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§
46 StGB
Grundsätze der Strafzumessung
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. (3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Das
Schuldprinzip, das seine Grundlage
in Art. 1 Abs. 1 GG
hat, besagt, daß jede Strafe
in einem gerechten
Verhältnis
zur Schwere der Straftat und zum Verschulden des Täters
stehen
muß. Die verhängte Strafe darf die Schuld des
Täters
nicht übersteigen. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in
seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem
Übermaßverbot (BVerfGE 45, 187, 228; 54, 100, 108;
86, 288,
313; BVerfG NJW 2002, 1779; BGH,
Urt. v. 21.8.2002 - 1 StR 115/02 -
BGHSt 47, 369 - StV 2002, 601). Eine Strafandrohung darf nach Art und
Maß dem unter Strafe stehenden Verhalten nicht
schlechthin
unangemessen sein; Tatbestand und Rechtsfolge müssen
sachgerecht
aufeinander abgestimmt sein (BVerfG NJW 1994, 1577 und - Kammer - NJW
1997, 1910; BGH,
Urt. v. 21.8.2002 - 1 StR 115/02 - BGHSt 47, 369 - StV
2002, 601). Aus dem Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ folgt für die Strafgerichte das in § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB verankerte Gebot schuldangemessenen Strafens im Einzelfall (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.1996 – 2 BvR 1851/94 u.a. - BVerfGE 95, 96, 140; BVerfG, Beschl. v. 27.12.2006 – 2 BvR 1895/05 - StraFo 2007, 369; BVerfG, Beschl. v. 23.9.2014 – 2 BvR 2545/12 Rn. 9 f.; BGH, Urt. v. 3.3.2016 - 4 StR 497/15 Rn. 13; vgl. ferner BVerfG, Beschl. v. 1.8.2008 – 2 BvR 1001/08 Rn. 3; BVerfG, Beschl. v. 15.3.2012 – 2 BvL 8/11 u.a. Rn. 45 mwN). Der Strafausspruch ist aufzuheben, wenn nach den Feststellungen, die zur Schwere der Tat und zum Grad der persönlichen Schuld des Angeklagten getroffen wurden, bei Abwägung der strafmildernden und der strafschärfenden Gesichtspunkte die verhängte Freiheitsstrafe unvertretbar hoch ist, das für vergleichbare Fälle übliche Maß erheblich überschreitet, damit den Anforderungen an einen gerechten Schuldausgleich nicht mehr entspricht und deshalb rechtsfehlerhaft ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 9, 11, 12; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 6 und 7; BGH, Beschl. v. 23.1.2001 - 4 StR 572/00 - wistra 2001, 177; BGH, Urt. v. 19.6.2008 - 4 StR 105/08 - StV 2009, 529; BGH, Urt. v. 23.6.2009 - 5 StR 189/09 - NStZ-RR 2009, 307; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.12.2009 - 3 StR 367/09- wistra 2010, 217; BGH, Urt. v. 25.5.2011 - 5 StR 63/11; BGH, Urt. v. 3.8.2011 - 2 StR 207/11). Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Tatgericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Eine ungewöhnlich hohe Strafe bedarf dementsprechend einer besonderen Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.2015 - 2 StR 317/15 Rn. 4 auch eingedenk des erheblichen Unrechtsgehalts der Straftat; vgl. auch BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 5 StR 264/12 - StraFo 2012, 419; BGH, Beschl. v. 20.9.2010 - 4 StR 278/10 - NStZ-RR 2011, 5 mwN). Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.1980 – 2 StR 355/80 - BGHSt 29, 319, 320; BGH, Beschl. v. 10.4.1987 – GSSt 1/86 - BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urt. v. 4.5.2011 - 5 StR 75/11; BGH, Beschl. v. 28.7.2011 - 4 StR 156/11; BGH, Urt. v. 19.1.2012 - 3 StR 413/11; BGH, Urt. v. 7.2.2012 - 1 StR 525/11; BGH, Urt. v. 2.8.2012 - 3 StR 132/12; BGH, Urt. v. 12.1.2016 - 1 StR 414/15; BGH, Urt. v. 25.10.2016 - 5 StR 162/16; BGH, Urt. v. 9.5.2017 - 1 StR 265/16 Rn. 40; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 20 ff.; KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 267 Rn. 25; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rn. 34; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. Rn. 833). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Beschl. v. 10.4.1987 – GSSt 1/86 - BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urt. v. 12.1.2005 – 5 StR 301/04; BGH, Urt. v. 7.2.2012 - 1 StR 525/11; BGH, Urt. v. 21.6.2012 - 4 StR 623/11). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe (BGH, Urt. v. 22.11.1995 - 3 StR 478/95 - BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 11; BGH, Urt. v. 28.3.2012 - 2 StR 16/12; BGH, Urt. v. 12.1.2016 - 1 StR 414/15). Zu der dem Tatrichter aufgegebenen, lediglich der beschriebenen eingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegenden Strafzumessung gehört auch die Bewertung, ob ein einzelner Umstand zumessungserheblich ist und welche Bewertungsrichtung ihm gegeben wird (BGH, Beschl. v. 10.4.1987 - GSSt 1/86 - BGHSt 34, 345, 350; BGH, Urt. v. 12.1.2016 - 1 StR 414/15). Auch die Bestimmung der Bewertungsrichtung eines vom Tatrichter als zumessungserheblich betrachteten Umstands prüft das Revisionsgericht lediglich auf Vertretbarkeit (BGH, Urt. v. 12.1.2016 - 1 StR 414/15). Mit der Strafe wird dem Täter ein rechtswidriges sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen; das setzt die Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit voraus (BVerfGE 95, 96, 140 und - Kammer - NJW 1998, 2585). Das Schuldprinzip gilt nicht für Rechtsfolgen ohne Strafzwecke (BVerfGE 91, 1, 27). Die Kriminalstrafe ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie – wenn nicht ausschließlich, so doch auch – auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 13 und Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 198; BGH, Urt. v. 9.8.2016 - 1 StR 121/16 Rn. 11). Die verfassungsrechtliche Legitimität der Verhängung und Vollstreckung von Strafe folgt bereits aus dem Umstand, dass dem jeweiligen Täter die Begehung der Straftat als Fehlverhalten individuell vorgeworfen werden kann (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1997 – 2 BvR 1371/96, BVerfGE 96, 245, 249). Die konkret verhängte Strafe muss dabei von Verfassungs wegen in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfG jeweils aaO, BVerfGE 96, 245, 249 und BVerfGE 133, 168, 198; BGH, Urt. v. 9.8.2016 - 1 StR 121/16 Rn. 11). Die Strafe soll eine angemessene staatliche Reaktion auf die Begehung einer Straftat sein. Ihre Bemessung erfordert eine einzelfallorientierte Abwägung der strafzumessungsrelevanten Umstände. Grundlagen der Strafzumessung sind dabei die Schwere der Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung und der Grad der persönlichen Schuld des Täters, § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB (BGH, Urt. v. 4.8.1965 - 2 StR 282/65 - BGHSt 20, 264, 266). Daneben ist die Resozialisierung des Täters der zentrale Gesichtspunkt der Strafzumessung, denn das Tatgericht hat bei der konkreten Strafbemessung die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 29.10.2015 - 3 StR 342/15). Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH, Beschl. v. 16.1.2001 - 1 StR 503/00 - NStZ 2001, 333; BGH StV 2002, 20; BGH, Urt. v. 20.4.2004 - 5 StR 87/04; BGH, Urt. v. 16.10.2008 - 4 StR 369/08 - NStZ 2009, 210; siehe hierzu unten Rdn. Z.7.1). Bei der Entscheidung über die Bewertungsrichtung der zumessungserheblichen Umstände und bei der Strafzumessung überhaupt kann der Tatrichter nicht von einem normativen Normalfall ausgehen. Die Annahme eines normativen Normalfalls widerspräche der Systematik des deutschen Strafrechts, das dem Tatrichter weite Strafrahmen zur Verfügung stellt und in § 46 StGB lediglich einzelne wichtige Strafzumessungsgesichtspunkte aufführt, ohne dass es sich dabei um eine erschöpfende Aufzählung handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.1987 – GSSt 1/86 - BGHSt 34, 345, 350 f.; BGH, Beschl. v. 7.6.2017 - 4 ARs 22/16 Rn. 3). Aus dem Schuldprinzip folgt die Verpflichtung der Strafgerichte, von Amts wegen den wahren Sachverhalt zu erforschen (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.3.2013 - 2 BvR 2628/10 u.a. - NJW 2013, 1058, 1060; BGH, Beschl. v. 3.3.2016 - 2 StR 360/15 Rn. 3). Diese Pflicht darf nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden. Es ist unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte geständig gezeigt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 15.4.2013 - 3 StR 35/13 - StV 2013, 684; BGH, Beschl. v. 6.8.2013 - 3 StR 212/13 - StV 2013, 703 f.; BGH, Beschl. v. 5.11.2013 - 2 StR 265/13 - NStZ 2014, 170; BGH, Beschl. v. 24.9.2013 - 2 StR 267/13 - BGHSt 59, 21, 27 f.; BGH, Beschl. v. 3.3.2016 - 2 StR 360/15 Rn. 3). Strafen dienen der Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Sie müssen stets innerhalb des Beurteilungsrahmens liegen, der dem Tatrichter eingeräumt ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Strafe für jeden Mittäter, Teilnehmer oder sonst an einem Tatkomplex Beteiligten grundsätzlich nach dem Maß der jeweiligen individuellen Schuld zu bestimmen. Es ist bei der Urteilsfindung eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen ent- und belastenden Umstände vorzunehmen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 26, 97, 98; BGHR BtMG § 30 Abs. 2 Gesamtwürdigung 4; BGH, Urt. v. 23.3.2006 - 3 StR 458/05). Bei unerlaubtem Betäubungsmittelhandel prägen Art und Menge des Rauschgifts regelmäßig den Unrechtsgehalt der Tat wesentlich und sind als bestimmende Gründe in die Strafzumessungserwägungen des Tatgerichts einzustellen. Gleichwohl verlieren die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung nach den §§ 46 ff. StGB im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität nicht ihre Bedeutung. Danach ist auch bei Rauschgiftgeschäften die Strafe jedes von mehreren Tatbeteiligten vor allem nach dem Maß seiner individuellen Schuld zuzumessen. Eine reine "Mengenrechtsprechung" wäre mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren (vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.2011 - 3 StR 28/11). Rechtsfehlerhaft wäre es, wenn das Gericht die Strafe allein im Hinblick auf die Strafen bemessen würde, die in anderen Urteilen - sei es desselben Gerichts, sei es eines anderen Gerichts - verhängt wurden (st. Rspr., vgl. nur BGH bei Holtz MDR 1979, 986; BGHSt 28, 318, 323; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23; BGH NStZ-RR 1997, 196 f.; BGH, Beschl. v. 23.8.2006 - 1 StR 327/06 ; vgl. auch zusammenfassend G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 477 ff. m. w. N.). In anderen Urteilen verhängte Strafen führen zu keiner, wie auch immer beschaffenen, rechtlichen Bindung des Gerichts bei der Strafzumessung (BGH, Beschl. v. 23.8.2006 - 1 StR 327/06). Dies hindert das Gericht freilich nicht, die Höhe anderweitig verhängter Strafen mit in die Strafzumessungserwägungen einfließen zu lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 23.8.2006 - 1 StR 327/06 m.w.N.; Schäfer aaO). Die Erörterung sämtlicher vorstellbarer Strafzumessungsgesichtspunkte ist nicht möglich und daher auch nicht geboten (st. Rspr., vgl. d. N. b. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 46 Rdn. 106). Der Tatrichter braucht im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Strafe bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Grundsätzlich sind hierbei die gewichtigen Strafmilderungsgründe jedoch im Urteil zu erörtern (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2006 - 4 StR 42/06). Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.1994 - 3 StR 311/94 - NStE Nr. 42 zu § 267 StPO mwN; BGH, Urt. v. 2.8.2012 - 3 StR 132/12; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 267 Rn. 18). Wird zur Begründung des Rechtsfolgenausspruchs lediglich ein tragender Gesichtspunkt herangezogen, ist zu besorgen, dass der Tatrichter die durch § 46 Abs. 2 StGB gebotene Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Tatsachen nicht in der erforderlichen Weise rechtsfehlerfrei vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.1983 - 4 StR 667/82 - NStZ 1983, 217; BGH, Urt. v. 25.3.2010 - 4 StR 522/09). Wird die Zumessung der Strafhöhe unzulässig mit Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermengt, verstößt dies gegen die Grundsätze der Strafzumessung (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2012 - 1 StR 525/11; vgl. auch BGH, Urt. v. 3.3.2016 - 4 StR 497/15 Rn. 13 ff. betr. Zurückstellung gemäß § 35 Abs. 3 Ziff. 2 BtMG). siehe zur sog. Spielraumtheorie: § 56 StGB Rdn. 15 |
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5.1 |
Unterschiedliche
Ergebnisse rechtsfehlerfrei angewendeten
tatrichterlichen Ermessens bei der Strafzumessung haben mit
abweichenden Entscheidungen in Rechtsfragen nichts gemein; die
denkbaren Umstände des Einzelfalles sind zu vielschichtig
für
generelle Aussagen (BGHSt 27, 212, 216; BGH,
Beschl. v. 15.11.2007 - 4
StR 362/07; Franke in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl.
§
121 GVG
Rdnr. 59; KK-Hannich 5. Aufl. StPO § 121 GVG Rdnr. 36;
Schäfer Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdnr. 485). Die
Entscheidung, unter welchen Umständen die Grenzen
schuldangemessenen Strafens überschritten sind
und dadurch das
Übermaßverbot verletzt ist, gehört zur
Strafzumessung
und ist als tatrichterliche Wertung tatsächlicher
Umstände
eine Frage des Einzelfalls, die der Klärung im Wege eines
Vorlageverfahrens nicht zugänglich ist (vgl. BGHSt 27, 212,
214ff;
NStZ 1983, 261, 262; 1988, 270f; Franke in Löwe/Rosenberg StPO
25.
Aufl. § 121 GVG Rdnr. 59; KK-Hannich 5. Aufl. StPO §
121 GVG
Rdnr. 36); darauf, dass das vorlegende Oberlandesgericht die Frage als
Rechtsfrage behandelt hat, kommt es nicht an (vgl. BGHSt 31, 314, 316;
NStZ 1995, 409, 410; BGH,
Beschl. v. 15.11.2007 - 4
StR 362/07 zur
Vorlagefrage: "Stehen das Übermaßverbot und das
Gebot
schuldangemessenen Strafens der Verhängung einer
Freiheitsstrafe
von mehr als einem Monat unabhängig von der strafrechtlichen
Vergangenheit des Täters stets entgegen, wenn der
Täter einer
Erschleichung der Beförderung durch ein Verkehrsmittel ein
Entgelt
von nicht mehr als 1,10 Euro nicht entrichten wollte?").
Es entscheidet
sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, ob bei
Bagatelldelikten bis zu einer bestimmten Schadensgrenze die gesetzliche
Mindeststrafe übersteigende Freiheitsstrafen nicht mehr
schuldangemessen sind. Diese Frage ist deshalb einer Vorlegung nach
§ 121 Abs. 2 GVG nicht zugänglich (vgl. BGH,
Beschl. v. 15.11.2007 - 4
StR 362/07). |
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5.2 |
Zwar
können generalpräventive Erwägungen
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei der Bestimmung
der Höhe der Strafe im Rahmen der Schuld zu Lasten des
Angeklagten
berücksichtigt werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1
Generalprävention 4; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl.
§ 46
Rdn. 11 und 12 m.w.N.). Der Tatrichter darf aber die Strafe aus
Gründen der Abschreckung
potentieller Täter nur dann
höher bestimmen, als sie sonst ausgefallen wäre, wenn
eine gemeinschaftsgefährliche
Zunahme solcher oder
ähnlicher
Taten, wie sie zur Aburteilung stehen, festgestellt worden ist (vgl.
BGHSt 6, 125, 127; BGH NStZ 1982, 463; BGHR StGB § 46 Abs. 1
Generalprävention 2, 3, 6, 7; BGH wistra 2002, 260; BGH,
Urt.
v.
7.11.2001 - 2 StR 277/01: betr. Misshandlung von
Mithäftlingen; BGH,
Beschl. v. 22.7.2003 - 3 StR 243/03; BGH,
Beschl. v. 22.9.2003 - 3
StR 332/03; BGH,
Beschl. v. 3.12.2003 - 5 StR 473/03; BGH,
Beschl. v.
13.10.2004 - 3 StR 372/04; BGH,
Beschl. v. 8.5.2008 - 3 StR 148/08; BGH,
Beschl. v. 8.5.2007 - 4 StR 173/07 - NJW 2008, 452; BGH,
Beschl. v. 23.11.2010 - 3 StR 393/10; BGH, Urt. v. 6.9.2011 - 1 StR
633/10; BGH, Beschl. v. 11.4.2013 - 5 StR 113/13). Dabei
ist
nicht in erster Linie auf den Deliktstyp als solchen abzustellen, weil
damit der Strafgrund als solcher gegen den Angeklagten gewendet
würde, was unter dem Gesichtspunkt des
Doppelverwertungsverbots
des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken begegnet. Vielmehr ist auf die
jeweiligen konkreten Umstände, die das Tatbild kennzeichnen,
Bedacht zu nehmen. Hat die Tat hiernach Ausnahmecharakter,
so
läßt dies generalpräventive
Erwägungen eher nicht
zu (für Konflikttaten BGH,
Beschl. v. 20. März 2001
- 4 StR
576/00, StV 2001, 453 nur LS; BGH,
Beschl. v. 5.4.2005 - 4 StR 95/05 betr. einvernehmlichen sexuellen
Kontakten im Zshg. mit
§§
176, 176 a StGB). Hat der Tatrichter den Gesichtspunkt der Generalprävention in einer den Angeklagten beschwerenden Weise berücksichtigt, indem er ausdrücklich darauf abstellt, daß wegen des besonderen Interesses der Öffentlichkeit Tat, Strafmaß und Begründung in hohem Umfang bekannt würden und "daher geeignet (sei), potentielle Täter zur Überlegung zu bringen und abzuschrecken", beschreibt diese Erwägung keinen zur Begründung der Generalprävention zulässigerweise verwertbaren Umstand, der außerhalb der bei Aufstellung eines bestimmten Strafrahmens vom Gesetzgeber bereits berücksichtigten allgemeinen Abschreckung liegt (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2002 - 5 StR 566/01). Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen, oder ein besonderes Ausmaß, in dem eine Tat den Rechtsfrieden zu stören geeignet ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 2 bis 4, 6 und 7). Die Erwägung des Tatrichters läßt dagegen besorgen, daß die Bemessung der Strafen wegen der - durch die Öffentlichkeitswirksamkeit - besonders günstigen Möglichkeit der Beeinflussung potentieller Täter mitbestimmt war und dadurch der Einbindung des Strafzwecks der Generalprävention in den Spielraum der schuldangemessenen Strafe nicht genügend Beachtung geschenkt wurde (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 8; BGH, Urt. v. 21.3.2002 - 5 StR 566/01). Bei der Strafenbildung ist zu beachten, daß eine Strafschärfung aus generalpräventiven Gründen nur im Rahmen der schuldangemessenen Strafe in Betracht kommen kann und daß bereits in der erhöhten Strafdrohung des vom Tatgericht bei nicht gravierender Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge herangezogenen § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG generalpräventive Erwägungen des Gesetzgebers zum Ausdruck gekommen sind, die nicht nochmals zur Strafschärfung herangezogen werden dürfen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 5; BGH, Beschl. v. 1.7.2005 - 5 StR 192/05). Der Aspekt der negativen Generalprävention (allgemeine Abschreckung) kann demgemäß nur unter ganz engen Voraussetzungen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Zum Gedanken der positiven Generalprävention (Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in den Schutz der Rechtsordnung) vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 808 f., 839 ff.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.12.2013 - 5 StR 463/13). |
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5.2.1 |
Die
straferschwerend berücksichtigten
generalpräventiven Erwägungen halten rechtlicher
Prüfung
nicht stand, wenn Ausführungen dahin fehlen, dass eine
gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder
ähnlicher
Taten, wie sie zur Aburteilung stehen, festgestellt worden ist und die Notwendigkeit allgemeiner
Abschreckung für den
Gemeinschaftsschutz
besteht (BGHSt 6, 125, 127; BGHR StGB § 46 Abs. 1
Generalprävention 2, 3, 4, 6 und 7). Gerade bei Taten in einer
Konfliktlage, wie etwa der Trennung der Geschädigten von dem
Angeklagten, liegt der Gedanke der Generalprävention eher fern
(vgl. BGH,
Beschl. v. 10.8.2005 - 2 StR 219/05; LK-Gribbohm StGB 11.
Aufl. § 46 Rn. 32). Beispiel: Die Strafkammer hat zur Begründung der gegen den Angeklagten wegen Vergewaltigung seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau verhängten Strafe unter anderem ausgeführt, daß eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten "auch zur Abschreckung anderer unbedingt erforderlich" sei. Sie hat dabei nicht bedacht, daß generalpräventive Erwägungen die Notwendigkeit allgemeiner Abschreckung für den Gemeinschaftsschutz voraussetzen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 2 und 3 m.w.N.). Bei Konfliktstaten liegen solche Überlegungen eher fern (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2001 - 4 StR 576/00 - StV 2001, 453; Hirsch in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 32). |
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5.3 |
Zwar
darf das Bestreben, dem Angeklagten Strafaussetzung
zur Bewährung zu bewilligen, nicht dazu führen,
daß die
schuldangemessene Strafe unterschritten wird. Das hindert den
Tatrichter jedoch nicht, pflichtgemäß zu
prüfen, ob
eine Freiheitsstrafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden
kann, in Verbindung mit einer anderen Sanktion, insbesondere einer
Geldstrafe, noch schuldangemessen ist (BGH NStZ 1990, 488). Der
Tatrichter darf dabei Geldstrafe
und Freiheitsstrafe so miteinander
verbinden, daß die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe
zusammen
das Maß des Schuldangemessenen erreichen. Das gilt auch dann,
wenn ohne die zusätzliche Geldstrafe eine nicht mehr
aussetzbare
Freiheitsstrafe erforderlich würde (BGHR StGB § 46
Abs. 1
Schuldausgleich 34). Das Vorgehen wäre nur dann fehlerhaft,
wenn
die Gesamtsanktion aus Freiheitsstrafe und Geldstrafe nicht mehr
geeignet wäre, den Angeklagten und die Rechtsgemeinschaft zu
beeindrucken (vgl. BGH,
Urt. v. 5.12.2000 - 1 StR 411/00 - BGHSt 46,
207 - wistra 2001, 180 betr. Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
die Geldstrafe von 360 Tagessätzen sowie Geldbuße in
Höhe von 500.000 DM, die der Angeklagte als Geldauflage im
Rahmen
des Bewährungsbeschlusses zu erbringen hat).
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5.4 |
„Erzieherische Gründe“ als Strafzumessungserwägung im Erwachsenenstrafrecht sind nicht vorgesehen; auch erschließt sich eine sinnvolle Einwirkung auf den Angeklagten durch eine zusätzliche Geldstrafe neben einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe nicht ohne weiteres, wenn der Angeklagte ersichtlich vermögenslos und überschuldet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 9.1.2008 - 5 StR 416/07; Fischer, StGB 55. Aufl. § 53 Rdn. 7). | |
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5.5 |
Die
Strafzumessungserwägungen müssen um so umfassender
sein, wenn
die Freiheitsstrafe lediglich knapp über zwei Jahre
beträgt
und daher eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr in
Betracht kommt (BGH StV 1992, 462, 463; BGH,
Beschl. v. 29.6.2000 - 1
StR 223/00; BGH,
Beschl. v. 29.6.2000 - 1 StR 123/00 - NStZ-RR 2001,
27; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 618a).
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5.6 |
Bei
unverändertem Schuldumfang ist die
unterschiedliche rechtliche Bewertung des
Konkurrenzverhältnisses
kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung
(vgl.
BGHSt 41, 368, 373; BGH NStZ 1997, 233; BGH,
Beschl. v. 9.10.2001 - 4
StR 395/01; BGH,
Beschl. v. 28.1.2003 - 4 StR 521/02: "Tateinheit statt
Tatmehrheit"). siehe auch: Tateinheit, § 52 StGB |
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5.7 |
Dem Angeklagten darf die fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht nicht im Rahmen der Strafzumessung angelastet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2002 - 2 StR 48/02). | |
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5.8 |
Steht
ein strafbares Verhalten des Täters fest, kann
es lediglich nicht bestimmten Einzelakten zugeordnet werden, kann die
Bestimmung des Schuldumfanges, dass heißt die Bestimmung der
Zahl
der Einzelakte strafbaren Verhaltens, im Wege der Schätzung
erfolgen (BGHR StGB vor § 1/Serienstraftaten Betrug 1;
Steuerhinterziehung 2). Bei der Feststellung
der Zahl der Einzelakte
ist der Grundsatz in dubio pro reo zu beachten. Ein solches Verfahren
ist stets zulässig, wenn sich Feststellungen auf andere Weise
nicht treffen lassen (vgl. BGH,
Urt. v. 8.11.2006 - 2 StR 384/06 -
wistra 2007, 143: betr. Betrugsvorwurf in 391 Fällen; zu den
Kriterien und Voraussetzung der Schätzung: BGH,
Beschl. v.
10.11.2009 - 1 StR 283/09 - wistra 2010, 148; vgl. zur
Bestimmung der
Mindestanzahl von Fällen sexuellen Mißbrauch eines
Kindes
auch BGH,
Beschl. v. 22.1.2003 - 2 StR 515/02). Die rechnerische Ermittlung der Anzahl der Taten ist - unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes - gerade bei über einen längeren Zeitraum begangenen Serienstraftaten zum Nachteil von Kindern und Schutzbefohlenen nicht grundsätzlich unzulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.2002 - 4 StR 304/02). Werden Taten gleichförmig in Serie begangen, kann sich daraus eine Verminderung des Schuldgehalts der Folgetaten ergeben, wenn auf Grund des inneren Zusammenhangs auf eine herabgesetzte Hemmschwelle geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.1991 - 2 StR 130/91 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 8; BGH, Beschl. v. 22.12.2011 - 4 StR 581/11 - StraFo 2012, 151, 152; BGH, Beschl. v. 12.11.2008 – 2 StR 355/08 - NStZ-RR 2009, 72; BGH, Urt. v. 20.7.2016 - 2 StR 18/16 Rn. 16; MünchKomm-StGB/Franke § 46 Rn. 36 m.w.N.). Da die Schuld des Täters in Bezug auf die Einzeltaten durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, ist es möglich, auch diesen Umstand schon bei der Bemessung der Einzelstrafe und bei der Erwägung mit in Betracht zu ziehen, ob jeweils ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71 - BGHSt 24, 268, 271; BGH, Beschl. v. 6.6.1994 – 5 StR 229/94 Rn. 4; BGH, Urt. v. 28.3.2013 – 4 StR 467/12 Rn. 23; BGH, Urt. v. 20.7.2016 - 2 StR 18/16 Rn. 16). Ist bei der wiederholten Tatbegehung zum Nachteil desselben Tatopfers die Hemmschwelle für die Begehung der späteren Taten - aus dem Angeklagten nicht voll anzulastenden Gründen - von Tat zu Tat niedriger geworden, so ist die erneute Tatbegehung jedenfalls nicht ohne Weiteres Ausdruck einer sich steigernden rechtsfeindlichen Gesinnung oder einer erhöhten kriminellen Intensität (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 16; BGH, Beschl. v. 12.9.2006 - 4 StR 279/06). Ein gesteigertes Maß an krimineller Energie lässt sich, wenn Feststellungen zur zeitlichen Reihenfolge der Begehung der Taten nicht getroffen werden können, nicht aus der Abfolge der Taten herleiten. Zu Gunsten des Angeklagten ist deshalb davon auszugehen, dass sich die schwerwiegenderen Vorfälle am Ende der Tatserie ereigneten, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Hemmschwelle des Angeklagten bereits herabgesetzt war (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2006 - 4 StR 279/06). Der Umstand, dass die abgeurteilten Taten nur einen Teil einer Tatserie bildeten, ist als wesentlicher Strafzumessungsgesichtspunkt zu würdigen (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2008 - 3 StR 375/08 - NStZ 2009, 444). Es ist zulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, daß der Angeklagte noch weitere - bisher nicht abgeurteilte - Straftaten begangen hat (vgl. BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2 m.w.N.). Voraussetzung ist jedoch, daß die weiteren Taten prozeßordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, daß sie in ihrem wesentlichen Unwertgehalt abzuschätzen sind und eine unzulässige strafschärfende Berücksichtigung des bloßen Verdachts der Begehung weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14; BGH NStZ-RR 1997, 130; BGH, Beschl. v. 9.10.2003 - 4 StR 359/03; BGH, Urt. v. 30.10.2008 - 3 StR 375/08 - NStZ 2009, 444; BGH, Beschl. v. 2.7.2009 - 3 StR 251/09 - NStZ-RR 2009, 306; BGH, Beschl. v. 6.8.2013 - 3 StR 234/13). Hierfür ist nicht ausreichend, dass nach den getroffenen Feststellungen völlig offen bleibt, welche und wie viele Straftaten der Angeklagte über die abgeurteilten Taten hinaus noch begangen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2003 - 4 StR 359/03) oder dass das Tatgericht lediglich unspezifisch feststellt, dass der Beschwerdeführer unter alkoholischer Beeinflussung seine Ehefrau mit unberechtigter aggressiver Eifersucht verfolgt hat und sie vielfach Schläge ertragen hat. Insoweit fehlen konkrete Feststellungen, wann und wie oft es zu Tätlichkeiten gekommen ist und welche Folgen sie hatten (vgl. BGH, Beschl. v. 10.8.2005 - 2 StR 219/05). |
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5.9 |
Dem
Wesen der Strafzumessung ist es fremd, die Tat durch
eine Einordnung anhand
von rechnerischen Mitteln des Strafrahmens oder
anhand gedachter Durchschnittsfälle
zu bestimmen (BGHSt 34,
345,
350 ff.; BGH, Beschl. v. 23.6.1998 - 4 StR 245/98; BGH NStZ-RR 1999,
101, 102; BGH,
Beschl. v. 23.4.2002 - 3 StR 106/02; BGH,
Beschl. v.
3.12.2002 - 3 StR 406/02; BGH,
Urt. v. 21.2.2006 - 1 StR 456/05; BGH,
Beschl. v. 7.7.2006 - 2 StR 148/06 - NStZ 2007, 28; BGH,
Beschl. v.
8.11.2007 - 4 StR 522/07 - NStZ 2008, 233; BGH,
Beschl. v. 23.7.2008 -
2 StR 283/08 "5% kompensatorischer Abschlag"; BGH,
Beschl. v.
22.10.2008 - 1 StR 503/08 - NStZ-RR 2009, 43: "im unteren
Drittel";
vgl. auch BGH,
Beschl. v. 21.10.2009 - 2 StR 377/09 - NStZ-RR 2010, 40
betr. Gesamtstrafbildung; BGH,
Beschl. v. 18.11.2009 - 2 StR 483/09
-
NStZ-RR 2010, 75 betr. Orientierung an dem rechnerischen Mittel des
Strafrahmens; BGH, Beschl. v. 19.6.2012 – 5 StR 264/12 -
StraFo
2012, 419; BGH, Beschl. v. 25.6.2013 - 5 StR 256/13;
Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 46
Rdn. 115;
Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 324). Hierdurch
würde die Gefahr
einer Mathematisierung oder einer schematischen Vorgehensweise
entstehen, die der Beurteilung der im Einzelfall ohne Bindung an
weitere Fixpunkte als die Ober- und Untergrenze des gesetzlichen
Strafrahmens zuwiderliefe, weil das Gesamtspektrum aller
strafzumessungsrelevanten Umstände maßgeblich ist
(vgl. BGH,
Beschl. v. 3.12.2002 - 3 StR 406/02; BGH,
Beschl. v. 12.12.2002 - 3 StR
397/02; BGH,
Urt. v. 27.10.2004 - 5 StR 130/04; BGH,
Urt. v. 21.2.2006
- 1 StR 456/05; Schäfer, Praxis der Strafzumessung,
3. Aufl.
Rdn.
624, 625). Beispiel: Bedenklich ist etwa die im Rahmen der Strafzumessung angestellte Erwägung, es seien "für die durchschnittlichen Regelfälle, wie sie erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommen, grundsätzlich Strafen unterhalb des rechnerischen Mittels des für sie maßgebenden Strafrahmens zu verhängen" (vgl. BGH NStZ 2006, 408; BGH, Beschl. v. 22.12.2005 - 3 StR 437/05; BGH, Beschl. v. 6.3.2007 - 3 StR 53/07), es sei eine Kompensation nach Verfahrensverzögerung von "15 %" (vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.2006 - 2 StR 148/06 - NStZ 2007, 28), von "2/5" vorzunehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2009 - 2 StR 113/09) oder bei der Gesamtstrafenbildung sei "die mittlere Schärfung erheblich unterschritten" (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.2009 - 2 StR 64/09 - NStZ-RR 2009, 200; vgl. auch BGH, Beschl. v. 25.6.2009 - 2 StR 113/09). Derartige Rechenoperationen sind unzulässig, da es sich bei der Findung der angemessenen Gesamtstrafe um einen eigenständigen Strafzumessungsvorgang handelt, dem jeder Schematismus fremd ist (vgl. BGH NStZ 2001, 365, 366; NStZ-RR 2003, 295; BGH, Beschl. v. 8.4.2009 - 2 StR 64/09 - NStZ-RR 2009, 200; vgl. auch BGH, Urt. v. 28.3.2013 - 4 StR 467/12). Der Tatrichter sollte auch Erwägungen vermeiden, die die Besorgnis wecken könnten, er gehe etwa von einem linearen Verhältnis zwischen Tatschwere und Tatschuld einerseits und der innerhalb des gegebenen Strafrahmens festzusetzenden Strafe andererseits aus (vgl. BGHSt 34, 355, 359 f. m.N.; BGH NStZ 1983, 217; BGH, Beschl. v. 19.9.2000 - 5 StR 404/00 - NStZ 2001, 29). Der gesetzliche Strafrahmen erfaßt sowohl die denkbar leichtesten als auch die denkbar schwersten Fälle. Dies bedeutet nicht, daß die Mindeststrafe nur festgesetzt werden kann, wenn sich ein leichterer Fall als der abzuurteilende nicht mehr denken ließe. Trotz straferschwerender Gesichtspunkte kann deshalb auch dann die Mindeststrafe verhängt werden, wenn der Tatrichter in einer umfassenden Würdigung den strafmildernden Gesichtspunkten ein solches Gewicht beimißt, daß ihm die niedrigere Strafe dennoch angemessen erscheint (BGH, Urt. v. 29.3.2000 - 2 StR 573/99 - StV 2000, 553). |
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5.10 |
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5.10.1 |
L E I T S A T Z : Zur
vergleichenden Strafzumessung bei Tatbeteiligten. BGH, Beschl. v. 28.6.2011 - 1 StR 282/11 - Ls. - BGHSt 56, 262 ff. - StV 2011, 722 Bestimmender Maßstab für die Strafzumessung ist in jedem Fall die persönliche Schuld des Täters; dieser Grundsatz darf nicht gegenüber schematischen, allein rechnerischen oder vergleichenden Erwägungen zurücktreten. Daher wäre es auch rechtsfehlerhaft, eine als schuldangemessen angesehene Strafe allein im Hinblick auf gegen Mittäter verhängte niedrigere Strafen herabzusetzen (vgl. BGHSt 28, 318, 323 f.; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 4 und Wertungsfehler 23; BGH, Urt. v. 7.11.2001 - 2 StR 277/01 - NStZ-RR 2002, 105). Der Angeklagte kann sich auf eine etwaige unangemessene Milde einer gegen den Haupttäter oder gegen andere Beteiligte verhängten Strafe nicht berufen. So kann etwa aus einer unverständlich milden Bestrafung des nicht revidierenden Mitangeklagten der Angeklagte auch bei mittäterschaftlicher Begehungsweise keine für sich günstigen Rechte für die Zumessung seiner Strafe herleiten (vgl. BGH NStZ 1991, 581; NJW 1999, 2129, 2130; BGH, Beschl. v. 18.1.2005 - 3 StR 457/04; BGH, Urt. v. 27.8.2010 - 2 StR 111/09 - BGHSt 55, 266 - NJW 2010, 3458). Der Gesichtspunkt, dass gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen, darf bei der Strafzumessung durchaus Berücksichtigung finden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH StV 1981, 122, 123 u. 1991, 557; BGH, Urt. v. 8.3.2000 - 3 StR 575/99; BGH, Urt. v. 21.3.2000 - 1 StR 441/99 - StV 2000, 622; BGH, Beschl. v. 20.9.2000 - 3 StR 88/00 - wistra 2001, 57; BGH, Urt. v. 7.11.2001 - 2 StR 277/01 - NStZ-RR 2002, 105; BGH, Urt. v. 30.7.2002 - 1 StR 82/02; BGH, Beschl. v. 24.2.2009 - 5 StR 8/09 - NStZ 2009, 382; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.6.2000 - 3 StR 84/00 - NStZ 2000, 607; BGH, Urt. v. 4.11.2014 - 1 StR 233/14; vgl. auch BGH, Beschl. v. 20.9.2016 - 3 StR 299/16 betr. strafschärfende Berücksichtigung, dass der Angeklagte bislang wesentlich mehr und schwerwiegender in Erscheinung getreten sei als sein Mittäter). Jedoch muß primär, auch wenn mehrere Beteiligte in einem Verfahren abgeurteilt werden, für jeden von ihnen die Strafe aus der Sache selbst gefunden werden (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH bei Holtz, MDR 1979, 986; BGH, Beschl. v. 20.9.2000 - 3 StR 88/00 - wistra 2001, 57). Unterschiede müssen jedenfalls dann erläutert werden, wenn sie sich nicht aus der Sache selbst ergeben (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH, Beschl. v. 27.11.2008 - 5 StR 513/08 - NStZ-RR 2009, 71; BGH, Beschl. v. 24.2.2009 - 5 StR 8/09 - NStZ 2009, 382; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.7.2009 - 3 StR 242/09 betr. Beschränkung der Strafverfolgung nach §§ 154, 154a StPO beim gesondert vefolgten Beteiligten; BGH, Beschl. v. 22.7.2009 - 5 StR 243/09 - NStZ-RR 2009, 367 betr. signifikante Diskrepanz der Sanktionen; BGH, Beschl. v. 28.6.2011 - 1 StR 282/11; BGH, Beschl. v. 16.8.2011 - 5 StR 237/11; vgl. auch BGH, Beschl. v. 30.1.2013 - 2 StR 224/12 betr. Strafhöhe beim Täter und beim Gehilfen). Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn einer der Täter nach Jugendstrafrecht, der andere nach allgemeinem Strafrecht abgeurteilt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.1991 - 4 StR 272/91 - StV 1991, 557; BGH, Beschl. v. 24.2.2009 - 5 StR 8/09 - NStZ 2009, 382). Diese sachlich-rechtliche Begründungspflicht kann auch gegeben sein, wenn die Strafkammer in derselben Besetzung (einschließlich der Schöffen), z.B. in einem abgetrennten Verfahren gegen Mittäter, entscheidet und das oder die anderen Verfahren danach gerichtsbekannt sind. Auf die Strafpraxis anderer Gerichte und auch anderer Kammern desselben Gerichtes kommt es hingegen nicht an (BGH, Beschl. v. 28.6.2011 - 1 StR 282/11; vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl., Rn. 485; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.6.2014 - 1 StR 69/14: Unterschiede im Einlassungsverhalten). Ein Grundsatz, dass Mittäter, wenngleich von verschiedenen Gerichten, bei vermeintlich gleicher Tatbeteiligung gleich hoch zu bestrafen seien, besteht nicht und kann in dieser Form auch nicht bestehen, weil die Vergleichsmöglichkeiten zwischen den in verschiedenen Verfahren gewonnenen Ergebnissen zu gering sind, ganz besonders zur inneren Tatseite und zum Maße der Schuld (BGH, Beschl. v. 28.6.2011 - 1 StR 282/11; vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 5.4.1951 - 4 StR 129/51 - NJW 1951, 532; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23). Dies gilt auch bei vermeintlich abgestufter Beteiligung und demgemäß abgestufter Strafe (BGH, Beschl. v. 28.6.2011 - 1 StR 282/11; vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 13.6.1979 - 3 StR 178/79 bei Schmidt MDR 1979, 886). Bei Aburteilung mehrerer Beteiligter an derselben Tat durch dasselbe Gericht in demselben Verfahren müssen die jeweiligen Strafmaße in einem sachgerechten, nachprüfbaren Verhältnis zur Strafe anderer Beteiligter stehen (vgl. etwa BGH StV 2011, 725; 2011, 725, 726; s. auch BGHSt 56, 262, 263). Auch wenn es keinen allgemeinen Anspruch auf Gleichbehandlung gibt (s. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 23), gilt dies - mit Einschränkungen - doch auch dann, wenn in einem Verfahren im Kern vergleichbare Tatvorwürfe gegen verschiedene Beteiligte abgeurteilt werden. Insoweit muss sich den Urteils- gründen hinreichend entnehmen lassen, dass der Strafbemessung gegen mehrere Angeklagte der gleiche Maßstab zugrunde liegt und die gegen sie verhängten Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen (BGH, Beschl. v. 3.11.2016 - 2 StR 363/16 Rn. 3). Der Grundsatz, dass gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, darf auch bei der Gesamtabwägung zur Prüfung eines minder schweren Falles herangezogen werden (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2000 - 3 StR 575/99). Zwar muss, auch wenn mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt werden, für jeden von ihnen die Strafe unter Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände aus der Sache selbst gefunden werden (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23). Der Gesichtspunkt, dass gegen Haupttäter und Teilnehmer verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, kann aber nicht völlig außer Betracht bleiben. Deswegen müssen Unterschiede jedenfalls dann erläutert werden, wenn sie sich nicht selbst aus der Sache ergeben (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH, Beschl. v. 11.12.2008 - 5 StR 536/08 - wistra 2009, 151). Zwar kann grundsätzlich die Revision nicht auf einen Vergleich der Strafzumessung verschiedener Täter gestützt werden; das gilt aber nicht, wenn offenkundige Widersprüche vorliegen oder es an einer Begründung für eine abweichende Zumessung ganz fehlt und eine solche auch nicht aus den sonstigen Urteilsfeststellungen erschlossen werden kann (BGH, Beschl. v. 11.8.2010 - 2 StR 318/10 - StV 2010, 677; vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 16.6.2011 - 2 StR 435/10). Für allgemeine Vergleiche mit nur gedachten Fällen gegen unbekannte Angeklagte wegen unbekannter Taten ist kein Raum (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.2013 - 1 StR 387/13). |
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5.10.2 |
Beispiel: In den
Betrugsfällen hat das Tatgericht die Strafe
zu
Recht dem Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB, mithin
aus
einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren entnommen und bei
einem angenommenen Schaden von rund 45.000 Euro auf eine
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt. In den
Unterschlagungsfällen hatte das Tatgericht indes von dem
weitaus
milderen Strafrahmen des § 246 Abs. 2 StGB auszugehen, der von
Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren
reicht.
Hierbei wurde bei einem angenommenen Schaden von 23.000 Euro auf eine
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten erkannt. Bei der vom
Gericht ersichtlich als wesentlicher Strafzumessungsfaktor
herangezogenen Schadenshöhe ist im Vergleich der
Fälle 1
(Schaden 45.000 Euro; Strafe zwei Jahre und drei Monate) und 2 (Schaden
23.000 Euro; Strafe zwei Jahre und acht Monate) die Festsetzung der
höheren Strafe aus dem weitaus geringeren Strafrahmen bei dem
nur
mit einer Geldstrafe vorbestraften Angeklagten ohne jede weitere
Begründung nicht nachvollziehbar (vgl. BGH,
Beschl. v.
