine Parole - wie auch ein sonstiges Kennzeichen - dann, wenn ein gesteigerter Grad sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeit gegeben ist. Erforderlich ist eine objektiv vorhandene Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten. Es muss nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich sein. Dafür genügt nicht, dass sich lediglich einzelne Merkmale des Vorbilds in der Abwandlung wieder finden, ohne dass dadurch einem unbefangenen Betrachter, der das Original kennt, der Eindruck des Originalkennzeichens vermittelt wird (BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186; BGH, Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05 - NJW 2005, 3223). Erforderlich ist ferner, dass das Vorbild tatsächlich als Kennzeichen einer verbotenen Organisation existiert. Reine Fantasiekennzeichen, die nur den Anschein der Zuordnung zu einer Organisation erwecken, werden von dem Tatbestand nicht erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05 - NJW 2005, 3223 f. betr. Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS"; BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163 betr. Leitspruch "Blood & Honour" als wortgetreue Übersetzung der Losung "Blut und Ehre" der Hitlerjugend). Die Beantwortung der Frage, ob Verwechslungsfähigkeit im Sinne des § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB besteht, erfordert nach den oben dargelegten Auslegungsgrundsätzen einen Gesamtvergleich des ursprünglichen Kennzeichens mit dem neu geschaffenen. Zu berücksichtigen sind hierbei alle wesentlichen Merkmale, die das Original prägen. Ergibt dieser Vergleich, dass das Vorbild infolge der vorgenommenen Veränderungen oder Ergänzungen eine so starke Verfremdung erfahren hat, dass sein ursprüngliches Erscheinungsbild in den Hintergrund tritt oder dass es dadurch sogar seinen Bedeutungsgehalt verliert, besteht die Gefahr einer Verwechslung nicht (BGH, Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05 - NJW 2005, 3223 f.; BVerfG, Beschl. v. 18.5.2009 - 2 BvR 2202/08; Reuter, Verbotene Symbole S. 147). Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers, der durch die Einführung des § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB lediglich die Strafbarkeit leicht abgewandelter Symbole nationalsozialistischer Organisationen sicherstellen wollte (BTDrucks. 12/6853 S. 23; BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). Dem Schuldspruch steht nicht entgegen, dass das fragliche Kennzeichen (etwa der "White Youth") in der Öffentlichkeit möglicherweise nicht weiter bekannt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 88/14; BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354; aA Reuter, Verbotene Symbole, 2005, 127 ff.). Die Vorschrift dient nicht dazu, jedwedes Bekenntnis zu einer verfassungsfeindlichen oder nationalsozialistischen Organisation unter Strafe zu stellen (vgl. Reuter Verbotene Symbole S. 151), sondern tabuisiert lediglich tatsächlich existierende oder diesen zum Verwechseln ähnliche Symbole dieser Organisationen. Dafür reicht es nicht aus, dass das neue Kennzeichen lediglich einen Bezug zu dem Originalkennzeichen herstellt, aber nicht mehr dessen typischen Symbolcharakter vermittelt (BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). Leitsatz Der Name einer Vereinigung oder Organisation nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB ist als solcher kein Kennzeichen im Sinne des § 86a Abs. 2 Satz 1 StGB (BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - Ls. - NJW 2010, 163; str.: ebenso Fischer, StGB 56. Aufl. § 86 a Rdn. 3 a; aA Steinmetz in MünchKomm-StGB § 86 a Rdn. 7; Reuter, Verbotene Symbole, S. 140; bejahend für die Abkürzung NSDAP: OLG Hamm NStZ-RR 2004, 12; Steinmetz NStZ 2004, 444; Stegbauer JR 2002, 186). Jedenfalls der bloßen, nicht abgekürzten Namensbezeichnung einer Vereinigung kommt ein solcher über den Informationsgehalt hinausgehender Symbolcharakter nicht zu. Sie erschöpft sich vielmehr darin, die Vereinigung zu benennen, ohne darüber hinaus, vergleichbar mit den im Gesetz aufgeführten Kennzeichen, in symbolhafter Weise zu wirken (BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163: betr. Aufdruck "Blood & Honour" auf T-Shirts). Anders verhält es sich freilich dann, wenn sich eine Vereinigung zur Namensgebung einer Parole oder einer Grußformel bedient, die ihrerseits Symbol einer anderen verbotenen Organisation ist oder einem solchen Kennzeichen im oben dargestellten Sinn jedenfalls ähnelt. Dadurch, dass ein verbotenes Sinnbild von einer anderen Vereinigung als Name verwendet wird, verliert es nicht seinen ursprünglichen Kennzeichencharakter. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 86a StGB sind darüber hinaus auch dann erfüllt, wenn der Name der verbotenen Vereinigung eine bestimmte Formgebung erfahren hat, etwa als Parteiabzeichen gestaltet ist oder in signifikanten Schriftzügen dargestellt wird (vgl. etwa für die Sigrunen der SS und des Jungvolks BGH NStZ 1983, 261 und MDR bei Schmidt 1986, 177). Durch eine solche Modifikation wird dem Namen einer Vereinigung regelmäßig auch der Charakter eines Sinnbildes verliehen (BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). Werden die Namen verfassungswidriger oder ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen oder Übersetzungen von NS-Parolen in einem propagandistischen Zusammenhang gebraucht, kommt eine Strafbarkeit nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 und 4, Abs. 2 StGB in Betracht (BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 - NJW 2010, 163). |
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35.9 |
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35.9.1 |
Leitsatz
Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen
Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und
eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die
Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem
Schutzzweck des § 86a StGB ersichtlich nicht zuwider und wird
daher vom Tatbestand der Vorschrift nicht erfasst (BGH,
Urt. v.
15.3.2007 - 3 StR 486/06 - Ls. - BGHSt 51, 244 - NJW 2007,
1602). Da sich in einem derartigen Fall die gegnerische Zielrichtung bereits aus dem Aussagegehalt der Darstellung selbst ergibt, erstreckt sich der Tatbestandsausschluss grundsätzlich auf jeglichen Gebrauch der Kennzeichen, sei es Herstellung, Vorrätighalten, Verbreiten oder sonstiges Verwenden. Auf die Umstände des Gebrauchs kommt es dabei zur Begründung eines Tatbestandsausschlusses nicht an (BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602). Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass ein Tatbestandsausschluss nur gerechtfertigt erscheint, wenn die Gegnerschaft sich eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag. Ist dagegen der Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar, so ist der Schutzzweck des § 86a StGB verletzt. Dies mag etwa der Fall sein, wenn das Durchstreichen des Hakenkreuzes so dünn erfolgt, dass aus einer gewissen Entfernung nur noch das Hakenkreuz, nicht mehr aber die Distanzierung erkennbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602). |
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39.9.2 |
siehe hierzu: BGH, Beschl. v. 31.7.2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 - NJW 2002, 3186 | |
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39.9.3 |
(Dieses
Symbol zeigt im allgemeinen Gebrauch eine stilisierte Figur,
die einen Abfallgegenstand mit ausgestrecktem Arm in einen
Abfallbehälter wirft und so zur Sauberhaltung etwa von Parkanlagen
auffordert.) Auf den vom Angeklagten vertriebenen Artikeln wurde dieses Symbol dahin abgeändert, dass der Abfallgegenstand durch ein Hakenkreuz ersetzt wurde, um ersichtlich zum Ausdruck zu bringen, dass dieses nichts wert und daher wegzuwerfen sei. Die offensichtlich rechtsextreme Gruppe "Nationaler Widerstand" hat nun diese veränderte Darstellung mit Hakenkreuz übernommen, aber mit der Überschrift "Ihr stimmt uns heiter" und der Unterschrift "der Nationale Widerstand marschiert geschlossen weiter!" versehen. Damit hat diese Gruppe nicht die vom Angeklagten verwendete Darstellung gebraucht, sondern diese durch den Begleittext so verändert, dass sie einen entgegengesetzten Sinngehalt bekommen hat. Denn in dem aufgedruckten Kontext ergibt sich die Aussage, dass der "Nationale Widerstand" ungeachtet der dargestellten