11.2.2009 -
5 StR 11/09 -
wistra 2009, 236). Beispiel: Das Tatgericht hat ohne Begründung in beiden Fällen die gleiche Strafe verhängt, obwohl der - für den Schuldumfang maßgebliche - Schaden im Fall 1 mit 10.000 Euro doppelt so hoch war wie im Fall 2 mit 5.000 Euro. Das Revisionsgericht kann deshalb nicht nachvollziehen, weshalb es in beiden Fällen eine gleich hohe Strafe für erforderlich erachtete (vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.2011 - 1 StR 136/11). Wurden unter Abwägung allgemeiner, für alle Taten gleichermaßen geltender Strafzumessungsgesichtspunkte in den Fällen des vollendeten gewerbsmäßigen Betruges Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten, in denen des versuchten gewerbsmäßigen Betruges dagegen Strafen von acht Monaten verhängt, ohne dass diese Differenzierung begründet wurde, kann nicht nachvollzogen werden, warum die Angeklagte in den Versuchsfällen mit einer höheren Strafe belegt wurde. Auch wenn insoweit von der Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB kein Gebrauch gemacht wurde, hätte es doch der Darlegung bedurft, warum trotz des Umstandes, dass ein Schaden in diesen Fällen nicht entstanden ist, jeweils eine im Vergleich zu den vollendeten Delikten höhere Strafe ausgesprochen wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2012 - 3 StR 458/12; BGH, Beschl. v. 20.7.2011 - 2 StR 293/11; BGH, Beschl. v. 23.5.2007 - 2 StR 569/06, juris Rn. 16). vgl. zur Differenzierung im konkreten Strafmaß auch BGH, Beschl. v. 20.7.2011 - 2 StR 293/11; BGH, Beschl. v. 6.7.2011 - 5 StR 220/11; BGH, Beschl. v. 14.3.2013 - 2 StR 49/13; BGH, Beschl. v. 6.8.2015 - 3 StR 239/15; BGH, Beschl. v. 8.11.2016 - 5 StR 477/16 |
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5.10.5 |
Wird
ein Urteil auf ein
Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten aufgehoben und trifft der neue
Tatrichter Feststellungen, welche die Tat in einem wesentlich milderen
Licht erscheinen lassen, hält er aber dennoch
eine gleich hohe
Strafe für erforderlich, so hat er nach
ständiger
Rechtsprechung seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn
die
ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der
aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für
die
neue Strafzumessung, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf,
zu erfahren, warum er für ein wesentlich geringeres Vergehen
nun
gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH, Beschl. v. 28.4.2015 - 3 StR 92/15
- NStZ-RR 2015, 207; BGH, Beschl. v. 27.11.2012 - 3 StR
439/12 - StV 2013, 758, 759; BGH,
Beschl. v. 26.11.2008 - 5 StR 556/08 - StraFo 2009, 118; BGH,
Beschl. v. 11.6.2008 - 5 StR 194/08
- wistra 2008, 386, 387; BGH, Beschl. v. 10.10.1990 - 2 StR
446/90
- StV 1991, 19; BGH, Beschl. v. 20.4.1989 - 4 StR 149/89 - StV
1989, 341; BGH, Beschl. v. 20.8.1982 - 2 StR 296/82 - NStZ
1982,
507; OLG Bamberg, Beschl. v. 2.11.2011 - 3 Ss 104/11 - NStZ-RR 2012,
138, 139; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.6.2000 - 2 Ss 289/00 - NStZ-RR
2001, 16). Gleiches gilt auch für den Fall, dass sich die mildere Beurteilung nicht aus im zweiten Verfahrensgang erstmals festgestellten schuldmildernden Umständen, sondern daraus ergibt, dass der Tatrichter nunmehr zutreffend den milderen Strafrahmen aus dem Tatzeitrecht (vgl. § 2 Abs. 3 StGB) zugrunde legt (BGH, Beschl. v. 28.4.2015 - 3 StR 92/15 - NStZ-RR 2015, 207; SK-StGB/Horn, 35. Lfg., § 46 Rn. 96 b) oder ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten im Strafausspruch aufgehoben wurde und der neue Tatrichter Feststellungen nicht zu treffen vermag, die im ersten Rechtszug als bestimmende Zumessungstatsachen strafschärfend herangezogen worden waren (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2015 - 3 StR 416/15). Im Jugendstrafrecht kann nichts anderes gelten. Unmittelbar einleuchtend ist dies dann, wenn der neue Tatrichter Umstände in der persönlichen Entwicklung des Angeklagten feststellt, welche das notwendige Maß der erzieherischen Einwirkung als gegenüber dem Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Entscheidung nicht unerheblich geringer erscheinen lassen. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb es bei einer Jugendstrafe in der zuvor ausgesprochenen Höhe zu verbleiben hat, ist vom neuen Tatrichter aber auch dann zu fordern, wenn das dem Angeklagten zur Last fallende Tatgeschehen nunmehr in einem deutlich milderen Licht erscheint. Zwar bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 JGG auch dann vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten, wenn deren Verhängung vollständig oder teilweise auf die Schwere der Schuld gestützt wird (BGH, Beschl. v. 27.11.2012 - 3 StR 439/12; BGH, Beschl. v. 17.7.2012 - 3 StR 219/12). Indes wird sich das Maß der erforderlichen erzieherischen Einwirkung regelmäßig nicht ohne Betrachtung des Umfangs des dem Angeklagten zuzurechnenden Tatunrechts ermitteln lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.11.2012 - 3 StR 439/12; BGH, Beschl. v. 25.6.2009 - 5 StR 174/09 - NStZ-RR 2009, 337). |
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20 |
Der
Zweifelssatz gilt uneingeschränkt auch für
die Strafzumessung (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 41 m.w.N.; BGH,
Beschl. v.
17.7.2008 - 4 StR 221/08). Eine zum Nachteil des Angeklagten
auf bloße
Vermutungen
hinsichtlich
möglicherweise
auftretender
Folgen der Tat gestützte Strafzumessung ist
unzulässig (BGH
NStZ-RR 2004, 41; BGH,
Beschl. v.
17.7.2008 - 4 StR 221/08; vgl. auch
Fischer StGB 55. Aufl. § 176 Rn. 36). Die strafschärfende Berücksichtigung eines Verhaltens, das nicht prozeßordnungsgemäß zur Überzeugung des Gerichts festgestellt ist, sondern etwa nur mit "hoher Wahrscheinlichkeit" gegeben oder gar nur in "Tendenzen" erkennbar war, verstößt gegen den Grundsatz in dubio pro reo (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2000 - 3 StR 575/99; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 17 a m.w.Nachw.). siehe auch: In dubio pro reo |
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25 |
Nach §
46
Abs. 1 Satz 2 StGB sind bei der
Strafzumessung die Wirkungen einer Strafe auf den Täter unter
dem
spezialpräventiven Gesichtspunkt einer Resozialisierung zu
berücksichtigen (vgl. BGHSt 24, 40 ff.; BGH,
Urt. v. 5.12.2002
- 3
StR 297/02; BGH,
Beschl. v. 30.10.2003 - 5 StR 416/03; Gribbohm in LK
11. Aufl. § 46 Rdn. 21 ff.). Deshalb sind Art und Umfang der
Strafe so zu bestimmen, daß ihr Resozialisierungszweck
erfüllt werden kann (vgl. BGH,
Urt. v. 5.12.2002 - 3 StR
297/02;
Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vorbem.
§ 38
Rdn. 15). Insoweit bestimmende Umstände im Sinne des
§ 267
Abs. 3 Satz 1 StPO sind in den Urteilsgründen
nachprüfbar
darzulegen (vgl. BGH,
Beschl. v. 30.10.2003 - 5 StR 416/03: betr.
gesteigerte Haftempfindlichkeit eines mehrfach behinderten Angeklagten). Eine an den anerkannten Strafzwecken ausgerichtete Strafzumessung ist jedenfalls bei Straftaten von einigem Gewicht ohne Würdigung der persönlichen Verhältnisse des Täters in der Regel nicht möglich. Es bedeutet daher einen Sachmangel, wenn der Tatrichter bei der Strafzumessung die persönlichen Verhältnisse des Täters außer Acht lässt (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.1990 - 3 StR 289/90 - BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 10 mwN; BGH, Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 378/11). Sie sind unabhängig von ihren Auswirkungen auf die Tatbegehung bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen, welche Wirkungen die Strafe voraussichtlich haben wird (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 42). Entsprechend ist es rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter sie mangels Mitursächlichkeit für die Tatverwirklichung bei der Strafzumessung ausklammert (BGH, Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 378/11). |
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25.1 |
Bei
der Verhängung einer sehr hohen Freiheitsstrafe gegen
einen
jungen Angeklagten, der eine lange Freiheitsstrafe während
einer
Zeit verbüßen muß, in der häufig
noch
entscheidende Weichenstellungen im Hinblick auf das zukünftige
Leben getroffen werden können, besteht die Gefahr,
daß wegen
des Fehlens jeglicher Perspektive für ein
eigenverantwortliches
Leben die anzustrebende Wiedereingliederung in die Gesellschaft nicht
erreicht wird. Dies gilt vor allem für einen jungen
Straftäter, der bisher keine echte Chance für eine
positive
Entwicklung hatte, auch nicht durch eine erzieherische Einwirkung im
Rahmen des Vollzugs von Jugendstrafe (BGH,
Urt. v. 5.12.2002 - 3 StR
297/02). Bei einem altersgemäß entwickelten Heranwachsenden sind die von einer hohen Strafe für sein zukünftiges Leben in der Gesellschaft zu erwartenden Auswirkungen regelmäßig eingehend zu prüfen (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Wiedereingliederung 1; so auch Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 106 Rdn. 1; Eisenberg, JGG 9. Aufl. § 106 Rdn. 6), weil die Reifeentwicklung noch nicht so hoffnungslos abgeschlossen ist, daß bei entsprechenden erzieherischen Bemühungen eine spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft unmöglich wäre (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Wiedereingliederung 1). Eines Rückgriffs auf § 106 Abs. 1 JGG bedarf es für diese Erwägung nicht, weil nach der ausdrücklichen Regelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB bei jedem Angeklagten, der nach allgemeinem Strafrecht abzuurteilen ist, die Wirkungen der Strafe für das zukünftige Leben zu berücksichtigen sind, und zwar unabhängig davon, ob er zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war oder nicht (BGH, Urt. v. 5.12.2002 - 3 StR 297/02). Ob sich die Urteilsgründe mit den Wirkungen einer Strafe auf einen zum Urteilszeitpunkt noch sehr jungen Angeklagten ausdrücklich befassen müssen und in welchem Umfang dies zu geschehen hat, hängt im Einzelfall von der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe sowie dem Alter des Verurteilten und den übrigen Strafzumessungserwägungen ab. Dabei gilt der Grundsatz, daß die sachlich-rechtliche Begründungspflicht umso eher eine ausdrückliche Erörterung gebietet, je jünger der Verurteilte und je höher die verhängten Freiheitsstrafen sind (BGH, Urt. v. 5.12.2002 - 3 StR 297/02). Umfangreichen Ausführungen zu § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG genügen dafür nicht, weil sie nur auf den Entwicklungsstand des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten und nicht auf die Auswirkungen der Strafen für sein zukünftiges Leben abstellen (BGH, Urt. v. 5.12.2002 - 3 StR 297/02). siehe auch: Dauer der Jugendstrafe, § 18 JGG: ---> Rdn. 40 - Alter des Täters |
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25.2 |
Einen
Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter
schon nach dem Maß der verhängten Strafe die
Gewissheit
haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in
die
Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus
dem hohen Lebensalter
eines Angeklagten, etwa unter
Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse zur
Lebenserwartung,
keine Strafobergrenze ergeben. Allerdings muss ihm unter
Vollstreckungsgesichtspunkten grundsätzlich eine Chance
verbleiben, wieder der Freiheit teilhaftig zu werden (vgl. BVerfGE 45,
187, 228 f., 239, 242, 245; 64, 261, 270 ff., 281; 72, 105, 113 ff.;
86, 288, 312; BGH,
Urt. v. 27.04.2006 - 4 StR 572/05; BVerfG NStZ 1996,
53, 54 f.). Das vorgerückte Alter des Angeklagten und damit seine Haftempfindlichkeit stellen einen bestimmenden Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) dar (vgl. BGH, Urt. v. 31.7.2008 - 4 StR 152/08 - NStZ-RR 2008, 336). In Einzelfällen hat der Bundesgerichtshof das Alter von 50 Jahren noch nicht als hoch (vgl. BGHR § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 20; BGH, Urt. v. 28.3.2001 - 3 StR 463/00) und den Zustand nach der Bypassoperation nicht als schwere Erkrankung angesehen und eine wesentlich erhöhte Strafempfindlichkeit wegen einer nur noch geringen Lebenserwartung nicht bejaht (vgl. BGHR § 46 I Schuldausgleich 3, 7 und 19; BGH, Urt. v. 28.3.2001 - 3 StR 463/00). |
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25.3 |
Bei der
Strafzumessung kann die erhöhte
Haftempfindlichkeit wegen zu erwartender schlechter
Behandlung durch
Mitgefangene bei einem Sexualstraftäter
berücksichtigt werden
(vgl. dazu BGH,
Urt. v. 10.6.2008 - 5 StR 180/08 - NStZ-RR 2008, 361). Hat das Tatgericht den als strafmildernd herangezogenen Gesichtspunkt längerer Untersuchungshaft, die zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung bereits sechs Monate angedauert hatte, ausdrücklich in Bezug gesetzt zur bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten, hat es damit eine besondere Haftempfindlichkeit des zuvor noch nie inhaftierten Angeklagten zum Ausdruck gebracht und nicht lediglich den Vollzug von Untersuchungshaft an sich strafmildernd berücksichtigt (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2015 - 5 StR 6/15; BGH, Urt. v. 21.12.1993 – 5 StR 683/93 - NStZ 1994, 198; BGH, Urt. v. 14.6.2006 – 2 StR 34/06 - NJW 2006, 2645; BGH, Urt. v. 19.1.2012 – 3 StR 413/11 - NStZ-RR 2012, 168, 169). |
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25.3.1 |
Die Ausländereigenschaft als solche führt nicht bereits zu einer strafmildernd zu berücksichtigenden besonderen Strafempfindlichkeit; dies ist allenfalls beim Vorliegen besonderer Umstände wie mangelnder Vertrautheit mit der deutschen Sprache und Kultur, abweichenden Lebensbedingungen oder fehlenden familiären Kontaktmöglichkeiten bei Vollzug der Freiheitsstrafe der Fall (vgl. BGH, Urt. v. 9.9.1997 - 1 StR 408/97 - BGHSt 43, 233, 234 - NJW 1998, 690; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 2; BGH, Urt. v. 23.8.2005 - 5 StR 195/05 - wistra 2005, 457; BGH, Urt. v. 9.11.2006 - 3 StR 360/06 - NStZ 2007, 328; BGH, Urt. v. 23.8.2006 - 1 StR 266/06; BGH, Urt. v. 28.4.2010 - 2 StR 77/10; BGH, Urt. v. 8.7.2010 - 3 StR 151/10; Fischer, StGB 57. Aufl. § 46 Rdn. 43b). | |
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25.4 |
Es
ist zulässig, in erweiternder Anwendung des
Rechtsgedankens des § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB auch diejenigen
Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für
das
künftige Leben
der Kinder der Angeklagten zu erwarten sind
(vgl. BGH,
Beschl. v. 16.2.2005 - 5 StR 566/04). Eine Erörterung, welche Auswirkungen die Verhängung einer mehrjährigen zu verbüßenden Freiheitsstrafe auf das künftige Leben der Angeklagten hat und ob insoweit eine besondere Strafempfindlichkeit gegeben ist, ist etwa veranlasst, wenn die Angeklagte mit ihren beiden sechs und sieben Jahre alten Kindern getrennt von ihrem Ehemann gelebt hatte und für die Kinder allein sorgen mußte (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2001 - 3 StR 352/01; vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 10.8.2011 - 2 StR 221/11). Soweit strafschärfend die Folgen der langen gegen die Angeklagte verhängten Haftstrafe berücksichtigt wird - etwa weil sie dadurch während wichtiger Entwicklungsphasen ihrer Kinder nicht als Mutter an ihrer Seite stehen kann -, handelt es sich um Umstände, die nicht geeignet sind, die Tatschuld zu kennzeichnen (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87 und BGH, Beschl. v. 13.4.2011 - 3 StR 114/11). Zudem führt diese Erwägung - in der Art eines Zirkelschlusses - zu einer weiteren Verlängerung der Haftstrafe mit den der Angeklagten vorgeworfenen ungünstigen Folgen (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87). |
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25.5 |
Nach
§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB sind bei der Festsetzung
der schuldangemessenen Strafe die Wirkungen zu
berücksichtigen,
die von der Strafe für das künftige Leben des
Täters in
der Gesellschaft zu erwarten sind. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören dazu auch die berufs- und standesrechtlichen
Folgen der Strafe (BGH, Beschl. v.
14.9.1982 - 4 StR 436/82 - NStZ 1982, 507; BGH, Urt. v. 3.12.1996 - 5
StR 492/96 - NStZ-RR 1997, 195; BGH,
Beschl. v. 3.11.2009 - 4 StR
445/09 - NStZ-RR 2010, 39; BGH,
Beschl. v. 2.2.2010 - 4 StR 514/09; BGH, Beschl. v.
15.11.2012 - 3 StR 199/12). Die Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Täters sind jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. BGH, Beschl. v. 29.9.2015 - 1 StR 412/15 betr. berufsgerichtliche Maßnahmen gemäß § 90 StBerG; BGH, Beschl. v. 7.4.1986 - 3 StR 89/86 - NStZ 1987, 133, 134; BGH, Beschl. v. 27.8.1987 - 1 StR 412/87 - NStZ 1987, 550; BGH, Beschl. v. 13.2.1991 - 3 StR 13/91, StV 1991, 207; BGH, Beschl. v. 2.2.2010 - 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f. BGH, Beschl. v. 24.7.2014 - 2 StR 221/14 - NStZ 2015, 277, 278; vgl. auch Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 9 mwN). |
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25.5.1 |
Folgen dieser Art sind Auswirkungen der Strafe, die nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB als berufliche Nebenfolgen die Höhe der Strafe beeinflussen können und nicht nur bei Beamten, sondern auch bei anderen Berufsgruppen zu berücksichtigen sind (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 8, 10, 22, 23; BGH, Beschl. v. 2.8.2000 - 5 StR 234/00 - StV 2000, 662 "ein für die Strafzumessung wesentlicher Gesichtspunkt"; BGH, Beschl. v. 16.10.2003 - 5 StR 377/03). Aus einem Fehlen der entsprechenden Strafmaßerwägung kann grundsätzlich nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden kann, der Strafrichter habe diesen Umstand bei Zumessung der Strafe nicht gesehen und gewertet (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18, 23; BGH, Beschl. v. 16.10.2003 - 5 StR 377/03). Hat insoweit jedoch die Ärztekammer disziplinarische Vorermittlungen angestrengt mit dem Ziel der Approbationsentziehung, ist die Erörterung des sicher zu erwartenden Verlusts im Rahmen der Strafzumessung geboten und dieser Umstand mitzuerwägen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2003 - 5 StR 377/03). | |
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25.5.2 |
Berufliche Konsequenzen einer strafgerichtlichen Verurteilung sind grundsätzlich als Wirkungen, die für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, bei der Strafzumessung in Betracht zu ziehen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Zu diesen Konsequenzen kann auch der Verlust von Ruhestandsbezügen gehören (vgl. BGH StV 1985, 454; Tröndle/Fischer StGB, 53. Aufl. § 46 Rdn. 44 jew. m. w. N.). Ob dieser Strafzumessungsgrund ausdrücklich zu nennen ist, hängt aber davon ab, ob sich seine Erörterung als bestimmender Strafzumessungsgrund aufdrängt. Dies kann vor allem dann nahe liegen, wenn durch die Verurteilung die Grundlage für die wirtschaftliche Existenz des Täters verloren geht, wie dies bei dem Verlust der Ruhestandsbezüge eines früheren Beamten der Fall sein kann (vgl. zusammenfassend BGH NStZ 1996, 539 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 1 StR 541/05 - wistra 2006, 137). | |
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25.5.3 |
Der
Umstand, dass eine strafgerichtliche Verurteilung nach
den Vorschriften des Beamtenrechts die Beendigung des
Beamtenverhältnisses zur Folge hat, ist bei der
Straffestsetzung
regelmäßig als bestimmender
Strafzumessungsgrund im
Sinne
des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zu erörtern (BGH,
Beschl. v.
17.10.1986 - 2 StR 501/86 - BGHR StGB § 46 Abs. 1
Schuldausgleich
2; BGH,
Beschl. v. 3.11.2009 - 4 StR 445/09
- NStZ-RR 2010, 39; BGH, Beschl. v. 15.11.2012 - 3 StR 199/12; zur
Bedeutung dieser Nebenfolge für die Strafrahmenwahl vgl. BGH,
Urt. v.
16.12.1987 - 2 StR 527/87 - BGHSt
35,
148; vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.1.2012 - 1 StR 559/11: dort
Erörterung im Rahmen der Prüfung der Strafaussetzung
zur
Bewährung). Zwingend vorgeschriebene beamtenrechtliche Folgen einer Verurteilung sind bereits bei der Strafzumessung - mildernd - zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.1996 - 1 StR 572/96 - NStZ 1997, 121). Insbesondere im Hinblick darauf, daß im Falle der Verurteilung eines Beamten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr für vorsätzliche Tat(en) - auch wenn es sich um eine unter Einbeziehung einer Geldstrafe gebildete Gesamtfreiheitsstrafe handelt (BVerwGE 53, 236) - die schwerwiegende Folge des Verlusts der Beamtenrechte droht, darf auf die Prüfung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB bei Gesamtstrafenbildung und Einbeziehung zweier Einzelfreiheits- und zweier Einzelgeldstrafe nicht verzichtet werden (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 3 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 19.4.2004 - 5 StR 119/04 - wistra 2004, 264; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 432). Das Beamtenverhältnis endet gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung der Statusrechte der Beamtinnen und Beamten in den Ländern - Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) - vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010) mit Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. BGH, Beschl. v. 3.11.2009 - 4 StR 445/09 - NStZ-RR 2010, 39). (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG im Geltungsbereich des Beamtenstatusgesetzes (§ 1 BeamtStG: Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts; früher: § 24 BRRG)) sowie § 41 Abs. 1 Nr. 1 BBG im Geltungsbereich des Bundesbeamtengesetzes (§ 1 BBG: Beamte des Bundes) Die Beendigung des Beamtenverhältnisses tritt ferner ein, wenn der Beamte wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten rechtskräftig verurteilt wird. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2; Satz 2 BeamtStG; § 41 Abs. 1 Nr. 2, Satz 2 BBG). Zum Verlust der Beamtenstellung und -versorgung als notwendiger bestimmender Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) vgl. auch BGH, Urt. v. 17.1.2008 - 3 StR 480/07 - NStZ 2008, 421; BGH, Beschl. v. 18.4.2002 - 3 StR 29/02. siehe auch: Nebenfolgen, § 358 StGB Betreffend Berufssoldaten vgl. § 48 Satz 1 Nr. 2 Soldatengesetz; BGHSt 32, 79; Ein Berufssoldat verliert u.a. dann seine Rechtsstellung, wenn gegen ihn durch Urteil eines deutschen Gerichts auf Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlich begangenen Tat erkannt ist (§ 48 Satz 1 Nr. 2 SoldatenG). Derartige dienstrechtliche Folgen einer Verurteilung, die mit dem Verlust der wirtschaftlichen und der beruflichen Grundlagen einhergehen können, bilden einen bestimmenden Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; BGH, Beschl. v. 4.8.2015 - 3 StR 265/15; BGH, Beschl. v. 15.11.2012 - 3 StR 199/12, juris Rn. 3; BGH, Beschl. v. 3.11.2009 - 4 StR 445/09 - NStZ-RR 2010, 39). |
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25.5.4 |
Ein bestimmender
Strafzumessungsgesichtspunkt ist, ob
der
Angeklagte etwaige berufsrechtliche Folgen gemäß
§ 57
Abs. 2 Satz 2, § 89 Abs. 2 und 3, § 90 Abs. 1 Nr. 4
und 5
StBerG unter dem Aspekt des möglichen Verlustes seiner
wirtschaftlichen und beruflichen Basis zu gewärtigen hat (vgl.
BGH, Beschl. v. 28.5.2014 - 3 StR 206/13; BGH, Beschl. v. 11.4.2013
– 2
StR 506/12 - NStZ 2013, 522). Die Begehung einer – versuchten – Steuerhinterziehung durch einen Steuerberater kann gemäß § 89 Abs. 1, § 90 Abs. 1 Nr. 5 Steuerberatungsgesetz als Berufspflichtverletzung sogar zu einem Ausschluss aus dem Beruf führen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.7.2016 - 1 StR 256/16; Kuhls in Kuhls u.a., Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 90 Rn. 47 mwN). Steht die Möglichkeit eines Verlustes der beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz aufgrund berufsrechtlicher Folgen aus Anlass der Begehung einer Straftat im Raum, handelt es sich regelmäßig um einen zu berücksichtigenden Strafzumessungsgrund (BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – 2 StR 506/12 - NStZ 2013, 522; BGH, Beschl. v. 27.7.2016 - 1 StR 256/16). |
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25.5.5 |
Daß
die Verurteilung (etwa wegen versuchten
Prozeßbetrugs) naheliegend nicht unbedeutende standesrechtliche
Sanktionen gegen den Angeklagten als Rechtsanwalt nach
sich ziehen
wird, ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGH,
Urt. v. 17.4.2000 - 5 StR 665/99 - wistra 2000, 263; BGH,
Beschl. v.
2.2.2010 - 4 StR 514/09 - StV 2010, 479 f. betr. § 114 BRAO;
BGH,
Beschl. v. 20.1.2016 - 1 StR 557/15). Die Zumessungserwägungen müssen erkennen lassen, ob bei der Strafbemessung die (möglicherweise) drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO in den Blick genommen wurden. Die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Täters sind jedenfalls dann (als bestimmender Strafzumessungsgrund) ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. BGH, Beschl. v. 11.4.2013 - 2 StR 506/12 - NStZ 2013, 522; ferner BGH, Beschl. v. 2.2.2010 - 4 StR 514/09 - StV 2010, 479 f.; BGH, Beschl. v. 26.3.1996 - 1 StR 89/96 - NStZ 1996, 539, jeweils mwN). Beispiel: Der Angeklagte war bis zu seiner Verhaftung als freiberuflicher Rechtsanwalt im IT-Recht tätig. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft nahm er eine Angestelltentätigkeit bei seiner früheren Hauptmandantin auf. Was mit der Anwaltszulassung des Angeklagten zwischenzeitlich geschehen ist, ob sie ruht, der Angeklagte im Hinblick auf drohende Maßnahmen nach § 114 Abs. 1 BRAO auf sie verzichtet hat oder sie (notwendige) Grundlage der jetzt ausgeübten Tätigkeit ist, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Unter Berücksichtigung dessen ist es jedenfalls denkbar, dass der Angeklagte, der in Folge seiner strafgerichtlichen Verurteilung grundsätzlich mit anwaltsgerichtlichen Maßnahmen bis hin zu einem zeitlich befristeten Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) oder sogar einer Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) rechnen muss, dadurch seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verloren hat bzw. verliert (BGH, Beschl. v. 11.4.2013 - 2 StR 506/12). Anwaltsrechtliche Sanktionen nach § 114 Abs. 1 BRAO sind als Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB aber bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen zu berücksichtigen, wenn der Rechtsanwalt durch sie seine berufliche und wirtschaftliche Basis verliert (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.2014 - 2 StR 221/14 - wistra 2015, 27, 28; BGH, Beschl. v. 13.2.1991 - 3 StR 13/91 - BGHR StGB § 356 Abs. 1 Rechtssache 1; BGH, Beschl. v. 2.2.2010 - 4 StR 514/09 - StV 2010, 479 f.). |
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25.5.6 |
Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG kann
Geschäftsführer nicht sein, wer 1. als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, 2. aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, 3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung), b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten), c) der falschen Angaben nach § 82 dieses Gesetzes oder § 399 des Aktiengesetzes, d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 des Aktiengesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes oder e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Nach Satz 3 dieser Vorschrift gilt Satz 2 Nr. 3 entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist. vgl. hierzu etwa BGH, Beschl. v. 29.7.2014 - 4 StR 126/14 |
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25.5.7 |
Beispiel:
Bei der konkreten Strafzumessung kann zu Gunsten der Angeklagten
berücksichtigt werden, diese habe die
außerstrafrechtlichen
Folgen der Taten bereits zu spüren bekommen, weil sie ihren
erlernten Beruf als Krankenschwester verloren habe und
zukünftig
wohl auch nicht mehr werde ausüben können. Dieser
Umstand
darf als durch die Tat bedingter beruflicher bzw. wirtschaftlicher
Nachteil in die Abwägung eingestellt werden (BGH, Beschl. v.
9.1.1987 - 2 StR 676/86 - BGHR StGB § 46 Abs. 1
Schuldausgleich 5;
BGH, Urt. v. 19.5.2011 - 3 StR 89/11). Beispiel: Die zu Gunsten des Angeklagten getroffene Strafzumessungserwägung, der Angeklagte sei „aufgrund des im Falle einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe zu erwartenden Verlusts seines Arbeitsplatzes besonders strafempfindlich“, ist nicht rechtsfehlerhaft. Zwar trifft es zu, dass nachteilige Folgen für den Täter in der Regel nicht strafmildernd berücksichtigt werden dürfen, wenn er bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich selbst - zwar nicht gewollt, aber bewusst - auf sich genommen hat (BGH, Urt. v. 20.7.2005 - 2 StR 168/05 - wistra 2005, 458). Der Verlust seiner selbstständigen Tätigkeit, während deren Ausübung sich der Angeklagte der Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat, durfte daher nicht als Strafmilderungsgrund herangezogen werden. Die Aufgabe des Gewerbebetriebs aber hat die Strafkammer auch nicht herangezogen. Vielmehr hat sie den zu erwartenden Verlust seiner abhängigen Beschäftigung berücksichtigt, die er am ... und damit erst nach der Verhaftung im vorliegenden Verfahren bei einem Zulieferer der Automobilindustrie begonnen hat. Diese berufliche Folge durfte die Strafkammer strafmildernd berücksichtigen; denn dieser Nachteil war bei Begehung der Steuerstraftaten nicht absehbar (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2016 - 1 StR 414/15). |
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25.6 |
Ausländerrechtliche Folgen einer Straftat sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel keine bestimmenden und damit in den Urteilsgründen zu erörternden Strafzumessungsgründe (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 5 - wistra 1999, 262 und BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 6; BGH NStZ 1999, 240; BGH, Beschl. v. 19.11.1999 - 1 StR 552/99; BGH NStZ 2002, 196; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 - 3 StR 167/00 - NStZ-RR 2000, 297, 298; BGH NStZ-RR 2004, 11, 12; BGH, Beschl. v. 31.8.2007 - 2 StR 304/07 - StV 2008, 298; BGH, Beschl. v. 17.4.2008 - 5 StR 155/08 - wistra 2008, 304; BGH, Beschl. v. 29.7.2010 - 1 StR 349/10; BGH, Beschl. v. 13.10.2011 - 1 StR 407/11). Nur besondere Umstände können im Einzelfall eine andere Beurteilung rechtfertigen (BGH, Beschl. v. 17.5.2000 - 3 StR 167/00 - NStZ-RR 2000, 297; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 5; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 37; BGH NStZ 1997, 77; 1996, 595; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.11.2001 - 3 StR 352/01). Selbst die Ausweisung eines Ausländers ist nur dann ein bestimmender Strafzumessungsgrund, wenn sie nach dem Ausländerrecht zwingend zu erfolgen hat und zusätzlich besondere Umstände in der Person des Angeklagten hinzukommen, die die Ausweisung für ihn als besondere Härte erscheinen lassen (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 79, 80; BGH, Beschl. v. 22.9.2003 - 5 StR 389/03; BGH, Beschl. v. 31.8.2007 - 2 StR 304/07; BGH, Beschl. v. 17.4.2008 - 5 StR 155/08 - wistra 2008, 304). Solche Gründe liegen nicht vor, wenn nach den Feststellungen zur Person des Angeklagten davon ausgegangen werden kann, dass er den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 oder § 56 Abs. 2 AufenthG (früher: § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F) genießt (vgl. BGH, Beschl. v. 31.8.2007 - 2 StR 304/07). Auch bei einer Regelausweisung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG kann die Ausländerbehörde bei bedeutsamen atypischen Umständen von einer Ausweisung absehen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2011 - 1 StR 407/11; Alexy in Hofmann/Hoffmann, AusländerR, § 56 AufenthG Rn. 25 ff. mwN). Ist die Ausweisung nicht zwingend geboten, ist ohnehin davon auszugehen, daß die Ausländerbehörden etwaige Härten im Rahmen ihres - gerichtlich überprüfbaren - Ermessens zu bedenken haben (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2001 - 2 StR 273/01 - NStZ 2002, 196). | |
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25.7 |
Gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 StGB sind im Rahmen der Strafzumessung die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, zu berücksichtigen. Zu diesen „Wirkungen“, die die Auswirkungen der Bestrafung in weitem Sinn umfassen, gehört auch der drohende Widerruf einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe in einer anderen Sache (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 6.11.2003 - 3 Ss 543/03; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 46 Randziffer 7). | |
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25.8 |
Im
Rahmen der
Strafzumessung ist der Gesundheitszustand
als Teil der persönlichen Verhältnisse des
Täters nach
§ 46 Abs. 2 StGB in die Abwägung der für und
gegen
diesen sprechenden Umstände einzustellen. So ist etwa die
Erwägung rechtsfehlerhaft, eine Erkrankung falle bei der
Strafzumessung durch das Tatgericht nicht ins Gewicht, weil Nachteile
im Strafvollzug ausgeglichen werden können (BGH, Urt. v.
9.11.1989
- 4 StR 542/89 - BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 19;
BGH,
Beschl. v. 10.1.2012 - StB 20/11). Leidet ein Angeklagter unter einer schweren Erkrankung, die regelmäßig zu einer deutlich herabgesetzten Lebenserwartung führt, kann ihn die Freiheitsstrafe besonders hart treffen und ein Ausgleich der Schuld auch durch eine geringere als die sonst schuldangemessene Strafe erreicht werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 3, 7, 13; BGH, Beschl. v. 19.6.2007 - 3 StR 214/07). Es genügt insoweit nicht, allgemein die besondere Haftempfindlichkeit des schwer erkrankten Angeklagten zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 449/07; vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.10.2000 - 4 StR 340/00 - DAR 2001, 82; BGH, Beschl. v. 3.4.2002 - 3 StR 54/02). Die Berücksichtigung schwerer Erkrankung bei der Strafzumessung und ebenso bei der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung ist unter dem Blickwinkel der Auswirkung der Strafe auf den Täter sachgerecht (BGH, Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 449/07 mwN; BGH, Urt. v. 17.3.2011 - 1 StR 407/10). Krankheitsbedingt deutlich herabgesetzte Lebenserwartung und hierdurch bedingte erhöhte Strafempfindlichkeit bei die Verbüßung einer langjährigen Freiheitsstrafe (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 3, 7 und 13; BGH, Beschl. v. 19.6.2007 - 3 StR 214/07; BGH, Beschl. v. 3.4.2002 - 3 StR 54/02; BGH, Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 449/07 (Besondere Härte, weil eine angemessene medizinische Behandlung nicht ohne weiteres gewährleistet erscheint); vgl. auch BGH, Beschl. v. 6.10.2004 - 5 StR 345/04; BGH, Beschl. v. 17.4.2007 - 5 StR 541/06 alt: 5 StR 345/04 - NStZ 2007, 539 Wurden etwa keine hinreichenden Feststellungen zu Art und Verlauf der Krebserkrankung des Angeklagten getroffen, kann das Revisionsgericht nicht prüfen, ob es sich bei der Erkrankung um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund handelt, der gegebenenfalls schon bei der Strafrahmenwahl zu würdigen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.2013 - 5 StR 180/13; BGH, Beschl. v. 16.12.1988 – 4 StR 563/88 - BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung, unvollständige 9; BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – 5 StR 345/04). |
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25.9 |
Das
Tatgericht hat grundsätzlich das gesamte Gewicht der
verhängten Strafe und ihrer Folgen in seine Entscheidung
einzustellen (vgl. BGH, Beschl.
v. 9.11.1995 – 4 StR
650/95 - BGHSt 41, 310, 314; BGH, Beschl. v 27.1.2010
– 5
StR 432/09 - BGHR StGB § 55 Abs. 1
Satz
1 Härteausgleich 19; BGH, Beschl. v. 10.11.2010
– 5 StR
456/10 - BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 6;
BGH,
Beschl. v. 9.8.2011 – 4 StR 367/11 - StV 2012, 15; BGH,
Beschl.
v. 20.9.2016 - 1 StR 347/16 Rn. 7; Schäfer/Sander/van
Gemmeren,
Praxis der
Strafzumessung 5. Aufl. Rdn. 1245). Einen Nachteil, der sich
für einen Angeklagten dadurch ergibt, dass die Bildung
mehrerer
Strafen zu einem zu hohen Gesamtstrafenübel führt,
muss es
gegebenenfalls ausgleichen (BGH, Beschl. v. 10.11.2010 - 5 StR 456/10 -
StV 2011, 225; BGH, Beschl. v. 20.9.2016 - 1 StR 347/16 Rn. 7). Selbst wenn neue Taten grundsätzlich nicht gesamtstrafenfähig sind, hat der Tatrichter noch nicht (vollständig) verbüßte oder zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Auch in solchen Fällen entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass - schon mit Rücksicht auf die Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB) - das Gesamtstrafübel und der zu erwartende Bewährungswiderruf bei Festsetzung der neuen Strafe im Auge behalten werden müssen. Auch in diesen Fällen ist daher gegebenenfalls die - ohne die frühere Verurteilung an sich schuldangemessene - neue Strafe entsprechend herabzusetzen, um ein übermäßiges Gesamtstrafübel zu vermeiden (BGH, Beschl. v. 9.11.1995 - 4 StR 650/95 - BGHSt 41, 310, 313 f.; BGH, Beschl. v. 29.10.2008 - 2 StR 386/08). Es stellt daher keinen Rechtsfehler dar, dass das Tatgericht den drohenden Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung wegen der früheren Verurteilung des Angeklagten berücksichtigt und mit Rücksicht auf die Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), auch das Gesamtstrafübel im Blick behalten hat (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.1995 - 4 StR 650/95 - BGHSt 41, 310, 314; BGH, Beschl. v. 27.1.2010 - 5 StR 432/09 - StV 2010, 238, 239; BGH, Urt. v. 22.8.2012 - 2 StR 235/12). siehe auch: § 55 StGB Rdn. 60 ff. - Härteausgleich |
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25.10 |
Die Einziehung als Nebenstrafe
ist im Rahmen der Strafzumessung zu
berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 46 Abs.
1 - Strafzumessung 1;
BGHR
StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 6, 12, 16, 39; BGH StV 1987,
389;
1995, 301; BGH,
Beschl. v. 14.6.2000 - 2 StR 217/00; BGH,
Beschl. v.
18.7.2000 - 4 StR 258/00; BGH,
Beschl. v. 28.2.2001 - 3 StR 483/00 -
StV 2001, 462; BGH,
Beschl. v. 6.6.2001 - 2 StR 205/01; BGH,
Beschl. v.
27.6.2001 - 2 StR 204/01; BGH,
Beschl. v. 24.11.2005 - 4 StR 521/05;
vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 46 Rdn. 69
m.w.N.). In der Regel genügt es, die Einziehung eines
wertvollen
Gegenstandes erst bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu
berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 1.9.1998 - 4 StR 367/98; BGH,
Beschl. v. 6.6.2001 - 2 StR 205/01). siehe hierzu näher: § 74 StGB Rdn. S.1 - Einziehung und Strafzumessung |
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25.15 |
siehe hierzu: § 63 StGB Rn. 70 - Wechselwirkungen zwischen stationärer Maßregel und Freiheitsstrafe; § 64 StGB Rn. 12 - Zweispurigkeit von Strafe und Maßregel und § 66 StGB Rn. 150.3 aF. - Wechselwirkung zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung | |
§ 46 Abs. 2 StGB |
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... (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. ... |
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Gemäß
§
46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die
Umstände gegeneinander abzuwägen, die für
oder gegen den
Täter sprechen. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs hat diese Abwägung umso
sorgfältiger zu
erfolgen, je mehr sich die für angemessen gehaltene Strafe der
unteren oder der oberen Grenze des zur Verfügung stehenden
Strafrahmens nähert. Außergewöhnlich hohe
Strafen
bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen,
die die
Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten
des
jeweiligen Falles verständlich macht (BGH, Beschl. v.
19.3.1982 -
2 StR 30/82 - StV 1983, 102; BGH, Beschl. v. 11.10.1985 - 2 StR 518/85
- StV 1986, 57; BGH, Beschl. v. 6.10.1993 - 3 StR 270/93 - BGHR StGB
§ 222 Strafzumessung 1; BGH, Beschl. v. 20.9.2010 - 4 StR
278/10 - NStZ-RR 2011, 5; BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 5 StR 264/12 -
StraFo 2012, 419; BGH, Beschl. v. 29.11.2012 - 5 StR 522/12). In
Fällen, in denen ein minder schwerer Fall trotz gewichtiger
mildernder Umstände, namentlich etwa die Unbestraftheit des
Angeklagten, seine Teilgeständigkeit und sein jeweils
untergeordneter Tatbeitrag, letztlich rechtsfehlerfrei verneint worden
ist, bedarf es jedenfalls dann einer eingehenden Begründung,
wenn
die verhängten Einzelstrafen deutlich über dem
erhöhten
Mindestmaß liegen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 5 StR
264/12). § 46 Abs. 2 StGB benennt beispielhaft und nicht abschließend einige Bereiche derjenigen Umstände, die für die Strafzumessung aussagekräftig sind. Bewertungsrichtung und Gewicht dieser Strafzumessungstatsachen bestimmt in erster Linie der Tatrichter, dem hierbei ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt ist (BGH, Beschl. v. 1.6.2016 - 2 StR 150/15 Rn. 15). |
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Bei der Tat aufgewendeter Wille |
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35 |
Eine
Strafmilderung allein deshalb, weil der Angeklagte nicht mit
direktem, sondern nur mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt
hat,
muss nicht vorgenommen werden, da die Vorsatzform nur im
Zusammenhang
mit den Vorstellungen und Zielen des Täters eine taugliche
Beurteilungsgrundlage bildet und eine bedingt vorsätzliche
Tötung aus nichtigem Anlaß schwerer wiegen kann, als
eine
mit direktem Vorsatz verübte Tat (vgl. BGH NJW 1981, 2204; BGH,
Urt. v. 28.3.2001 - 3 StR 463/00;
Gribbohm in LK 11. Aufl.
§
46
Rdn. 86; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 46 Rdn. 33;
vgl. auch
BGH, Urt. v. 7.2.2012 - 1 StR 525/11 und zur Frage der generellen
Eignung der Vorsatzform für die
Strafzumessung Schäfer/Sander/van Gemmeren, 4. Aufl.
Rn. 338). Bedenken bestehen, wenn bei der Strafrahmenwahl schematisch allein an die Vorsatzform angeknüpft wird, ohne die erforderliche Würdigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.1992 - 1 StR 708/91; BGH, Beschl. v. 1.10.2013 - 1 StR 312/13 - NStZ 2014, 331; BGH, Urt. v. 14.1.2015 - 1 StR 302/13; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618 mwN). Jedenfalls aber führt die maßgebliche Berücksichtigung des bedingten Vorsatzes zu Gunsten des Angeklagten bei der Strafrahmenwahl dazu, dass dieser Umstand bei der konkreten Strafbestimmung nur noch mit eingeschränktem Gewicht erneut berücksichtigt werden durfte (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.1987 - 2 StR 91/87 - BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 2; BGH, Beschl. v. 18.9.2013 - 5 StR 375/13 - NStZ 2014, 41; BGH, Urt. v. 14.1.2015 - 1 StR 302/13). Der 4. Strafsenat hat in BGH, Beschl. v. 26.4.2016 - 4 StR 104/16 offen gelassen, ob die u.a. zu Lasten der Angeklagten angestellte Erwägung der Strafkammer, diese habe mit Absicht und damit mit der stärksten Form des Vorsatzes gehandelt, im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. dazu einerseits BGH, Beschl. v. 28.6.2012 – 2 StR 61/12 - NStZ 2012, 689; andererseits BGH, Beschl. v. 11.3.2015 – 1 StR 3/15 - NStZ-RR 2015, 171). |
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40 |
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40.1 |
Bei Schuldspruchänderung des Rechtsmittelgerichts wird wegen des für Anstiftung und Täterschaft identischen Strafrahmens (§ 26 StGB) bei unveränderten Unrechts- und Schuldgehalts der Tat auszuschließen sein, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 19.9.2007 - 3 StR 359/07 - wistra 2008, 19). | |
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40.2 |
Maßgeblich für die Einordnung der Schuld eines Gehilfen ist das Gewicht seiner Beihilfehandlung, wenn auch die Schwere der Haupttat mit zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14.3.2002 - 3 StR 26/02; BGH, Beschl. v. 20.11.2001 - 4 StR 414/01; BGH, Beschl. v. 19.3.2003 - 2 StR 530/02). Für die Bemessung der Strafe des Gehilfen ist daher das im Gewicht seines Tatbeitrages zum Ausdruck kommende Maß seiner Schuld ausschlaggebend, wenn auch unter Berücksichtigung des ihm zurechenbaren Umfangs oder der Folgen der Haupttat (vgl. BGHSt 29, 239, 243 f.; BGH NStZ 1981, 394; BGH, Beschl. v. 20.8.1982 – 2 StR 296/82 - StV 1983, 14; BGH, Beschl. v. 16.8.2000 - 3 StR 253/00 - wistra 2000, 463; BGH, Beschl. v. 11.1.2012 - 5 StR 445/11). Zudem muss sich das Tatgericht mit der Frage auseinandersetzen, ob nicht beim Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des § 27 StGB an Stelle einer Milderung über § 49 Abs. 1 StGB der Strafrahmen gegebenenfalls unter Verbrauch des Milderungsgrundes geeignet ist einen minder schweren Fall anzunehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.8.1987 – 3 StR 341/87 - BGHR vor § 1/minder schwerer Fall Strafrahmenwahl 4; BGH, Beschl. v. 11.1.2012 - 5 StR 445/11; siehe hierzu auch: § 50 StGB Rdn. 5.3). | |
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45 |
Die Gefährlichkeit des
Versuchs und die Nähe
zur
Tatvollendung sind ganz wesentliche Gesichtspunkte im
Rahmen der
Gesamtwürdigung, ob von der
Strafmilderungsmöglichkeit der
§ 49 Abs. 1, § 23 Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen ist
(BGHR
StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 1, 2, 4, 6, 8, 9, 11
und
12; BGH,
Urt. v. 17.4.2000 - 5 StR 665/99 - wistra 2000, 263; BGH,
Beschl. v. 13.11.2008 - 5 StR 344/08 - wistra 2009, 105). siehe auch: Strafbarkeit des Versuchs, § 23 StGB --> Rdn. 25.2 - Kriterien Rechtsfehlerhaft ist es, innerhalb des wegen der Erfolgsnähe nicht verschobenen Strafrahmens die Erfolgsnähe neuerlich zu Lasten des Angeklagten zu gewichten (vgl. BGH, Beschl. v. 13.4.2010 - 5 StR 113/10; BGH, Beschl. v. 19.5.2010 - 5 StR 132/10; BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 1 StR 12/16). Die Strafrahmenwahl bei einem Versuch ist unter Berücksichtigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen. Dabei hat das Tatgericht neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie in einer Gesamtschau umfassend zu würdigen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 28.9.2010 - 3 StR 261/10 - wistra 2011, 18, 19; BGH, Beschl. v. 17.2.2014 - 3 StR 7/14). Innerhalb eines Strafrahmens, der wegen Versuchs gemildert worden ist, kann allein der Umstand, dass ein Versuch vorliegt, keine Bedeutung für die Findung der angemessenen Strafe entfalten (BGH NStZ 1990, 30; BGH, Beschl. v. 11.9.2013 - 2 StR 287/13). siehe auch das Beispiel unter: § 213 StGB, Minder schwerer Fall des Totschlags --> Rdn. S.2.1 - Strafrahmenverschiebung bei Versuch Nicht unbedenklich erscheint die strafschärfende Erwägung, die Tat sei nach Vorstellung des Angeklagten bereits vollendet gewesen („subjektive Vollendungsnähe“). Denn der Versuch ist grundsätzlich davon gekennzeichnet, dass der subjektive Tatbestand vollständig erfüllt wird, während die Tat objektiv unvollständig bleibt (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2015 - 1 StR 200/15; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 22 Rn. 2). Die Verwertung von Umständen, die für die Durchführung der Tat (hier des Versuchs) typisch sind und diese nicht über den Tatbestand hinaus besonders kennzeichnen oder die regelmäßige Begleiterscheinungen eines Delikts sind, ist regelmäßig fehlerhaft (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2015 - 1 StR 200/15; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 46 Rn. 45c mwN). |
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50 |
Die
Stärke des Tatwillens (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB)
kann sich
auch aus Tatvorbereitungen
ergeben (vgl. BGH,
Beschl. v. 10.1.2007 - 5
StR 305/06 - BGHSt 51, 202 - wistra 2007, 150). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass die sorgfältig geplante Vermeidung von Tatspuren oder deren Beseitigung vor der Tat als die Tat prägende Umstände strafschärfend herangezogen werden dürfen (BGH, Beschl. v. 19.5.2015 - 1 StR 200/15; vgl. Theune in LK, 12. Aufl., § 46 Rn. 201; Detter NStZ 1997, 476, 477 f., je mwN; vgl. zuletzt auch BGH, Beschl. v. 26.3.2015 – 2 StR 489/14). Dem Angeklagten darf aber nicht straferschwerend zur Last gelegt werden, er habe den Ermittlungsbehörden seine Überführung nicht erleichtert, indem er keine auf ihn hindeutenden Hinweise geschaffen habe (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.2006 – 4 StR 422/05; zur einfachen Spurenverhinderung auch Theune aaO Rn. 202). Dies wäre aber der Fall, wenn man einem Erpresser anlastet, er trete nicht unter seinem Namen, sondern anonym auf, und er habe ein Erpresserschreiben nicht abgespeichert, sondern ohne Speicherung auf seinem Computer erstellt (BGH, Beschl. v. 19.5.2015 - 1 StR 200/15). |
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55 |
Strafmildernd
zu berücksichtigen ist die
strafbegründende
Einwirkung eines agent
provocateurs (vgl. BGH, Beschl. v. 21.7.1993 - 2
StR 331/93 - NStZ 1993, 584). siehe auch: Art. 6 EMRK, Recht auf ein faires Verfahren - Lockspitzeleinsatz und engmaschige Observation Die Tatausführung wurde erst dadurch möglich, daß ein Informant des Zollfahndungsamtes den Anstoß zur konkreten Tat geliefert hatte, ohne allerdings unmittelbar zur Tat anzustiften (vgl. BGH, Beschl. v. 19.4.2000 - 5 StR 644/99 - StV 2000, 555). |
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60 |
Nach
§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB bildet die Schuld des Täters
die
Grundlage für die Zumessung der Strafe. Aus § 46 Abs.
2 Satz
1 StGB folgt das Gebot einer umfassenden Würdigung aller
für
und gegen den Täter sprechenden Umstände. Der bei der
Tat
aufgewendete Wille und die Art der Tatausführung sind in
§ 46
Abs. 2 Satz 2 StGB beispielhaft benannte Umstände zur
Bemessung
der Schuld. Beide Umstände kennzeichnen ggf. die
große
kriminelle Intensität, mit der ein Täter sein Ziel
verfolgt.
Diese der Tat regelmäßig vorgelagerten oder sie
begleitenden
Umstände können die Schuld des Täters
charakterisieren
(BGH, Urt. v. 14.2.1996 - 3 StR 445/95 - BGHSt 42, 43, 44) und
dürfen daher in der Strafzumessung verwendet werden. Das
Doppelverwertungsverbot verbietet es dem Gericht nicht, bei der
Strafzumessung die Modalitäten der Tatausführung im
konkreten
Fall, etwa die „Art der
Ausführung“ und den
„bei der Tat aufgewendete(n) Wille(n)“ (§
46 Abs. 2
StGB) als Strafzumessungsgrund heranzuziehen (vgl. BGH, Urt. v.
12.1.2016 - 1 StR 414/15). Rechtsfehlerhaft ist es, wenn der strafschärfend gewertete Gesichtspunkt der erheblichen kriminellen Energie sich der Sache nach so verhält, dass dem Angeklagten der Vorwurf der Tatbegehung als solcher angelastet wird (§ 46 Abs. 3 StGB; vgl. BGH, Beschl. v. 4.11.2008 - 4 StR 196/08). Aus der bloßen Umsetzung des Tatvorsatzes, welcher seiner Natur nach zielgerichtet ist, ergibt sich keine für eine Strafschärfung heranzuziehende besondere kriminelle Energie (vgl. BGH, Beschl. v. 27.10.2000 - 2 StR 401/00 - StV 2002, 74). Die Begehung mehrerer (schwerer) Straftaten lässt Schlüsse auf die innere Einstellung des Täters gegenüber den geschützten Rechtsgütern zu und kann damit eine erhöhte Vorwerfbarkeit anzeigen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71 - BGHSt 24, 268, 271; BGH, Beschl. v. 3.6.1997 – 1 StR 183/97 - BGHSt 43, 106, 108; BGH, Urt. v. 27.1.2016 - 5 StR 387/15; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 650 ff. mwN). Sind die Taten Ausdruck einer besonders rechtsfeindlichen Einstellung und verbrecherischen Energie, so kann es erforderlich sein, die Häufung von Straftaten bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen erschwerend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1971 – 1 StR 485/71 - BGHSt 24, 268, 271; BGH, Urt. v. 19.12.2002 – 3 StR 401/02 - NStZ-RR 2003, 110; BGH, Urt. v. 21.3.2006 – 1 StR 61/06 - NStZ-RR 2007, 72; BGH, Beschl. v. 21.10.1987 – 2 StR 516/87 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 4; BGH, Urt. v. 27.1.2016 - 5 StR 387/15; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 653, 1209). vgl. zu einem Fall der bei der Art und Weise der Begehung der Taten zum Ausdruck gekommenen und strafmildernd berücksichtigten besonders geringen kriminellen Energie: BGH, Urt. v. 12.1.2016 - 1 StR 414/15 |
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60.1 |
Strafschärfend
kann die Maskierung der
Täter bei der
Tat
bewertet werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Tatumstände 17; BGH,
Beschl. v. 11.1.2000 - 4 StR 611/99; BGH,
Beschl. v. 23.11.2000 -
4 StR 460/00; BGH,
Urt. v. 12.5.2005 - 5 StR 86/05). Soweit aus einer
früheren Entscheidung des 4. Strafsenats (BGH, Beschl. v.
11.3.1997 - 4 StR 25/97) Gegenteiliges ausgeführt wurde, hat
der
4. Strafsenat hieran nicht festgehalten (vgl. BGH,
Beschl. v. 11.1.2000
- 4 StR 611/99 und der Entscheidung des 5. Strafsenats vom
5.11.1997 -
5 StR 504/97 - StV 1998, 652, 653 zugestimmt). Rechtsfehlerhaft ist
allerdings die Wertung, schon der Umstand, daß der Angeklagte
bei
der Ausführung der Tat maskiert gewesen sei,
schließe in der
Regel die Annahme eines minder schweren Falles aus (vgl. BGH NStZ 1998,
188 f.; BGH,
Beschl. v. 23.11.2000 - 4 StR 460/00). Rechtlich zulässig ist es, die planmäßige Verminderung seines Überführungsrisikos als Ausdruck erheblicher krimineller Energie des Täters anzusehen und strafschärfend zu werten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17 m.N.; BGH, Beschl. v. 11.1.2000 - 4 StR 611/99). Dies setzt aber voraus, daß der Täter besondere Vorkehrungen trifft, um das Überführungsrisiko zu mindern, etwa daß er sich maskiert (vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2000 - 4 StR 611/99) oder auf andere Weise sein Aussehen verändert, Handschuhe trägt, die Kleidung oder das Fluchtfahrzeug wechselt. Als eine solche, über die bloße Tatbestandserfüllung hinausgehende, die Tat nach der "Art der Ausführung" ( § 46 Abs. 2 StGB) prägende, Verschleierungshandlung kann jedoch das bloße Ausnutzen des ihm von der Natur vorgegebenen und ihm deshalb nicht vorwerfbaren äußeren Erscheinungsbildes nicht gewertet werden. Die strafschärfenden Berücksichtigung eines solchen in der Person des Täters liegenden Umstandes ist rechtlich unzulässig, wenn dem Täter damit lediglich (nochmals) angelastet wird, daß er die Tat überhaupt begangen hat, anstatt davon Abstand zu nehmen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 14; BGH, Beschl. v. 13.7.2000 - 4 StR 230/00 - NStZ 2000, 586: Tatgericht nahm an, dass ein Schwarzafrikaner davon ausging, es sei für Europäer unmöglich, ihn zu identifizieren). siehe zur planmäßigen Verminderung des Überführungsrisikos auch unten Rdn. 60.7 mwN Mit der Erwägung zu Gunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass dieser bei den Taten gegenüber den Opfern unmaskiert aufgetreten sei, kann der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand, er sei bei diesen Taten jeweils raffiniert und planvoll vorgegangen, nicht nur in widersprüchlicher und daher kaum nachvollziehbarer Weise relativiert werden (vgl. BGH, Urt. v. 28.3.2013 - 4 StR 467/12; dazu auch BGH, Beschl. v. 22.10.1986 – 2 StR 516/86 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 4). Die Formulierung kann auch besorgen lassen, dass sich das Tatgericht den Blick dafür verstellt hat, dass die fehlende Maskierung gerade Bestandteil des mit erheblicher krimineller Energie erdachten Tatplanes war, wonach die jeweils Geschädigten zunächst durch Vortäuschen von Kaufabsicht in Sicherheit gewiegt werden sollten, um die anschließende Tatausführung unter Ausnutzung des Überraschungsmoments zu erleichtern (BGH, Urt. v. 28.3.2013 - 4 StR 467/12). |
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60.2 |
Das professionelle, konspirative und
gewerbsmäßige
Vorgehen
(beim bandenmäßigen Handel, § 30a Abs. 1
BtMG) kann
strafschärfend berücksichtigt werden: Ein
Verstoß gegen
§ 46 Abs. 3 StGB liegt darin nicht.
Bandenmäßiger
Betäubungsmittelhandel wird zwar häufig von Professionalität und
Konspiration geprägt sein.
Triebfeder
ist oft, sich eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen. Zwingende
Voraussetzung der Tatbestandsverwirklichung oder gar Tatbestandsmerkmal
(§ 30a Abs. 1 BtMG) ist jedoch keine der genannten
Handlungsmodalitäten. Eine Organisationsstruktur mit
"mafiaähnlichem Charakter" ist gerade nicht
Tatbestandsvoraussetzung des § 30a Abs. 1 BtMG, auch unter
Berücksichtigung der hohen Mindeststrafe von 5 Jahren
Freiheitsstrafe (BGHR BtMG § 30a Bande 2). "Amateurhaft"
betriebener bandenmäßiger Betäubungshandel
im Rahmen
eines "in seiner Organisation nicht gemeingefährlichen
Zusammenschlusses" (ebenda) ist ebenso
tatbestandsmäßig und
kommt auch durchaus vor (vgl. etwa den der zitierten Entscheidung
zugrunde liegenden, in der "Techno-Szene" spielenden Fall). Bei der
Gewichtung der genannten Aspekte im Rahmen der Strafzumessung ist
allerdings zu berücksichtigen, daß wegen der
besonderen Gefährlichkeit,
Sozialschädlichkeit und
Strafwürdigkeit (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 30)
der bandenmäßigen
Betäubungsmittelkriminalität schon die Mindeststrafe
hoch
angesetzt wurde (vgl. BGH,
Beschl. v. 13.12.2001 - 1 StR 475/01; vgl.
auch BGH,
Beschl. v. 18.4.2007 - 3 StR 127/07 - NStZ 2007, 533
betr. im
Vergleich zu entsprechenden Vortaten deutlich gesteigerte Menge des
eingeführten Rauschgifts sowie die insgesamt professionelle
Tatbegehung). Die im Rahmen der Strafzumessung erfolgte Berücksichtigung der Umstände, dass der Angeklagte "Überführungsrisiken planvoll verhindert hat", indem er Gespräche aus Telefonzellen geführt, den Abnehmern seine Telefonnummer nicht genannt, Betäubungsmittel an abgelegenen Orten übergeben und darauf geachtet hat, diese nicht mit bloßen Händen zu berühren, ist rechtlich nicht unbedenklich. Jedoch ist die Bewertung des Gesamtbildes eines professionellen Vorgehens als Ausdruck krimineller Energie im Ergebnis rechtsfehlerfrei (vgl. BGH, Beschl. v. 26.3.2015 - 2 StR 489/14). Wird zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Taten mit hoher krimineller Energie und professioneller Vorgehensweise begangen worden sind, und wird insoweit unter anderem die „Vernichtung von Spuren bei der Tat“ angeführt, begegnet dies rechtlichen Bedenken, weil die bloße Spurenbeseitigung einem Täter nicht strafschärfend angelastet werden darf (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.2016 - 2 StR 286/16 Rn. 3; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 49 m.N. zur Rspr.). siehe zur Beseitigung von Tatspuren auch unten Rn. 135.1 |
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60.3 |
Die Tätigkeit des Betäubungsmittelhändlers auf der Zwischenhändlerebene kann zu strafschärfender Berücksichtigung führen, weil in dieser Einbindung in das hierarchisch gegliederte Vertriebssystem ein gesteigertes Maß an krimineller Energie zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2002 - 4 StR 233/02 - BGHSt 48, 40 - wistra 2003, 58). | |
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60.4 |
Zu Lasten des Angeklagten kann die Hartnäckigkeit, mit der er auch dann noch sein kriminelles Tun fortgesetzt hat, als sein strafbares Verhalten bereits aufgedeckt war und er deshalb auch schon sowohl zivil- als auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen worden war, zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urt. v. 5.4.2007 - 4 StR 5/07 - wistra 2007, 341). | |
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60.5 |
Die Raffinesse durch Beschaffung gefälschter Personaldokumente, um sie bei Bedarf tatbezogen einsetzen zu können, deren Verstecken in einem separaten Büro; Aufbau eines internationalen Firmengeflechts und Nutzung verschiedener Konten zu Verschleierungszwecken sowie Vermögensverlagerung ins Ausland können zu Lasten eines Angeklagten zu werten sein (vgl. BGH, Beschl. v. 18.2.2009 - 1 StR 731/08 - BGHSt 53, 199 - StV 2009, 242). | |
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60.6 |
Bedenken begegnen kann das Ausmaß, mit dem die geringe Höhe der Beute bzw. die geringe Beuteerwartung strafmildernd berücksichtigt wird. Gerade der Umstand, dass die Angeklagten bereit waren, für geringe Beute schwere Straftaten zu begehen, kann ihre kriminelle Energie zeigen und ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit belegen (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2007 - 2 StR 372/07 - NStZ 2009, 35). | |
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60.7 |
Der
zur Aufklärung einer Straftat notwendige Kostenaufwand
steht
grundsätzlich in keiner Relation zur Tatschuld. So
begründet
es etwa einen Wertungsfehler zum Nachteil des Angeklagten, wenn dem
Angeklagten im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von im Körper
geschmuggelter Betäubungsmittel nicht unerhebliche Kosten
für
ärztliche und polizeiliche Überwachung im Krankenhaus
zum
Ausschluss gesundheitlicher Komplikationen straferschwerend angelastet
werden (vgl. BGH,
Beschl. v. 26.1.2010 - 5 StR 509/09). In Betracht
kommt insoweit, eine planmäßige Verminderung des
Überführungsrisikos als Ausdruck erheblicher
krimineller
Energie strafschärfend zu werten, was beim
Körperschmuggel
von Drogen grundsätzlich anzunehmen sein wird (vgl. BGH,
Urt.
v.
18.6.2009 - 3 StR 171/09 - NStZ-RR 2009, 320; BGH,
Beschl. v. 26.1.2010 - 5 StR 509/09). siehe zur planmäßigen Verminderung des Überführungsrisikos auch oben Rdn. 60.1 |
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65 |
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65.5 |
Neben
der Art der
Betäubungsmittel sind für den
Schuldumfang
die Menge
und der Wirkstoffgehalt
der gehandelten Rauschmittel
maßgeblich (vgl. BGH,
Beschl. v. 4.4.2006 - 3 StR 91/06 -
NStZ
2007, 102; BGH,
Urt. v. 16.8.2006 - 2 StR 236/06; BGHR BtMG § 29 -
Strafzumessung 18 und 19; BGH, Urt. v. 1.9.1993 - 2 StR 308/93 - BGHR
BtMG § 29 - Strafzumessung 26). Die Gefährlichkeit einer Droge darf einem Angeklagten dann nicht strafschärfend angelastet werden, wenn er die Drogen nur zum Eigenverbrauch erworben hat, weil bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nur eine straflose Selbstgefährdung des Täters herbeigeführt wird (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 6.11.2003 - 3 Ss 543/03; Körner, a.a.O., § 29 Randziffer 1028; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 46 Randziffer 35, jeweils m.w.N.). Führt der Täter eine Rauschgiftmenge ein, die tatsächlich größer ist, als er sie sich vorgestellt hat, so darf die von seinem Vorsatz nicht umfaßte Mehrmenge dann als tatschulderhöhend gewertet und mithin strafschärfend berücksichtigt werden, wenn ihn insoweit der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB; vgl. auch § 29 Abs. 4 BtMG; BGH StV 1996, 90; BGH, Urt. v. 20.12.1995 - 2 StR 460/95; BGH, Urt. v. 21.4.2004 - 1 StR 522/03; siehe hierzu auch: Bedingter Vorsatz). |
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65.10 |
vgl. etwa BGH, Urt. v. 16.8.2006 - 2 StR 236/06; BGH, Beschl. v. 18.4.2007 - 3 StR 127/07 - NStZ 2007, 533 (zwei Schusswaffen) (Arg.: weil hierdurch die potentielle Gefährlichkeit erhöht ist und mehrere Waffen auch gleichzeitig hätten verwendet werden können). | |
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65.11 |
Das Verbringen von Betäubungsmitteln über eine Grenze kann strafschärfend berücksichtigt werden, sofern dies nicht ohnehin tatbestandsmäßig ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4.4.2006 - 3 StR 47/06). | |
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65.12 |
Die Rechtsprechung hat etwa in Fällen von Serienstraftaten zum Nachteil desselben Geschädigten als grundsätzlich zulässig angesehen, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte noch sonstige Straftaten begangen hat; dies gilt allerdings nur, wenn diese Taten prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2013 - 2 StR 68/13; BGH, Beschl. v. 12.5.1995 - 3 StR 179/95 - BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2; BGH, Beschl. v. 9.10.2003 - 4 StR 359/03 - NStZ-RR 2004, 359 Nr. 37; BGH, Beschl. v. 2.7.2009 - 3 StR 251/09 - NStZ-RR 2009, 306; BGH, Urt. v. 16.3.2005 - 2 StR 487/04; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46 Rn. 41a). | |
| 65.15 |
Dass die Taten sich über einen langen Zeitraum erstreckten, darf grundsätzlich weder bei der Strafrahmenwahl noch der konkreten Zumessung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dass einer ersten oder zweiten Tat weitere nachgefolgt sind, ist regelmäßig für deren Unrechtsgehalt ohne strafzumessungsrelevante Bedeutung. Dies mag anders sein, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant sind und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige "rechtsfeindliche Gesinnung" des Täters zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschl. v. 12.4.2016 - 2 StR 483/15 Rn. 4 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 23; BGH, Urt. v. 26.4.2017 - 2 StR 580/16 Rn. 17; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 40 Rn. 34a). | |
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70 |
Ein vertypter Strafmilderungsgrund, der zur Verschiebung des Strafrahmens geführt hat, kann keine Bedeutung mehr für die Findung der angemessenen Strafe entfalten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Gesamtbewertung 2, 5). Dies gilt aber nur für den gesetzlich vertypten Grund als solchen ("erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit", "Versuch" usw.). Dagegen sind die dem jeweiligen gesetzlich vertypten Milderungsgrund nach Art und Maß unterschiedlich konkretisierenden Umstände, wie etwa die alkoholische Enthemmung, bei der Strafzumessung im engeren Sinne auch nach einer Strafrahmenverschiebung zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 15.9.2004 - 2 StR 242/04). | |
Art der Ausführung der Tat |
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75 |
Die Art der Tatausführung,
Anlass und Modalitäten der Tat
dürfen einem Angeklagten nur dann
ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie
vorwerfbar
ist,
nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenen
geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (vgl. BGH,
Beschl. v. 29.6.2000 - 1 StR 223/00 - StV 2001, 615; BGH,
Urt. v. 17.7.2003 - 4 StR 105/03 - NStZ-RR
2003, 294; BGH,
Beschl. v. 8.10.2002 - 5 StR 365/02 - NStZ-RR 2003, 104; BGH,
Beschl. v. 16.7.2003 - 1 StR 251/03-
NStZ-RR 2003, 362; BGH, Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 375/11; BGH,
Beschl. v. 31.12.2012 - 3 StR 453/11 - NStZ-RR 2012, 169; BGH, Beschl.
v. 25.1.2012 - 5 StR
482/11; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11; BGH, Beschl. v.
16.5.2012 - 3 StR 33/12; BGH, Beschl. v. 18.6.2013 - 2 StR 104/13;
BGH, Beschl. v. 12.3.2014 - 5 StR 69/14; BGH, Beschl. v. 12.3.2014
– 5 StR 69/14 - NStZ-RR 2014, 140; BGH, Beschl. v. 9.4.2014 -
5
StR 106/14; BGH, Beschl. v. 1.3.2016 - 4 StR 54/16; Fischer, StGB, 60.
Aufl., §
46 Rn. 32). Allerdings ist auch
der
im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert
schuldfähige
Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer
konkreten
Ausgestaltung verantwortlich, so daß für eine
strafschärfende Verwertung durchaus Raum bleibt, jedoch nur
nach
dem Maß der geminderten Schuld (vgl. BGH NJW 1993, 3210, 3211
f.;
BGH NStZ 1992, 538; BGH,
Beschl. v. 8.10.2002 - 5 StR 365/02 - NStZ-RR 2003, 104;
BGH, Urt. v. 2.8.2012 - 3 StR 132/12; Tröndle/Fischer, StGB
50. Aufl. §
46 Rdn. 28 mit
weiteren
Rechtsprechungsnachweisen). siehe hierzu auch unten Rdn. 125.8 Die Strafzumessung im engeren Sinne ist etwa rechtsfehlerhaft, soweit das Tatgericht dem Angeklagten zugutegehalten hat, es habe „teilweise eine kokainbedingte Enthemmung vorgelegen.“ Der Kokainkonsum während der Begehung der Tat rechtfertigt keine Strafmilderung, weil es zur Annahme voller Schuldfähigkeit genügt, wenn der Täter während eines Zeitabschnitts zwischen Versuchsbeginn und Vollendung der Tat uneingeschränkt schuldfähig war (vgl. BGH, Urt. v. 24.2.2016 - 2 StR 319/15 Rn. 40). |
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77 |
Die Verletzung mehrerer Strafgesetze bei Tateinheit kann regelmäßig strafschärfend berücksichtigt werden, wenn dem tateinheitlich verwirklichten Tatbestand eigenständiges Gewicht zukommt (vgl. BGH, Beschl. v. 18.1.2006 - 2 StR 550/05; BGH, Beschl. v. 4.4.2006 - 3 StR 47/06 betr. Einfuhr und Handeltreiben; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 33). | |
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79 |
Zwar kann es straferschwerend wirken, wenn der Täter, auch wenn dies im Urteilstenor nicht zum Ausdruck kommt, mehrere Begehungsvarianten eines Tatbestands erfüllt (vgl. BGH NStZ 1999, 130; StV 2001, 451). Voraussetzung ist jedoch, dass hieraus auf eine erhöhte Vorwerfbarkeit zu schließen ist (vgl. BGH StV 2001, 451 f.; BGH, Urt. v. 15.12.2005 - 4 StR 314/05 - NStZ 2006, 274). | |
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81 |
Die zusätzliche Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit darf strafschärfend berücksichtigt werden, wenn das gemäß § 21 Abs. 1 OWiG verdrängte Gesetz gegenüber dem Tatbestand des angewandten Strafgesetzes selbständiges Unrecht enthält (vgl. BGHSt 19, 188, 189; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 7; BGH, Beschl. v. 6.10.1998 - 4 StR 391/98; Beschl. v. 15.9.1995 - 2 StR 431/95; BGH, Urt. v. 16.12.2004 - 1 StR 420/03 - BGHSt 49, 381 - NJW 2005, 445 - wistra 2005, 139: betr. § 39 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF und § 400 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG). | |
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83 |
Ein weitergehender, im Versuchsstadium steckengebliebener Tatvorsatz kann bei der Strafzumessung berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 8.2.2005 - 3 StR 452/04 - wistra 2005, 269). | |
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85 |
vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 27.6.2001 - 2 StR 226/01 | |
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87 |
Für
die Geschädigten belastende Umstände der
Taten, etwa
deren Ausführung zur Nachtzeit auf einsamer Straße
und die
körperliche Unterlegenheit der attackierten jungen Frauen,
dürfen im Einzelfall einem Angeklagten trotz seines spontanen
Entschlusses zur Tatbegehung als gleichwohl verschuldete negative
Faktoren der Art der Ausführung und der Auswirkungen der Tat
angelastet werden (§ 46 Abs. 2 StGB; BGH,
Urt. v. 10.7.2001 -
5
StR 240/01). Ein außerhalb der Tatausführung liegendes Verhalten darf bei der Strafzumessung nur Berücksichtigung finden, wenn eine Beziehung zu der Tat besteht, die Rückschlüsse auf eine höhere Tatschuld zuläßt (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87). |
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Maß der Pflichtwidrigkeit |
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90 |
Bei
Fahrlässigkeitstaten kommt es auf die
ausdrückliche
Einordnung einer Fahrlässigkeit als "bewußt"
für die
Strafzumessung nicht an. Entscheidend ist entsprechend § 46
Abs. 2
StGB, daß das Gericht "das Maß
der
Pflichtwidrigkeit"
feststellt und die Intensität der Pflichtwidrigkeit bei der
Strafzumessungsbeurteilung nachvollziehbar bewertet hat (vgl. BGH,
Urt.
v. 20.1.2004 - 1 StR 319/03). Zu Lasten des Angeklagten kann gewertet werden, dass der Grenzbereich zum bedingten Vorsatz bei fahrlässig begangenen Delikten erreicht war (hohe Pflichtwidrigkeit des Fahrlässigkeitsverstoßes und die Rücksichtslosigkeit). |
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92 |
Handeln auch im Interesse des Unternehmens (betr. § 299 StGB) (vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 2.12.2005 - 5 StR 119/05 - wistra 2006, 96). | |
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94 |
Die
berufliche Stellung eines Angeklagten darf nur dann im Rahmen der
Strafzumessung zu seinen Lasten berücksichtigt werden, wenn
zwischen dem Beruf und der Straftat eine innere Beziehung
besteht (vgl.
BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 31 und
Lebensumstände
10; BGH,
Urt. v. 30.8.2000 - 2 StR 85/00 - NStZ 2001, 161). -
Berufliche Stellung des Täters Wird dem Angeklagten sein Beruf strafschärfend angelastet, so ist dies rechtsfehlerhaft, wenn zwischen der außerhalb der Berufsausübung begangenen Straftat und seiner beruflichen Stellung kein innerer, das Maß der Pflichtwidrigkeit erhöhender Zusammenhang bestand (vgl. BGH StV 1998, 467, 469; NStZ 2000, 137; 1981, 258; BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 1997 - 3 StR 383/97; vom 2. Juli 1996 - 4 StR 201/96; vom 16. Februar 1993 - 5 StR 3/93; BGH, Beschl. v. 6.2.2002 - 2 StR 489/01; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 103 ff. m.w.N.). Die berufliche Stellung, die in keiner unmittelbaren Beziehung zu einer vorgeworfenen Straftat steht, darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden (BGH NJW 1996, 3089 f.; BGH, Beschl. v. 26.2.2003 - 2 StR 411/02 - wistra 2003, 231). Beispiel: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines Überfalls auf eine Taxifahrerin der versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig gesprochen. Bei der Bemessung der verhängten Freiheitsstrafe wurde zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass "seine eigene Mutter Taxifahrerin ist und die Tat insoweit als besonders verwerflich erscheint". Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass die Mutter des Angeklagten den gleichen Beruf ausübt wie das Tatopfer, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben (vgl. BGH, Beschl. v. 28.9.2010 - 4 StR 371/10; MünchKommStGB/Franke § 46 Rn. 32). Die berufliche Stellung der Mutter wirkt sich daher auf das Maß der der Tat des Angeklagten innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht aus. Auch unter dem Gesichtspunkt der aus der Tat sprechenden Gesinnung kommt diesem Umstand keine die Tatschuld steigernde Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschl. v. 28.9.2010 - 4 StR 371/10). |
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95 |
Beispiel: Bei der Bemessung der verhängten Jugendstrafe hat das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass sein Bruder Polizeibeamter sei und „von daher hätte erwartet werden können, dass der Angeklagte für andere Polizeibeamte, die pflichtgemäß das tun, was ihnen befohlen wird, etwas Verständnis aufbringt“. Diese Erwägung erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass der Bruder des Angeklagten ebenso Polizeibeamter ist wie die vom Angeklagten angegriffenen Geschädigten, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben und sich dieser daher auf das Maß der der Tat innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht auswirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.2013 - 1 StR 122/13; BGH, Beschl. v. 28.9.2010 - 4 StR 371/10 - NStZ-RR 2011, 5). | |
Beweggründe und Ziele des Täters |
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Zu den Umständen, die § 46 Abs. 2 StGB
beispielhaft
als
für die Strafzumessung im Einzelfall relevante Tatsachen
aufführt, zählen die „Beweggründe
und die Ziele
des Täters“. Der damit angesprochene subjektive
Bereich, die
innere Einstellung des Täters zu seiner Tat und die mit ihr
verfolgten Absichten, ist für die Strafzumessung bedeutsam. Er
umfasst nicht nur die vom Täter mit seiner –
tatbestandsmäßigen – Handlung verfolgten
weiteren
Ziele, sondern auch seine innere Einstellung zum Taterfolg. Die
unterschiedlichen, in Rechtsprechung und Schrifttum
überwiegend
anerkannten, nach heute herrschender Dogmatik nicht mehr der Schuld,
sondern dem Unrecht zuzurechnenden unterschiedlichen Vorsatzformen sind
daher strafzumessungsrelevant (BGH, Beschl. v. 1.6.2016 - 2 StR 150/15
Rn. 16). Soweit in § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB die Beweggründe und Ziele des Täters, die aus der Tat sprechende Gesinnung und der bei der Tat aufgewendete Wille genannt werden, handelt es sich um Leitpunkte für die Bestimmung des subjektiven Handlungsunrechts. Die einzelnen Vorsatzformen treffen dazu – für sich genommen – keine unmittelbare Aussage. Sie bedürfen stets einer Würdigung im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Täters (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.1992 – 1 StR 708/91 - BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5; BGH, Beschl. v. 17.9.1990 – 3 StR 313/90 - BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4; BGH, Beschl. v. 15.2.1984 – 4 StR 51/84; BGH, Beschl. v. 13.5.1981 – 3 StR 126/81 - NJW 1981, 2204; BGH, Beschl. v. 7.6.2017 - 4 ARs 22/16 Rn. 3 betr. Tötungsabsicht; Theune in: Leipziger Kommentar z. StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 102; Bruns, Das Recht der Strafzumessung, 2. Aufl., S. 214). Zwischen Absicht, Wissentlichkeit und bedingtem Vorsatz besteht ein strafzumessungsrelevanter Unterschied (BGH, Beschl. v. 1.6.2016 - 2 StR 150/15 Rn. 23; in diesem Sinne Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt, 2010, S. 157 ff.). Während der mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges zwar als naheliegend voraussieht und sich um der von ihm verfolgten Handlungsziele willen mit dessen Eintritt abfindet, sieht der wissentlich handelnde Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als sicher voraus. Er handelt „trotz besseren Wissens“ und kalkuliert die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges und die hierin liegende Verletzung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts überlegt ein. Das Handeln trotz sicherer Voraussicht des Erfolgseintritts erhöht das Handlungsunrecht gegenüber dem bedingt vorsätzlich handelnden Täter, bleibt jedoch seinerseits hinter dem des absichtlich Handelnden, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges erstrebenden Täters zurück (BGH, Beschl. v. 1.6.2016 - 2 StR 150/15 Rn. 23 betr. die grundsätzliche gesetzgeberische Anerkennung einer Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands). |
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96 |
Der
religiös-kulturelle Hintergrund stellt auch bei
Vergewaltigung
der Ehefrau keinen Strafmilderungsgrund i.S.v. § 46 StGB dar
(BGH
NStZ-RR 2007, 86, 87; BGH,
Beschl. v. 23.5.2007 - 1 StR 220/07 - NStZ
2007, 697). Ohnehin können in einer fremden
Rechtsordnung
wurzelnde Verhaltensmuster, Vorstellungen und Anschauungen
regelmäßig nur dann strafmildernd
berücksichtigt
werden, wenn sie im Einklang mit der fremden Rechtsordnung stehen (vgl.
BGH,
Urt. v. 7.11.2006 - 1 StR 307/06; Tröndle/Fischer,
StGB
53.
Aufl. § 46 Rdn. 43a m. w. N.; vgl. aber auch: BGH,
Urt. v.
29.8.2001 - 2 StR 276/01 - NStZ-RR 2002, 9: betr.
strafmildernde
Bewertung der Überwindung einer geringeren Hemmschwelle). Die Annahme, die Verwurzelung in einem archaischen Wertesystem spräche grundsätzlich für einen minder schweren Fall, ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschl. v. 18.8.2009 - 1 StR 351/09 m.w.N. - NStZ 2009, 689). |
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98 |
Der
humanitäre Hintergrund der Tatbegehung kann zu Gunsten des
Täters zu berücksichtigen sein (etwa bei
Embargoverstössen, vgl. BGH,
Beschl. v. 23.8.2006 - 5 StR
105/06 -
wistra 2006, 464). Strafmildernd kann berücksichtigt werden, dass der Angeklagte mit seinen Taten Hilfe leisten wollte, mithin auch aus altruistischen Motiven handelte (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2003 - 3 StR 386/02 - wistra 2003, 351, 353), so etwa, wenn der Angeklagte als Schleuser Personen geholfen hat, die aus konkreter Gefahr für Leib und Leben vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen waren (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.2015 - 3 StR 157/15). |
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100 |
Die
Frage, ob bei Taten eines nicht Drogenabhängigen, die nur
zur
Gewinnerzielung verwirklicht werden, das Gewinnstreben
strafschärfend berücksichtigt werden darf, ist
streitig
(einerseits kein Verstoß gg. das Doppelverwertungsverbot nach
§ 46 Abs. 3 StGB, sondern verwerflichere Bewertung der
ausschließlich gewinnorientierten Motivation im Vergleich zu
den
überwiegenden Fällen der durch BtM-Handel
verübten
Beschaffungstaten durch Drogenabhängige (vgl. BGH,
Urt. v.
11.9.2003 - 1 StR 146/03; andererseits keine
strafschärfende
Berücksichtigung, weil Gewinnsstreben beim Handeltreiben
vorausgesetzt wird (vgl. BGH,
Beschl. v. 24.9.2009 - 3 StR 294/09 -
NStZ-RR 2010, 24; ebenso BGHR StGB § 46 Abs. 2
Lebensumstände
11). siehe hierzu ausführlich: § 29 BtMG, Straftaten --> Rdn. S.3.3 (Gewinnorientierte Motivation) |
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102 |
Angeklagter
war durch den Verlust
seines Arbeitsplatzes aus der Bahn
geworfen (kumulativ mit anderen Gründen) vgl. BGH,
Urt. v.
16.8.2006 - 2 StR 236/06 Verbundenheit in "familiärer Weise" zu Mittätern, von denen er verleitet wurde vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 421/06 - NStZ 2007, 288 (dem noch jungen Angeklagten ist es vor dem Hintergrund krimineller Verstrickungen seines Vaters und seiner älteren Brüder besonders schwer gefallen, sich rechtstreu zu verhalten; BGH, Urt. v. 10.5.2005 - 5 StR 66/05) Begehung der Taten wegen schlechter finanzieller Situation und hierdurch eher geringe Vorteilsziehung, vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 421/06 - NStZ 2007, 288. Die wirtschaftliche Situation des Angeklagten und deren Bedeutung für den Tatentschluß kann strafmildernd zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.1988 – 2 StR 657/87 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 7; BGH, Beschl. v. 18.7.1988 – 2 StR 311/88 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 8; BGH, Beschl. v. 9.6.1993 – 3 StR 157/93 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 14; Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 193). Schicksalhafte Suchtverstrickung eines Arztes (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2000 - 5 StR 326/00 - NStZ 2001, 85). Begeht ein Drogenabhängiger Delikte unterschiedlichen Charakters, die nach seinen Angaben mittelbar der Befriedigung seiner Sucht dienen, liegt die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Täters jedenfalls bei langfristiger Planung zukünftigen Suchtmittelzugriffs zwar eher fern. Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB in Bezug auf die einzelnen Fallgruppen ist hierbei die Persönlichkeit des Angeklagten, dessen schicksalhafte Suchtverstrickung und der Erfolg seiner Bemühungen, sich von der Sucht zu lösen, bei der Straffindung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2000 - 5 StR 326/00 - NStZ 2001, 85). Der aus einem anderen Kulturkreis stammende Angeklagte stand unter dem “Erwartungsdruck“ seiner Familie und hatte daher zur Begehung der Tat insgesamt eine geringere Hemmschwelle zu überwinden (vgl. BGH NStZ 1996, 80; StV 2002, 20; BGH, Urt. v. 1.2.2007 - 4 StR 514/06; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 43a). Erlittene Verletzungen des Täters, wobei erst jene Verletzung ausschlaggebend für den Spontanentschluss zur Tatbegehung war (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.2008 - 5 StR 456/08 - NStZ 2009, 202). |
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103 |
Zwar kann in einem menschlich verständlichen Vergeltungsbedürfnis nach einer Provokation ein Strafmilderungsgrund liegen. Ist der Täter vom Verletzten gereizt worden, so kann dies bei einer Körperverletzung zugunsten des Täters ins Gewicht fallen. Der Beweggrund der Vergeltung ist jedoch nicht stets strafmildernd. Wer erst nach längerer Zeit Vergeltung übt, steht einem Täter, der auf der Stelle zur Vergeltungstat hingerissen worden ist, nicht gleich. Artet der Beweggrund in reine Rachsucht aus, so kann darin ein strafschärfender niedriger Beweggrund liegen (Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014, § 46 Rn. 13). Dies muss erst recht gelten, wenn sich die Tat nicht gegen den Täter der früheren Tat selbst, sondern gegen einen unbeteiligten Familienangehörigen richtet (vgl. BGH, Urt. v. 2.6.2015 - 5 StR 80/15). | |
Vorleben des Täters |
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104 |
Für
die
Strafzumessung und deren rechtliche Überprüfung ist
grundsätzlich die Kenntnis vom Werdegang und den
Lebensverhältnissen des Angeklagten wesentlich. Nur so kann
das
Revisionsgericht überprüfen, ob insbesondere die
Zumessung
einer verhängten mehrjährigen
Freiheitsstrafe auf der
gebotenen wertenden Gesamtschau des Tatgeschehens sowie des
Täters
und der für seine Persönlichkeit, sein Vorleben und
sein
Nachtatverhalten aussagekräftigen Umstände beruht
(vgl. dazu
BGH, Beschl. v. 30.7.1992 – 4 StR 270/92; BGH,
Beschl. v.