Gegenpropaganda, über die er nur lachen könne, "weitermarschiere" und somit seine Ziele weiterverfolge. Die Verwendung des Hakenkreuzes in einer solchen Bedeutung unterfällt ohne weiteres dem Tatbestand des § 86a StGB. Denn sie zeigt ein Bekenntnis zu diesem Symbol und nicht dessen Ablehnung (BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602). Soweit hinsichtlich "Umweltmännchens" Zweifel an einer hinreichend gegnerischen Verwendung geäußert werden, weil der ausgestreckte Arm nicht nur das Wegwerfen eines Hakenkreuzes, sondern auch das Entbieten des "Hitlergrußes" gegenüber dem Hakenkreuz oder das Herausholen des Hakenkreuzes aus dem Abfall darstellen könne, kann dies der Senat angesichts der in der alltäglichen Verwendung dieses Piktogramms enthaltenen eindeutigen Aussage, Abfall solle in den Abfallbehälter geworfen werden, nicht nachvollziehen. Nur sehr fern liegende, theoretische Deutungsmöglichkeiten vermögen die sonst gegebene Eindeutigkeit einer Darstellung nicht in Frage zu stellen (BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602). |
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39.9.4 |
Auf den Gegenständen wird ein am Boden liegendes, zertrümmertes Hakenkreuz dargestellt, auf dem sich ein Springerstiefel befindet. Damit wird deutlich, dass die Zerstörung des Hakenkreuzes durch einen Stiefeltritt symbolisiert wird (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602). | |
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39.9.5 |
Zerbrochenes Hakenkreuz, bei dem die Brocken farblich so gestaltet sind, dass ein Teil von ihnen ein "4." bildet, wobei in der Umrandung die Aufschrift "Kein Reich" enthalten ist. Damit wird nicht nur die Zerstörung des Hakenkreuzes dargestellt, sondern auch die Forderung erhoben, es solle kein 4. Reich geben. Diese Distanzierung ist nach ihrem Gesamteindruck ausreichend (BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602). | |
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39.9.6 |
Auf der Vorderseite der CD-Hülle ist ein Bild Adolf Hitlers neben der "Reichsstandarte" mit unverändertem Hakenkreuz zu sehen. Die Textaufdrucke "Schleim Keim" und "Drecksau" vermögen einem durchschnittlichen Beobachter keinen Bedeutungsinhalt, insbesondere keine deutliche Distanzierung zu vermitteln. Eine solche ergibt sich allerdings in gewissem Umfang aus der Rückseite der CD-Hülle, auf der drei Liedtexte abgedruckt sind, wovon einer den Begriff "Faschosau" enthält, was auf einen Text gegen Rechtsextreme hindeutet. Jedoch fehlt es insgesamt an einer ausreichenden Kenntlichmachung der Ablehnung; diese ist weder eindeutig, noch offenkundig (BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602). | |
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39.9.7 |
Bei
einem Spielzeughersteller, der originalgetreue Modelle von
Kriegsflugzeugen mit Hakenkreuz auf den Markt gebracht hatte, hat er
entscheidend auf die "massenhafte Verbreitung" abgestellt und diese
für unzulässig erklärt (BGHSt 28, 394, 397). Leitsatz 1. Zur Frage, wann ein verwendetes Kennzeichen einem Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation nach Änderungen und/oder Zusätzen zum Verwechseln ähnlich ist. 2. Die Verwendung eines Fantasiekennzeichens oder eines erheblich abgewandelten Kennzeichens, das dem Originalkennzeichen nicht zum Verwechseln ähnlich ist, wird auch dann nicht von § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB erfasst, wenn es den Anschein erweckt, es handele sich um ein Kennzeichen dieser Organisation. 3. Die Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" ist weder der Originalparole der Hitlerjugend noch derjenigen der Waffen-SS zum Verwechseln ähnlich (BGH, Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05 - Ls. - NJW 2005, 3223). Zu von einem Künstler bemalten Plastik-Schwein mit Hakenkreuz siehe: BGH, Urt. v. 15.3.2007 - 3 StR 486/06 - BGHSt 51, 244 - NJW 2007, 1602 |
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K.1 |
Verwenden
von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen kann in
Tateinheit mit Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger
Organisationen und mit Volksverhetzung stehen (vgl. BGH,
Beschl. v.