10.3.1992 – 1 StR 111/92; BGH, Beschl. v. 22.3.1995
– 2 StR
51/95; BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 4 StR 102/13). Das Tatgericht darf sich nicht damit begnügen, dass Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum Werdegang des Angeklagten nicht getroffen werden konnten, weil der Angeklagte hierzu in der Hauptverhandlung keine Angaben gemacht hat und kann insoweit vielmehr gehalten sein, auf andere Weise Näheres über seine Person in Erfahrung zu bringen, etwa durch Verlesung der Feststellungen zur Person in den Vorverurteilungen, Vernehmung nahestehender Personen oder des damaligen Bewährungshelfers (vgl. BGH, Beschl. v. 22.3.1995 - 2 StR 51/95; BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 4 StR 102/13). |
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105 |
Zu den Tatsachen, die in § 46 Abs. 2 StGB als für die Strafzumessung erheblich benannt sind, gehört das Vorleben des Täters; dies erst recht, wenn es einen kriminellen Einschlag enthält (BGH, Urt. v. 21.8.2003 - 3 StR 234/03; Bruns NStZ 1981, 81). | |
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105.1 |
Strafmildernd
zu berücksichtigen ist die bisherige
Unbestraftheit
des Angeklagten (vgl. nur BGH,
Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 421/06 - NStZ
2007, 288; BGH,
Urt. v. 2.12.2005 - 5 StR 119/05 - wistra 2006,
96). Der gewichtige
Strafmilderungsgrund gänzlicher Unbestraftheit
ist dem Angeklagten auch dann zu Gute zu bringen, wenn nach dem
Bundeszentralregistergesetz (ausschließlich) tilgungsreife
und
nicht verwertbare Vorverurteilungen im Bundeszentralregisterauszug
eingetragen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 16.3.2011 - 5 StR 585/10; siehe hierzu
ausführlich: §
51 BZRG Rdn. 5; zur
Länge der Tilgungsfrist siehe: §
46 BZRG Rdn. 25 ff.). Auch die längere straffreie Lebensführung und günstige soziale Entwicklung können zu Gunsten des Angeklagten gewertet werden (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2006 - 5 StR 442/05, vgl. auch BGH, Urt. v. 15.12.2005 - 3 StR 61/02, BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05: sozial gute Eingliederung eines zuvor unbestraften 47-Jährigen). Vergleichbar dem Umstand, dass ein Täter bislang unbestraft war, kann sich auch der Tat nachfolgendes „bloßes gesetzeskonformes Verhalten“ als Rückkehr zur Rechtstreue strafmildernd auswirken (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2010 - 1 StR 277/10). Die Strafzumessung kann auf Bedenken stoßen, wenn das Tatgericht zwar zugunsten des Angeklagten wertet, dass dieser „bisher nicht einschlägig“ vorbestraft sei, hierbei aber nicht erwähnt, dass er im Zeitpunkt der Taten überhaupt nicht vorbestraft war (vgl. BGH, Beschl. v. BGH, Beschl. v. 29.5.2013 - 5 StR 157/13). |
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105.2 |
Die
strafschärfende Bewertung als Vorstrafen kommt nicht in
Betracht, wenn die Verurteilungen zeitlich nach der abzuurteilenden Tat
erfolgten, weil diese für die
hier abgeurteilte Tat zum Zeitpunkt ihrer Begehung noch keine Warnfunktion
entfalten konnten (vgl. BGH,
Beschl.
v. 29.10.2002 - 3 StR 343/02; BGH,
Beschl. v. 30.7.2009 - 4 StR
258/09; vgl.
auch BGH, Beschl. v. 27.10.2011 - 5 StR 426/11 "nachbestraft";
BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 4 StR 479/14; BGH, Beschl. v. 14.4.2015 -
5 StR 109/15). Beispiel: Die Strafkammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafen im Urteil vom 29.1.2009 fehlerhaft zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Warnfunktion der einschlägigen Vorstrafe nicht beachtet habe. Der Strafbefehl, auf den das Landgericht hierbei abgestellt hat, wurde am 8.5.2008 erlassen und betraf den Erwerb von Kokain am 7.3.2008. Tatzeit der letzten in der Entscheidung vom 29.1.2009 beim Angeklagten abgeurteilten Tat war jedoch bereits der 23.1.2008 (vgl. BGH, Beschl. v. 30.7.2009 - 4 StR 258/09). Beispiel: Bei der Bemessung der Einzelstrafen wird fehlerhaft strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte vorbestraft gewesen sei. Die Taten wurden bis September 2004 begangen, also vor der ersten Vorverurteilung durch das Amtsgericht vom 30. Juni 2005 (vgl. BGH, Beschl. v. 20.7.2010 - 4 StR 304/10). Beispiel: Die einschlägige Vorverurteilung durch das Amtsgericht Frankfurt am Main vom 13. Februar 2013 durfte - weil der verfahrensgegenständlichen Tat vom 6. Februar 2013 zeitlich nachfolgend - nicht strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.2014 - 2 StR 127/14). Jedoch ist der Umstand, dass der Angeklagte auch noch später weitere Straftaten begangen hatte, ein berücksichtigungsfähiger Strafschärfungsgrund (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2007 - 2 StR 606/06 - NStZ 2007, 404; BGH, Beschl. v. 28.3.2007 - 5 StR 32/07). Allein die Tatsache, dass der Angeklagte nach der abzuurteilenden Tat bestraft worden ist, kann durchaus berücksichtigt werden, soweit dies zur zutreffenden Erfassung der Täterpersönlichkeit angezeigt erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.2009 - 2 StR 270/09 - NStZ-RR 2010, 40). Eine Verwertung tatsächlich getilgter oder jedenfalls tilgungsreifer Taten zum Nachteil des Angeklagten ist unzulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 2.5.2001 - 2 StR 149/01 - wistra 2001, 339; BGH, Beschl. v. 30.10.2003 - 5 StR 423/03; BGH, Beschl. v. 17.3.2005 - 3 StR 39/05; BGH, Beschl. v. 9.4.2008 - 2 StR 31/08; BGH, Beschl. v. 11.11.2009 - 1 StR 549/09; BGH, Beschl. v. 16.3.2011 - 5 StR 585/10; vgl. auch BGH, Beschl. v. 25.1.2012 - 5 StR 526/11). Dies begründet einen Verstoß gegen § 51 Abs. 1 BZRG, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Angeklagte die frühere Verurteilung ´freiwillig´ eingeräumt hat (vgl. BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 5; BGH NStZ-RR 2001, 237/238; BGH, Beschl. v. 20.8.2002 - 5 StR 259/02; BGH, Urt. v. 3.6.2008 - 1 StR 59/08 - NStZ 2009, 264; siehe hierzu ausführlich: § 51 BZRG Rdn. 5; § 63 Abs. 1 BZRG Rdn. 5 zur Länge der Tilgungsfrist siehe: § 46 BZRG Rdn. 25 ff.). Noch nicht rechtskräftige Verurteilungen dürfen nicht strafschärfend herangezogen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 15.10.2002 - 3 StR 270/02 - NStZ 2003, 145; a.A. BGH, Urt. v. 28.10.2008 - 5 StR 312/08 - NStZ-RR 2009, 44: betr. Warnfunktion). Werden zuungunsten des Angeklagten "einschlägige Vorstrafen" berücksichtigt, müssen diese im Urteil festgestellt sein (vgl. BGH, Beschl. v. 6.11.2001 - 4 StR 461/01). Die Begehung einer weiteren Straftat nach der abgeurteilten Tat kann grundsätzlich auch für die zuvor begangene Tat strafschärfend berücksichtigt werden. Dies setzt allerdings voraus, daß die weitere Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters hinsichtlich der abgeurteilten Tat auf Rechtsfeindschaft, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen läßt (vgl. StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 25; BGH, Urt. v. 12.7.2001 - 4 StR 104/01; BGH, Beschl. v. 16.9.2009 - 5 StR 348/09 - NStZ-RR 2010, 8). Beispiel (vgl. BGH, Beschl. v. 17.4.2014 - 3 StR 133/14): Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hat das Landgericht zu Lasten der Angeklagten an erster Stelle berücksichtigt, sie sei einmal, wenn auch nicht einschlägig, vorbestraft. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn festgestellt ist lediglich eine Verurteilung zu (der Höhe nach nicht mitgeteilter) Geldstrafe am 17. Oktober 2013, somit nach der verfahrensgegenständlichen, am 22. Oktober 2011 begangenen Tat. Eine nach der verfahrensgegenständlichen Tat ergangene Verurteilung darf daher nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn die dieser Verurteilung zugrunde liegende Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt (BGH, Beschl. v. 9.11.2006 - 5 StR 338/06 - NStZ 2007, 150). Die strafschärfende Berücksichtigung der Vorbelastungen (bei jungen Erwachsenen) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, wenn es sich um nach Jugendrecht geahndete Verfehlungen handelt, denen keine einschlägigen Delikte zugrundelagen (vgl. BGHSt 24, 198) und sich das Tatgericht mit dem unterschiedlichen Gewicht der Vorbelastungen bei beiden Angeklagten in ausreichender Weise auseinandergesetzt (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.2008 - 5 StR 512/07). |
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105.2.5 |
Umfasst
die
Auslieferungsbewilligung nicht diejenige -
ursprünglich
mitangeklagte - (Vor-)Tat, aus der strafschärfende
Erwägungen
hergeleitet werden, verletzt die Verwertung dieser Tat zum Nachteil des
Angeklagten bei der Strafzumessung den Grundsatz der
Spezialität nach Art. 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des
Rates
vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl
und die
Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI)
in
Verbindung mit § 83h Abs. 1 Nr. 1 IRG (vgl. BGH, Beschl. v.
28.3.2012 - 5 StR 49/12). Danach ist nicht nur die Festsetzung
selbständiger Strafen für andere
Taten als die
Auslieferungstat
ausgeschlossen, sondern auch deren Mitbestrafung im Wege der
Erhöhung der für die Auslieferungstat verwirkten
Strafe (vgl.
BGH, Beschl. v. 28.3.2012 - 5 StR 49/12; BGH, Urt. v. 19.2.1969
–
2 StR 612/68 - BGHSt 22, 318; BGH, Urt. v. 12.1.2012
– 4 StR
499/11 Rn. 19; Theune in LK, 12. Aufl., § 46 Rn. 179). siehe hierzu näher: § 206a StPO Rdn. 40.6; § 83h IRG Rdn. 15 |
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105.3 |
In
einem
Mitgliedstaat der EU ergangene Verurteilungen haben
grundsätzlich die gleichen verfahrens- und
materiellrechtlichen
Wirkungen wie deutsche Verurteilungen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2016 -
5 StR 485/16; BGH, Beschl. v. 19.10.2011 – 4 StR 425/11 -
NStZ-RR 2012,
305). Bei der Strafzumessung dürfen grundsätzlich auch ausländische Vorstrafen berücksichtigt werden, wenn die Tat nach deutschem Recht strafbar wäre (vgl. BT-Drucks. 16/13673 S. 6 f. mwN; BGH, Beschl. v. 19.10.2011 - 4 StR 425/11 - NStZ-RR 2012, 305), selbst wenn sie nicht in das Bundeszentralregister eingetragen worden sind (BGH, Beschl. v. 1.8.2007 - 5 StR 282/07; BayObLG MDR 1979, 72; Gribbohm in LK, 11. Aufl. § 46 Rdn. 164; zur geplanten Neuregelung der Eintragung ausländischer Verurteilungen: vgl. BT-Drucks. 17/5224 [dort v.a. § 53a BZRG]); denn sie sind Teil des Vorlebens des Täters (vgl. § 46 Abs. 2 StGB, BGH, Beschl. v. 1.8.2007 - 5 StR 282/07). Sind sie zur Bewertung des Vorlebens des Täters im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB relevant, müssen in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ergangene Verurteilungen grundsätzlich sogar „mit gleichwertigen tatsächlichen bzw. verfahrens- und materiellrechtlichen Wirkungen versehen werden … wie denjenigen, die das innerstaatliche Recht den im Inland ergangenen Verurteilungen zuerkennt“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Nr. 5 der Erwägungsgründe des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI des Rates der Europäischen Union vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren; BGH, Beschl. v. 19.10.2011 - 4 StR 425/11 - NStZ-RR 2012, 305). Die Verwertbarkeit einer ausländischen Verurteilung in einem in Deutschland geführten Strafverfahren zum Nachteil des Beschuldigten setzt grundsätzlich ebenfalls voraus, dass diese – würde es sich um eine Verurteilung nach deutschem Recht handeln – nicht tilgungsreif wäre (BGH, Beschl. v. 19.10.2011 - 4 StR 425/11 - NStZ-RR 2012, 305; BGH, Beschl. v. 19.1.2015 - 3 StR 588/14). siehe hierzu näher: § 51 BZRG Rdn. 8 - Ausländische Verurteilungen Die Feststellungen dürfen indes nicht lückenhaft sein und müssen eine Prüfung der rechtsfehlerfreien Verwertung der Vorstrafen ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.1999 - 5 StR 705/98; BGH, Beschl. v. 1.8.2007 - 5 StR 282/07; BGH, Beschl. v. 19.10.2011 - 4 StR 425/11; BayObLG MDR 1979, 72; OLG Köln NStZ 2003, 421; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 38). Liegen diese aber sehr lange zurück und betreffen zu einem erheblichen Teil Taten, bei denen nach deutschem Recht Jugendstrafrecht anzuwenden gewesen wäre, bedarf es für die strafschärfende Bewertung einer besonderen Begründung (vgl. BGH wistra 1988, 64; StV 1992, 225; BGH, Beschl. v. 1.8.2007 - 5 StR 282/07; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 38a). Leitsatz Eine ausländische Vorverurteilung, die an innerstaatlichen Maßstäben gemessen gesamtstrafenfähig wäre, ist im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung mit Blick auf das Gesamtstrafübel zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 27.1.2010 - 5 StR 432/09 - Ls. - StV 2010, 238). siehe hierzu näher: § 55 StGB, Nachträgliche Gesamtstrafenbildung --> Rdn. 60.4 |
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105.4 |
Begeht
der Angeklagte während
laufender
Bewährungszeit erneut
eine Straftat, ist dies zu seinen Ungunsten zu werten (vgl. etwa BGH,
Beschl. v. 26.1.2006 - 1 StR 407/05 (auch bei zur
Bewährung
ausgesetzter Reststrafe, wenn die diesbezügliche -
einschlägige - Vorverurteilung als solche bereits
strafschärfend herangezogen wurde: vgl. BGH,
Urt. v. 8.4.2004
- 3
StR 105/04; die Umstände zur Bewährungszeit
(§ 56 f
StGB) müssen im Urteil mitgeteilt werden: vgl. BGH,
Beschl. v.
8.1.2002 - 4 StR 549/01). Hat der Angeklagte die Taten begangen, bevor er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, ist es rechtsfehlerhaft gewertet, den Angeklagten als Bewährungsversager anzusehen und diesen Umstand strafschärfend zu würdigen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.7.2000 - 5 StR 230/00; BGH, Beschl. v. 25.7.2002 - 4 StR 242/02; BGH, Beschl. v. 24.3.2009 - 3 StR 598/08 - NStZ-RR 2009, 206; BGH, Beschl. v. 25.1.2011 - 4 StR 686/10; BGH, Beschl. v. 6.6.2012 - 4 StR 123/12; BGH, Beschl. v. 8.12.2016 - 1 StR 389/16 Rn. 6). War die Bewährungszeit nach der Vorverurteilung bei Tatbegehung abgelaufen, liegt insoweit kein strafschärfend zu bewertendes Bewährungsversagen vor (vgl. BGH, Beschl. v. 6.9.2001 - 5 StR 276/01; BGH, Beschl. v. 5.9.2008 - 5 StR 332/08; BGH, Beschl. v. 21.1.2016 - 4 StR 507/15). In diesem Fall besteht eine „laufende Bewährung“ zu den Tatzeitpunkten nicht mehr, auch wenn ein Beschluss über den Erlass der Strafe noch ausstand (vgl. BGH, Beschl. v. 3.9.1991 – 4 StR 346/91 - StV 1991, 557; BGH, Urt. v. 28.9.2011 - 2 StR 93/11 Rn. 24; BGH, Beschl. v. 21.1.2016 - 4 StR 507/15; BGH, Beschl. v. 6.9.2016 - 3 StR 283/16 Rn. 3; BGH, Beschl. v. 18.10.2016 - 3 StR 329/16 Rn. 10; BGH, Urt. v. 26.4.2017 - 2 StR 47/17 Rn. 16). Gleiches gilt, wenn die Strafaussetzung zur Bewährung bereits widerrufen und die (ggfls. Rest-) Freiheitsstrafe verbüßt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 2.2.2000 - 2 StR 4/00). Beispiel: Dafür, dass der Angeklagte bei Begehung der in den Jahren 2008 bis 2009 verübten Taten aufgrund einer Verurteilung durch das Amtsgericht vom 1. März 2004 unter laufender Bewährung gestanden habe, findet sich in den Feststellungen keine Stütze, wenn insoweit lediglich mitgeteilt ist, dass die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit am 10. August 2010 erlassen wurde. Damit kann vom Revisionsgericht nicht beurteilt werden, ob die Taten, wie vom Tatgericht angenommen, während der Bewährungszeit begangen wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 12.10.2016 - 4 StR 282/16). Wird bei der Strafzumessung strafschärfend gewertet, der Angeklagte habe sich während der Tat noch in Strafhaft befunden und die Gelegenheit, die ihm der offene Vollzug geboten habe, zur erneuten Begehung einer Straftat genutzt, ist dies rechtsfehlerhaft, wenn er nach den Feststellungen bereits zuvor unter Aussetzung der verbliebenen Reststrafen zur Bewährung aus der Justizvollzugsanstalt entlassen worden war (vgl. BGH, Beschl. v. 29.9.2009 - 3 StR 357/09). |
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105.5 |
Ein
früheres Strafverfahren kann eine bei
der
Strafzumessung berücksichtigungstaugliche
Warnfunktion
selbst dann entfalten, wenn es mit einer Einstellung nach §
170
Abs. 2, §§ 153 ff. oder § 260 Abs. 3 StPO
oder gar mit
einem Freispruch
geendet hat; auch die Zustellung einer Anklage
wegen eines vergleichbaren Vorwurfs kann in diesem
Sinne
beachtlich sein (zu alledem Schäfer,
Praxis der
Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 367 bis 369
m.N. der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Dies findet seinen Grund darin,
daß die zunächst erfolgte gesetzliche
Tätigkeit der
Strafverfolgungsorgane jedenfalls einen - jeweils
näher bestimmten - Verdachtsgrad
voraussetzt. Auch ist
es grundsätzlich möglich, der Bezichtigung
durch eine
Privatperson eine Warnfunktion der genannten Art beizumessen
-
nämlich dann, wenn die Richtigkeit der Bezichtigung
festgestellt
ist. Es ist jedoch ausgeschlossen, privaten Bezichtigungen ohne
Rücksicht auf deren Wahrheitsgehalt, also
möglicherweise
unwahren Verdächtigungen, eine strafschärfend
wirkende
Warnfunktion zuzusprechen (vgl. BGH,
Beschl. v. 11.11.2004 - 5 StR
472/04). Ein nach der Tat ergangenes Urteil kann bei der Tat keine Warnfunktion entfalten. Insofern kann nicht strafschärfend berücksichtigt werden, dass der Angeklagte bewährungsbrüchig sei und die Warnfunktion des späteren Urteils nicht beachtet habe (vgl. BGH, Beschl. v. 26.2.2003 - 1 StR 7/03; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.8.2002 - 5 StR 206/02). Rechtsfehlerhaft ist daher, erschwerend zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Taten unter laufender Bewährung begangen hat, wenn alle abgeurteilten Taten schon vor der Verhängung der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe begangen worden waren (vgl. BGH, Beschl. v. 30.7.2008 - 2 StR 316/08). Als "Bewährungsversagen" kommt nur ein Verhalten innerhalb der Bewährungszeit entsprechend der Regelung des § 56 f StGB in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 8.1.2002 - 4 StR 549/01). Werden bei der Strafzumessung Verurteilungen strafschärfend berücksichtigt, die sich auf erst nach der verfahrensgegenständlichen Tat begangene Delikte bezogen, ist dies zulässig, wenn die neuen Straftaten nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lassen (vgl. BGH wistra 2002, 21; BGH NStZ 1998, 404; BGH, Beschl. v. 16.9.2009 - 5 StR 348/09 - NStZ-RR 2010, 8). Gleiches gilt, wenn übersehen wird, dass es sich bei der als Vorstrafe zu Lasten des Angeklagten gewichteten Strafe um die gesamtstrafenfähige und deshalb einbezogene Strafe handelt, die, weil die Tatzeit vor jener Verurteilung liegt, eben keine eine Warnfunktion auslösende Vorstrafe darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 8.1.2002 - 4 StR 566/01). Das Verwertungsverbot gilt nicht für die Warnung, die der Täter durch ein Verfahren erhalten hat, das mit einer Einstellung endete. Dass sich der Angeklagte das Ermittlungs- und Strafverfahren wegen eines einschlägigen Tatvorwurfs hinsichtlich der Tat nicht zur Warnung dienen ließ, darf das Tatgericht daher berücksichtigen, auch wenn jenes Verfahren mit einem Freispruch endete (vgl. BGHSt 25, 64; BGH, Urt. v. 6.6.2002 - 1 StR 14/02; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 367). Die tatrichterliche Erwägung, der Angeklagte habe sich „das in hiesiger Sache laufende Ermittlungsverfahren“ nicht „zur Warnung dienen lassen, sondern am ... erneut eine Körperverletzung begangen“, hat der 2. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 11.11.2015 - 2 StR 272/15 unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe dahingehend verstanden, dass der Tatrichter dem Umstand, dass der Angeklagte trotz des gegen ihn anhängigen Ermittlungsverfahrens in vorliegender Sache eine neuerliche und einschlägige Straftat begangen hat, Indizwirkung für seine fehlende Rechtstreue beigemessen hat. Dies dient der zutreffenden Erfassung der Täterpersönlichkeit und ist daher – ungeachtet des missverständlichen Hinweises auf die „Warnwirkung“ des anhängigen Verfahrens, die allein in dem wegen der späteren Tat geführten Strafverfahren zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden kann – rechtlich unbedenklich (vgl. BGH, Beschl. v. 5.2.1998 – 4 StR 16/98 - NStZ 1998, 404; BGH, Urt. v. 30.9.2009 – 2 StR 270/09 - NStZ-RR 2010, 40; Fischer StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 38). Zur strafschärfenden Berücksichtigung des Motivs der verbleibenden vollendeten Tat bei strafbefreiendem Rücktritt von einem sog. qualifizierten Versuch (BGH, Beschl. v. 25.7.2002 - 3 StR 41/02 - Ls.). siehe auch: Rücktritt, § 24 StGB ---> Rücktrittsprivileg |
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105.6 |
Unzulässig ist es, dem Angeklagten Straftaten im noch nicht strafmündigen Alter anzulasten. Da Kinder bei der rechtswidrigen Deliktsverwirklichung ohne Schuld handeln (§ 19 StGB), liegen keine Straftaten vor (BGH, Beschl. v. 7.7.2009 - 5 StR 204/09 - NStZ-RR 2009, 308). Wird zudem lediglich auf seinerzeit eingeleitete Ermittlungsverfahren verwiesen, ist dies wiederum fehlerhaft, weil hierin noch kein Tatnachweis liegt (vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.2009 - 5 StR 204/09 - NStZ-RR 2009, 308). | |
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105.7 |
Ist der Angeklagte vor der Hauptverhandlung 24 Jahre alt geworden, dürfen die im Erziehungsregister eingetragenen Belastungen nur dann gegen ihn verwertet werden, wenn daneben auch Eintragungen im Zentralregister vorhanden sind (§ 63 Abs. 2 BZRG). Eine auf Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen aus einer früheren Entscheidung ist nach § 4 Nr. 1 BZRG nicht in das Zentralregister einzutragen. Jugendarrest ist auch kein Strafarrest i.S.d. § 63 Abs. 2 BZRG (vgl. § 9 WStG). Die in dem früheren Auszug aus dem Erziehungsregister enthaltenen Eintragungen dürfen in diesem Fall nach der Vollendung des 24. Lebensjahres nicht mehr zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden (vgl. BGH Beschl. v. 6.7.1995 - 1 StR 312/95; BGH, Beschl. v. 1.7.2004 - 3 StR 179/04; Brunner/Dölling JGG 10. Auflage vor § 97 Rdnr. 6, 10). | |
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105.8 |
Eine
strafschärfende
Berücksichtigung nach
§§ 153a
Abs. 2; 154, 154a StPO eingestellter Verfahrensteile kommt
nach einem
entsprechenden Hinweis (BGH,
Beschl. v. 12.9.2000 - 4 StR 305/00 - StV
2000, 656; BGH,
Beschl. v. 22.12.2000 - 3 StR 323/00; BGH,
Beschl. v.
14.1.2009 - 1 StR 470/08 - StV 2009, 239) nur dann in
Betracht - und
mit geringerem Gewicht (vgl. BGH,
Beschl. v. 26.10.2006 - 3 StR 288/06)
- , wenn diese Taten bzw. die in den ausgeschiedenen Verfahrensteilen
enthaltenen Tatvorwürfe in der Hauptverhandlung
prozessordnungsmäßig festgestellt und in den
Urteilsgründen dargelegt sind (BGH NStZ 1983, 20, 21; BGH StV
1995, 520 f.; BGH,
Urt. v. 28.6.2000 - 3 StR 156/00 - NStZ-RR 2001, 15; BGH,
Beschl. v. 2.8.2000 - 5 StR 143/00 - NStZ 2000, 594; BGH,
Beschl.
v. 20.12.2005 - 3 StR 407/05; BGH,
Beschl. v. 27.8.2002 - 3 StR 218/02; BGH,
Beschl. v. 26.10.2006 - 3 StR 288/06; BGH,
Beschl. v. 14.1.2009 -
1 StR 470/08 - StV 2009, 239; BGH,
Urt. v. 30.4.2009 - 1 StR 342/08 -
BGHSt 53, 311 - wistra 2009, 359; BGH,
Beschl. v. 18.8.2009 - 5 StR
278/09; vgl. auch BGH,
Beschl. v. 26.11.2009 - 5 StR 427/09;
BGH, Urt. v. 8.12.2011
- 4 StR 428/11; BGH, Beschl. v. 17.7.2012 - 4 StR 223/12; BGH, Beschl.
v. 12.9.2012 - 5 StR 425/12; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 5 StR 403/12;
BGH, Urt. v. 2.12.2015 - 2 StR 258/15; Fischer
StGB 59. Aufl. § 46 Rdn. 41; Schoreit in KK, StPO, 6. Aufl.,
§ 154 Rn. 48). Das Abstellen auf einen bloßen
Verdacht der
Begehung weiterer Straftaten ist unzulässig (BGH, Beschl. v.
12.5.1995 – 3 StR 179/95 - NStZ 1995, 439; BGH, Beschl. v.
9.4.1991 – 4 StR 138/91 - BGHR StGB § 46 Abs. 2
Vorleben 14;
BGH, Beschl. v. 12.9.2012 - 5 StR 425/12). Dem wird etwa nicht Rechnung getragen, wenn das angefochtene Urteil von der Teileinstellung erfasste Tatvorwürfe strafschärfend berücksichtigt, ohne die den Taten zugrunde liegenden Tatsachen im Urteil auch nur ansatzweise darzustellen. Dies ermöglicht dem Revisionsgericht nicht, die strafschärfende Berücksichtigung dieser Taten auf mögliche Rechtsfehler hin zu überprüfen (BGH StV 1995, 520 f.). Darin liegt ein auf die Sachrüge hin zu berücksichtigender Rechtsfehler, auf dem das Urteil beruhen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 14.1.2009 - 1 StR 470/08 - StV 2009, 239). Der Hinweis ist nur ausnahmsweise entbehrlich (vgl. dazu BGH NStZ 1987, 134 mit Anm. Rieß). Auch bei einem geständigen Angeklagten ist der zu erteilende Hinweis erforderlich, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, durch Anträge auch zum Schuldgehalt der von der Einstellung betroffenen Taten auf die Strafhöhe Einfluß zu nehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2000 - 4 StR 305/00 - StV 2000, 656). siehe auch: Unwesentliche Nebenstrafen, § 154 StPO Sollen gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedene Taten sowohl bei der Beweiswürdigung als auch bei der Strafzumessung verwertet werden, so muß der Angeklagte hierauf hingewiesen werden (BGH, Urt. v. 16.3.1983 - 2 StR 826/82 - StV 1983, 184 BGH, Urt. v. 7.9.1983 - 2 StR 278/83 - NStZ 1984, 20). Die Einstellung entfaltet keine Sperrwirkung des Inhalts, daß solche Vortaten nicht mehr indiziell für die Strafzumessung verwertet werden könnten, denn die Vortaten werden durch diese Verwertung nicht zum Gegenstand des Prozesses (§ 264 StPO) gemacht und deshalb umfangmäßig nicht durch das Anklageprinzip beschränkt (BGH, Urt. v. 21.8.2003 - 3 StR 234/03; Bruns NStZ 1981, 81, 86; ders. StV 1983, 15). Solange es nur um die indizielle Verwertung von Vortaten für die Strafzumessung und nicht um einen eigenständigen Schuld- und Strafausspruch für diese Vortaten geht, ist die Wiederaufnahme des vorläufig eingestellten Strafverfahrens nach § 154 Abs. 4 StPO (und ggf. die Erhebung einer Nachtragsanklage nach § 266 StPO) nicht erforderlich (vgl. BGH NStZ 1985, 324 für die Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO; BGH, Urt. v. 21.8.2003 - 3 StR 234/03). Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und dabei namentlich auch sein Vorleben zu berücksichtigen. Insoweit ist er bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch den Anklagegrundsatz (§§ 155, 264 StPO) nicht beschränkt und kann daher auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen, die nicht Gegenstand der Anklage bzw. nach § 154 StPO eingestellt worden sind, soweit diese für die Persönlichkeit eines Angeklagten bedeutsam sein können und Rückschlüsse auf dessen Tatschuld gestatten. Allerdings müssen solche Taten - wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand - prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen (BGH, Urt. v. 5.6.2014 – 2 StR 381/13 - BGHSt 59, 252 ff.; BGH, Beschl. v. 18.3.2015 - 2 StR 54/15; BGH, Beschl. v. 22.7.2015 - 2 StR 214/15; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 40 f., jeweils mwN). Bleibt offen, ob, welche und wie viele Straftaten der Angeklagte über die abgeurteilten Taten hinaus noch begangen haben soll, lässt dies eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2014 – 2 StR 381/13 - BGHSt 59, 252 ff.: "nur die Spitze des Eisbergs"; BGH, Beschl. v. 22.7.2015 - 2 StR 214/15). Strafmildernd kann etwa gewertet werden, dass „die vorliegende Tat“ bereits im Rahmen der Strafzumessung der Verurteilung vom ... zu Lasten des Angeklagten „deutlich strafschärfend“ Berücksichtigung gefunden hatte. Ungeachtet dessen, dass in der früheren Verurteilung nicht der Schuldgehalt der späteren (hiesigen) Tat, sondern allein die in dieser Tat zum Ausdruck kommende rechtsfeindliche Gesinnung strafschärfend hätte berücksichtigt werden dürfen, hat der Angeklagte durch die erfolgte strafschärfende Berücksichtigung der hiesigen Tat jedenfalls Nachteile erlitten, die in dieser allgemeinen Form zu seinen Gunsten hier eingestellt werden durften (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2015 - 2 StR 258/15). |
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105.9 |
Auch
Taten, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis entgegensteht,
können strafschärfend berücksichtigt werden
(BGH, Urt.
v. 6.3.1992 - 2 StR 581/91 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben
19;
BGH, Beschl. v. 23.8.2016 - 2 StR 124/16 Rn. 5 betr. fehlender Strafantrag bei
tateinheitlich begangener Sachbeschädigung;
Fischer StGB,
63. Aufl. § 46 Rn. 38d). Gesetzesverletzungen, die lediglich wegen des Fehlens einer Prozessvoraussetzung nicht verfolgt werden können, dürfen bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden (BGH, Beschl. v. 10.2.1993 - 2 StR 608/92; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 12 und Vorleben 11; BGH, Urt. v. 17.9.2009 - 5 StR 521/08 - BGHSt 54, 148 - NStZ 2009, 694). Fehlender Strafantrag: Eine wegen Fehlens eines rechtzeitig gestellten Strafantrages nicht verfolgbare (tateinheitliche) Tatbestandserfüllung kann, wenn auch mit geringerem Gewicht, berücksichtigt werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 9, 12; BGH, Urt. v. 22.2.2001 - 4 StR 421/00 - NStZ 2001, 485). Eine wegen Fehlens eines rechtzeitig gestellten Strafantrages nicht verfolgbare Tatbestandserfüllung kann, wenn auch mit geringerem Gewicht, im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 2 StR 448/15; BGH, Urt. v. 22.2.2001 - 4 StR 421/00 - NJW 2001, 1874, 1876; BGH, Beschl. v. 19.11.1992 - 2 StR 538/92 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 9); dies insbesondere dann, wenn sich die wegen Fehlens eines wirksamen Strafantrags nicht verfolgbare Tatbestandserfüllung als straferschwerende Modalität des zu ahndenden Delikts darstellt (BGH, Beschl. v. 29.6.1994 - 2 StR 253/94 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 12; BGH, Beschl. v. 11.11.1994 - 2 StR 539/94; BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 2 StR 448/15). |
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105.10 |
Verjährte
Taten können - wenn auch mit geringerem
Gewicht -
straferschwerend gewertet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 14.3.2000 - 1
StR 65/00; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20 u. 24; BGH,
Beschl.
v. 17.5.2000 - 2 StR 640/99; BGH,
Beschl. v. 14.9.2000 - 4 StR 294/00; BGH,
Beschl. v. 12.10.2000 - 5 StR 397/00; BGH,
Beschl. v. 23.11.2000 -
3 StR 472/00; BGH,
Beschl. v. 24.11.2000 - 3 StR 481/00; BGH,
Beschl.
v. 8.12.2000 - 3 StR 442/00; BGH,
Beschl. v. 10.10.2001 - 2 StR 405/01; BGH,
Beschl. v. 9.4.2002 - 5 StR 57/02; BGH,
Beschl. v. 11.6.2002 - 1
StR 178/02; BGH,
Beschl. v. 6.8.2003 - 2 StR 235/03; BGH,
Beschl. v.
16.10.2003 - 4 StR 414/03; BGH,
Beschl. v. 26.7.2005 - 5 StR 256/05; BGH,
Beschl. v. 23.11.2005 - 1 StR 474/05; BGH,
Beschl. v. 27.6.2006 -
1 StR 224/06; BGH,
Beschl. v. 8.5.2007 - 1 StR 144/07; BGH,
Beschl. v.
20.11.2007 - 1 StR 442/07; BGH,
Beschl. v. 17.6.2008 - 3 StR 217/08; BGH,
Beschl. v. 22.10.2008 - 1 StR 503/08 - NStZ-RR 2009, 43; BGH,
Beschl. v. 13.1.2009 - 3 StR 543/08; BGH,
Urt. v. 12.5.2009 - 1 StR
718/08 - NJW 2009, 2546; BGH,
Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR 244/09 -
NStZ 2010, 277; BGH, Beschl. v. 15.10.2015 - 3 StR 350/15; Fischer,
StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 38 b). Auch die Verwirklichung teilverjährter idealkonkurrierender Delikte darf strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 6.4.2001 - 2 StR 75/01; BGH, Beschl. v. 25.3.2003 - 3 StR 41/03; BGH, Beschl. v. 6.8.2003 - 2 StR 235/03; BGH, Beschl. v. 26.7.2005 - 3 StR 241/05; BGH, Beschl. v. 20.9.2005 - 4 StR 396/05; BGH, Beschl. v. 23.11.2005 - 1 StR 474/05; BGH, Beschl. v. 8.3.2006 - 1 StR 67/06; BGH, Beschl. v. 7.9.2006 - 5 StR 364/06; BGH, Beschl. v. 11.9.2007 - 3 StR 330/07; BGH, Beschl. v. 15.9.2010 - 2 StR 281/10). Das durch die Verjährung belegte, durch Zeitablauf geschwundene Strafbedürfnis ist bei der Strafzumessung ganz maßgeblich zu beachten ist (vgl. BGH NJW 1985, 1719, 1720; BGH, Urt. v. 23.10.2007 - 5 StR 270/07; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 372). Hat das Tatgericht - ohne die Verjährungssituation zu erkennen - bei der Zumessung der Strafen ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, daß der Angeklagte auch die zahlreichen verjährten (weiteren) Straftatbestände verwirklicht hat, kann regelmäßig nicht sicher auszuschließen sein, dass dieser Gesichtspunkt die Straffindung mit beeinflußt hat, selbst wenn berücksichtigt wird, daß verjährte Taten, wenn auch mit geringerem Gewicht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20 und 24 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 22.5.2001 - 3 StR 155/01: betr. 20 Fälle; vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.10.2001 - 2 StR 405/01), straferschwerend gewertet werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2002 - 3 StR 55/02; BGH, Beschl. v. 6.8.2003 - 2 StR 235/03; BGH, Beschl. v. 2.3.2016 - 1 StR 619/15 Rn. 4). Hat das Tatgericht die gleichzeitige Verwirklichung des verjährten Straftatbestands ausdrücklich nicht straferschwerend berücksichtigt, wird eine Auswirkung auf den Strafausspruch auszuschließen sein (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 17.6.2009 - 1 StR 263/09). Eine strafschärfende Verwertung (bislang) nicht abgeurteilter weiterer Straftaten setzt stets voraus, dass diese prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass ihr wesentlicher Unwertgehalt abgeschätzt und eine unzulässige strafschärfende Berücksichtigung eines bloßen Verdachts ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 3.7.1996 - 2 StR 260/96 - NStZ-RR 1997, 130; BGH, Beschl. v. 15.10.2015 - 3 StR 350/15). Es ist zwar zulässig, festgestelltes strafbares, wenngleich verjährtes Tatverhalten strafschärfend zu berücksichtigen. Indes kann das jedenfalls nicht zur gleichen Gewichtung jenes Verhaltens führen wie die Anlastung den Schuldspruch tragender Tatschuld (vgl. nur BGH, Beschl. v. 8.10.2013 - 4 StR 379/13; BGH, Beschl. v. 8.9.1993 – 5 StR 507/93 mwN; BGH, Beschl. v. 11.9.2007 – 3 StR 330/07; BGH, Beschl. v. 9.1.2008 – 2 StR 498/07 - NStZ-RR 2008, 142, 143; BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – 4 StR 317/08). siehe hierzu auch: Verjährungsfrist, § 78 StGB Rdn. 30 (Folgen bei verjährungsbedingtem Wegfall) |
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105.11 |
Die
überflüssige Wiedergabe dem Angeklagten in weiteren
anhängigen Verfahren vorgeworfener Sachverhalte kann unter
Umständen Anlass zu der Befürchtung geben, das
Tatgericht
habe den insoweit gegen den Angeklagten bestehenden Verdacht im Rahmen
der Strafzumessung des gegenständlichen Verfahrens zu seinen
Lasten berücksichtigt (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2012 - 5 StR
425/12). Bei der Bewertung sonstiger strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ohne gesonderte Anklage – bei Beachtung der Unschuldsvermutung und der Vermeidung einer Doppelbestrafung – kann es in aller Regel nur darum gehen, Umstände festzustellen, die wegen ihrer engen Beziehung zur Tat als Anzeichen für Schuld oder Gefährlichkeit des Täters verwertbar sind. Diese durch Sinn und Zweck von § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn es an dem notwendigen inneren Zusammenhang mit dem angeklagten Tatvorwurf fehlt (BGH, Beschl. v. 19.5.2015 - 1 StR 152/15; BGH, Beschl. v. 19.11.2013 – 4 StR 448/13 - NStZ 2014, 202 mwN). Eine strafschärfende Berücksichtigung nicht angeklagter Taten darf nur dann erfolgen, wenn sie prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur tatgerichtlichen Überzeugung feststehen (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.2015 - 5 StR 440/15; BGH, Beschl. v. 22.7.2015 – 2 StR 214/15 mwN). Zwar ist es grundsätzlich zulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte noch sonstige - bisher nicht abgeurteilte - Straftaten begangen hat; dies gilt allerdings nur, wenn diese Taten prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind und eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 12.5.1995 - 3 StR 179/95 - BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2; BGH, Beschl. v. 9.10.2003 - 4 StR 359/03 - bei Pfister NStZ-RR 2004, 353, 359 Nr. 37; BGH, Beschl. v. 2.7.2009 - 3 StR 251/09 - NStZ-RR 2009, 306; BGH, Beschl. v. 7.8.2014 - 3 StR 438/13). Die pauschale Feststellung möglicher weiterer, nicht angeklagter Taten darf das Tatgericht deshalb bei der Strafzumessung nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.8.2014 - 3 StR 438/13). |
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105.15 |
Leitsatz
- StGB § 46 Abs. 2 Die durch § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze zulässiger strafschärfender Berücksichtigung nicht angeklagter, aber prozessordnungsgemäß festgestellter Taten ist jedenfalls dann überschritten, wenn diese mangels enger Beziehung zur angeklagten Tat keine Rückschlüsse auf Schuld oder Gefährlichkeit des Täters zulassen, sondern als sonstiges strafrechtlich relevantes Verhalten ohne gesonderte Anklage und damit außerhalb der Anforderungen eines geordneten Strafverfahrens einer gesonderten Bewertung zugeführt werden sollen. BGH, Beschluss vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13 Es ist in der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass der Tatrichter bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen durch den Anklagegrundsatz (§§ 155, 264 StPO) nicht beschränkt ist und daher auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen kann, die nicht Gegenstand der Anklage sind, soweit diese für die Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten bedeutsam sein können und Rückschlüsse auf die Tatschuld des Angeklagten gestatten, sofern sie prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden (BGH, Urt. v. 7.5.1974 – 1 StR 42/75 - MDR 1975, 195 f.; BGH, Urt. v. 6.3.1992 – 2 StR 581/91 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 19; BGH, Beschl. v. 22.5.2013 – 2 StR 68/13; BGH, Beschl. v. 2.7.2009 – 3 StR 251/09 - NStZ-RR 2009, 306; BGH, Beschl. v. 5.2.1998 – 4 StR 16/98 - NStZ 1998, 404; BGH, Beschl. v. 9.10.2003 – 4 StR 359/03 - NStZ-RR 2004, 359 mwN; BGH, Beschl. v. 19.11.2013 - 4 StR 448/13). Allerdings bedarf es für die gesonderte Bewertung sonstiger strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ohne gesonderte Anklage und damit außerhalb der Anforderungen eines geordneten Strafverfahrens nicht nur der Beachtung des Gewährleistungsgehalts der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 5.4.2010 – 2 BvR 366/10 - BVerfGK 17, 223, 225 mwN) und – mangels Verbrauchs der Strafklage – der Vermeidung einer Doppelbestrafung (BGH, Urt. v. 7.5.1974 – 1 StR 42/74 - MDR 1975, 195 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.12.1975 – 1 StR 755/75 - NStZ 1981, 99, 100; BGH, Urt. v. 17.4.1996 – 2 StR 57/96; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 26; BGH, Beschl. v. 5.2.1998 – 4 StR 16/98 - NStZ 1998, 404 bezüglich späterer Straftaten; BGH, Beschl. v. 25.4.2006 – 4 StR 125/06 - NStZ 2006, 620; BGH, Beschl. v. 19.11.2013 - 4 StR 448/13). Ein sachlich-rechtlicher Gesichtspunkt kommt hinzu: Es kann in aller Regel nur darum gehen, Umstände festzustellen, die wegen ihrer engen Beziehung zur Tat als Anzeichen für Schuld oder Gefährlichkeit des Täters verwertbar sind. Diese durch Sinn und Zweck von § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn es an dem notwendigen inneren Zusammenhang mit dem angeklagten Tatvorwurf fehlt (BGH, Urt. v. 7.5.1974 – 1 StR 42/74 - MDR 1975, 195 f.; BGH, Beschl. v. 19.11.2013 - 4 StR 448/13). |
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110 |
Die
Art der Lebensführung darf dem Angeklagten
strafschärfend
nur dann angelastet werden, soweit sie mit der Tat selbst in einem
Zusammenhang steht, der Rückschlüsse auf eine
höhere
Tatschuld zulässt (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2000 – 2
StR 96/00
- NStZ 2001, 87, 88; BGH, Beschl. v. 20.9.1996 – 2 StR 209/96
-
BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 27; BGH, Beschl. v. 23.8.1989
– 3 StR 264/89 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 9;
BGH,
Beschl. v. 22.7.1988 – 2 StR 361/88 - BGHR StGB § 46
Abs. 2
Vorleben 8; BGH, Beschl. v. 13.11.1987 – 2 StR 558/87 - BGHR
StGB
§ 46 Abs. 2 Vorleben 7 BGHR StGB § 46 Abs. 2
Vorleben 3;
BGH, Beschl. v. 13.8.2013 - 4 StR 288/13; vgl. auch BGH StV 2001, 228; BGH,
Beschl. v. 3.11.2004 - 2 StR 295/04).
Nach der Rechtsprechung dürfen Umstände
der
allgemeinen
Lebensführung bei der Strafzumessung nur
berücksichtigt
werden, wenn sie wegen ihrer engen Beziehung zur Tat Schlüsse
auf
den Unrechtsgehalt zulassen oder Einblicke in die innere Einstellung
des Täters zur Tat gewähren (BGHR StGB § 46
Abs. 2
Vorleben 3, 8, 9, 10, 12, 23; BGH StV 1984, 21; BGH,
Beschl. v.
1.3.2001 - 4 StR 36/01 - NStZ-RR 2001, 295; BGH,
Beschl. v. 17.9.2009 -
5 StR 325/09 - NStZ-RR 2010, 25 betr. eigennütziges
Wesen als
Triebfeder aller Delikte; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn.
42). Dies kann zumindest dann zweifelhaft sein, wenn der Angeklagte auf Grund seiner Drogenabhängigkeit von einem derart starken Drang zur Aufnahme von Betäubungsmitteln beherrscht war, dass seine Fähigkeit, diesem Drang zu widerstehen, eingeschränkt war (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 33 und 38; BGH, Beschl. v. 19.4.2006 - 4 StR 106/06). Beispiel: Der Tatrichter wirft dem Angeklagten bei der Strafzumessung und der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung seinen Charakter und seine Lebensführung mit einer Vielzahl von drastischen und moralisierenden Wendungen wie beispielsweise "Hai im Haifischbecken", "Lebensphilosophie, sich zu schnappen, was zu schnappen ist", "in seiner Lebensführung über keine moralischen Maßstäbe verfügt", "bei dem ihn leitenden Bestreben nach seinem rücksichtslosen Vorteil ist Übles zu erwarten" vor. Diese Wendungen begründen in ihrer Gesamtheit die Besorgnis, daß der Tatrichter eine gefühlsmäßige, auf unklaren Erwägungen beruhende Strafzumessung vorgenommen hat (vgl. BGH StraFo 2003, 215; NStZ 2002, 646; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 2), und daß er dabei von einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Angeklagten beeinflußt worden sein könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 15.10.2003 - 2 StR 332/03). Leerformeln wie die Bewertung der „Beweggründe und Ziele“ des Angeklagten als „ausschließlich ichbezogen“ sowie moralisierende Beschreibungen seines Verhaltens als „sehr schäbig“, sind regelmäßig nicht geeignet sind, den Strafausspruch zu tragen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.5.2008 - 2 StR 162/08 - NStZ 2009, 43). Strafzumessungserwägungen, die straferhöhend berücksichtigt werden, sind rechtsfehlerhaft, wenn sie - moralisierende und eher auf eine "Lebensführungsschuld" abstellende Erwägungen darstellen (BGH, Beschl. v. 23.6.2006 - 2 StR 135/06; vgl. dazu auch BGH NStZ-RR 2005, 70; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 46 Rdn. 37 a, 42 m.w.N.). Beispiel: "Der Angeklagte hat keine Anstrengungen unternommen, um seinen Lebenswandel zu ändern"; er zeige eine "ignorante Grundhaltung gegenüber der Rechtsordnung"; er habe "sein persönliches Schicksal ignoriert";"weder die Existenz seiner Verlobten noch seines Kindes" haben den Angeklagten an der Begehung der Taten gehindert (vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2006 - 2 StR 135/06). Moralisierende, abwertende, persönlich gefärbte Ausführungen zur Persönlichkeit des Angeklagten und sonstige sachferne Erwägungen im Urteil haben daher zu unterbleiben. Sie können den Bestand des Urteils gefährden, weil sie die Annahme nahe legen können, der Tatrichter habe sich bei der Bemessung der Strafen auch von solchen sachfernen Gründen leiten lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.2001 - 2 StR 417/01; BGH, Beschl. v. 12.7.2007 - 4 StR 275/07; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 106 a m.w.N.). So ist etwa zu besorgen, dass die moralisierende, einer Tatsachengrundlage entbehrende Wertung des Tatgerichts, der Angeklagte sei ein „hartnäckiger und unbelehrbarer Sexualstraftäter, bei dem jede Milde fehl am Platze“ sei, die Strafzumessung maßgeblich beeinflusst hat (vgl. BGH, Beschl. v. 21.5.2008 - 5 StR 197/08). Eine nach der Tat eingetretene Stabilisierung der Lebensverhältnisse und die soziale Wiedereingliederung des Täters (BGH, Beschl. v. 10.4.1992 – 3 StR 101/92 - BGHR StGB § 46 Abs. 1 Spezialprävention 4; BGH, Beschl. v. 10.2.1993 – 5 StR 710/92; BGH, Urt. v. 20.4.1993 – 5 StR 65/93 - BGHR StGB § 177 Abs. 1 Strafzumessung 12), kann sich nicht nur auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung, sondern auch auf die Strafrahmenwahl und die Strafhöhenbemessung auswirken (vgl. BGH, Urt. v. 20.4.1993 – 5 StR 65/93 - BGHR StGB § 177 Abs. 1 Strafzumessung 12 mwN; BGH, Beschl. v. 16.8.2011 - 5 StR 300/11). Auch die Therapiebereitschaft des Täters kann für den Strafausspruch von Bedeutung sein. Eine etwa vorhandene Therapiebereitschaft kann strafmildernde Wirkung haben (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 – 4 StR 84/03 - StraFo 2003, 246; BGH, Beschl. v. 20.6.2017 - 4 StR 234/17 Rn. 5). Umgekehrt darf bei fehlender Therapiebereitschaft oder Therapierbarkeit dem Sicherungsgedanken aber nicht eine derartige Bedeutung beigemessen werden, dass die notwendige Schuldangemessenheit der Strafe aus dem Blick gerät (BGH, Urt. v. 27.10.1970 – 1 StR 423/70 - BGHSt 24, 132, 133 f.; BGH, Beschl. v. 20.6.2017 - 4 StR 234/17 Rn. 5). Die Drogenabhängigkeit als solche darf sich nicht als Strafzumessungsgrund zum Nachteil des Angeklagten auswirken (vgl. BGH, Beschl. v. 20.6.2017 - 4 StR 234/17 Rn. 6; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 46 Rn. 42). |
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115 |
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115.1 |
Die Verbüßung von
Untersuchungshaft führt
grundsätzlich nicht zu einer Strafmilderung (vgl. BGHR StGB
§
46 Abs. 2 Lebensumstände 18, 20; BGH,
Urt. v. 13.2.2001 - 1
StR
565/00; BGH,
Urt. v. 19.12.2002 - 3 StR 401/02 - NStZ-RR 2003, 110; BGH,
Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 197/04; BGH,
Urt. v. 14.6.2006 - 2 StR
34/06 - BGHR StGB § 46 Abs. 2
Lebensumstände 21 - wistra
2006, 378; BGH,
Urt. v. 16.11.2005 - 2 StR 296/05; BGH,
Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05; BGH,
Urt. v. 1.3.2005 - 5 StR 499/04; BGH,
Urt. v. 14.3.2007 - 2 StR 606/06 - NStZ 2007, 404; BGH,
Urt. v.
23.8.2006 - 1 StR 266/06; BGH,
Urt. v. 23.4.2009 - 3 StR 83/09; BGH,
Beschl. v. 5.5.2009 - 3 StR 475/08 - wistra 2009, 350; BGH,
Urt. v.
19.5.2010 - 2 StR 102/10;
BGH, Beschl. v. 13.10.2011 - 1 StR
407/11; BGH, Urt. v. 21.12.2011 - 1 StR 400/11; BGH, Urt. v. 22.5.2012
- 1 StR 103/12 - wistra 2012, 350; BGH, Urt. v. 28.3.2013 - 4 StR
467/12; BGH, Urt. v. 20.8.2013 - 5 StR 248/13; BGH, Urt. v. 27.1.2015 -
1 StR 142/14; BGH, Urt. v. 24.8.2016 - 2 StR 504/15 Rn. 30; Fischer,
StGB
56. Aufl.
§
51 Rdn. 6;
Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4.
Aufl.
Rdn. 434; Tolksdorf in Festschrift für Stree und Wessels,
1993, S.
753, 756). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt
eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im
Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Beschl.
v.
13.10.2011 – 1 StR 407/11 - NStZ 2012, 147; BGH, Urt. v.
10.10.2013 – 4 StR 258/13 Rn. 18). Die erlittene Untersuchungshaft wird nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet. Untersuchungshaft kann deshalb für sich genommen allenfalls dann mildernde Wirkung zukommen, wenn keine ohnehin zu verbüßende Freiheitsstrafe verhängt wird oder wenn besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 18; BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - 3 StR 225/00 - wistra 2001, 105; BGH, Urt. v. 14.6.2006 - 2 StR 34/06 - wistra 2006, 378; BGH, Urt. v. 19.5.2010 - 2 StR 102/10; BGH, Urt. v. 28.9.2011 - 2 StR 93/11; BGH, Urt. v. 22.10.2015 - 4 StR 275/15; BGH, Urt. v. 28.6.2017 - 2 StR 92/17 Rn. 21). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urt. v. 14.6.2006 – 2 StR 34/06 - NJW 2006, 2645; BGH, Urt. v. 19.12.2013 - 4 StR 302/13; BGH, Urt. v. 22.10.2015 - 4 StR 275/15; BGH, Urt. v. 24.8.2016 – 2 StR 504/15 - NStZ-RR 2017, 40, 42; BGH, Urt. v. 28.6.2017 - 2 StR 92/17 Rn. 21). Aber auch wenn eine Freiheitsstrafe (nur) deshalb zur Bewährung ausgesetzt werden kann, weil der Angeklagte durch den Vollzug der Untersuchungshaft hinreichend beeindruckt ist, verbietet sich eine zusätzliche mildernde Berücksichtigung bei der Bemessung der Strafhöhe (vgl. BGH NStZ 1994, 242; BGH, Urt. v. 19.12.2002 - 3 StR 401/02 - NStZ-RR 2003, 110; BGH, Urt. v. 14.6.2006 - 2 StR 34/06 - wistra 2006, 378; BGH, Urt. v. 20.8.2013 - 5 StR 248/13; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 742 Fn. 475). Rechtsfehlerhaft ist es, zu Gunsten des Angeklagten die Trennung von seiner Familie durch die Verurteilung zu berücksichtigten, wenn Umstände, die insoweit eine besondere über das normale Maß hinausgehende Haftempfindlichkeit belegen würden, nicht dargelegt sind. Die Trennung des Angeklagten von seiner (in Deutschland lebenden) Familie ist eine zwangsläufige Folge der Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe und als solche kein die Strafe mildernder Gesichtspunkt (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2010 - 2 StR 102/10). Wird der Vollzug der Untersuchungshaft allein in dem Zusammenhang, dass der Angeklagte „sich am Tag nach der Tat selbst bei der Polizei gestellt hat und sich seit diesem Tag in Untersuchungshaft befindet“ mildernd berücksichtigt, wird dem Angeklagten somit nur zugute gehalten, dass er sich freiwillig der Strafverfolgung stellte, mit vorhersehbar für ihn sofort einschneidenden Folgen (Untersuchungshaft). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2011 - 1 StR 400/11). |
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115.2 |
Soweit
der Bundesgerichtshof den Vollzug von Untersuchungshaft als
strafmildernden Gesichtspunkt gebilligt hat, ist dies im Zusammenhang
mit anderen Umständen (vgl. etwa BGH,
Urt. v. 14.12.2006 - 4
StR
421/06 - NStZ 2007, 288; BGH,
Urt. v. 16.8.2006 - 2 StR 236/06; BGH,
Urt. v. 2.12.2005 - 5 StR 119/05
- wistra 2006, 96; vgl.
zusammenfassend Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 72, 73)
geschehen in Fällen, in denen der Vollzug von
Untersuchungshaft
ausnahmsweise mit ungewöhnlichen, über das
übliche
Maß deutlich hinausgehenden Beschwernissen verbunden ist
(BGH,
Urt. v. 19.5.2010 – 2 StR 102/10 - NStZ 2011, 100; BGH, Urt.
v.
19.12.2013 – 4 StR 303/13 - NStZ-RR 2014, 82, 83) etwa mit - einer überlangen Verfahrensdauer (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18; BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05 - u. v. 1.3.2005 - 5 StR 499/04). So stellt keinen Rechtsfehler dar, wenn das Tatgericht dem Angeklagten zugute hält, daß die lange Verfahrensdauer durch die - erstmalige - Inhaftierung noch erschwert wurde (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18; BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05); - den besonderen persönlichen Verhältnissen (BGH, Urt. v. 13.2.2001 - 1 StR 565/00; BGH, Urt. v. 29.10.2008 - 5 StR 456/08 - NStZ 2009, 202: erst mehr als 1 ¼ Jahr nach der Tat in Haft genommen und mit der Inhaftierung erst im Alter von 45 Jahren erste Hafterfahrung; BGH, Urt. v. 11.1.2000 - 1 StR 505/99 - NStZ-RR 2000, 333: elfmonatige Untersuchungs- und Strafhaft, hierbei Operation wegen eines Prostatakarzinoms), - Erstverbüßung (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 21.12.1993 - 5 StR 683/93 - NStZ 1994, 198; BGH, Urt. v. 14.6.2006 - 2 StR 34/06 - NJW 2006, 2645; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.10.2016 - 4 StR 248/16 Rn. 22: nicht vorbestrafter Angeklagter durch erstmaligen Vollzug von Untersuchungshaft in besonderer Weise beeindruckt) im Zusammenhang mit Alter oder Krankheit als bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 7, 13, 19, 20; BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - 3 StR 225/00 - wistra 2001, 105; BGH, Urt. v. 30.10.2003 - 5 StR 274/03 - wistra 2004, 63: Erstverbüßer mit besonderer Haftempfindlichkeit - Sprachprobleme; BGH, Beschl. v. 25.11.1983 - 2 StR 717/83 - StV 1984, 151: Haftpsychose). Wird strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte erstmals Untersuchungshaft verbüßt und dass sich für ihn die Haftsituation vor dem Hintergrund des Tatvorwurfs und der damit verbundenen Reaktionen von Mitgefangenen härter gestaltet als bei anderen Gefangenen." kann ohne durchgreifenden Rechtsfehler eine besondere Haftempfindlichkeit zum Ausdruck gebracht und nicht lediglich den Vollzug von Untersuchungshaft an sich strafmildernd berücksichtigt worden sein (BGH, Urt. v. 19.1.2012 - 3 StR 413/11; BGH, Urt. v. 14.6.2006 - 2 StR 34/06 - NStZ 2006, 620 f.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 70-73) - einer den Angeklagten besonders belastenden Ungewissheit (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2000 - 1 StR 579/99). Der 1. Strafsenat hat im Urteil vom 11. Januar 2000 (1 StR 579/99) - die mildernde Berücksichtigung von Untersuchungshaft nur unter dem Gesichtspunkt der dort damit verbundenen Ungewißheit gebilligt. Ob eine solche den Angeklagten besonders belastende Ungewißheit mit einem Strafverfahren verbunden ist, die dann durch eine Untersuchungshaft verstärkt werden kann, hängt jedoch zunächst von anderen Faktoren ab, insbesondere wie offen der Ausgang des Verfahrens und welcher Art die zu erwartenden Sanktionen sind (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2002 - 3 StR 401/02 - NStZ-RR 2003, 110). - besonderen Nachteile für einen Angeklagten wie das Auftreten einer Haftpsychose (vgl. BGH StV 1984, 151), - bei einem Ausländer ohne familiäre Bindung in Deutschland oder bei fehlenden Kenntnissen der deutschen oder einer sonst verbreiteten Sprache ein daraus folgender Mangel sozialer Kontakte (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2003 - 5 StR 274/03 - wistra 2004, 63: Erstverbüßer mit besonderer Haftempfindlichkeit - Sprachprobleme) - Haftbedingungen, die über die üblicherweise mit Untersuchungshaft verbundenen Beeinträchtigungen hinaus besondere Erschwernisse enthalten (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2005 - 2 StR 296/05). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft mildernd bei der Strafzumessung berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urt. v. 14.6.2006 - 2 StR 34/06 - wistra 2006, 378; BGH, Urt. v. 28.3.2013 - 4 StR 467/12). Weder die Dauer der Untersuchungshaft noch die Dauer der Hauptverhandlung kann zu dem Gebot führen, die Einzelstrafen oder die Gesamtstrafe in numerisch bestimmter Weise herabzusetzen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13; BGH, Beschl. v. 29.9.2004 - 5 StR 313/04). |
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120 |
Die Überwachung des Aufenthalts des Angeklagten mittels einer elektronischen Fußfessel stellt keine haftgleiche Freiheitsentziehung, sondern vielmehr nur eine Freiheitsbeschränkung dar (vgl. auch BGH NJW 1998, 767; Heghmanns ZRP 1999, 297, 302, siehe auch Fünfsinn in Festschrift für Eisenberg S. 691, 697 m.w.N.). Eine wie auch immer geartete Anrechnung auf die verhängte Strafe ist daher nicht erforderlich. Vielmehr handelt es sich nur um einen allgemeinen Strafzumessungsgrund zu Gunsten des Angeklagten (BGH, Urt. v. 12.5.2009 - 1 StR 718/08 - NJW 2009, 2546). | |
Auswirkungen der Tat |
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125 |
Nach
§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB können nur verschuldete
Auswirkungen der Tat bei der Strafzumessung
berücksichtigt
werden.
Insoweit kommt es darauf an, ob die Tatfolgen voraussehbar waren
(vgl.
BGHSt 37, 179, 180; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 1
und 5; BGH,
Urt. v. 28.3.2001 - 3 StR 532/00 - NStZ 2001, 478; BGH,
Beschl. v.
11.11.2003 - 5 StR 482/03; BGH NStZ 2005, 156, 157; BGH,
Beschl. v.
21.3.2006 - 5 StR 12/06 - wistra 2006, 258;
Tröndle/Fischer,
StGB
53. Aufl. § 46 Rdn. 34; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46
Rdn.
142 und 151; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn.
322). Nicht erforderlich ist, dass der Angeklagte sie in allen
Einzelheiten voraussehen konnte; es genügt, dass sie in ihrer
Art
und ihrem Gewicht im Wesentlichen erkennbar waren (vgl. BGHR StGB
§ 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 3, 4, 14; BGH, Beschl.
v. 6. Mai
1998 - 2 StR 638/97 - Umdr. S. 4; BGH,
Beschl. v. 29.8.2006 - 1 StR
285/06 - NStZ-RR 2006, 372). Beispiel: Ist unklar, ob das subdurale Hämatom, welches zu schweren Folgeschäden bei dem Nebenkläger führte, durch die ihm bei der Tat zugefügten Schläge gegen den Kopf verursacht wurde oder ob der Nebenkläger sich diese Verletzung zuzog, als er einen Tag später, aus der Bewußtlosigkeit erwacht, aus dem Fenster seiner im Erdgeschoß liegenden Wohnung stürzte und mit dem Kopf auf dem Bordstein aufschlug, so ist eine straferschwerende Zurechnung aufgrund fahrlässiger Verursachung zulässig, denn es war für den Angeklagten ohne weiteres vorhersehbar und vermeidbar, daß der Nebenkläger im mittelbaren Zusammenhang mit den ihm zugefügten schweren Mißhandlungen auf der Grundlage seines offenkundig schlechten Allgemeinzustands weitere Schäden erleiden konnte. Daß er nach dem Aufwachen aus der Bewußtlosigkeit stürzen und sich schwer verletzen könnte, lag ersichtlich nicht außerhalb des Vorhersehbaren. Eine strafschärfende Berücksichtigung der Folgen war daher sowohl im Hinblick auf § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB als auch im Hinblick auf § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB zulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 23.7.2004 - 2 StR 101/04). Auswirkungen der Tat dürfen zum Nachteil des Angeklagten nur insoweit berücksichtigt werden, als sie von diesem verschuldet sind (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 1 und 5; BGH, Beschl. v. 11.11.2003 - 5 StR 482/03; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 142 und 151; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 322) und wenn sie für den Täter (zum Tatzeitpunkt) vorhersehbar waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 4 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 10.8.2000 - 1 StR 328/00). Handelt der Angeklagte, als er den Polizeibeamten mit dem Messer verletzte, in der Annahme, sich gegen einen Räuber zu verteidigen und hat das Tatgericht insoweit Putativnotwehr (§ 16 StGB) angenommen und eine fahrlässige Körperverletzung mit der Begründung ausgeschlossen, daß es an einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung fehle, ist ein Verschulden im eingangs genannten Sinne nicht gegeben (vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.2003 - 5 StR 482/03). Die schweren und dauerhaften gesundheitlichen Folgen für das Tatopfer können - auch ohne das die Voraussetzungen sukzessiver Mittäterschaft vorliegen - als verschuldete Auswirkungen der Tat im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB zuzurechnen sein, wenn die Tatfolgen ihrer Art und ihrem Gewicht nach im Wesentlichen für den Angeklagten erkennbar waren (BGH, Beschl. v. 29.8.2006 - 1 StR 285/06 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 9.2.2010 - 4 StR 492/09). Die Frage, ob diesem sämtliche Verletzungen mit allen Folgen für das Opfer (nur) dann hätten zugerechnet werden können, wenn er als sukzessiver Mittäter gehandelt hat, stellt sich selbst für den Fall, dass der Angeklagte nicht alle Verletzungen selbst verursacht haben sollte, nicht, wenn er bewusst und gewollt in brutaler Weise auf ein auch nach seiner Vorstellung durch die vorangegangenen Gewalthandlungen schon erheblich vorgeschädigtes Opfer eingewirkt hat, so dass das gesamte Verletzungsbild auch als Ergebnis seines Handelns anzusehen und ihm deshalb zuzurechnen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 9.2.2010 - 4 StR 492/09). |
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125.1 |
Tatfolgen
können auch psychische Folgen für die Opfer
sein (vgl. BGH,
Urt. v. 9.3.2006 - 3 StR 451/05). Sind die festgestellten psychischen Schäden Folge aller Taten, so können sie dem Angeklagten nur einmal – bei der Gesamtstrafenbildung – angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen in Ansatz gebracht werden (BGH, Beschl. v. 13.11.1997 – 4 StR 539/97 - NStZ-RR 1998, 107 f.; BGH, Beschl. v. 20.7.1993 – 4 StR 316/93 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 7; BGH, Urt. v. 9.7.2014 – 2 StR 574/13; BGH, Urt. v. 9.7.2014 - 2 StR 574/14; BGH, Beschl. v. 22.7.2014 - 2 StR 84/14; Theune in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 46 Rdn. 151; Hörnle in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 176 Rdn. 42; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rdn. 26; Miebach in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 46 Rdn. 96; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rdn. 34b). |
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125.1.1 |
Leitsatz Gerät das Opfer einer Sexualstraftat durch das Bestreiten des Täters - eines Familienangehörigen - in eine familiäre und soziale Isolierung, so dürfen daraus entstandene psychische Folgen strafschärfend berücksichtigt werden. Damit wird dem Angeklagten weder sein Verteidigungsverhalten angelastet noch liegt eine verbotene Doppelverwertung vor (BGH, Beschl. v. 25.4.2001 - 1 StR 143/01 - Ls. - NJW 2001, 2983). | |
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125.2 |
Eine wesentliche Strafschärfung wegen besonderen Leidens des Opfers setzt - wenn nicht etwa entsprechend gezieltes Verhalten des Täters in Frage steht - regelmäßig voraus, daß das Opfer dabei mindestens teilweise bei Bewußtsein gewesen ist (BGH, Beschl. v. 18.7.2000 - 5 StR 289/00). | |
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125.3 |
Die
aus den Taten resultierenden sozialen
Folgen für die
Geschädigte aufgrund von Vergewaltigungen des
früheren
Ehemann, die auf deren gesamte Lebensplanung bis heute ausstrahlen,
dürfen strafschärfend berücksichtigt werden.
Etwa, wenn
die Geschädigte nach der auf Grund der Taten erfolgten
Trennung in
ihr Elternhaus zurückkehren mußte und als
geschiedene
türkische Ehefrau in ihrem Kulturkreis heute nur ein geringes
Ansehen genießt. Hinzu kam, dass auch ihre Aussichten, erneut
eine adäquate Ehe eingehen zu können, als geschiedene
Frau in
ihrem Kulturkreis erheblich vermindert sind (vgl. BGH,
Urt. v.
20.6.2007 - 1 StR 167/07). Die Erwägung, der Angeklagte habe "das ihm von der Nachbarschaft im Rahmen der erwünschten Integration von ausländischen Mitbürgern entgegengebrachte Vertrauen in gröbster Weise missbraucht", lässt besorgen, dass zum Nachteil des Angeklagten in unzulässiger Weise berücksichtigt wurde, dass er Ausländer ist (vgl. BGH NStZ 1993, 337; BGH, Beschl. v. 17.1.2006 - 4 StR 423/05). Leitsatz - StGB § 46 Abs. 2 Die strafschärfende Erwägung, ein wegen Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung verurteilter Asylbewerber habe durch seine Tat das Ansehen der in Deutschland lebenden Asylbewerber stark geschädigt und einer positiven Einstellung der Bevölkerung gegenüber anwesenden Asylsuchenden und anderen Ausländern entgegengewirkt, ist rechtsfehlerhaft. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - 2 StR 386/16 - LG Meiningen "Diese moralisierende Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie macht den Angeklagten zu Unrecht verantwortlich für die Vorurteile Dritter und lässt zudem besorgen, die Strafkammer habe den Umstand, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Asylsuchenden handelt, straferschwerend berücksichtigt; das wäre nicht statthaft (vgl. BGH StV 1991, 105). Die Stellung als Asylbewerber als solche kann eine Erhöhung der Strafe grundsätzlich nicht begründen; denn aus ihr ergibt sich keine gesteigerte Pflicht, keine Gewalttaten zu begehen (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 13; BGH, Beschl. v. 7.7.1998 - 5 StR 297/98). Etwas anderes gilt zwar dann, wenn die Tat durch die Ausländereigenschaft des Täters oder seine Stellung als Asylbewerber in einer für die Schuldgewichtung erheblichen Weise geprägt wird (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 13). Auch wenn es sich bei der Tat um eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Asylsuchenden in einer Flüchtlingsunterkunft handelte, liegt die Annahme eines solchen Ausnahmefalls nicht auf der Hand." (BGH, Beschl. v. 25.10.2016 - 2 StR 386/16 Rn. 2). |
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125.4 |
"Auswirkungen
der Tat" sind insbesondere die Folgen für das durch die
Strafnorm
geschützte Rechtsgut (vgl. BGH, Urt. v. 21.8.2012 - 1 StR
257/12). Beispiel: Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens. Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2008 - 1 StR 416/08 - BGHSt 53, 71, 80 mwN; BGH, Urt. v. 21.8.2012 - 1 StR 257/12). Es kommt aber nicht darauf an, ob die Folgen in den Schutzbereich der strafrechtlichen Normen fallen, deren Verletzung dem Angeklagten vorgeworfen wird (vgl. Schäfer, Die Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 321 ff. unter Hinweis auf die die Entscheidung nicht tragenden Erwägungen in BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 6). Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshof hätte Bedenken gegen eine solche, die Strafzumessung einengende Auslegung des § 46 Abs. 2 StGB. Er hält für Tatfolgen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem strafbaren Verhalten stehen und außerhalb des eigentlichen Tatbereichs liegen, das Abgrenzungskriterium der Voraussehbarkeit der Tatfolge weiterhin für ausreichend (vgl. BGH, Beschl. v. 4.7.2002 - 3 StR 190/02). siehe in diesem Zshg.: Betrug, § 263 StGB --> Rdn. S.3.3 - Strafschärfende Erwägungen |
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125.5 |
Hat
der Angeklagte einen anderen in die Tat mit hinein gezogen oder sogar
in die Tatbegehung verstrickt, kann
dieser Umstand strafschärfend berücksichtigt werden
(vgl. BGH,
Beschl. v. 11.8.2009 - 3 StR 175/09; BGH, Urt. v. 7.2.2012 -
1 StR 525/11; vgl. auch BGH,
Beschl. v.
24.11.2009 - 5 StR 430/09). Hat der Angeklagte als Arzt seine Abrechnungsassistentin in erhebliches strafbares Unrecht verstrickt, indem er sie über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr anwies, jeweils Leistungen abzurechnen, die er nicht erbracht hatte, handelt es sich um einen strafschärfend zu berücksichtigenden Umstand (vgl. BGH, Urt. v. 7.8.2008 - 3 StR 201/08 - wistra 2008, 465). Wird als strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte seine Mitarbeiterin, die Zeugin Z, zu einem Meineid verleitet hat, wird diese Wertung von den Feststellungen nicht getragen, wenn zwar die Aussage und das Aussageverhalten der Zeugin eingehend und plausibel geschildert, dies aber nicht ausreichend eine Anstiftungshandlung des Angeklagten belegt. So etwa, wenn trotz Kontakten zwischen dem Angeklagten und der Zeugin vor ihrer Aussage in der Hauptverhandlung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Zeugin letztlich, um ihren Arbeitsplatz zu retten, von sich aus die den Angeklagten entlastenden, falschen Angaben gemacht hat. Das bloße Dulden einer Falschaussage kann aber nicht strafschärfend gewürdigt werden (BGH, Beschl. v. 4.12.2003 – 4 StR 439/03 - StV 2004, 480; BGH, Urt. v. 20.3.2013 - 5 StR 344/12). |
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125.6 |
Eine
in nicht unerheblichem Umfang gegebene Mitverursachung durch
Dritte vermindert das Gewicht der dem Täter
zuzurechnenden
Tatfolgen und wirkt deshalb strafmildernd (BGH, Beschl. v. 23.8.1979 -
4 StR 417/79 - bei Holtz MDR 1979, 986; BGH,
Beschl. v. 20.3.2000 - 1
StR 50/00 - NStZ-RR 2000, 265; G. Schäfer, Praxis
der
Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 237). Soweit eine solche Mitverursachung
in Betracht kommt, gilt - wie allgemein bei
Strafmilderungsgründen
- der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten"
(vgl. BGH,
Beschl. v. 20.3.2000 - 1
StR 50/00 - NStZ-RR 2000, 265; Gribbohm in
LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 56, 126; vgl. BGH VRS 19, 126, 127; 36,
362). Von den Umständen des Einzelfalls hängt es ab,
ob es
sich um einen bestimmenden Gesichtspunkt i. S. v. § 267 Abs. 3
Satz 1 StPO handelt. Hierbei gilt: Je geringer die Rettungschance war,
desto weniger wird ihre Versäumung strafmildernd ins Gewicht
fallen (BGH,
Beschl. v. 20.3.2000 - 1
StR 50/00 - NStZ-RR 2000, 265
betr. § 226 StGB a.F.- Fehler bei der ärztlichen
Versorgung). siehe auch: Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB Rdn. 55 Auch die staatliche Mitverantwortung für ein strafbares Geschehen stellt einen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2009 - 3 StR 474/08 - NStZ-RR 2009, 167; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 60). Beispiel: Der Angeklagte konnte die Taten während des Maßregelvollzugs unter ersichtlich nicht weiter erschwerten Bedingungen begehen; sie wären indes bei Wahrung der im Maßregelvollzug gebotenen Fürsorge der verantwortlichen Aufsichtspersonen für jugendliche Untergebrachte, aber auch gestörte rückfallgefährdete Insassen unbedingt durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden gewesen (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2008 - 5 StR 371/08). |
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125.7 |
Die
Sicherstellung des Rauschgifts (auch infolge polizeilicher
Observation), so dass es nicht zu einer Gefährdung von
Drogenkonsumenten kommen konnte, kann zu Gunsten des Angeklagten zu
berücksichtigen sein (vgl. BGHR BtMG § 29
Strafzumessung 10; BGH,
Beschl. v. 22.5.2006 - 5 StR 177/06; BGH,
Beschl. v. 28.3.2006 - 4
StR 42/06; BGH,
Beschl. v. 13.10.2005 - 5 StR 415/05; BGH, Beschl. v.
31.3.2004 - 5 StR 78/04; BGH,
Urt. v. 31.7.2008 - 4 StR 152/08 -
NStZ-RR 2008, 336; BGH,
Beschl. v. 9.12.2008 - 5 StR 561/08; Weber BtMG
2. Aufl. vor § 29 Rdn. 773; vgl. auch BGH,
Beschl. v. 8.6.2004
- 5
StR 173/04 Drogentransport unter engmaschiger
Überwachung
durch
den Zoll). Die strafmildernde Berücksichtigung polizeilicher Überwachung erfordert keine lückenlose Überwachung und einen völligen Ausschluss jedweder Gefahr für die Rechtsgüter Dritter (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2016 – 4 StR 239/16 Rn. 57). Es obliegt dem Tatrichter, welches Gewicht er festgestellten polizeilichen Überwachungsmaßnahmen – etwa: GPS-Ortung, Garagenobservation, Telefonüberwachung und Pkw-Innenraumgesprächsüberwachung – beimessen möchte (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2016 – 4 StR 239/16 Rn. 57). Die Strafzumessung kann in einem wesentlichen Punkt lückenhaft sein, wenn das Tatgericht nicht erkennbar bedacht hat, dass die polizeiliche Überwachung der Tat angesichts des damit verbundenen Wegfalls einer Gefahr zugunsten des Angeklagten in die Strafzumessung einzustellen war (vgl. BGH, Urt. v. 10.8.2016 - 2 StR 493/15 Rn. 58; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8.6.2004 - 5 StR 173/04 - NStZ 2004, 694 mwN). |
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125.7.1 |
Die
Erwägung, die Ermittlungsbehörden hätten
aus
ermittlungstaktischen Erwägungen nicht schon früher
eingegriffen, darf nicht strafmildernd bewertet werden, weil es einen
Anspruch eines Straftäters darauf, dass die
Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um
seine
Taten zu verhindern, nicht gibt; insbesondere folgt ein solcher
Anspruch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren
gemäß
Art. 6 Abs. 1 MRK (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 172; BGH,
Beschl. v.
17.7.2007 - 1 StR 312/07 - NStZ 2007, 635; BGH,
Beschl. v. 15.8.2007 -
1 StR 335/07
- NStZ 2008, 685; BGH, Beschl. v. 14.12.2010 - 1
StR 275/10 - wistra 2011, 186; BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 1 StR
391/12; BGH, Urt. v. 27.1.2015 - 1 StR 142/14; Berg StraFo 2007, 74, 75
f.).
Der
Umstand, dass die Beamten der Zollfahndung bei arbeitsteiligen Begehung
im „organisierten grenzüberschreitenden
Zigarettenschmuggel“ nicht bereits auf den allgemeinen
Hinweis
tschechischer Behörden auf mögliche Schmuggelfahrten
das
Fahrzeug des Angeklagten einer Kontrolle unterzogen, sondern
zunächst Observationsmaßnahmen ergriffen, bedurfte
keiner
ausdrücklichen Erörterung im Rahmen der
Strafzumessung (vgl.
§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Es handelt sich hierbei um eine
zulässige kriminalistische Vorgehensweise der
Ermittlungsbehörden, die den Angeklagten auch im Rahmen der
Strafzumessung nicht entlasten kann (vgl. BGH NStZ 2007, 635). Der
Zugriff erfolgte innerhalb von drei Wochen nach Beginn der Observation
(vgl. BGH,
Urt. v. 2.4.2008 - 5 StR 29/08 - wistra 2008, 265). Der
äußerst fragwürdige - späte
Zeitpunkt des
Eingreifens der Ermittlungsbehörden und der Sicherstellungen
kann
demgegenüber im Einzelfall strafmildernd zu
berücksichtigen
sein (vgl. BGH,
Beschl. v. 12.6.2002 - 5 StR 207/02). Es kann einen Täter regelmäßig nicht entlasten, dass Ermittlungsbehörden nicht rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um den Eintritt des Taterfolgs zu verhindern, oder ihm laufende Ermittlungen nicht offenbart werden (BGH, Beschl. v. 14.12.2010 - 1 StR 275/10 - NJW 2011, 1299 mwN; BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 1 StR 391/12). Es müssen insoweit Umstände festgestellt sein, die einen über eine bloße Mitursächlichkeit hinausgehenden konkreten Einfluss auf die Tatausführung gehabt haben (hierzu vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2009 - 3 StR 474/08 - NStZ-RR 2009, 167) oder ein Einschreiten der Finanz- und Ermittlungsbehörden unabweisbar geboten hätten (dazu vgl. BGH, Beschl. v. 12.1.2005 - 5 StR 191/04 - NJW 2005, 763) und die daher Einfluss auf die Strafzumessung hätten haben können (BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 1 StR 391/12; BGH, Urt. v. 27.1.2015 - 1 StR 142/14; zum Ganzen auch Miebach in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 46 Rn. 142 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1847, 1860; Meyberg PStR 2011, 58, 59). Ein Straftäter hat keinen Anspruch darauf, dass staatliche Stellen rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern. (Vorwerfbares) Verhalten des Steuerfiskus kann regelmäßig allenfalls dann zu einer milderen Beurteilung von Steuerhinterziehung führen, wenn es das Täterverhalten unmittelbar beeinflusst hat und die Tatgenese den staatlichen Entscheidungsträgern vorzuwerfen ist (BGH, Beschl. v. 14.12.2010 - 1 StR 275/10 mwN; BGH, Beschl. v. 25.9.2012 - 1 StR 407/12). Ein Straftäter hat auch dann keinen Anspruch auf ein frühzeitiges Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden, wenn durch sein Handeln fortlaufend weitere hohe Steuerschäden entstehen (BGH, Urt. v. 27.1.2015 - 1 StR 142/14). |
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125.8 |
Tatmodalitäten und
Tatmotive dürfen einem Angeklagten
nur
dann strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie
vorwerfbar
sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu
vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (vgl.
BGH
StV 2001, 615, 616; BGHR StGB § 21 Strafzumessung 18, BGH,
Urt. v.
20.2.2003 - 4 StR 437/02; BGH NStZ-RR 2003, 362; BGH,
Beschl. v.