1.12.2009 - 3 StR 432/09). siehe auch: § 86 StGB, Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen; § 130 StGB, Volksverhetzung |
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K.5 |
Soweit
das Verbreiten
mehrerer Exemplare einer bestimmten Schrift aufgrund eines
einheitlichen Vorsatzes in mehreren Schritten erfolgte, kann eine
tateinheitliche Begehungsweise gegeben sein (vgl. BGH, Beschl. v.
16.5.2012 - 3 StR 33/12; zum sukzessiven Verbreiten BGH, Urt. v.
26.6.1985 - 3 StR 129/85 - BGHSt 33, 271, 274 f. mwN; LK/Krauß,
StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 140; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12.
Aufl., Vor § 52 Rn. 23 ff.; S/S-Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl.,
§ 86a Rn. 9d; Warda in Festschrift Geilen, 2003, S. 199 ff.). Liegen neben einem Verbreiten gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a StGB oder § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auch Vorbereitungshandlungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d StGB oder des § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB (Herstellen oder Vorrätig-Halten) vor, kann das Verbreiten die jeweilige Vorbereitungshandlung verdrängen (BGH, Beschl. v. 16.5.2012 - 3 StR 33/12; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.8.2009 - 3 StR 174/09 zu § 184 StGB; BGH, Beschl. v. 19.5.1980 - 3 StR 193/80). |
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S.1 |
§
86a Abs. 1 StGB: 1 Monat bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe
von 5 bis 360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB: 1 Monat bis 2 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung): 1 Monat bis 1 Jahr 8 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung): 1 Monat bis 1 Jahr 3 Monate 5 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB: 1 Monat bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die Verjährungsfrist für § 86a Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). | |
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Z.4 |
Die
Beendigung des Beamtenverhältnisses tritt ferner ein, wenn
der
Beamte wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den
Vorschriften
über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des
demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der
äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf
eine
Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu
einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten
rechtskräftig
verurteilt wird. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur
Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder
wenn die
Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein
Grundrecht verwirkt hat (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 2
BeamtStG; § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 2 BBG). siehe auch: § 46 StGB, Grundsätze der Strafzumessung - Rdn. 25.5.3 - Verlust von Beamtenrechten |
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Z.5 |
Ist
eine Straftat nach § 86a StGB begangen
worden, so
können
Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer
Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind,
eingezogen werden (§ 92b
Satz 1 Nr. 1 StGB). § 74a
StGB ist
anzuwenden (§ 92b
Satz 2 StGB). siehe auch: § 74 StGB, Einziehung von Gegenständen; § 74a StGB, Erweiterte Voraussetzungen der Einziehung |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 86a StGB wird verwiesen auf: § 11 StGB siehe auch: Personen- und Sachbegriffe, § 11 StGB § 86 StGB siehe auch: Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, § 86 StGB Auf § 86a StGB wird verwiesen in: § 92b StGB siehe auch: Einziehung, § 92b StGB § 129 StGB siehe auch: Bildung krimineller Vereinigungen § 129 StGB |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 1. Abschnitt (Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates) 3. Titel (Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates) |
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