7.5.2009 - 3 StR 153/09; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR
346/11; BGH, Beschl. v. 16.5.2012 - 3 StR 33/12; vgl. auch BGH, Beschl.
v. 14.12.2011 - 2 StR
502/11; BGH, Beschl. v. 25.4.2013 - 5 StR
104/13). Tatmodalitäten,
die weniger Ausdruck einer sich frei entfaltenden
verbrecherischen Energie, sondern Anzeichen für die
Stärke einer
seelischen Beeinträchtigung sind, dürfen einem
vermindert Schuldfähigen
nicht uneingeschränkt angelastet werden (vgl. BGH,
Beschl. v. 3.12.2003 - 5 StR 473/03 - NStZ-RR 2004,
105, 106; BGH, Beschl. v. 1.9.2010 - 2 StR 213/10). Ihm dürfen demgemäß solche Umstände nicht strafschärfend angelastet werden, die unverschuldete Folgen dieses Zustands darstellen. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so daß für eine strafschärfende Verwertung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr. vgl. u.a. BGHSt 16, 360, 364; BGH NStZ 1992, 538; BGH, Beschl. v. 29.6.2000 - 1 StR 223/00; BGH, Beschl. v. 18.7.2000 - 5 StR 289/00; BGH, Beschl. v. 12.12.2000 - 4 StR 464/00 - BGHSt 46, 225 - StV 2001, 160; BGH, Urt. v. 6.2.2001 - 5 StR 579/00 - NStZ 2001, 477; BGH, Beschl. v. 28.3.2001 - 2 StR 82/01; BGH, Beschl. v. 12.3.2002 - 4 StR 38/02; NStZ-RR 2003, 104, 105; BGH, Beschl. v. 14.12.2011 - 2 StR 502/11; BGH, Beschl. v. 13.2.2013 - 4 StR 557/12; Fischer, StGB 55. Aufl. § 46 Rdn. 28; 33 m.w.N; vgl. auch BGH, Beschl. v. 3.2.2015 - 3 StR 541/14). Dessen muß sich der Tatrichter erkennbar bewußt sein (vgl. BGH NJW 1993, 3210, 3211 f; BGH NStZ 1992, 538; BGH, Beschl. v. 29.6.2000 - 1 StR 223/00; BGH, Beschl. v. 14.12.2011 - 2 StR 502/11; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 257 a ff., jew. m.w.N.). Für einem Angeklagten strafschärfend angelastetes Nachtatverhalten kann nichts anderes gelten (vgl. BGH, Beschl. v. 3.11.2004 - 2 StR 295/04). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es insoweit widersprüchlich, die objektiven Umstände der Tatbegehung uneingeschränkt straferschwerend zu werten (BGHR StGB § 21 Strafzumessung 1 f.; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 530/01 - NStZ-RR 2002, 106). So ist es etwa rechtsfehlerhaft, dem Angeklagten die Tatmotivation uneingeschränkt vorzuwerfen, obwohl sie ihre Ursache in der festgestellten Persönlichkeitsstörung hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafzumessung 5; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 376/09 - NStZ-RR 2010, 42; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 28). So darf etwa nicht zu Lasten des Angeklagten in die Gesamtwürdigung einbezogen werden, dass er sich für eine andere Person ausgibt und auch nicht die geringste Übernahme von Verantwortung für seine Taten zeigt, wenn zum einen ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten vorliegt und zum anderen das Tatgericht zuvor zugunsten des Angeklagten unterstellt hat, dass er krankheitsbedingt meint, jemand anderes zu sein. Dann darf ihm dies nicht angelastet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 1 StR 504/12). siehe auch: oben Rdn. 75 - Vorwerfbarkeit und Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB --> Rdn. 25.3 |
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130 |
Gegen
die Wertung, dass das Tatgericht einerseits die Höhe der
durch die Taten verursachten Schäden zu Lasten des Angeklagten
wertet, andererseits aber strafmildernd berücksichtigt, dass
die
Schäden ausgeglichen wurden, ist nichts zu erinnern. Diese
Strafzumessungserwägungen erweisen sich nicht als
widersprüchlich. Gemäß § 46 Abs. 2
StGB sind
sowohl die verschuldeten Folgen der Tat als auch die
Schadenswiedergutmachung strafzumessungsrelevante Faktoren. Bei einer
nachträglichen Schadenswiedergutmachung ist das Tatgericht
nicht
gehalten, den Umfang des zunächst eingetretenen Schadens -
etwa
der hinterzogenen Steuern und den Umfang der den Einzugsstellen
zunächst vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge -
im
Rahmen der Strafzumessung unberücksichtigt zu lassen (vgl. BGH,
Urt. v. 2.12.2008 - 1 StR 416/08 - BGHSt 53, 71 - wistra
2009, 107). Wegen des Kompensationsverbots des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO hat es zwar keine tatbestandlichen Auswirkungen, wenn der Täter einer Steuerhinterziehung tatsächlich entstandene Vorsteuern nicht geltend gemacht hat. Ein nicht geltend gemachter Vorsteuerabzug kann aber zu einer Minderung der nach § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB im Rahmen der Strafzumessung zu beachtenden verschuldeten Auswirkungen der Tat führen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 47, 343, 351; BGH NStZ 2004, 579, 580; BGH, Beschl. v. 8.1.2008 - 5 StR 582/07 - wistra 2008, 153). Zur Möglichkeit und zu den Voraussetzungen der Schätzung der Schadenshöhe/des Schadensumfangs vgl. insb. BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - 1 StR 283/09 - wistra 2010, 148 |
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130.1 |
Die Einziehungsanordnung
kann Einfluß auf die zu bemessende
Strafe haben (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 6, 12
und 16), die Anordnung von Verfall dagegen
nicht (vgl. BGHR StGB § 73 d Strafzumessung 1). Eine
(Wertersatz-)Verfallsanordnung stellt grundsätzlich keinen
Nachteil
dar,
der
bei der Strafzumessung zugunsten des Täters zu
berücksichtigen ist (BGH,
Beschl. v. 22.11.2000 - 1 StR 479/00
-
NStZ 2001, 312; BGH,
Urt. v. 25.4.2001 - 2 StR 374/00 - BGHSt 46, 380 -
NJW 2001, 2812; BGH,
Beschl. v. 27.6.2001 - 2 StR 204/01; BGH, Urt. v. 28.1.2015 -
5 StR 486/14. Da auch der
erweiterte Verfall nur einen unrechtmäßig erlangten
Vermögenszuwachs abschöpfen will, ist die mit ihm
verbundene
Vermögenseinbuße kein Strafmilderungsgrund (vgl.
BGHR StGB
§ 73 d Strafzumessung 1; BGH, Urt. v. 1.3.1995 – 2
StR 691/94 - NStZ
1995, 491; BGH NStZ 2000,
137; BGH,
Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 541/00 - NStZ 2001, 531 betr.
erweiterten
Verfall; BGH,
Beschl. v. 6.2.2002 - 5 StR 22/02; BGH,
Beschl. v.
20.3.2003 - 3 StR 57/03;
BGH, Urt. v. 28.1.2015 - 5 StR 486/14; vgl. für die Einziehung
von
Beziehungsgegenständen bei Geldwäsche: BGH, Beschl.
v.
25.11.2014 – 5 StR 490/14). Beispiel: Das Tatgericht hat gemäß §§ 73, 73a StGB im Hinblick auf die vom Angeklagten durch diese Straftaten (Kokainverkäufe) erlangten Bruttoerlöse einen Wertersatzverfall in Höhe von 70.000 DM angeordnet. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, daß die Anordnung des Verfalls bei der Strafzumessung unberücksichtigt geblieben ist, obwohl dem Bruttoerlös die vom Angeklagten gezahlten Einkaufspreise gegenüberstünden und der Reingewinn daher lediglich etwa 20.000 DM betrage (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.2000 - 1 StR 479/00 - NStZ 2001, 312). Daß dieser mit dem Brutto-Wertersatzverfall verbundene Nachteil bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt wurde, stellt keinen Rechtsfehler dar, da die Verfallanordnung gemäß §§ 73, 73a StGB nicht zu einer Strafmilderung führen muß (BGH NStZ 1995, 491; BGH NStZ-RR 1996, 129, 130; BGH Urt. v. 5.12.1996 - 5 StR 542/96; BGH NJW 1998, 1723, 1728; BGH NStZ 2000, 137; LK-Schmidt 11. Aufl. § 73 Rdn. 7 und 11 ff.). Lag die Anwendbarkeit der Härtevorschrift des § 73c StGB nahe und hat der Tatrichter mit rechtsfehlerfreien Ausführungen ihr Eingreifen verneint, so muß er die Verfallanordnung auch nicht mehr im Rahmen der Strafzumessung erörtern und berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.2000 - 1 StR 479/00 - NStZ 2001, 312). Das schließt indessen nicht aus, daß das Tatgericht die Höhe der Strafe und die Anordnung des Verfalls im Hinblick auf die heutigen Vermögensverhältnisse des Angeklagten "in gewissem Umfang" aufeinander abstimmen kann (vgl. BGH NStZ 1995, 491, 492; BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05). siehe auch: Voraussetzungen des Verfalls, § 73 StGB; Verfall des Wertersatzes, § 73a StGB und Erweiterter Verfall, § 73d StGB; siehe auch nachstehend Rdn. 130.2 zur Einziehung |
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130.2 |
Einziehung
gemäß § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB ist Nebenstrafe und
daher Teil der
Strafzumessung, die eine
Gesamtbetrachtung erfordert (vgl. BGH MDR 1983, 767; BGH, Beschl. v.
16.2.2012 - 3 StR 470/11; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 74 Rn.
2). Wird
dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von
nicht
unerheblichem Wert entzogen, ist dies deshalb ein bestimmender
Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu
verhängenden Strafe und
insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter
treffenden
Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (BGH, Beschl.
v. 20.9.1988 -
5 StR 418/88 - BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 16; BGH,
Urt. v.
12.10.1993 - 1 StR 585/93 - StV 1994, 76; BGH, Beschl.
v. 20.7.2011 - 5
StR 234/11 - StV 2011, 726; BGH, Beschl. v. 27.9.2011 - 3 StR 296/11 -
NStZ-RR 2011, 370; BGH, Beschl. v. 16.2.2012 - 3 StR 470/11 - NStZ-RR
2012, 169; BGH, Beschl. v. 12.3.2013 - 2 StR 43/13: Pkw BMW 840 CI; BGH,
Beschl. v. 27.5.2014 - 3 StR 137/14;
BGH, Beschl. v. 3.9.2015 - 1 StR 255/15: Laptop). Einer ausdrücklichen Erörterung bedarf es dann nicht, wenn angesichts des Wertes die Einziehung die Bemessung der Strafe nicht wesentlich zu beeinflussen vermag (BGH, NStZ 1985, 362; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 39; BGH, Beschl. v. 14.4.2011 - 2 StR 34/11). Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation des Angeklagten, kann der Wert des eingezogenen Personenkraftwagens festzustellen und bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der den Angeklagten treffenden Rechtsfolgen zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Beschl. v. 27.9.2011 - 3 StR 296/11; BGH, Beschl. v. 20.7.2011 - 5 StR 234/11 [PKW Audi A8]; BGH, Beschl. v. 16.2.2012 - 3 StR 470/11 [gebrauchter PKW]; BGH, Beschl. v. 30.5.2013 - 5 StR 239/13 [PKW Audi A8]; BGH, Beschl. v. 27.5.2014 - 3 StR 137/14: [PKW VW Passat Kombi]; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 5. Aufl. Rdn. 369 m.w.N.). Auch die Einziehung des Computers und des Druckers des Angeklagten ist bei der Bemessung der Rechtsfolgen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.9.2011 - 3 StR 296/11 - NStZ-RR 2011, 370; BGH, Beschl. v. 16.5.2012 - 3 StR 33/12). siehe hierzu auch und mwN: Voraussetzungen der Einziehung, § 74 StGB Rdn. 5 [Strafähnlicher Charakter der Einziehung] u. § 74 StGB Rdn. S.1 - [Einziehung und Strafzumessung] |
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130.5 |
Wird zugunsten des Angeklagten gewertet, dass dieser „auf die Rückgabe der Asservate verzichtet hat“, ist dem Revisionsgericht die Prüfung verwehrt, ob der genannte Umstand als bestimmender Milderungsgrund angesehen werden durfte, wenn das Urteil nicht mitteilt, welche Gegenstände im Verfahren asserviert worden sind, wem diese zustehen und welchen Wert sie haben. Soweit es sich dabei um das sichergestellte Marihuana sowie den Revolver nebst Munition gehandelt haben sollte, wäre deren Einziehung ohnehin möglich – und unerlässlich – gewesen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG, § 54 Abs. 1 Nr. 1 WaffG; vgl. BGH, Urt. v. 20.8.2013 - 5 StR 248/13). | |
Nachtatverhalten |
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Vor- und Nachtatverhalten sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, wenn ein schuldrelevanter Zusammenhang mit der Tat besteht (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13; BGH, Urt. v. 19.7.2000 – 2 StR 96/00 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 28; BGH, Beschl. v. 29.1.2013 – 4 StR 532/12 - NStZ-RR 2013, 170, 171; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rdn. 32, 46 ff.). Die fehlende Berücksichtigung entsprechenden relevanten Verhaltens im Rahmen der Strafzumessung stellt einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler dar (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13; BGH, Urt. v. 27.1.2011 – 2 StR 493/10 - NStZ 2011, 512, 513 zur fehlenden Berücksichtigung des Nachtatverhaltens). Ein nach der Straftat liegendes Verhalten des Angeklagten darf in der Regel nur dann berücksichtigt werden, wenn es Schlüsse auf den Unrechtsgehalt der Tat zulässt oder Einblick in die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat gewährt (BGH, Urt. v. 24.7.1985 - 3 StR 127/85 - NStZ 1985, 545; BGH, Beschl. v. 3.5.2013 - 1 StR 66/13). Solches liegt bei einem Verhalten, welches Jahre nach der abgeurteilten Tat liegt, nicht ohne Weiteres vor (BGH, Beschl. v. 3.5.2013 - 1 StR 66/13). Das Gericht ist nicht gehindert, den Umstand, dass der Angeklagte seit Beendigung der verfahrensgegenständlichen Taten nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, strafmildernd zu berücksichtigen. Zwar lässt dieser Umstand die Taten nicht in einem milderen Licht erscheinen; jedoch kann hierin eine Stabilisierung der Lebensverhältnisse des Angeklagten zum Ausdruck kommen, die unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention innerhalb des Schuldrahmens berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Beschl. v. 25.4.2017 - 1 StR 606/16 Rn. 36; Eschelbach in SSW-StGB, 3. Aufl., § 46 Rn. 145). |
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135 |
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135.1 |
Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist
allein
der Versuch, sich selbst durch Beseitigung
von Tatspuren der
Strafverfolgung zu entziehen, kein zulässiger
Strafschärfungsgrund. Dies gilt selbst dann, wenn die Spurenbeseitigung
umsichtig oder kaltblütig vorgenommen wird
(vgl.
BGHR StGB § 46 Abs. 2 - Nachtatverhalten 13, 17, 18; BGH,
Beschl. v. 10.2.1994 - 1 StR 850/93 - StV 1995, 131; BGH,
Beschl.
v. 2.7.2002 - 1 StR 195/02; BGH,
Beschl. v. 27.4.2004 - 4 StR 126/04; BGH,
Beschl. v. 2.7.2002 - 1 StR 195/02; BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 2
StR 493/10; BGH, Urt. v. 19.1.2012 - 3 StR 413/11; BGH,
Beschl. v. 19.6.2013 - 2 StR 117/13: Angeklagter warf die Leiche in
den Main, um eine Entdeckung zu verhindern; Fischer, StGB, 61.
Aufl., § 46 Rn. 49). Anders kann es sich
allenfalls dann verhalten, wenn der Täter dadurch neues
Unrecht
schafft, er mit seinem Verhalten weitergehende Ziele verfolgt, die ein
ungünstiges Licht auf ihn werfen (BGHR StGB § 46 Abs.
2 -
Nachtatverhalten 13, 17, 18; BGH,
Beschl. v. 12.1.2000 - 1 StR 636/99; BGH,
Beschl. v. 2.7.2002 - 1 StR 195/02;
BGH, Urt. v. 27.1.2011 -
2 StR 493/10), das auf die Beseitigung der Leiche oder von
Spuren
der Tat gerichtete Verhalten Rückschlüsse auf die
innere
Einstellung der Tat zulässt oder den Unrechtsgehalt der Tat
erhöht (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13: Leichnam
wurde menschenverachtend „entsorgt“ und Angeklagte
hatten
versucht, den Eindruck zu erwecken, das getötete Kind sei
Opfer
eines sexuellen Missbrauchs geworden; BGH, Beschl. v.
6.12.1996 - 2 StR 468/96 - NStZ-RR 1997, 196 mwN). Der Versuch, sich der Strafverfolgung zu entziehen, darf nicht straferschwerend zu Lasten eines Angeklagten herangezogen werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 13, 17; BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 2 StR 493/10). So ist etwa die Erwägung, der Angeklagte und seine Mittäter hätten an den Tatorten keine verwertbaren Spuren hinterlassen, bedenklich, da es einem Täter unbenommen ist, sich der Strafverfolgung zu entziehen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2, Nachtatverhalten 13 und 18; BGH StraFO 2004, 278, 279; BGH, Beschl. v. 17.1.2006 - 4 StR 423/05). Beispiel: Dem Angeklagten darf etwa nicht erschwerend angelastet werden, dass er nach der Tat den Leichnam des Opfers beseitigt hat, um nicht in Verdacht zu geraten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 13, 17, 18; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - 4 StR 183/02 betr. Verbrennen der Leiche; BGH, Beschl. v. 3.8.2006 - 3 StR 247/06; BGH, Urt. v. 3.12.2008 - 2 StR 435/08 - NStZ-RR 2009, 103 betr. Fortschaffen der Leiche aus der Wohnung und deren Versenken in einem Fluß; Strafschärfende Berücksichtigung bejaht in BGH, Beschl. v. 12.1.2000 - 1 StR 636/99 betr. Zerstückelung und "Entsorgung" des Leichnams; BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 2 StR 493/10: "Vergraben des Leichnams und Bedecken der Grabstelle mit Erde, Laub und Ästen", dort jedoch neues Unrecht durch Wiederausgrabungsversuch zu Täuschungszwecken). Das Vernichten von Tatspuren ist für die Bemessung der Schuld regelmäßig ebensowenig von Bedeutung wie die pauschale Angabe, andere hätten die dem Täter vorgeworfene Tat begangen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 17, 18 und Verteidigungsverhalten 10; BGH, Beschl. v. 3.12.2003 - 5 StR 473/03). Dem Täter darf grundsätzlich die Beseitigung der Tatspuren als sog. Nachtatverhalten nicht angelastet werden, weil ihm der Versuch, sich der Strafverfolgung zu entziehen, unbenommen ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 16.1.1996 - 1 StR 660/95; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 13, 17; BGH, Beschl. v. 12.1.2000 - 1 StR 636/99). Zwar darf dem Täter nicht angelastet werden, daß er versucht, sich der Strafverfolgung zu entziehen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 13, 17; BGH bei Detter NStZ 2000, 579). Anders verhält es sich indessen, wenn der Täter dadurch neues Unrecht schafft oder er mit seinem Verhalten weitere Ziele verfolgt, die ein ungünstiges Licht auf ihn werfen (BGH NStZ-RR 1997, 99, 100 m.w.Nachw.; BGH, Beschl. v. 18.7.2001 - 3 StR 234/01). Beispiel: Die strafschärfende Erwägung, daß der Angeklagte "aus eigensüchtigen Motiven, nämlich um sich nicht der Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen auszusetzen und um das Sorgerecht seiner Lebensgefährtin nicht zu gefährden, die zum Wohl des Kindes offensichtlich gebotene ärztliche Untersuchung und zumindest schmerzlindernde Behandlung unterlassen" hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dadurch, daß der Angeklagte dem erkennbar schwer kopfverletzten Kleinkind zwei Wochen lang bis zu dessen Tod jede ärztliche Hilfe und Schmerzlinderung verweigert hat, hat er neues Unrecht - der Sache nach Mißhandlung einer Schutzbefohlenen in Form des böswilligen Vernachlässigens, jedenfalls aber eine weitere Körperverletzung durch Unterlassen - verwirklicht (vgl. BGH, Beschl. v. 18.7.2001 - 3 StR 234/01). siehe zur strafschärfenden Berücksichtigung von Verschleierungshandlungen durch Manipulation von Lohnbelegen, im Zshg. mit § 266a StGB, § 370 AO, die ihrerseits Ordnungswidrigkeiten darstellen --> Rdn. 187 |
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135.2 |
Ein
Straftäter ist nach der Rechtsordnung verpflichtet, den
dem Geschädigten zugefügten Schaden zu ersetzen und
die entwendete Beute wieder zurückzugeben. Wenn
er
diese Pflicht nicht erfüllt, sondern sich die
Möglichkeit
erhält, nach Strafverbüßung in den
Genuß der
Früchte seines verbrecherischen Tuns zu kommen, zeigt er damit
eine rechtsfeindliche
Haltung, die zu seinen Lasten
berücksichtigt
werden kann und muß (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Nachtatverhalten 12, 22). Etwas anderes kann in dem Sonderfall gelten,
in dem ein leugnender Angeklagter durch eine Schadenswiedergutmachung
seine Verteidigungsposition gefährdet (vgl. BGH,
Urt. v.
16.12.2004 - 3 StR 362/04). Ein Angeklagter, der sich damit verteidigt, er habe mit der Entwendung der Gelder nichts zu tun, kann, ohne seine Verteidigungsposition zu gefährden, weder den Schaden wiedergutmachen noch Angaben dazu machen, wo sich die Tatbeute befindet. Der Hinweis auf den Verbleib der Gelder und die Schadenswiedergutmachung würden vielmehr das Eingeständnis seiner Schuld bedeuten. Ein solches Verhalten kann aber vom Täter nicht mit der Folge erwartet werden, daß ihm schon dessen bloße Unterlassung zur Strafschärfung gereicht (BGH, Beschl. v. 13. Mai 1980 - 1 StR 11/80; BGH NJW 1979, 1835; NStZ 1981, 343; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 8; BGH, Urt. v. 4.9.2002 - 2 StR 80/02). Betr. Wiedergutmachung durch Ausgleich des vermögensrechtlichen Schadens siehe etwa: BGH, Beschl. v. 18.2.2005 - 1 StR 40/05 - wistra 2005, 307 |
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135.2.1 |
Die
Strafbarkeit einer eigentlich straflosen mitbestraften
„Nachtat“ kann wieder aufleben (BGHSt 38, 366, 368
f.; 39,
233, 235; BGH,
Beschl. v. 13.11.2008 - 5 StR 344/08 - wistra 2009, 105;
vgl. auch Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 164).
Dass die Taten ihrem Charakter nach (mitbestrafte) Nachtaten (etwa
Sicherungsbetrügereien) waren, kann allerdings ein
Strafzumessungsgesichtspunkt sein. Ebenso wie nachfolgende
Betrugshandlungen zur Sicherung der Tatbeute sich bei der Ahndung der
Haupttat strafschärfend auswirken (Rissing-van Saan in LK 12.
Aufl. vor § 52 Rdn. 160), kann bei der isolierten Verfolgung
der
(mitbestraften) Nachtat (etwa des Sicherungsbetrugs) zu Gunsten des
Täters Berücksichtigung finden, dass der
Vermögensschaden bereits durch eine verjährte
Straftat vorher
eingetreten war. Ob hierin ein bestimmender Strafzumessungsgrund im
Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zu sehen ist, hat der
Bundesgerichtshof in BGH,
Beschl. v. 13.11.2008 - 5 StR 344/08 - wistra
2009, 105 offen gelassen. Ist die mitbestrafte Nachtat durch ihr eigenständiges 'Sicherungsunrecht' gekennzeichnet, indem der Angeklagte etwa eine weitere Tatbestandsvariante verwirklichte, kann auch diese Tat bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2016 - 1 StR 375/15 Rn. 4; BGH, Beschl. v. 3.2.2016 - 1 StR 383/15 Rn. 4; Rissing-van Saan, LK 12. Aufl., vor § 52 StGB Rn. 160). siehe auch: § 52 StGB - Mitbestrafte Nachtat; § 267 StPO, Urteilsgründe --> Rdn. 100.1 |
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140 |
Die
Aufklärungshilfe des Angeklagten kann nach dem vertypten
Strafmilderungsgrund des neu eingefügten
§ 46b
StGB
und dem
des § 31
BtMG zur Strafmilderung führen. siehe hierzu auch § 46b StGB, Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten; § 31 BtMG, Strafmilderung oder Absehen von Strafe Vom Angeklagten geleistete Aufklärungshilfe ist allgemein (deliktsunabhängig) als strafmildernd zu berücksichtigender Umstand anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 27.7.2000 - 4 StR 189/00; BGH, Beschl. v. 2.8.2000 - 5 StR 143/00; BGH, Beschl. v. 5.4.2001 - 4 StR 106/01; BGH, Beschl. v. 12.7.2002 - 2 StR 62/02; BGH, Urt. v. 7.5.2009 - 3 StR 122/09; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl. Rdn. 375). In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 31 Nr. 1 BtMG ist von einer erfolgreichen und deshalb strafmildernd wirkenden Aufklärungshilfe nicht bereits dann auszugehen, wenn der Angeklagte eine Person benannt hat, die nach seiner nicht bewiesenen Darstellung als Mittäter in Frage kommt. Voraussetzung ist vielmehr die Überzeugung des Tatrichters, dass die Darstellung des Angeklagten über die Beteiligung des anderen an der Tat zutrifft. Der Grundsatz in dubio pro reo gilt jedoch insoweit nicht (BGH, Beschl. v. 14.7.1988 - 4 StR 154/88 - BGHR BtMG § 31 Nr. 1, Aufdeckung 7; BGH, Beschl. v. 5.8.2010 - 3 StR 271/10). |
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141 |
Schon aus dem nemo-tenetur-Grundsatz (§§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2, 243 Abs. 5 Satz 1 StPO) folgt, dass der Beschuldigte in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht verpflichtet ist, aktiv die Sachaufklärung zu fördern und an seiner eigenen Überführung mitzuwirken (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2004 – 1 StR 364/03 - BGHSt 49, 56, 59 f.). Dementsprechend darf ihm mangelnde Mitwirkung an der Sachaufklärung nicht strafschärfend angelastet werden (BGH, Beschl. v. 8.11.1995 – 2 StR 527/95 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 17 mwN; BGH, Beschl. v. 22.5.2013 - 4 StR 151/13). | |
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143 |
Grundsätzlich
kann auch ein Versuch,
mit dem Opfer zu einem Ausgleich zu gelangen,
Rückschlüsse auf die innere Haltung des
Täters zulassen
und sich strafmildernd auswirken (Theune in LK 12. Aufl. § 46
Rn.
214), auch wenn er an fehlender Einigung über die
Durchführungsmodalitäten gescheitert ist (BGH,
Beschl. v.
25.8.2010 - 1 StR 393/10). Die Auffassung, bei der konkreten Gewichtung
dieses Versuchs sei es aus Rechtsgründen bedeutungslos, ob der
Angeklagte zugleich sein Fehlverhalten uneingeschränkt
einräumt oder ob er dem Geschädigten zu Unrecht die
Schuld,
zumindest ein erhebliches Mitverschulden, an dem Geschehen zuschiebt,
trifft nicht zu. Dies folgt aus den Grundsätzen zum
Täter-Opfer-Ausgleich. Auch § 46a StGB verlangt, dass
der
Angeklagte die Rolle des Geschädigten (insbesondere eines
Sexual-
oder Gewaltdelikts) als Opfer respektiert. Verteidigt er sich dagegen
mit dem (unzutreffenden) Hinweis auf Fehlverhalten des
Geschädigten, kommt eine Strafmilderung im Blick auf einen
Täter-Opfer-Ausgleich auch dann nicht in Betracht, wenn
zugleich
Zahlungen erfolgen oder angeboten werden (vgl. BGHSt 48, 134, 141 f.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es
daher nicht
zu beanstanden, dass das Tatgericht bei der Bewertung des Angebots des
Angeklagten an den Geschädigten sein sonstiges
Verteidigungsverhalten nicht aus dem Blick verloren hat (vgl. BGH,
Beschl. v. 25.8.2010 - 1 StR 393/10). Beispiel: Der Angeklagte hat sich hinsichtlich des Geschehensverlaufs im Einzelnen unterschiedlich, im Kern aber insoweit stets gleich bleibend damit verteidigt, im Ausgangspunkt habe nicht er den Geschädigten mit einem Messer attackiert, sondern dieser ihn. Ohne diese Behauptung aufzugeben, ließ der Angeklagte gegen Ende der Hauptverhandlung Schadensersatz und Schmerzensgeld anbieten, allerdings zu Konditionen, die der Geschädigte, der zunächst nur 1.000 € ausbezahlt bekommen sollte, nachvollziehbar ablehnte. Auf dieser Grundlage ist strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte letztlich eine „Bereitschaft zur zivilrechtlichen Verantwortungsübernahme … signalisiert“ habe. Dieser Gesichtspunkt sei jedoch dadurch relativiert, dass der Angeklagte dem Käufer nach wie vor zu Unrecht die Rolle des Aggressors zuweise. Hiergegen wendet die Revision ein, die Verteidigung des Angeklagten habe die Grenzen des Zulässigen nicht überschritten. Hieraus dürften ihm keine nachteiligen Konsequenzen erwachsen, auch nicht in Form der Relativierung einer strafmildernden Erwägung (vgl. BGH, Beschl. v. 25.8.2010 - 1 StR 393/10). Auch wenn die Voraussetzungen von § 46a StGB fehlen, kann doch eine auf Zwangsvollstreckung beruhende Schadensbeseitigung oder -verringerung im Blick auf den letztlichen Erfolgsunwert der Tat für die Strafzumessung Bedeutung gewinnen (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rn. 320). Auch ein Schuldanerkenntnis, oder - soweit als glaubhaft bewertet - die Ankündigung künftigen Verhaltens kann bei der Strafzumessung berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 11.10.2010 - 1 StR 359/10 - NStZ 2011, 170). siehe zu Ausgleichsbemühungen insbesondere: § 46a StGB, Rdn. 10 ff. Nachdem das Tatgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte Schulden hat und nur Arbeitslosengeld bezieht, liegt die Annahme fern, dass ihm ein Vorwurf daraus zu machen ist, weil er bisher keinen Schadensersatz geleistet hat. Eine Erläuterung seiner abweichenden Bewertung hat das Tatgericht im Urteil nicht mitgeteilt (vgl. BGH, Beschl. v. 24.9.2015 - 2 StR 362/15). |
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145 |
Gegenstand
eines auf das Verhalten nach der Tat gestützten
schulderhöhenden Umstands kann auch die Einstellung des
Angeklagten zur Tat sein (vgl. BGHR StGB § 46
Abs. 2
Nachtatverhalten 9), etwa wenn Feststellungen getroffen werden, aus
denen die dafür gebotene besondere Missachtung gerade des
Tatopfers spricht (vgl. BGHR aaO Nachtatverhalten 11; BGH,
Beschl. v.
18.12.2007 - 5 StR 530/07; Schäfer, Praxis der
Strafzumessung
3.
Aufl. Rdn. 376). Mimik und Gestik anläßlich einer "demütigenden" Befragung der Mutter des sexuell mißbrauchten Kindes, und einer "an eine Prüfungssituation erinnernde" Befragung des Sachverständigen wie auch seine erfreute Reaktion auf die Mitteilung, die Geschädigte sei wegen der Gefahr einer Selbsttötung in ein Krankenhaus aufgenommen worden, können dem Tatgericht den Ausdruck einer zu mißbilligenden Einstellung vermitteln, die eine Strafschärfung rechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4; BGH NStZ-RR 1999, 328; BGH, Beschl. v. 5.11.2003 - 1 StR 368/03 - wistra 2004, 66). |
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150 |
Nachteilige
Folgen der Tat sind für den Täter nicht
schlechthin strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. BGH,
Urt.
v.
20.7.2005 - 2 StR 168/05 - wistra 2005, 458; BGH,
Urt. v. 7.6.2006 - 2
StR 72/06; BGH,
Urt. v. 7.6.2006 - 2 StR 42/06 - wistra 2006, 343; vgl.
auch Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl.
§ 46 Rdn.
55). Wer bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich selbst
(zwar
nicht gewollt, aber) bewußt auf sich genommen hat, verdient
in
der Regel keine strafmildernde Berücksichtigung solcher Folgen
(vgl. BGH,
Urt. v. 20.7.2005 - 2 StR 168/05 - wistra 2005, 458; vgl.
auch Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl.
§ 46 Rdn.
55). Gehen jedoch die Tatfolgen für den Angeklagten etwa durch
Insolvenz und persönliche Inanspruchnahme für
Kreditverbindlichkeiten in ihrer wirtschaftlichen Dimension
über
den bloßen Betrugsschaden hinaus, so dürfen sie
zugunsten
des Angeklagten in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGH,
Urt.
v. 22.3.2006 - 5 StR 475/05; BGH,
Urt. v. 7.11.2007 - 1
StR
164/07 - wistra 2008, 58). Beispiel: Zugute halten, dass die Angeklagte nunmehr mit dem Bewusstsein leben muss, ihr eigenes und auch das Leben ihres noch zu ihr stehenden Ehemannes in wirtschaftlicher Hinsicht zerstört zu haben (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2006 - 2 StR 72/06). Zu berücksichtigen sein kann eine besondere Belastung des Angeklagten durch ein hohes Interesse der Medien an dem Verfahren (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 5; BGH, Urt. v. 15.3.2001 - 5 StR 454/00 - BGHSt 46, 310 ff. - NJW 2001, 2102; BGH, Urt. v. 23.10.2007 - 5 StR 270/07; BGH, Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR 164/07 - wistra 2008, 58). Wer jedoch - noch dazu an exponierter Stelle - in Ausübung seines Amtes Verfehlungen begeht, muss mit einem besonderen Interesse an seiner Person und seiner Amtsausübung auch für den Fall der Durchführung eines Strafverfahrens rechnen (vgl. BGH NJW 2000, 154, 157; BGH, Beschl. v. 16.4.2008 - 1 StR 83/08 - wistra 2008, 265; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.6.2001 - 5 StR 69/01 betr. Medienberichterstattung aufgrund von Erkenntnissen, die in rechtlich bedenklicher Weise erworben wurden). Allein eine "aggressive und vorverurteilende" Berichterstattung hat für die Strafbemessung regelmäßig keine wesentliche Bedeutung (vgl. BGH, Beschl. v. 20.10.1999 - 3 StR 324/99 - NStZ 2000, 137; BGH, Beschl. v. 30.3.2011 - 4 StR 42/11; BGH, Urt. v. 7.9.2016 – 1 StR 154/16 Rn. 34; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 63 mwN). Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn der Angeklagte unter der Berichterstattung in besonderer Weise gelitten hat (vgl. etwa BGH, Urt. v. 23.10.2007 - 5 StR 270/07). Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Druck der medialen Berichterstattung weit über das hinausging, was jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss, dessen Fall in das Licht der Öffentlichkeit gerät (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR 164/07 - NStZ-RR 2008, 343, 344; BGH, Beschl. v. 30.3.2011 - 4 StR 42/11; BGH, Beschl. v. 14.10.2015 - 1 StR 56/15). Soweit auf die „erheblichen psychischen Belastungen“ angesichts einer drohenden Haftstrafe abgestellt wird, die sich in einer „sehr angespannten emotionalen Verfassung des Angeklagten“ ausgedrückt habe, kann ihnen zwar strafmildernde Bedeutung beigemessen werden. Es kommen darin jedoch keine besonderen Umstände zum Ausdruck, die sich wesentlich von der Situation unterscheiden, in der sich jeder Beschuldigte befindet, dem eine nicht mehr zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe droht (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2012 - 1 StR 525/11). |
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155 |
Das von den Angeklagten in der Hauptverhandlung gezeigte „völlig coole und überheblich-arrogante Verhalten“ läßt nicht ohne weiteres auf eine grundsätzlich rechtsfeindliche Gesinnung schließen, sondern kann auch Ausdruck der noch fehlenden Reife und eines gewissen gruppendynamischen Drucks sein (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2005 - 4 StR 469/04). Aus dem Aussageverhalten des Angeklagten, der die Taten bestritten hat, dürfen nicht in unzulässiger Weise nachteilige Schlüsse gezogen werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 24; BGH, Beschl. v. 2.12.2004 - 4 StR 452/04). Gleiches gilt für den Angeklagten, der den Tatvorwurf bestreitet und keine Reue zeigt (vgl. BGH, Beschl. v. 4.6.2002 - 3 StR 155/02; BGH, Beschl. v. 19.6.2013 - 2 StR 117/13: emotionsloses Nachtatverhalten des zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten). Im übigen erscheint es fraglich, ob es überhaupt möglich ist, aus dem Verhalten eines Angeklagten im Verfahren für ihn nachteilige sichere Schlüsse auf seine Einstellung zur Tat ziehen zu können (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.1995 - 4 StR 688/95; BGH, Beschl. v. 7.1.1997 - 4 StR 601/96; BGH, Beschl. v. 5.4.2001 - 4 StR 106/01). | |
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160 |
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160.1 |
Zulässiges
Verteidigungsverhalten darf nicht zum Nachteil des
Angeklagten berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v.
16.7.1996
- 5 StR 370/96; BGH, Beschl. v. 21.2.1997 - 2 StR 30/97; BGH,
Beschl.
v. 23.5.2000 - 1 StR 193/00; BGH,
Beschl. v. 25.6.2002 - 5 StR 202/02; BGH,
Urt. v. 20.11.2007 - 1 StR 442/07; BGH,
Beschl. v. 4.8.2009 - 1
StR 300/09 - StV 2010, 17). Die Bewertung von
zulässigem
Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten ist auch dann nicht
zulässig, wenn der Schuldspruch bereits rechtskräftig
und nur
noch über die Strafe zu befinden ist (BGHR StGB § 46
Abs. 2
Nachtatverhalten 19 m. w. N.; BGH,
Beschl. v. 4.11.2008 - 3 StR 336/08-
NStZ-RR 2009, 148; BGH, Beschl. v. 15.5.2012 - 3 StR 121/12; siehe
hierzu auch das Beispiel --> Rdn. 160.4). Zulässiges
Verteidigungsverhalten ist
grundsätzlich nicht geeignet, das Maß der
individuellen
Schuld zu vertiefen (vgl. BGH,
Beschl. v. 15.3.2005 - 5 StR 592/04 -
wistra 2005, 227; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. §
46 Rdn.
50 ff. m.w.N.). Ein Prozeßverhalten, mit dem ein Angeklagter
-
ohne die Grenzen zulässiger Verteidigung zu
überschreiten -
den ihm drohenden Schuldspruch abzuwenden versucht, darf
grundsätzlich nicht straferschwerend berücksichtigt
werden,
da hierin eine Beeinträchtigung seines Rechts auf Verteidigung
läge (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verteidigungsverhalten 17; BGH,
Beschl. v. 23.4.2002 - 1 StR 100/02; BGH,
Beschl. v. 14.12.2004 -
4 StR 237/04) und sein Recht, sich zu verteidigen, mittelbar
in Frage
gestellt werde würde (BGH wistra 1988, 303; BGH,
Beschl. v.
13.2.2001 - 4 StR 562/00; BGH,
Beschl. v. 6.9.2001 - 3 StR 283/01).
Dies gilt nicht nur dann, wenn er eine unrichtige Einlassung
unverändert aufrechterhält, sondern auch, wenn er dem
Anklagevorwurf mit jedenfalls teilweise wahrheitswidrigem Vorbringen zu
begegnen sucht (BGH, Beschl. v. 8.11.1995 - 2 StR 527/95 - BGHR StGB
§ 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 17; BGH, Beschl. v.
22.5.2013 -
4 StR 151/13). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf auch im
Rahmen der Prüfung des § 66 StGB weder hang-
noch
gefahrbegründend verwertet werden (BGH NJW 1992, 3247; NStZ
2001,
595, 596; 2010, 270, 271; BGH, Beschl. v. 5.4.2011 - 3 StR 12/11, Rn.
7; BGH, Beschl. v. 13.9.2011 - 5 StR 189/11, Rn. 17; BGH, Beschl. v.
4.2.2014 - 3 StR 451/13). siehe auch zum Verbot, zulässiges Verteidigungsverhalten als hang- oder gefahrbegründend zu bewerten: § 66 StGB Rdn. 20 Ein Verhalten des Täters nach der Tat kann strafschärfend wirken, wenn es trotz der ihm zustehenden Verteidigungsfreiheit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit oder die Gefahr künftiger Rechtsbrücheungünstige Schlüsse auf seine Persönlichkeit zulässt (vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1981 - 3 StR 61/81; BGH, Urt. v. 24.7.1985 - 3 StR 127/85; BGH, Beschl. v. 7.9.2011 - 1 StR 343/11; BGH, Beschl. v. 20.10.2011 - 1 StR 354/11; BGH, Beschl. v. 15.5.2012 - 3 StR 121/12) hinweist oder andere mit der Tat zusammenhängende oder wenn die Grenzen angemessener Verteidigung eindeutig überschritten sind und das Vorbringen des Angeklagten eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält (vgl. BGH, Urt. v. 8.4.2004 - 4 StR 576/03; BGH, Beschl. v. 7.9.2011 - 1 StR 343/11; BGH, Beschl. v. 20.10.2011 - 1 StR 354/11; zum Ganzen auch Stree/ Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 46 Rn. 41 mwN; Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 378 ff.). Dass der Angeklagte seine wahre Identität vor dem Landgericht nicht preisgegeben hat, hält sich im Rahmen seines zulässigen Verteidigungsverhaltens (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2013 – 4 StR 151/13 - StV 2013, 697; BGH, Urt. v. 17.6.2015 - 5 StR 140/15) und durfte auch nicht bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 17.6.2015 - 5 StR 140/15). |
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160.2 |
Das
Geständnis eines Angeklagten ist ein bestimmender
Strafzumessungsgrund gemäß § 267 Abs. 3
Satz 1 StPO
(vgl. BGH, Beschl. v. 13.11.1997 – 4 StR 539/97 - StV 1998,
481).
Ihm kann eine strafmildernde Bedeutung nur abgesprochen werden, wenn es
ersichtlich nicht aus einem echten Reue- und
Schuldgefühl
heraus abgegeben worden ist, sondern auf
„erdrückenden
Beweisen“ beruht (BGH, Beschl. v. 28.1.2014 - 4 StR 502/13;
BGH,
Urt. v. 28.8.1997 – 4 StR 240/97 - BGHSt 43, 195,
209; BGH,
Beschl. v. 3.12.1998 – 4 StR 606/98 - DAR 1999, 195
f.). Zwar ist der Tatrichter nicht gehindert, das strafmildernde
Gewicht einer geständigen Einlassung geringer zu
bewerten,
wenn es von prozesstaktischen Erwägungen bestimmt ist (vgl.
BGH,
Beschl. v. 8.5.2007 – 1 StR 193/07 - NStZ-RR 2007, 232). Das
gilt
auch in dem Fall, in dem der Angeklagte nur das einräumt, was
durch die Beweisaufnahme ohnehin schon zur Überzeugung des
Gerichts feststeht (BGH, Beschl. v. 21.2.1989 – 1 StR 697/88
-
BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 3). Daran
gemessen
sind etwa die Angaben des
Angeklagten nicht bedeutungslos, wenn das Gericht seine
Überzeugung an mehreren Stellen auch auf
entsprechende
Bekundungen des Angeklagten gestützt hat und durch seine in
keinem
Punkt als widerlegt oder unglaubhaft bewerteten Angaben die
geständige Einlassung des Mitangeklagten bestätigt
und
ergänzt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 28.1.2014 - 4 StR 502/13;
vgl.
auch BGH, Beschl. v. 9.10.2013 - 4 StR 414/13). Daß der Angeklagte nur zugegeben hat, was ihm durch die Festnahmesituation sowie die Ergebnisse der Telefonüberwachung und der Observierungen ohnehin unschwer hätte bewiesen werden können, mindert das Gewicht der Geständnisse für die Strafzumessung (vgl. BGHSt 43, 195, 209; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 3; BGH, Beschl. v. 11.3.1998 - 3 StR 620/97; BGH, Urt. v. 21.8.2003 - 3 StR 234/03). Nach ständiger, durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, NJW 2013, 1058) nicht berührter Rechtsprechung ist es dem Tatgericht nicht verwehrt, dem Geständnis des Angeklagten eine wesentliche strafmildernde Bedeutung auch dann zuzumessen, wenn der Angeklagte das Geständnis nicht offensichtlich in erster Linie aus Schuldeinsicht und Reue, sondern aus verfahrenstaktischen Gründen – etwa im Rahmen einer Verständigung – abgegeben hat und es ihm deshalb vor allem als Beitrag zur Sachaufklärung und Verfahrensabkürzung zugute gehalten werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 28.8.1997 – 4 StR 240/97 - BGHSt 43, 195, 209; BGH, Urt. v. 12.12.2013 - 5 StR 444/13). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann dann geringer sein, wenn prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und das Tatgericht dies durch das in den Urteilsgründen dargelegte sonstige Prozessverhalten bestätigt sah (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2007 - 1 StR 193/07; G. Schäfer, Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 383 f.). Der Umstand, dass bei dem Angeklagten "keinerlei echte Reue" festzustellen gewesen sei, kann zwar die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses relativieren, ist aber nicht straferschwerend zu werten (vgl. BGH, Beschl. v. 4.9.2012 - 2 StR 248/12). Demgegenüber kann die strafmildernde Bewertung eines Geständnisses "von ganz außergewöhnlichem Wert" sein, welches dem Angeklagte besonders zugute gehalten wird, weil mit diesem die im Kern nahezu ausschließlich tragende Verurteilungsgrundlage gelegt wird und das als eine bewußte Wahrnehmung der Verantwortung für eigenes Fehlverhalten zu betrachten ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05). Die noch als Spontangeständnis zu bewertenden Angaben können durch den wesentlich später im Rahmen einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung und in der Hauptverhandlung geltend gemachten - indes gänzlich unplausiblen - Nötigungsnotstand und die hinsichtlich der Art des inkorporierten Rauschgifts gemachte Angabe (gekochtes Marihuana) auch angesichts des bestehenden Tatverdachts nicht als wesentlich entwertet anzusehen sein (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2010 - 5 StR 509/09; Fischer, StGB 57. Aufl. § 46 Rdn. 50 zur Strafzumessung bei Teilbestreiten). Bezieht sich ein Geständnis auf bereits anderweitig bewiesene, gar rechtskräftig festgestellte Tatumstände, kommt ihm nur geringes Gewicht zu (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2016 - 2 StR 549/15 Rn. 3; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 50a). Bleibt es zudem hinter den getroffenen rechtskräftigen Feststellungen zurück, reduziert sich seine strafmildernde Wirkung grundsätzlich weiter. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der besonderen Verfahrenskonstellation, in der zwei Taten Gegenstand des (auch gegen andere Angeklagte geführten) Verfahrens sind, der Angeklagte aber nur hinsichtlich einer Tat angeklagt und auch nur insoweit geständig ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2016 - 2 StR 549/15 Rn. 3). Bei der Beurteilung der Motive für die Ablegung eines Geständnisses ist aber im Zweifel von der für den Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen (vgl. BGH DAR 1999, 195; BGH, Beschl. v. 8.5.2007 - 4 StR 173/07 - NJW 2008, 452). Die Urteilsausführungen: "Insbesondere konnte bzw. wollte der Angeklagte die positiven und aus Sicht der Kammer grundsätzlich besonders gewichtigen mildernden Gesichtspunkte eines umfassenden Geständnisses sowie einer qualifizierten Aufklärungshilfe nicht für sich in Anspruch nehmen. Indem er bis zuletzt seine Tat fälschlich erheblich relativierte, hat er Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Willens zur Verantwortungsübernahme geweckt" lassen besorgen, dass das Landgericht das Verteidigungsverhalten des Angeklagten rechtsfehlerhaft zu dessen Nachteil gewertet hat (BGH, Beschl. v. 4.8.2010 - 3 StR 192/10 - StraFo 2011, 60; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.6.1995 - 3 StR 177/95 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 16 mwN). Beispiel: Das Landgericht hat bei der konkreten Strafbemessung zu Gunsten des Angeklagten ein bereits im Ermittlungsverfahren abgelegtes Geständnis berücksichtigt, dessen Wert allerdings eingeschränkt, weil der Angeklagte insbesondere die objektiven, bei einem Bodypacker leicht zu belegenden Umstände angegeben und zu seinen früheren Südamerikareisen die Unwahrheit gesagt hatte (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.2013 - 2 StR 466/13). Der Umstand, dass der Angeklagte zu früheren Südamerikareisen nach der Überzeugung des Landgerichts (das insoweit nicht von Urlaubsreisen des Angeklagten ausgeht, sondern die Vermutung hegt, auch diese Reisen seien im Zusammenhang mit Drogengeschäften durchgeführt worden), die Unwahrheit gesagt habe, kann nicht die schuldmindernde Einräumung des gegenständlichen Tatvorwurfs relativieren, der mit den genannten Reisen in keinem Zusammenhang steht. Im Übrigen wird damit dem Angeklagten - was unzulässig wäre - vorgeworfen, auch insoweit kein "Geständnis" abgelegt zu haben (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.2013 - 2 StR 466/13; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46 Rn. 50 b). siehe zum Geständnis im Einzelnen: Beweiswürdigung (zu § 261 StPO) Rdn. - Geständnis |
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160.3 |
Verzichtet
der Angeklagte auf eine ihm zustehende Möglichkeit
der
Wahrnehmung prozessualer Rechte, kann dies zu seinen Gunsten gewertet
werden. Beispiel: Der Angeklagte hat von der ihm zustehenden Möglichkeit, die Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 4 StPO wegen erst später bekannt gewordenen umfangreichen Aktenmaterials zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht und damit eine zügige Erledigung der Hauptverhandlung ermöglicht; vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2005 - 5 StR 119/05 - wistra 2006, 96). |
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160.4 |
Das Leugnen der Tat
stellt ein zulässiges
Verteidigungsverhalten
eines Angeklagten dar. Der Gesichtspunkt, dass dadurch der
Geschädigten eine erneute - gerichtliche - Vernehmung nicht
erspart bleibt, darf daher - für sich gesehen - nicht zu
Lasten
des Angeklagten gewertet werden (vgl. hierzu BGHR StGB § 46
Abs. 2
Verteidigungsverhalten 15;
BGH, Beschl. v. 4.12.2003 - 4 StR 439/03; BGH,
Beschl. v. 16.9.2009 - 2 StR 233/09). Von dem Angeklagten
kann
auch nicht verlangt werden, dass er sich von seiner Tat distanziert.
Solches würde hier nachteilige Folgen an ein bestimmtes
Verteidigungsverhalten knüpfen und die Freiheit der
Verteidigung
unzulässig einschränken (vgl. BGH,
Beschl. v.
6.3.2008 - 5
StR 192/07 - NStZ 2008, 453; Schäfer, Praxis der
Strafzumessung 3.
Aufl. Rdn. 379 m.w.N.). Verteidigungsverhalten, selbst wenn es objektiv
sinnlos ist, darf - von Ausnahmefällen abgesehen -,
grundsätzlich nicht zum Nachteil des Angeklagten
berücksichtigt werden. Dies schließt jedoch die im
Ansatz
den Angeklagten begünstigende Prüfung, ob
Verteidigungsverhalten Anhaltspunkte für eine im Sinne des
§
21 StGB bedeutsame Schuldminderung bietet, nicht aus (vgl. BGH,
Beschl.
v. 11.3.2003 - 1 StR 458/02). Dem Angeklagten kann selbst bei
einem rechtskräftigen
Schuldspruch nicht vorgeworfen werden,
daß
er nicht (in vollem Umfang) geständig ist (vgl. u.a. BGHR StGB
§ 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; BGH, Beschl. v. 15.5.2012 - 3
StR
121/12). Beispiel: Dem Angeklagten wird straferschwerend angelastet, dass er seine zivilrechtlich angestrengte Klage gegen die (Feuer-)Versicherung in der Berufungsinstanz weiter verfolge, auch nachdem der Schuldspruch wegen versuchten Betruges zum Nachteil dieser Versicherung (der die Tat bestreitende Angeklagte hatte nach den Feststellungen des Tatgerichts einen Dritten veranlasst, ein in seinem Eigentum stehendes Gebäude in Brand zu setzen, um die Auszahlung von Versicherungsleistungen zu erreichen) in demselben Strafverfahren rechtskräftig geworden sei, was auf eine ausgeprägte Rechtsfeindschaft des Angeklagten schließen lasse (vgl. BGH, Beschl. v. 15.5.2012 - 3 StR 121/12). Einem Angeklagten darf es nicht zum Nachteil gereichen, dass er die Tat bestreitet und infolgedessen keine Schuldeinsicht und Reue zeigt. Dies gilt auch dann, wenn nach einem rechtskräftigen Schuldspruch nur noch über den Strafausspruch verhandelt wird (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4 u. 19 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 4.11.2008 - 3 StR 336/08 - NStZ-RR 2009, 148;BGH, Beschl. v. 15.5.2012 - 3 StR 121/12). Der Angeklagte war in dem vorgenannten Beispielsfall von Rechts wegen auch nach Rechtskraft des strafrechtlichen Schuldspruchs nicht gehindert, die Tat weiterhin zu leugnen und die ihm nach seinem Vorbringen gegen die Feuerversicherung zustehenden Ansprüche zivilrechtlich weiter zu verfolgen. Im deutschen Rechtssystem ist das Zivilverfahren grundsätzlich nicht durch das Ergebnis des Strafverfahrens präjudiziert. Vielmehr findet dort an den Sachvortrag der Parteien anknüpfend gegebenenfalls eine eigenständige Beweisaufnahme statt, die grundsätzlich durchaus zu einem anderen Ergebnis als die im Strafprozess unter Beachtung der Offizialmaxime durchgeführte Sachverhaltsermittlung führen kann. Deshalb war der Angeklagte nicht verpflichtet, seine Berufung gegen das erstinstanzliche zivilrechtliche Urteil nach Rechtskraft des strafrechtlichen Schuldspruchs zurückzunehmen. Allein aus der legitimen Fortführung des Zivilprozesses kann daher nicht auf eine besondere Rechtsfeindschaft des Angeklagten geschlossen werden, wenn darüber hinausgehende Umstände, die einen solchen Schluss rechtfertigen könnten (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 12.6. 1986 - 4 StR 245/86 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 1; BGH, Urt. v. 8.6.1988 - 3 StR 9/88 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 14; siehe auch oben Rdn. 160.1) nicht festgestellt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 15.5.2012 - 3 StR 121/12). Zum Nachteil des Angeklagten darf selbst in diesem Verfahrensstadium nicht verwertet werden, dass er sich etwa "mit Rücksicht auf das noch nicht abgeschlossene Zivilverfahren bislang nicht entschuldigt" (BGH, Beschl. v. 4.11.2008 - 3 StR 336/08 - NStZ-RR 2009, 148; BGH, Beschl. v. 15.5.2012 - 3 StR 121/12). Grundsätzlich darf als Nachtatverhalten nicht zu Lasten eines Angeklagten gewertet werden, dass er – selbst nach Rechtskraft des Schuldspruchs – die Tatbegehung weiterhin leugnet (BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – 1 StR 589/13 - NStZ 2014, 396, 397 mwN). Dabei macht es im rechtlichen Ausgangspunkt regelmäßig keinen entscheidenden Unterschied, ob dies durch Leugnung der Täterschaft aus tatsächlichen Gründen oder durch rechtliche Erwägungen, wie die Überzeugung sich gegen vermeintlich rechtswidriges Verhalten des Staats wehren zu dürfen, erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 9.5.2017 - 1 StR 626/16 Rn. 6). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf lediglich dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn es im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des Täters auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – 1 StR 589/13 - NStZ 2014, 396, 397). Es darf auch nicht gegen ihn berücksichtigt werden, daß er nur zögerlich das Tatgeschehen zugestanden hat. Dem Angeklagten kann auch in der Regel (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 15) nicht angelastet werden, wenn das Tatopfer noch einmal vernommen werden muß (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2002 - 2 StR 48/02 - StV 2002, 599). Daß der Angeklagte den Tatvorwurf bestritten hat und daß daher eine Vernehmung des Tatopfers in der Hauptverhandlung erforderlich war, kann ihm nicht vorgeworfen werden, denn dazu war er befugt (vgl. BGH, Beschl. v. 27.10.2000 - 2 StR 401/00 - StV 2002, 74). Wenn der Angeklagte etwa erst nach umfangreichen Angaben von Belastungszeugen ein Geständnis abgelegt hat, so handelt es sich um ein zulässiges Verteidigungsverhalten, das nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Beschl. vom 25. Juni 2002 - 5 StR 202/02 - m.w.N.; BGH, Urt. v. 20.11.2007 - 1 StR 442/07). Mit dem Bestreiten einer einschlägigen Vortat (etwa Darstellung als durch Notwehr gerechtfertigte Tat), ebenso wie mit dem Bestreiten der verfahrensgegenständlichen Tat, werden die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens nicht überschritten. Nachteile dürfen dem Angeklagten aus einer solchen Einlassung nicht entstehen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 - Verteidigungsverhalten 17 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 5.9.2001 - 5 StR 226/01). Bedenklich, da in die gleiche Richtung weisend, ist auch die zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwägung, der Angeklagte sei "vom Ausmaß seiner Schuld keineswegs überzeugt" (vgl. BGH, Beschl. v. 5.9.2001 - 5 StR 226/01). Ebenfalls fehlerhaft ist es, zu Ungunsten des Angeklagten zu werten, "daß er, um von den Taten abzulenken, Verschwörungstheorien ... aufbaute" und deshalb "die Hauptverhandlung durch Vernehmung verschiedener Zeugen deutlich verlängert werden (mußte), obgleich zum Tatgeschehen selbst gar nichts ermittelt werden konnte". Ein zulässiges Verteidigungsverhalten des ganz oder teilweise bestreitenden Angeklagten darf grundsätzlich nicht straferschwerend berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.2000 - 4 StR 179/00 - StV 2002, 74). Rechtsfehlerhaft ist die strafschärfende Wertung, dass der Angeklagte durch unzutreffende Angaben versucht habe, das Gericht über eine berufliche Beschäftigung zur Tatzeit „zu täuschen, um sich ein falsches Alibi zu verschaffen“. Damit hat der Angeklagte aber die Grenzen prozessual zulässigen Verteidigungsverhaltens (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 53 f. mwN) selbst dann nicht überschritten, wenn er dadurch den Tatverdacht zwangsläufig auf sonstige in Betracht kommende Personen als Alternativtäter lenken wollte (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2012 - 5 StR 453/12). Auch wenn mit der Entscheidung des Revisionsgericht der Schuld- und Strafausspruch in Rechtskraft erwachsen ist, darf dem Angeklagten, solange über die Anordnung der Sicherungsverwahrung noch keine rechtskräftige Entscheidung getroffen wurde, nicht vorgeworfen werden, die ihm zur Last liegenden (Sexual-)Straftaten nicht eingeräumt zu haben, zumal gerade auf diese bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung abzustellen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 21.8.2014 - 1 StR 320/14). |
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160.4.1 |
Fehlende Reue darf
dem Angeklagten nicht angelastet werden, wenn er
damit seine Verteidigungsposition aufgeben müsste (etwa wenn
er
ein strafbares Verhalten bestritten und sich auf Notwehr
gegenüber
einem vorausgegangenen Angriff des Nebenklägers berufen hat)
(vgl. BGH,
Beschl. v. 13.6.2000 - 4 StR
179/00; BGH,
Beschl. v. 11.9.2001 - 4
StR 321/01; BGH,
Beschl. v. 7.11.2007 - 5 StR 477/07; BGH,
Beschl. v.
20.9.2005 - 3 StR 303/05; BGH,
Beschl. v. 2.12.2004 - 4 StR 452/04; BGH,
Beschl. v. 7.3.2001 - 1 StR 22/01; Fischer, StGB, 58. Aufl.,
§ 46 Rn. 50) oder wenn er sich nicht zur Sache
eingelassen hat (vgl. BGH,
Beschl. v. 17.3.2005 - 5 StR 57/05; BGH,
Beschl. v. 12.8.2005 - 2 StR 306/05). Dies gilt auch
bei
Jugendlichen.
Auch dem jugendlichen Angeklagten steht das Recht zu, sich effektiv
gegen den Schuldvorwurf zu verteidigen, ohne befürchten zu
müssen, dass ihm daraus Nachteile erwachsen (BGH StraFo 2003,
206,
207; BGH, Urt. v. 4.12.1997 - 5 StR 468/97; BGH,
Beschl. v. 7.10.2009 -
2 StR 283/09 - NStZ-RR 2010, 88). Aber auch beim geständigen Angeklagten begegnen die zu seinen Lasten berücksichtigte Erwägung rechtlichen Bedenken, er habe "keinerlei Reue" gezeigt, sein Geständnis sei nicht durch Reue und den Willen zur Wiedergutmachung getragen, er habe nur zum Ausdruck gebracht, das Verfahren abkürzen zu wollen, um möglichst bald ein Leben in Freiheit verbringen zu können, sein Wille, sich bei den Opfern zu entschuldigen oder gar Wiedergutmachung zu leisten, habe er nicht andeutungsweise zum Ausdruck gebracht (vgl. BGH, Beschl. v. 12.2.2008 - 4 StR 623/07 - wistra 2008, 263; vgl. auch BGH, Beschl. v. 9.7.2002 - 3 StR 207/02 betr. "keine wirkliche Reue" und "Beschönigung"). Beispiel: Nach der Tötung seiner Frau versteckte der Angeklagte zunächst die Tatwaffe und seine blutverschmierte Kleidung im Wald - dies ist nicht strafschärfend berücksichtigt - und ging dann in ein Lokal. Hier traf er zufällig X, die ihn fragte, wo seine Frau sei. Er erwiderte, sie sei zu einem Auftritt (der Bauchtanzgruppe) nach München gefahren. Später traf er auch noch Y, mit dem er "einige" - offenbar belanglose - "Worte wechselte". Das Tatgericht würdigt dieses Verhalten strafschärfend, weil es zeige, daß sich der Angeklagte von seiner Tat nicht distanziert, sondern sich mit ihr identifiziert habe. Da sich aus alledem nicht ergibt, daß sich der Angeklagte seiner Tat berühmt hätte, legt die Strafkammer dem Angeklagten damit im Ergebnis fehlende Reue zur Last. Von einem bestreitenden Angeklagten kann weder Schuldeinsicht noch Reue verlangt werden, da sich niemand selbst belasten muß. Nichts anderes gilt, wenn ein Täter, dessen Tat noch nicht bekannt ist, sich gegenüber Außenstehenden unauffällig verhält und auf nicht zielgerichtete, beiläufige Fragen, die er richtig nur mit einem Geständnis beantworten könnte, unzutreffende Antworten gibt (vgl. BGH, Beschl. v. 7.3.2001 - 1 StR 22/01). Unzulässig ist bei Bestreiten des Angeklagten die Erwägung, die "ausgeworfene Gesamtfreiheitsstrafe" sei "zur nachhaltigen Einwirkung auf den in der Hauptverhandlung völlig ungerührt auftretenden Angeklagten erforderlich." Da der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten bestritten hat, konnte von ihm in der Hauptverhandlung ein anderes Verhalten, etwa das Zeigen von Mitgefühl gegenüber der ihn - nach seiner Darstellung fälschlicherweise belastenden - Zeugin, nicht erwartet werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 6; BGH, Beschl. v. 6.3.2001 - 4 StR 558/00 - StV 2001, 456). Die Erwägung, der Angeklagte habe Unrechtseinsicht vermissen lassen und versuche, das Tatgeschehen zu bagatellisieren, läuft darauf hinaus, von ihm die Aufgabe seiner Verteidigungsposition zu verlangen. Die nachteilige Verwertung eines zulässigen Verteidigungsverhaltens ist sowohl bei der Strafzumessung als auch bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung rechtsfehlerhaft (vgl. BGHR StGB § 46 II Nachtatverhalten 5 und 24; § 56 I Sozialprognose 4 und 18; § 56 II Gesamtwürdigung, unzureichende 6; BGH NStZ 1985, 545; BGH, Beschl. v. 18.4.2001 - 3 StR 101/01 - StV 2001, 505). Die im Rahmen der Gesamtstrafenbildung erfolgte strafschärfende Berücksichtigung der fehlenden "vollen Unrechtseinsicht und einer ernst zu nehmenden Reue" ist bei dem teilweise bestreitenden Angeklagten rechtlich bedenklich (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4, 5, 24; BGH, Beschl. v. 25.4.2001 - 3 StR 117/01). Wird zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „im Verlaufe des über fünf Monate dauernden Prozesses keinerlei Einsicht“ hat erkennen lassen, dass „er möglicherweise in fehlerhafter Weise agiert“ hat, und bis zum Schluss darauf beharrte, „alles besser zu wissen und nichts falsch gemacht zu haben“, lässt dies besorgen, dass prozessual zulässiges Verteidigungsverhalten zu Unrecht strafschärfend berücksichtigt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 4.8.2010 - 3 StR 192/10; BGH, Beschl. v. 9.5.2007 - 1 StR 199/07). Einer Angeklagten darf es nicht zum Nachteil gereichen, dass sie bestimmte Tatbeteiligungen oder auch Tatveranlassungen bestreitet und infolgedessen bspw. keine Einsicht darin zeigt, dass möglicherweise nur auf ihre Hinweise hin die Angeklagten sich zur Tat entschlossen (BGH, Beschl. v. 29.1.2014 - 1 StR 589/13). Zum Nachteil eines bestreitenden Angeklagten darf bspw. nicht verwertet werden, dass er kein Mitgefühl und keine Schuldeinsicht gezeigt hat (BGH, Beschl. v. 16.9.1988 – 2 StR 124/88 - StV 1989, 199) oder nach Rechtskraft eines Schuldspruchs auch noch weiterhin die Tat leugnet (BGH, Beschl. v. 15.5.2012 – 3 StR 121/12). Eine andere Bewertung ist nur zulässig, wenn ein Angeklagter bei seiner Verteidigung ein Verhalten an den Tag legt, das im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des Täters auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 7.11.1986 – 2 StR 563/86 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; BGH, Beschl. v. 4.11.1993 – 1 StR 655/93 - StV 1994, 125). |
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160.4.2 |
Nicht
nur das Leugnen der Tat stellt zulässiges
Prozessverhalten
dar. Auch, wenn der Angeklagte versucht, die Tat in einem wesentlich
milderen Licht darzustellen darf ihm dies nicht strafschärfend
angelastet werden (BGH,
Beschl. v. 23. Mai 2000 - 1 StR 193/00; BGH,
Beschl. v. 6.9.2001 - 3 StR 283/01; BGH, Beschl. v.
4.8.2009 – 1 StR 300/09 - NStZ 2010, 270; BGH, Beschl. v.
26.10.2011 - 5 StR 267/11). Rechtlich bedenklich ist die Erwägung "dass der Angeklagte zwar geständig war, doch bis zum Schluß der Verhandlung immer wieder versuchte, das Unrecht seiner Taten herunterzuspielen", da es sich dabei um erlaubtes Verteidigungsverhalten handelte (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 17; BGH, Beschl. v. 30.7.2002 - 4 StR 148/02; vgl. auch BGH, Beschl. v. 2.5.2000 - 1 StR 136/00: "völlig uneinsichtig und ohne Reue"). Wenn der Angeklagte die Taten „leugnet oder bagatellisiert“ ist dies zulässiges Verteidigungsverhalten. Wobei unter Bagatellisierung nicht die Verharmlosung oder Geringschätzung gestandener Maßen zugefügten Leides, insbesondere eingeräumter schwerer Verletzungen, oder gar die Verhöhnung der Opfer zu verstehen ist - dies dürfte dem Angeklagten angelastet werden -, sondern allein der Versuch des Angeklagten, das ihm vorgeworfene Verhalten anders darzustellen oder in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, wie etwa das Bestreiten von Fausthieben und der Behauptung, er habe stattdessen nur mit der flachen Hand zugeschlagen (vgl. BGH, Beschl. v. 4.8.2009 - 1 StR 300/09 - StV 2010, 17). Der Versuch eines Angeklagten, das ihm vorgeworfene Verhalten sachlich anders darzustellen oder wegen tatsächlicher Umstände in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, stellt zulässiges Verteidigungsverhalten dar (s.o.), das ihm auch im Zuge der Maßregelanordnung nicht angelastet werden darf (BGH, Urt. v. 16.9.1992 – 2 StR 277/92 - NJW 1992, 3247; BGH, Beschl. v. 25.2.2000 – 2 StR 555/99 - StV 2002, 19; BGH, Beschl. v. 13.11.2007 – 3 StR 341/07 - StV 2008, 301; BGH, Beschl. v. 5.4.2011 – 3 StR 12/11 - StV 2011, 482; BGH, Beschl. v. 13.9.2011 – 5 StR 189/11). Andernfalls wäre der Angeklagte gezwungen, seine Verteidigungsstrategie aufzugeben, will er hinsichtlich der Sicherungsverwahrung einer ihm ungünstigen Entscheidung entgegenwirken (vgl. BGH, Beschl. v. 25.2.2000 – 2 StR 555/99 - StV 2002, 19; BGH, Beschl. v. 26.10.2011 - 5 StR 267/11). siehe hierzu näher: § 66 StGB Rdn. 40.5 aF - Berücksichtigung des Prozessverhaltens |
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160.4.3 |
Äußerte der Angeklagte in seinem letzten Wort, daß er die nach seiner Behauptung allein von dem Mittäter begangene Tat für verwerflich halte, konnte er sich als bestreitender Angeklagter von einer Tat, die er nach eigener Einlassung nicht begangen hatte, distanzieren und diese auch als "verwerflich" charakterisieren. Das zulässige Verteidigungsverhalten eines Angeklagten darf aber nicht zu seinen Lasten verwertet werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8, 17 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 28.11.2001 - 5 StR 434/01). | |
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160.4.4 |
Im
übrigen darf von dem Angeklagten nicht in
unzulässiger
Weise verlangt werden, daß er sich unter Zugrundelegung der
zu
seinen Lasten gereichenden Strafzumessungserwägung selbst
hätte belasten sollen und mit einem solchen Vorgehen
zwangsläufig seine eigene Bestrafung riskieren müssen
(vgl. BGH,
Beschl. v. 29.1.2003 - 2 StR 509/02 - wistra 2003, 227: betr.
Einschreiten gegen die korruptive Pflichtwidrigkeiten anderer bei
vorangegangenen eigenen korruptiven Pflichtwidrigkeiten, die den
anderen bekannt sind). Gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit verstößt es etwa, wenn straferschwerend gewürdigt wird, "dass der Angeklagte trotz mehrfacher Nachfrage durch die Polizei, als er erkennen musste, dass eine folgenlose Freilassung der Nebenklägerin für ihn nicht mehr in Betracht kam, deren Anwesenheit nicht preisgegeben hat" (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2010 - 3 StR 125/10). Gleiches gilt, wenn bei der Bemessung der Strafen straferschwerend gewürdigt wird, dass der Angeklagte vielfältige ihm unterbreitete Hilfsangebote "in den Wind geschlagen" und es vorgezogen habe, "den Umstand, dass er sich mit Kindern und Jugendlichen regelmäßig traf und Fußball spielte, zu verschweigen und für sich zu behalten." Dies lässt besorgen, das Landgericht habe bei der Strafzumessung strafschärfend zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser sein strafbares Verhalten nicht offenbart habe. Das ist im Hinblick auf den auch bei der Strafzumessung geltenden Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46 Rn. 49 mwN) rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschl. v. 23.7.2013 - 1 StR 204/13). |
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160.4.5 |
Zwar darf dem Täter kein Nachteil daraus erwachsen, daß er die Tat bestreitet und damit nicht in der Lage ist, Umstände vorzutragen, die sich strafmildernd auswirken können. Deshalb ist in solchen Fällen von der für den Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGHR StGB § 213 Beweiswürdigung 1 m.w.N.). Der Zweifelssatz bedeutet jedoch nicht, daß das Gericht von der dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muß, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; BGH StV 2001, 666 f.; BGH, Urt. v. 11.4.2002 - 4 StR 585/01 betr. Notwehrsituation; BGH, Urt. v. 5.2.2003 - 2 StR 321/02 betr. Annahme eines minder schweren Falls nach § 213 StGB). | |
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160.4.6 |
Zum
Nachteil
des die Tat
bestreitenden Angeklagten darf grundsätzlich nicht verwertet
werden, dass er sich nicht um die Wiedergutmachung des Schadens
bemüht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 23.9.1992 - 1 StR 501/92 -
BGHR
StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 19; BGH, Beschl. v.
15.5.2012 -
3 StR 121/12). Zwar ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, das Unterlassen einer Schadenswiedergutmachung zu Lasten eines geständigen Täters zu berücksichtigen (BGHSt 34, 345; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 12). Das setzt jedoch voraus, dass der Täter durch eine Wiedergutmachung seine Verteidigungsposition nicht in Frage stellt (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 22). Die Begründung, eine solche Wiedergutmachung hätte darin bestehen können, die Geschädigte „nicht dadurch, dass er ihre Angaben für unwahr hinstellte, in die Vernehmung zu zwingen oder sich bei ihr - in ihrem Beisein - zu entschuldigen“, lässt besorgen, dass das Tatgericht dem Angeklagten, der nach den Urteilsfeststellungen erst am Ende der Beweisaufnahme geständig war, rechtsfehlerhaft zulässiges Verteidigungsverhalten angelastet hat. Denn ebenso wenig wie das Fehlen eines Geständnisses strafschärfend gewertet werden darf, darf bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass er die Tat nicht schon früher gestanden hat (vgl. BGH, Beschl. v. 21.5.2008 - 2 StR 162/08 - NStZ 2009, 43). Dass das Tatgericht bei der Prüfung minder schwerer Fälle zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt hat, dass diese sich bei den Tatopfern nicht entschuldigt und dass sie "keinerlei Anstalten gemacht (hat), die Schäden … zurück zu zahlen", ist rechtlich zumindest bedenklich (vgl. BGH, Beschl. v. 7.2.2007 - 2 StR 577/06). |
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160.4.7 |
Schweigt ein Angeklagter nicht umfassend, sondern macht er zu einem bestimmten Sachverhalt eines einheitlichen Geschehens Angaben zur Sache und unterlässt insoweit lediglich die Beantwortung bestimmter Fragen, so kann dieses Schweigen (sog. Teilschweigen) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von indizieller Bedeutung sein (BGH, Urt. v. 26.5.1992 - 5 StR 122/92 - BGHSt 38, 302, 307 - StV 1992, 355; siehe hierzu im Einzelnen m.w.N.: Beweiswürdigung (zu § 261 StPO) Rdn. 15.6 - Teileinlassung). Diese Grundsätze über die Verwertbarkeit des Teilschweigens können aber nicht unbeschränkt auf die Bewertung des sonstigen prozessualen Verhaltens eines Angeklagten, der sich zur Sache einlässt, übertragen werden. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2000 (BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 531/99 - BGHSt 45, 367, 369 - StV 2000, 293) dürfen nachteilige Schlüsse aus der Wahrnehmung prozessualer Rechte durch einen Angeklagten jedenfalls dann nicht gezogen werden, wenn dieses Prozessverhalten nicht in einem engen und einem einer isolierten Bewertung unzugänglichen Sachzusammenhang mit dem Inhalt seiner Einlassung steht (BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 531/99 - BGHSt 45, 367, 369 - StV 2000, 293 betr. Nichtentbindung des Verteidigers von der Schweigepflicht und Erscheinen zum Speicheltest im Beisein eines Anwalts; BGH, Beschl. v. 5.10.2010 - 3 StR 370/10 - StV 2011, 269 betr. Schlußfolgerungen zu Lasten des Angeklagten aus dessen Weigerung, seinen (damaligen) Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden). | |
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160.5 |
Angesichts
der konkreten Verfahrenssituation, auf die es bei der
Beurteilung zulässigen Verteidigungsverhaltens ankommt (vgl.
BVerfG NJW 1991, 29), kann es aus der Sicht des Angeklagten
erforderlich erscheinen, seiner bestreitenden Einlassung dadurch
besondere Überzeugungskraft zu verleihen, daß er den
Belastungszeugen der Lüge bezichtigt. Daß er sich
dazu einer
scharfen Ausdrucksweise bedient, rechtfertigt für sich
regelmäßig noch keine andere Bewertung, wenn sich
der
Vorwurf gegen einen Zeugen auf die Aussage zur
verfahrensgegenständlichen Tat bezieht und nicht etwa einen
vom
maßgeblichen "Streitstoff" losgelösten allgemeinen Angriff
auf die Ehre des Zeugen beinhaltet (vgl. BVerfG NJW 1991,
2074, 2076). Letzteres ist in der Rechtsprechung
beispielsweise in der Bezeichnung eines als Zeuge vernommenen
Polizeibeamten als "bedenkenloser Berufslügner" gesehen worden
(Hans. OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 103 f.; BGH,
Urt. v. 8.4.2004 - 4 StR
576/03). Das Prozeßverhalten eines Angeklagten, mit dem er den Angaben eines Belastungszeugen entgegentritt, darf bei der Strafzumessung nicht ohne weiteres zu seinen Lasten berücksichtigt werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4). Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Angeklagter im Rahmen seiner Verteidigung einen Belastungszeugen als unglaubwürdig hinstellen, ohne für den Fall des Mißerfolgs schon deshalb eine schärfere Bestrafung befürchten zu müssen (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 1; BGH, Urt. v. 28.11.2000 - 5 StR 299/00; vgl. auch BGH, Beschl. v. 22.9.2011 - 2 StR 313/11: Vorlage von Bildaufnahmen und Zeichnungen). So darf dem Angeklagten etwa nicht angelastet werden, dieser habe versucht, „den Lebenswandel der Geschädigten gegen sie zu verwenden, um sie in ein schlechtes Licht zu rücken“, wenn der Angeklagte mit seinen sich gegen deren Glaubwürdigkeit richtenden Einwänden die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens nicht überschritten hat (vgl. BGH, Beschl. v. 7.5.2014 - 5 StR 151/14). Jedoch kann im Einzelfall ein Angriff des Angeklagten auf die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen strafschärfendes Gewicht erlangen, wenn er die Grenze angemessener Verteidigung eindeutig überschreitet und sein Vorbringen eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält und Rückschlüsse auf eine rechtsfeindliche Einstellung des Angeklagten zulassen (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 19; BGH StV 1995, 633; BGH NStZ-RR 1999, 328; BGH, Urt. v. 28.11.2000 - 5 StR 299/00; BGH, Beschl. v. 5.11.2003 - 1 StR 368/03 - wistra 2004, 66; BGH, Urt. v. 8.4.2004 - 4 StR 576/03; BGH, Beschl. v. 14.9.2011 - 2 StR 277/11). Inwieweit dabei Angriffe auf die Ehre eines Zeugen erlaubt sind, beurteilt sich nach § 193 StGB (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 1, 14; BGH, Beschl. v. 6.3.2001 - 4 StR 558/00 - StV 2001, 456). Der in dem Bestreiten des Angeklagten liegende Vorwurf der uneidlichen falschen Aussage des Belastungszeugen ist, da er inhaltlich zugleich das Leugnen belastender Tatsachen bedeutet, durch den Verteidigungszweck gerechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 14; BGH, Beschl. v. 6.3.2001 - 4 StR 558/00 - StV 2001, 456). Hinweise auf eine besondere Rechtsfeindschaft oder Gefährlichkeit oder eine hiernach unzulässige Herabwürdigung des Zeugen können allein dem Umstand, daß der Angeklagte den Zeugen der Lüge bezichtigt hat, nicht ohne weiteres entnommen werden (vgl. BGH StV 1994, 424; BGH, Beschl. v. 2.5.2000 - 1 StR 136/00). Inwieweit solche Angriffe, die die Ehre eines Zeugen berühren, erlaubt sind, beurteilt sich nach § 193 StGB (vgl. BGHSt 14, 48, 51; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 14 m.w.N.; BGH StV 1985, 146, 147; BGH, Urt. v. 8.4.2004 - 4 StR 576/03). Daß der Angeklagte versucht hat, einen anderen "als Haupttäter vorzuschieben," vermag allein die Annahme einer rechtsfeindlichen Gesinnung des Angeklagten nicht zu rechtfertigen; denn es ist einem eine Straftat leugnenden Angeklagten unbenommen, sich damit zu verteidigen, daß er anderen die Schuld an der Tat zuschiebt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10). Zwar können zusätzliche Umstände im Rahmen einer Falschbelastung, etwa eine Verleumdung oder Herabwürdigung (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 5) oder die Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung (BGH NStZ 1988, 35) eine Strafschärfung rechtfertigen (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10), solche Umstände müssen aber dargelegt werden (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2000 - 5 StR 299/00). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es einem eine Straftat leugnenden Angeklagten unbenommen, sich damit zu verteidigen, dass er anderen die Schuld an der Tat zuschiebt; auch dann, wenn sich diese Anschuldigungen als haltlos erweisen, darf eine belastende Zurechnung bei der Strafzumessung grundsätzlich nicht erfolgen (vgl. Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 50 ff.; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4, 5, 10). Wird in diesem Fall die durch den Angeklagten erfolgte Belastung des anderen strafschärfend bewertet, ist dies rechtsfehlerhaft (vgl. auch BGH, Beschl. v. 14.12.2006 - 4 StR 411/06). Anders kann es sich allerdings verhalten - und dann eine Strafschärfung rechtfertigen - wenn Umstände im Rahmen einer Falschbelastung hinzukommen, nach denen sich das Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (BGH aaO). Ein solcher Umstand kann auch darin gesehen werden, dass der die Tat leugnende Angeklagte einen völlig Unschuldigen der Tatbegehung bezichtigt (s.o., vgl. BGH, Beschl. v. 23.3.2007 - 2 StR 92/07; BGH, Beschl. v. 22.3.2007 - 4 StR 60/07 - NStZ 2007, 463; BGH StV 1995, 633, 634; BGH, Urt. v. 18.6.2014 - 5 StR 60/14: Falschbebezichtigung des Sohnes). Die Grenzen zulässiger Verteidigungsstrategie sind dabei jedenfalls überschritten, wenn in der Einlassung eine besonders herabwürdigende Verleumdung des von dem Angeklagten Bezichtigten gesehen werden kann (BGH, Beschl. v. 22.3.2007 - 4 StR 60/07 - NStZ 2007, 463; vgl. auch BGH, Urt. v. 5.4.2007 - 4 StR 5/07 - wistra 2007, 341). Etwas anderes kann gelten, wenn der Angeklagte seine falschen Behauptungen noch am gleichen Tag zurückgenommen und sich geständig gezeigt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 23.3.2007 - 2 StR 92/07). Beispiel: (zulässige - nicht strafschärfend zu wertende - Falschbelastung): Der Angeklagte stellt den Tatvorwurf durchgehend in Abrede und läßt sich dahin ein, das in seinem früheren PKW aufgefundene Haschisch gehöre ihm nicht. Er habe das Fahrzeug zuvor an seinen - jetzt im Ausland lebenden, bereits wegen BtM-Delikten in Erscheinung getretenen - Bekannten x.y. verkauft und es diesem durch Aushändigung der Fahrzeug- und Garagenschlüssel auch bereits übertragen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.3.2007 - 4 StR 60/07 - NStZ 2007, 463). Das Vernichten von Tatspuren ist für die Bemessung der Schuld regelmäßig ebensowenig von Bedeutung wie die pauschale Angabe, andere hätten die dem Täter vorgeworfene Tat begangen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 17, 18 und Verteidigungsverhalten 10; BGH, Beschl. v. 3.12.2003 - 5 StR 473/03). Auch wenn „Rechtfertigungsstrategien“, wie etwa die Behauptung der besonders schweren Vergewaltigung zum Nachteil von Prostituierten Angeklagten, er sei selbst zuvor Betrugsopfer von Prostituierten in Tschechien gewesen und er habe in diesem Bereich einen „rechtsfreien Raum“ gesehen, nicht allzu überzeugend erscheinen, stellt dies eine verbotene oder auch nur die Belange der Geschädigten grob missachtende Verteidigungsstrategie nicht dar (vgl. BGH, Beschl. v. 4.8.2009 - 1 StR 300/09 - StV 2010, 17). Wird bei der Ablehnung eines minderschweren Falles und bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend gewertet, der Angeklagte habe durch die wahrheitswidrige Behauptung, er sei vom Geschädigten grundlos mit einem Messer angegriffen worden und dessen Verletzungen seien bei seinen Abwehrbemühungen entstanden, diesen in unzulässiger Weise in Misskredit gebracht und damit die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens überschritten, ist dies rechtsfehlerhaft, wenn unter den gegebenen Umständen in einem solchen Verteidigungsverhalten weder eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende Ehrverletzung des Tatopfers noch eine rechtsfeindliche Gesinnung gesehen werden kann (BGH StV 1999, 536 f.; BGH, Beschl. v. 6.7.2010 - 3 StR 219/10). siehe zur wahrheitswidrigen Notwehrbehauptung ausführlich: § 223 StGB Rdn. S.3.4.1.5. Die zu Lasten des Angeklagten angeführte Strafzumessungserwägung, er habe „mit zornerfüllter, lauter Stimme ausgeführt, selbst im Falle eines Freispruches aus Zweifelsgründen das Urteil anfechten und keine Ruhe geben zu wollen, bis klargestellt sei, dass die beiden Nebenklägerinnen Lügnerinnen seien“, ist im Hinblick auf das Bestreiten der Tatvorwürfe durch den Angeklagten nicht unbedenklich (vgl. BGH, Beschl. v. 13.8.2013 - 2 StR 108/13 Rn. 8; vgl. auch BGH, Urt. v. 8.4.2004 – 4 StR 576/03 - NStZ 2004, 616 f.; BGH, Beschl. v. 2.5.2000 – 1 StR 136/00). |
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160.6 |
Das bloße Dulden einer falschen Aussage in der Hauptverhandlung darf nicht strafschärfend gewertet werden. Ein solches Prozeßverhalten erfüllt - von Ausnahmen abgesehen - keinen Straftatbestand (vgl. BGHSt 17, 321; vgl. auch BGH, Beschl. v. 22.7.2015 - 1 StR 323/15). Es dennoch strafschärfend zu verwerten, wäre nur dann zulässig, wenn es nicht allein auf Furcht vor Bestrafung beruhte, sondern Ausdruck von Rechtsfeindlichkeit und Uneinsichtigkeit wäre (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.1993 - 3 StR 491/92 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 20 und Verteidigungsverhalten 12; BGH, Beschl. v. 24.3.1995 - 4 StR 113/95; BGH, Beschl. v. 10.3.1998 - 4 StR 66/98; BGH, Beschl. v. 4.12.2003 - 4 StR 439/03; BGH, Beschl. v. 20.4.2004 - 4 StR 474/03 - wistra 2004, 297; BGH, Beschl. v. 22.7.2015 - 1 StR 323/15). Dies käme insbesondere dann in Betracht, wenn der Angeklagte die Zeugen zu den Falschaussagen zu seinen Gunsten veranlaßt oder sie in Kenntnis ihrer Bereitschaft hierzu als Zeugen benannt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2003 - 4 StR 439/03; BGH, Beschl. v. 22.7.2015 - 1 StR 323/15). | |
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160.7 |
Das
Schweigen als zulässiges Verteidigungsverhalten darf dem
Angeklagten weder bei der Strafzumessung noch bei der Prüfung
der
Voraussetzungen der Maßregel der Sicherungsverwahrung
angelastet
werden. Auf eine mangelnde Auseinandersetzung mit den hiesigen, vom
Angeklagten nicht eingeräumten Taten kann weder die
Begründung des Hangs noch der Gefahrenprognose
gestützt
werden (vgl. BGH, Beschl. v. 23.8.2013 - 1 StR 135/13; BGH, Beschl. v.
20.3.2012 - 1 StR 64/12 - StV 2012, 597; BGH, Beschl.
v. 26.10.2011 - 5 StR 267/11 - NStZ-RR 2012, 9). Zu Lasten eines Angeklagten darf nicht herangezogen werden, dass die Therapie vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen den weitgehend bestreitenden Angeklagten eine Auseinandersetzung mit den ihm vorgeworfenen Taten vermissen lasse. Die berührt das Schweigerecht des Angeklagten (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.2008 - 4 StR 452/07 Rdn. 9) und - bei entsprechender Ausrichtung der Therapie - den Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare (BGH, Beschl. v. 4.8.2009 - 1 StR 300/09 - StV 2010, 17). Die Begründung, mit der das Tatgericht der über seinen Verteidiger abgegebenen Erklärung des Angeklagten, dass ihm leid tue, was damals passiert sei, eine strafmildernde Bedeutung abgesprochen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, wenn ausgeführt wird, dass dem Angeklagten im Hinblick auf diese Erklärung weder ein Geständnis noch Reue zugutegehalten werden könnten, insbesondere weil der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens gestanden habe, könne auch nicht "unterstellt werden", dass er die Taten mit dieser Erklärung habe einräumen wollen noch dass er diesbezügliche Reue zum Ausdruck gebracht habe. Damit hat die Strafkammer - ungeachtet ihrer Beteuerung, das Nichtvorliegen eines Geständnisses "selbstverständlich" nicht zu seinen Lasten verwertet zu haben - das Schweigen des Angeklagten zur Sache zu seinem Nachteil verwendet. Denn sie hat wegen des mangelnden Geständnisses des Angeklagten seiner Erklärung des Bedauerns über die Vorfälle keine strafmildernde Bedeutung zugemessen (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2015 - 3 StR 416/15). |
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160.8 |
Wie bei der Strafzumessung darf zulässiges Verteidigungsverhalten auch im Zusammenhang mit Sicherungsverwahrung nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden (vgl. nur BGH StV 1993, 469; BGH b. Pfister NStZ-RR 2000, 365 m.w.N.), selbst wenn der Schuldspruch schon rechtskräftig ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4, 19 m. w.N.; zum Vollstreckungsverfahren vgl. demgegenüber OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 346 f. m.w.N.). Dies beruht jedoch nicht darauf, daß Verteidigungsverhalten an sich schon im Ansatz als Grundlage zur Beurteilung der Persönlichkeit ungeeignet wäre, sondern darauf, daß niemand gehalten ist, sich selbst zu belasten ("nemo tenetur ...."-Grundsatz), also auf rechtlichen (normativen) Erwägungen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.1.2003 - 1 StR 512/02 - StV 2003, 430). | |
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160.9 |
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf einem bestreitenden Angeklagten sein Verteidigungsverhalten auch im Hinblick auf die Gefährlichkeitsprognose beim Berufsverbot nicht angelastet werden (BGH NJW 2001, 3349; BGH, Beschl. v. 26.2.2003 - 2 StR 411/02 - wistra 2003, 231; BGHR StGB § 46 Nachtatverhalten 2; BGHR StGB § 70 Abs. 1 Dauer 1; BGH, Beschl. v. 30.10.2003 - 3 StR 276/03 - wistra 2004, 61). | |
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160.10 |
Es
besteht der
Grundsatz, dass aus dem prozessualen Verhalten der Verweigerung an der
Mitwirkung an der Sachaufklärung kein belastendes Indiz zum
Nachteil des Angeklagten hergeleitet werden darf.
Verstöße
hiergegen können dem Beweisverwertungsverbot unterliegen (vgl.
BGH, Beschl. v. 5.10.2010 - 3 StR 370/10 - StV 2011, 269; siehe auch oben Rdn. 160.4.7 -
Teilschweigen). |
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Verfahrensdauer / Zeitlicher Abstand |
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165 |
Es
kann - unabhängig vom Vorliegen eines Konventionsverstosses
-
bereits der lange zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil zu einem wesentlichen
Strafmilderungsgesichtspunkt
führen, ohne dass es
insoweit auf die Dauer des Verfahrens selbst ankäme (vgl. BGH
StV
1992, 452; StV 1994, 652; StV 1998, 377; BGH, Beschl. v. 21.12.1998
– 3 StR 561/98 - NJW 1999, 1198; BGHR StGB § 46 Abs.
2
Verfahrensverzögerung 6, 13; BGH, Beschl. v. 3.3.1993 - 5 StR
67/93; BGH, Beschl. v. 15.9.1993 - 5 StR 523/93; BGH, Urt. v.
20.12.1995 – 2 StR 468/95 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zeitablauf
1; BGH,
Beschl. v.
6.11.2001 - 4 StR 461/01; BGH,
Urt. v. 21.2.2002 - 1 StR 538/01;
BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – GSSt 1/07 - BGHSt 52,
124, 141
f.; BGH, Beschl. v. 29.9.2015 – 2 StR 128/15 -
NStZ-RR 2016,
7; BGH, Beschl. v. 9.6.2017 - 1 StR 45/17 Rn. 8; OLG
Oldenburg, Urt. v. 29.1.2007 - Ss 353/06 (I 119)). Ein großer
zeitlicher Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie eine lange
Verfahrensdauer und ihre nachteiligen Auswirkungen auf den Angeklagten
stellen regelmäßig selbst dann gewichtige
Milderungsgründe dar, wenn diese sachlich bedingt waren (vgl.
BGH
NStZ
1986, 217, 218; 1991, 181; NJW 1990, 56; BGH, Beschl. v. 16.6.2009
– 3 StR 173/09 - BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 20; BGH, Beschl. v. 21.12.2010 - 2
StR 344/10 - StV 2011, 406; BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 1 StR 260/09 -
NStZ 2011, 420; BGH, Beschl. v. 16.3.2011 - 5 StR 585/10;
BGH, Beschl. v. 29.9.2015 - 2 StR 128/15; Schäfer/Sander/van
Gemmeren, Praxis
der Strafzumessung, 4. Aufl. Rn. 438; Fischer StGB 58. Aufl. §
46
Rn. 61 jew. mwN). Das Schweigen der Urteilsgründe hierzu legt
nahe, dass das Tatgericht diese bestimmenden Milderungsgründe
im
Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO in seiner Bedeutung
verkannt
hat (vgl. BGH, Beschl. v. 16.3.2011 - 5 StR 585/10 - NStZ-RR
2011, 171; BGH, Beschl. v. 29.9.2015 - 2 StR 128/15; BGH, Beschl. v. 9.6.2017 - 1 StR 45/17 Rn. 9). Der Ablauf der Zeit mindert zwar nicht die Tatschuld, doch kann er Tat und Täter in einem günstigeren Licht erscheinen lassen, als es bei schneller Ahndung der Fall gewesen wäre; dies gilt insbesondere, wenn sich die Tat durch den Zeitablauf als einmalige Verfehlung des Täters erwiesen, er sich inzwischen jahrelang einwandfrei geführt und der Verletzte die Folgen der Tat überwunden hat (BGH, Beschl. v. 29.10.2015 - 3 StR 342/15 Rn. 7; LK/Theune, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 240). Ein langer Zeitablauf nach der Tat führt deshalb nicht nur zu einer Minderung des Sühneanspruchs, weil das Strafbedürfnis allgemein abnimmt (BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – GSSt 1/07 - BGHSt 52, 124, 141 f.), sondern erfordert auch eine gesteigerte Prüfung der Wirkungen der Strafe für den Täter (BGH, Beschl. v. 20.2.1998 - 2 StR 20/98 - BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 35; BGH, Beschl. v. 29.10.2015 - 3 StR 342/15 Rn. 7). Das Strafbedürfnis nimmt mit langem Zeitablauf seit der Begehung der Tat ab (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – GSSt 1/07 - BGHSt 52, 124, 142). Das gilt prinzipiell auch für Missbrauchsdelikte (vgl. BGH, Beschl. v. 13.5.2015 – 2 StR 535/14 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 40). Der 2. Senat neigt zu der Auffassung, dass dem zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil im Rahmen der Strafzumessung auch bei Taten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Ansatz die gleiche Bedeutung zukommt, wie bei anderen Straftaten (BGH, Beschl. v. 6.4.2016 - 2 StR 219/15; BGH, Beschl. v. 14.6.2016 - 2 ARs 67/16). Dies entspricht der Auffassung des 3. Strafsenats, der deshalb durch Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 3 StR 342/15 (NStZ 2016, 227 f.) bei dem ersten Strafsenat angefragt hat, ob dieser an seiner abweichenden Rechtsauffassung festhält, wie sie im Beschluss vom 8. Februar 2006 – 1 StR 7/06 (NStZ 2006, 393) erläutert wurde. Der 1. Senat hält demgegenüber daran fest, dass das Tatgericht dabei die gesetzgeberische Wertung des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB berücksichtigen darf (vgl. BGH, Beschl. v. 10.5.2016 - 1 ARs 5/16 Rn. 6 [Antwortbeschluss] ausführlich auch zur strafzumessungstheoretische Verankerung dieses Strafzumessungsaspekts). siehe hierzu auch: § 176 StGB - Zeitablauf Die Strafe ist selbst dann zu mildern, wenn die Tat aus tatsächlichen Gründen lange Jahre unbekannt geblieben ist (BGH NStZ 1998, 133; BGH, Urt. v. 21.2.2002 - 1 StR 538/01). Strafmildernd kann auch der Umstand berücksichtigt werden, dass der Ablauf der Verjährungsfrist nur in geringem zeitlichen Abstand vor Eintritt der absoluten Verjährung unterbrochen wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 21.5.2008 - 5 StR 93/08 - wistra 2008, 348). Verjährungsvorschriften regeln dagegen, wie lange eine für strafbar erklärte Tat verfolgt werden soll. Die Verjährung macht eine Tat nicht ungeschehen. Sie lässt das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters unberührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 294). Die Verjährung der Strafverfolgung soll vielmehr dem Rechtsfrieden dienen und einer Untätigkeit der Behörden vorbeugen (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.1958 – 4 StR 145/58 - BGHSt 11, 393, 396; BGH, Beschl. v. 23.1.1959 – 4 StR 428/58 - BGHSt 12, 335, 337 f.; BGH, Beschl. v. 6.4.2016 - 2 StR 219/15; BGH, Beschl. v. 14.6.2016 - 2 ARs 67/16). Der Zweck der verjährungsrechtlichen Regelungen besteht hingegen nicht darin, einer Verminderung von Strafzumessungsgründen Rechnung zu tragen (BGH, Beschl. v. 6.4.2016 - 2 StR 219/15; BGH, Beschl. v. 14.6.2016 - 2 ARs 67/16). Dies gilt erst recht für die Regelungen über das Ruhen des Fristablaufs in den Fällen von Missbrauchsdelikten an Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Mit der Sonderregelung des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, wonach die Verjährung der Strafverfolgung bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 179, 180 Abs. 3, §§ 182, 225, 226a und 237 bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers ruht, soll vielmehr der besonderen Situation von Tatopfern Rechnung getragen werden, die als Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene aufgrund familiärer Bindungen oder besonderer Abhängigkeitsverhältnisse gehemmt sind, Übergriffe anzuzeigen. Der Gesetzgeber hat damit nicht bezweckt, Strafzumessungsgesichtspunkte abweichend von den allgemeinen Grundsätzen zu regeln (vgl. BGH, Beschl. v. 6.4.2016 - 2 StR 219/15; BGH, Beschl. v. 14.6.2016 - 2 ARs 67/16). Betreffend die Beurteilung lang zurückliegender Taten im Jugendstrafrecht vgl. etwa BGH, Beschl. v. 11.5.2006 - 3 StR 136/06 |
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170 |
Es kann unabhängig vom zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige strafmildernde Bedeutung zukommen, wenn sie für den Angeklagten mit besonderen Belastungen verbunden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.1991 - 5 StR 286/91 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 5; BGH, Beschl. v. 17.1.2008 - GSSt 1/07 - BGHSt 52, 124, 142 - NJW 2008, 860 ff. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 16.6.2009 – 3 StR 173/09 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 20; BGH, Beschl. v. 23.5.2007 - 5 StR 537/06; BGH, Beschl. v. 29.9.2015 – 2 StR 128/15 - NStZ-RR 2016, 7; BGH, Beschl. v. 9.6.2017 - 1 StR 45/17 Rn. 8), bei der insbesondere die mit dem Verfahren selbst verbundenen Belastungen des Angeklagten zu berücksichtigen sind. Dieser Strafmilderungsgrund kann auch dann gegeben sein, wenn die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer sachliche Gründe hatte und nicht von den Strafverfolgungsorganen zu vertreten ist (OLG Oldenburg, Urt. v. 29.1.2007 - Ss 353/06 (I 119). So wird etwa auch angemessen zu berücksichtigen sein, daß die ungewöhnlich lange Zeit der Ungewißheit sich für den Angeklagten schon deshalb in besonderem Maße belastend auswirkte, weil er als Steuerberater in seiner beruflichen Betätigung durch das schwebende Steuerstrafverfahren existentiell berührt war (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.1998 - 3 StR 561/98 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13; BGH, Beschl. v. 16.5.2002 - 5 StR 137/02). | |
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175 |
Es
kann die Verfahrensdauer auch das in Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK
garantierte Recht des Angeklagten auf gerichtliche Entscheidungen in
angemessener Zeit verletzt worden sein. Zur Kompensation eines solchen
Verstosses kann die Feststellung
der rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung ausreichend sein oder der Verstoss kann
einen kompensatorischen Abschlag erforderlich machen, wobei in der
Urteilsformel auszusprechen ist, dass zur Entschädigung
für
die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der
verhängten Strafe als vollstreckt gilt (vgl. BGH,
Beschl.
v. 17.1.2008 - GSSt 1/07 - BGHSt 52, 124 - NJW 2008, 860 ff.
- wistra
2008, 137 ff.). siehe hierzu ausführlich: Art. 6 EMRK Rdn. 1.5 |
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... (3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. |
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178 |
Nach dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten
„Doppelverwertungsverbot
von
Tatbestandsmerkmalen“
dürfen Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen
Tatbestands sind, im Rahmen der Strafzumessung nicht noch einmal
berücksichtigt werden. Das Doppelverwertungsverbot von
Tatbestandsmerkmalen hindert den Tatrichter jedoch nicht daran, im
Rahmen der Strafzumessung zugunsten oder zum Nachteil eines Angeklagten
den Ausprägungsgrad oder die konkrete Modalität eines
–
objektiven oder subjektiven – Merkmals des gesetzlichen
Tatbestands zu berücksichtigen, wenn dieses
steigerungsfähig
ist (BGH, Beschl. v. 1.6.2016 - 2 StR 150/15 Rn. 27; vgl. Fahl, ZStW
111 (1999), 156; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 1991, S. 205;
Bruns, aaO). Sind Tatbestandmerkmale steigerungsfähig, so kann
die
Form ihrer Verwirklichung im Einzelfall im Rahmen der Strafzumessung
(§ 46 Abs. 2 StGB) berücksichtigt werden.
Darüber hinaus
greift das Doppelverwertungsverbot auch dann nicht ein, wenn ein
Straftatbestand zwei unterschiedlich schwer wiegende Alternativen zur
Verfügung stellt (BGH, Beschl. v. 1.6.2016 - 2 StR 150/15 Rn.
29;
BGH, Urt. v. 30.1.1980 – 3 StR 471/79 - NJW 1980, 1344; RG GA
56
(1909), 96). Das Verbot der Doppelverwertung erfasst über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände, die – ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein – gerade den gesetzgeberischen Anlass für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.2017 - 4 StR 186/17 Rn. 3; vgl. hierzu etwa Stree in Schönke/Schröder StGB 29. Aufl., § 46 Rn. 45c, 46 mwN). Beispiel: Das Bestehen eines Altersgefälles zwischen Täter und Opfer als solchem ist in dem Schutzzweck des Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs eines Kindes und der Schutzaltersgrenze von 14 Jahren angelegt. Eine nicht unerhebliche Höhe dieses Altersgefälles ist für Taten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes zumindest typisch. Allenfalls in einer geringen Altersdifferenz zwischen einem (jugendlichen oder heranwachsenden) Täter und einem kindlichen Opfer kann ein strafzumessungsrechtlicher Sonderfall liegen, dem indes strafmildernde Wirkung zukommt (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.2017 - 4 StR 186/17 Rn. 3; BGH, Beschl. v. 25.2.2016 – 2 StR 9/16 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 5.4.2005 – 4 StR 95/05 - StV 2005, 387 jeweils mwN; vgl. insbesondere auch BT-Drucks. 13/8567 S. 32, 81; 15/350 S. 18). |
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180 |
§
46 Abs. 3 StGB ist bei der Bemessung von Jugendstrafe nicht
anwendbar (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 21, 22; BGH,
Beschl. v. 3.2.2005 - 1
StR 1/05; BGH,
Beschl. v. 16.4.2007 - 5 StR 335/06 - NStZ 2007, 522; BGH,
Beschl. v. 24.4.2007 - 1 StR 147/07; BGH,
Beschl. v. 20.1.2009 - 1
StR 662/08; Brunner/Dölling JGG 11. Aufl. §
18 Rdn.
8;
Fischer StGB 57. Aufl. § 46 Rdn. 76a). Die
Berücksichtigung
tatbezogener Umstände bei der Bemessung der Jugendstrafe
verstößt nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB (vgl.
BGH NStZ-RR
1997, 21; BGH,
Beschl. v. 7.6.2000 - 1 StR 226/00 - NStZ 2000, 553). siehe auch: Dauer der Jugendstrafe, § 18 JGG |
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185 |
§ 46
Abs. 3 StGB gilt bei Merkmalen von Regelbeispielen entsprechend. Die
ein Regelbeispiel bestimmenden Umstände sind
grundsätzlich wie Tatbestandsmerkmale zu behandeln (vgl. BGHR
StGB
§ 46 Abs. 3 Regelbeispiel 1; Tröndle/Fischer, StGB
51. Aufl.
§ 46 Rdn. 82 m. w. N.). Werden daher bei der Strafzumessung im
engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten "die zur Begründung
eines
besonders schweren Falles aufgeführten Umstände"
berücksichtigt, verstößt dies gegen das Doppelverwertungsverbot
im Sinne von § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH,
Beschl. v. 22.4.2004 - 3 StR 113/04
- NStZ-RR 2004, 262; BGH,
Beschl. v. 11.1.2011 - 3 StR 441/10 - StV 2011, 364). Dies gilt auch
für Umstände, die zur Annahme eines
unbenannten
besonders schweren Falles geführt haben (vgl. BGH, Urt. v.
6.9.2011 - 1 StR 633/10). Beispiel: Ist der Angeklagte wegen eines banden- und gewerbsmäßig begangenen Delikts verurteilt worden, lässt die strafschärfende Berücksichtigung, dass er "ausschließlich aus finanziellen Gründen" gehandelt hat, einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB besorgen, da Gewerbsmäßigkeit ein finanzielles Interesse des Täters voraussetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 31.10.2008 - 2 StR 358/08). |
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187 |
Wenngleich die Ordnungswidrigkeiten regelmäßig durch die verwirklichten Straftatbestände verdrängt (§ 21 Abs. 1 OWiG) oder im Hinblick auf die Straferwartung von der Verfolgung ausgenommen werden, kann bei der Strafzumessung - nach entsprechendem Hinweis an den Angeklagten - strafschärfend berücksichtigt werden, dass zur Ermöglichung und Verschleierung der Straftaten Ordnungswidrigkeiten begangen wurden (vgl. BGHSt 23, 342, 345; BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - 1 StR 283/09 - wistra 2010, 148 betr. §§ 266a StGB, 370 AO und § 111 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 3a SGB IV, § 379 AO). | |
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188 |
Beteiligen sich mehrere Personen an einer
Straftat,
kann dies zwar unter Umständen eine erhöhte
Strafwürdigkeit begründen (vgl. LK/Theune, StGB, 12.
Aufl.,
§ 46 Rn. 141; MüKoStGB/Miebach, 2. Aufl., §
46 Rn. 92).
Gleichwohl besagt allein der Umstand mittäterschaftlichen
Handelns
noch nichts über das Maß der Tatschuld des einzelnen
Beteiligten. Dass der Täter mit anderen Tatgenossen
zusammengewirkt hat, kann im Einzelfall seinen Tatbeitrag sogar in
einem milderen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.7.1993
- 3 StR 281/93 - BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 25; BGH,
Beschl. v. 12.9.2013 - 2 StR 226/13 - BGHR § 46 Abs. 2
Wertungsfehler 39; SSWStGB/Eschelbach, 2. Aufl., § 46 Rn. 80).
Die
strafschärfende Berücksichtigung der
mittäterschaftlichen Tatbeteiligung selbst, ohne die
konkreten Umstände der Tatbeteiligung in den Blick zu nehmen,
verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (BGH,
Beschl. v.
5.4.2016 - 3 StR 428/15 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 7.9.2015 - 2 StR 124/15
- NStZ-RR 2016, 74). siehe auch unten Rn. 200.1 zur Ermöglichung durch mittäterschaftliche Begehungsweise |
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190 |
Wurde
dem Angeklagten strafschärfend angelastet, daß
er
"weiterhin" bereitwillig seinen Tatbeitrag leistete, nachdem er die
betrügerische Vorgehensweise der Firma erkannt hatte, und
durch
seine Mitwirkung den Betrieb von der Schweiz aus verbunden mit dem
entsprechenden "Eindruck von Seriosität"
gewährleistete,
liegt hierin ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB,
wenn das
Tatgericht damit gerade den Umstand zu Lasten des Angeklagten gewertet
hat, der überhaupt erst seine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum
Betrug begründete (vgl. BGH,
Beschl. v. 16.8.2000 - 3 StR
253/00 -
wistra 2000, 463). Wird zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er "aus eigenem Antrieb" gehandelt habe und nicht etwa durch den Haupttäter zur Beihilfe veranlasst worden sei, stellt dies einen Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung gemäß § 46 Abs. 3 StGB dar. Eine Tatbegehung aus eigenem Antrieb ist das Regelbild der Beihilfe; dieser Umstand darf daher nicht zu Lasten des Gehilfen straferhöhend gewertet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 27.1.2011 - 2 StR 577/10 - StV 2011, 364). Wird bei der Anstiftung zu Lasten des Angeklagten gewertet, "daß er der eigentliche Initiator der Taten war", ist dies rechtsfehlerhaft; denn Anstiftung (§ 26 StGB) setzt voraus, daß ein anderer zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt wird, der Anstifter also den Entschluß zur Tat hervorruft (vgl. BGHSt 9, 370, 379; BGH, Beschl. v. 13.9.2001 - 4 StR 322/01). Die Wertung zu Lasten des Angeklagten, dass er die von ihm angestiftete Haupttäterin „der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt hat“ ist rechtsfehlerhaft. Anstiftung (§ 26 StGB) setzt voraus, dass ein anderer zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt wird. Wird die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat begangen, besteht regelmäßig die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung (vgl. auch § 160 Abs. 1, § 163 Abs. 1 StPO). Die regelmäßigen Auswirkungen der Anstiftungshandlung stellen aber keinen Strafschärfungsgrund dar (vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2013 - 2 StR 478/13; vgl. auch BGH, Beschl. v. 3.4.1998 - 2 StR 101/98 - BGHR StGB § 46 Abs. 3 Beihilfe 3 zu den regelmäßigen Auswirkungen der Beihilfehandlung). |
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195 |
Ähnliches gilt für die Erwägung, zu Lasten des Angeklagten sprächen die umfangreichen Tatvorbereitungen, wie etwa die Mitnahme des Pfeffersprays zum späterhin verübten schweren Raub. Soweit es die Mitnahme des zur Tatausführung eingesetzten Pfeffersprays betrifft, liegt insoweit eine Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen und damit ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB vor (vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.2002 - 4 StR 442/02). Die straferschwerende Berücksichtigung der "Gefährlichkeit der einsatzbereiten Schußwaffe" verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB, wenn eine einsatzbereite Schußwaffe bereits Tatbestandsmerkmal, wie etwa bei § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2001 - 3 StR 352/01 betr. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG). | |
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200 |
Die
strafschärfende Erwägung, dass der Angeklagte von der
Möglichkeit, von der Begehung der Taten Abstand zu nehmen,
keinen
Gebrauch gemacht hat, stellt einen Verstoß gegen das
Doppelverwertungsverbot dar (vgl. BGH,
Beschl. v. 15.10.2003 - 2 StR 332/03
m.w.N.; BGH, Beschl. v.
9.11.2010 - 4 StR 532/10 - StV 2011, 224). Der Umstand, dass ein
Angeklagter straffällig geworden ist, statt sich gesetzestreu
zu
verhalten, ist Voraussetzung für seine Strafbarkeit, aber kein
schulderhöhender Umstand ist (BGH, Urt. v. 5.11.2013 - 1 StR
387/13 Rn. 8; BGH, Beschl. v. 9.11.2010 - 4 StR 532/10 mwN). Die straferschwerende Berücksichtigung der Erwägung, der Angeklagte habe "sich auch dadurch, daß sich sein Opfer heftig zu wehren versuchte, nicht von der Tatbegehung abhalten lassen, sondern sein Vorhaben, zu töten, zielstrebig durchgeführt" läßt besorgen, dass zu Lasten des Angeklagten verwertet wurde, dass er die Straftat vollendet bzw. überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen; dies würde gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 5.4.2001 - 4 StR 106/01 - NStZ-RR 2001, 296; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 530/01 - NStZ-RR 2002, 106; BGH, Beschl. v. 23.9.2003 - 4 StR 308/03; BGH, Beschl. v. 22.4.2004 - 4 StR 48/04; BGH, Beschl. v. 3.12.2009 - 4 StR 507/09 - NStZ-RR 2010, 76; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3 StR 422/11). Gleiches gilt für eine strafschärfende Wertung des Umstandes, dass der Angeklagte nach dem Scheitern des ersten Angriffs sofort hartnäckig nachgesetzt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 9.5.2001 - 2 StR 123/01- StV 2001, 666; auch BGHR StGB § 46 Abs. 3 Vollendung 1), er nachhaltig auf die Herausgabe des Geldes bestanden habe, der Versuch der Zeugin, den Angeklagten von seinem Vorhaben abzubringen, gescheitert sei (vgl. BGH, Beschl. v. 15.2.2011 - 4 StR 36/11; vgl. auch BGH, Beschl. v. 31.12.2012 - 3 StR 453/11), er die Mithilfe bei den Drogengeschäften ohne große Mühe hätte ablehnen können (vgl. BGH, Beschl. v. 23.3.2011 - 2 StR 35/11) oder er alle Bedenken, die sich gegen sein Handlungsweise ergeben können, beiseitegeschoben habe (vgl. BGH, Beschl. v. 12.6.2012 - 3 StR 166/12), weil ihm hiermit die Tatvollendung als solche zur Last gelegt wird. Dies ist aber ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB (vgl. auch Fischer, StGB 59. Aufl. § 46 Rn. 76b). Bei der Strafzumessung wird der Umstand, dass der Angeklagte „auch andere Lösungsmöglichkeiten für den Konflikt hätte finden können“, schwerlich strafschärfend zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2005 - 5 StR 481/05; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 46 Rdn. 76a; Franke in MüKo-StGB § 46 Rdn. 87). Erwägungen zu Lasten des Täters, mit denen erschwerend berücksichtigt wird, dass er die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von ihr Abstand zu nehmen, sind rechtsfehlerhaft (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 106; 2001, 295; BGHR § 46 Abs. 2 StGB Wertungsfehler 14; BGH, Beschl. v. 10.11.2008 - 3 StR 425/08). Wird bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich "trotz geänderter Situation" - das Öffnen des Innentresors war misslungen - zusammen mit seinem Mittäter entschlossen habe, "zumindest das Wechselgeld mitzunehmen", liegt darin ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB, da zulasten des Angeklagten nicht gewertet werden durfte, er habe die Tatvollendung nicht freiwillig aufgegeben (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.2011 - 3 StR 301/11; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 76a mwN). Nicht unbedenklich ist es, innerhalb des wegen der Erfolgsnähe nicht verschobenen Strafrahmens die Erfolgsnähe neuerlich zu Lasten der Angeklagten zu gewichten (vgl. BGH, Beschl. v. 13.4.2010 - 5 StR 113/10; BGH, Beschl. v. 10.9.2013 - 2 StR 353/13). Es verstößt gegen den Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB, innerhalb des wegen der Erfolgsnähe nicht verschobenen Strafrahmens diese nochmals zu Lasten des Angeklagten zu gewichten (BGH, Beschl. v. 13.4.2010 – 5 StR 113/10 - NStZ 2010, 512; BGH, Beschl. v. 19.5.2010 – 5 StR 132/10 - StraFo 2010, 429; BGH, Beschl. v. 12.5.2016 - 5 StR 102/16; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1031). |
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200.1 |
Der
zum Nachteil berücksichtigte Umstand, dass ohne den
Angeklagten die Tat nicht hätte erfolgreich
durchgeführt
werden können, lastet ihm im Ergebnis rechtsfehlerhaft an,
dass er
die Tat überhaupt als Mittäter begangen hat (vgl. BGH,
Beschl. v. 18.3.2003 - 4 StR 83/03). Ebenso kann der
Erwägung,
dass der Angeklagte "geschickt die Wahrscheinlichkeit minimierte,
selbst überführt zu werden", indem er die
Tatausführung
so plante, dass er selbst nicht persönlich am Tatort in
Erscheinung trat, bei Verurteilung als Mittäter keine
strafschärfende Berücksichtigung finden
(vgl. BGH,
Beschl. v. 18.3.2003 - 4 StR 83/03). Gleiches gilt, wenn zu Lasten der Angeklagten Folgendes berücksichtigt wird: "Sie hat so letztlich eine Tat ermöglicht, die ohne überhaupt zur Vollendung zu gelangen, größere Folgen, etwa in Gestalt einer schwerverletzt und letztlich berufsunfähig Bediensteten nach sich gezogen hat. Statt die sich aufdrängenden Fragen an ihre Mitangeklagten zu stellen und letzten Endes eine Mitwirkung zu verweigern, hat die Angeklagte deren Tat gefördert, ohne ein besonderes Interesse erkennen zu lassen. Straferschwerend waren daher die schweren Folgen der (versuchten) Tat zu berücksichtigen, wenngleich diese sicher nicht durch die Angeklagte angestrebt, jedoch letztlich nur durch sie ermöglicht wurden". Diese Erwägungen stellen einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB dar. Es wird rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet, dass die Angeklagte überhaupt einen Tatbeitrag geleistet hat (vgl. hierzu BGHR StGB § 46 Abs. 3 Beihilfe 1 und 3) und dass sie nicht freiwillig zurückgetreten ist (vgl. BGH NStZ 1983, 217; StV 1997, 129). Darüber hinaus lässt die Strafzumessung besorgen, dass der Angeklagten mit der Verletzung des Opfers ein Umstand angelastet wird, der nicht von ihrem Vorsatz umfasst war. Der Tatrichter hat auch nicht dargelegt, dass sie insoweit fahrlässig gehandelt hat. Nur schuldhaftes Verhalten darf jedoch strafschärfend gewertet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 6.5.2009 - 2 StR 128/09). siehe auch oben Rn. 188 zur mittäterschaftlichen Tatbeteiligung |
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200.2 |
Die
Erwägung, der Angeklagte habe sich „ohne
Not“ zur
Beteiligung an der Tat bereit gefunden, begründet einen
Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB, denn damit wird im
Ergebnis
zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er die Tat überhaupt
begangen hat (vgl. BGH wistra 2000, 463, 464; BGH,
Beschl. v. 15.1.2008
- 4 StR 530/07).
Gleiches gilt für die
Erwägung, der
Angeklagte habe bedenkenlos gehandelt, was daran fest zu machen sei,
dass er mehrfach Gelegenheit gehabt hätte, die Tat abzubrechen
(vgl. BGH NStZ-RR 2002, 106; 2001, 295; BGHR StGB § 46 Abs. 2
Wertungsfehler 14; BGH,
Beschl. v. 15.10.2003 - 2 StR 332/03). Die
Formulierung, dass "das Strafmaß im oberen Bereich des
Strafrahmens festzusetzen" sei, weil der Angeklagte "nichts unternommen
(habe), um den Erfolgseintritt auch nur abzuschwächen",
läßt besorgen, daß das Tatgericht zu
Lasten des
Angeklagten verwertet hat, er sei vom Versuch nicht mit
strafbefreiender Wirkung zurückgetreten; dies würde
gegen
§ 46 Abs. 3 StGB verstoßen (st. Rspr., vgl. nur BGH
StV
1997, 129; BGH, Beschl. v. 26.2.1997 - 2 StR 659/96; BGH,
Beschl. v.
23.9.2003 - 4 StR 308/03). siehe auch unten Rdn. 210 |
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200.3 |
Wird
dem Angeklagten strafschärfend angelastet, daß
er sich
"von den jeweils vorangegangenen Fehlschlägen nicht abhalten
ließ, weitere Straftaten zu begehen. Dies spricht
für eine
erhebliche kriminelle Energie", wird damit zu Lasten des Angeklagten
gewertet, daß er die (weiteren) Taten überhaupt
begangen
hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen. Dies
verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot
des
§ 46
Abs. 3 StGB (vgl. BGH StV 1997, 129; BGH,
Beschl. v. 1.3.2001 - 4 StR
36/01 - NStZ-RR 2001, 295). Unzulässig ist die Wertung des Ausbleibens von Rücktrittsbemühungen zu Lasten des Angeklagten, indem etwa bei der Verurteilung wegen Totschlags hervorgehoben wird, der Angeklagte habe sich nicht weiter um den schwer verletzten Geschädigten gekümmert (BGH, Beschl. v. 25.9.2002 - 1 StR 347/02; BGH, Beschl. v. 27.2.2007 - 4 StR 581/06). Die Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB auch mit der Begründung, der Angeklagte und seine Mittäter hätten die Tat deshalb abgebrochen, weil sie ersichtlich nach ihrem Tatplan nicht zum Erfolg kommen konnten, lässt besorgen, dass das Tatgericht zum Nachteil des Angeklagten gewertet hat, von seinem Vorhaben nicht mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten zu sein. Dies wäre rechtsfehlerhaft (BGHR StGB § 46 Abs. 2, Tatumstände 13 und Wertungsfehler 14; BGH, Beschl. v. 17.1.2006 - 4 StR 423/05; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 490/07: Tatbegehung trotz vorausgegangenem Fehlschlag u. BGH, Beschl. v. 25.7.2017 - 3 StR 113/17 Rn. 8: Maßgeblich wurde darauf abgestellt, dass der Angeklagte "im Verlauf des Geschehens mehrere Versuche startete, um der Tat noch zum Erfolg zu verhelfen", und sein Vorhaben erst aufgab, "als er schließlich einsah, dass alle Bemühungen angesichts des hartnäckigen Entgegenstellens der Zeugin nicht zum Erfolg führten"). Gleiches gilt, wenn bei der Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB das „Fehlen von Rücktrittsbemühungen“ bzw. das „Fehlen von Rettungsbemühungen“ zum Nachteil des Angeklagten gewertet wird. Diese Erwägungen stellen im Ergebnis nur die Feststellung dar, dass der Angeklagte vom Versuch nicht strafbefreiend zurückgetreten ist, was jedoch erst die Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags begründet und daher im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB einer Strafrahmenmilderung nicht entgegenstehen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 6.11.2013 - 1 StR 525/13; BGH, Beschl. v. 27.10.2000 - 2 StR 381/00 - BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 13, vgl. auch BGH, Beschl. v. 15.10.2003 - 2 StR 332/03). |
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200.4 |
Ist
der erwachsene Täter vom Versuch einer Straftat strafbefreiend
zurückgetreten, gleichwohl aber wegen eines zugleich
verwirklichten vollendeten anderen Delikts zu bestrafen, so darf der
auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz nicht
strafschärfend
berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 16.4.1980
– 3
StR 115/80 - MDR 1980, 813; BGH, Beschl. v. 14.11.1995 – 4
StR
639/95 - StV 1996, 263; BGH, Urt. v. 14.2.1996 – 3 StR 445/95
-
BGHSt 42, 43, 44 ff.; BGH, Beschl. v. 13.5.1998 – 2 StR
172/98 -
BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 30; BGH, Beschl. v.
20.8.2002
– 5 StR 338/02 - StV 2003, 218; BGH, Beschl. v. 14.5.2003
–
2 StR 98/03 - NStZ 2003, 533; BGH, Beschl. v. 7.4.2010 – 2
StR
51/10 - NStZ-RR 2010, 202; BGH, Beschl. v. 4.4.2012 – 2 StR
70/12
- NStZ 2013, 158; BGH, Beschl. v. 8.1.2014 – 3 StR
372/13 -
StV 2014, 482; BGH, Urt. v. 20.4.2016 - 2 StR 320/15; st. Rspr.). Dies
trägt dem Grundgedanken des § 24 StGB Rechnung, der
im
Interesse des Opferschutzes einen persönlichen
Strafaufhebungsgrund für Fälle vorsieht, in denen ein
Täter freiwillig die weitere Tatausführung aufgibt
oder ihre
Vollendung aktiv verhindert. Dieser Gesetzeszweck würde
unterlaufen, wenn der auf die Verwirklichung des weitergehenden Delikts
gerichtete Vorsatz strafschärfend berücksichtigt
würde
(BGH, Urt. v. 20.4.2016 - 2 StR 320/15 Rn. 10). L E I T S A T Z Ist der Täter vom Versuch einer Straftat strafbefreiend zurückgetreten, gleichwohl aber wegen eines zugleich verwirklichten vollendeten Delikts zu bestrafen, so dürfen der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz sowie ausschließlich darauf bezogene Tatbestandsverwirklichungen nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Umstände, die sich auf das Tatgeschehen insgesamt beziehen und den Unrechts- und Schuldgehalt auch des vollendeten Delikts charakterisieren, dürfen dagegen strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 14.2.1996 - 3 StR 445/95 - Ls. - BGHSt 42, 43 - NStZ 1996, 491; vgl. auch BGH, Beschl. v. 24.2.2009 - 4 StR 609/08). Leitsatz: StGB § 24; JGG § 17 Abs. 2 Bei freiwilligem Rücktritt vom Versuch ist die schulderhöhende Berücksichtigung des zunächst gegebenen Vollendungsvorsatzes im Rahmen der Prüfung der "Schwere der Schuld" im Sinne von § 17 JGG jedenfalls dann rechtsfehlerhaft, wenn nicht der Umstand der freiwilligen Abkehr von diesem Vorsatz gleichermaßen berücksichtigt wird. Erst beide Gesichtspunkte gemeinsam ergeben das Tatbild, welches in der spezifisch jugendstrafrechtlichen Beurteilung der Schuldschwere zu bewerten ist. BGH, Urteil vom 20. April 2016 - 2 StR 320/15 - LG Neubrandenburg siehe auch: Rücktritt, § 24 StGB --> Rdn. 5.3 (m.w.N.); Form und Voraussetzungen der Jugendstrafe, § 17 JGG |
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200.5 |
Wird
die Angeklagte wegen Totschlags durch Unterlassen verurteilt, wird
ihr mit der strafschärfenden Erwägung, sie sei
aufgrund ihrer
Ausbildung in der Lage gewesen, das Notwendige zur Rettung des Kindes
zu erkennen und zu tun, die Begehung der Tat angelastet, sodass ein
Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46
Abs. 3
StGB vorliegt (vgl. BGH,
Beschl. v. 2.7.2009 - 3 StR 214/09). siehe auch: § 212 StGB, Totschlag |
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200.6 |
Wird dem Angeklagten strafschärfend angelastet, dass es sich nicht um ein "Augenblicksversagen" gehandelt habe und dass er sich erst "nach reiflicher Überlegung bewusst" zur Tatbegehung entschlossen habe, lässt dies besorgen, dass dem Angeklagten entgegen § 46 Abs. 3 StGB bei der Strafbemessung vorgeworfen wurde, er habe vorsätzlich gehandelt (vgl. BGH, Beschl. v. 15.6.2011 - 2 StR 645/10). | |
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205 |
Lassen
die Ausführungen zur Strafzumessung besorgen, dass das
Tatgericht dem Angeklagten unzulässigerweise (§ 46
Abs. 3
StGB) den Strafzweck der
Norm strafschärfend angelastet hat,
ist
dies rechtsfehlerhaft (vgl. BGH,
Beschl. v. 20.8.2003 - 2 StR 285/03). Das Verbot der Doppelverwertung kann über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände erfassen, die - ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein - gerade den gesetzgeberischen Anlaß für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.2003 - 4 StR 296/03; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 46 Rdn. 45 a, 46 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Das Interesse der Allgemeinheit, vor einem gefährlichen Straftäter durch dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung geschützt zu werden, ist kein Umstand, der gemäß § 46 StGB bei der Strafzumessung zu seinen Lasten berücksichtigt werden darf. Indem § 66 Abs. 1 StGB die (obligatorische) Anordnung der Sicherungsverwahrung davon abhängig macht, daß der Täter zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wird, setzt die Vorschrift dem von ihr bezweckten Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern Grenzen: Als Anlaßtaten sollen nur solche Vergehen und Verbrechen in Betracht kommen, bei denen Unrecht und Schuld des Täters besonders schwer wiegen. Das schließt eine Berücksichtigung des Sicherungsinteresses bei der Zumessung der Strafe für die Anlaßtat aus (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.2001 - 4 StR 178/01 - NStZ 2001, 595). siehe auch: Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66 StGB Auch im Rahmen der Schuldschwerebeurteilung nach § 57 a StGB ist das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB zu beachten (BGH NStZ 1983, 364; StV 1997, 129; BGH, Beschl. v. 1.3.2001 - 4 StR 36/01 - NStZ-RR 2001, 295; BGH, Beschl. v. 5.4.2001 - 4 StR 106/01 - NStZ-RR 2001, 296). Es liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB vor, soweit zulasten der Angeklagten das „hohe Maß der Pflichtwidrigkeit“ sowie den entstandenen hohen Sachschaden berücksichtigt wird. Dass tatsächlich ein hoher, die Mindestgrenze für einen bedeutenden Sachwert (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl., § 315 Rn. 16a) weit überschreitender Sachschaden eintrat, ist dem Gefährdungsdelikt des § 308 StGB nicht immanent und mithin ein zulässiges Strafzumessungskriterium (BGH, Urt. v. 13.1.2015 - 1 StR 454/14). |
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207 |
Die Festsetzung der Gesamtstrafe innerhalb der durch § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB gezogenen Grenzen ist ein eigenständiger Strafzumessungsvorgang, der den allgemeinen Grundsätzen des § 46 StGB unterliegt (BGH, Beschl. v. 31.7.2013 - 4 StR 217/13; Stree/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 54 Rn. 14; MüKoStGB/von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl., § 54 Rn. 19). Eine Schärfung der Strafe allein aus den vom Gesetzgeber bei der Festlegung des Strafrahmens angestellten Erwägungen allgemeiner Art ist daher auch hier aus den Gründen des § 46 Abs. 3 StGB nicht zulässig (BGH, Beschl. v. 26.8.1998 – 2 StR 324/98 - BGHR StGB § 46 Abs. 3 Ausländergesetz 1; BGH, Beschl. v. 31.7.2013 - 4 StR 217/13). | |
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207.5 |
Rechtsfehlerhaft ist es, innerhalb des wegen
der Erfolgsnähe
nicht
verschobenen Strafrahmens die Erfolgsnähe neuerlich zu Lasten
des
Angeklagten zu gewichten (vgl. BGH,
Beschl. v. 13.4.2010 - 5 StR
113/10; BGH,
Beschl. v. 19.5.2010 - 5 StR 132/10; BGH, Beschl. v.
17.2.2016 - 1 StR 12/16). Beispiel (vgl. BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 1 StR 12/16): Zwar mag die Wertung der Strafkammer - die den Angeklagten wegen Bedrohung in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Mord in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und zwei Monaten verurteilt hat - rechtlich noch vertretbar sein, dem Angeklagten wegen der Nähe zur Tatvollendung eine Versuchsmilderung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu versagen. Soweit die Strafkammer vor dem Hintergrund dieser getroffenen Strafrahmenwahl allerdings zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Gesundheit der im Haus schlafenden Personen erheblich gefährdet gewesen sei, ist diese Erwägung nicht rechtsfehlerfrei. Das Landgericht lässt dabei unberücksichtigt, dass der Strafzumessung der – über § 21 StGB gemilderte – gesetzliche Normalstrafrahmen für eine vollendete Tatbegehung nach § 211 StGB zugrunde liegt. Innerhalb dieses Strafrahmens neuerlich die Erfolgsnähe aufgrund der erheblichen Gefährdung der im Haus schlafenden Personen und damit gerade ein bestimmendes Merkmal des Tatbestands zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, ist mit § 46 Abs. 3 StGB unvereinbar (vgl. BGH, Beschl. v. 13.4.2010 – 5 StR 113/10 - NStZ 2010, 512; BGH, Beschl. v. 19.5.2010 – 5 StR 132/10 - StraFo 2010, 429). siehe auch oben Rn. 45 |
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210 |
Nachvollziehbare,
verständliche Motive für eine Tatbegehung sind
strafmildernd,
das bloße Fehlen verständlicher Motive jedoch nicht
strafschärfend zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v.
23.3.2011
– 2 StR 35/11; BGH, Beschl. v. 17.4.2012 – 2 StR
73/12 -
BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 37; BGH, Beschl. v.
15.9.2015
– 2 StR 21/15 - NStZ-RR 2016, 40; BGH, Urt. v. 24.8.2016 - 2
StR 504/15
Rn. 17; vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl.,
§ 46 Rn. 73; 76b a.E.; vgl. aber auch BGH, Urt. v. 9.1.2013
– 5 StR 395/12 - BGHR StGB § 224 Strafzumessung 1).
Es
wäre rechtsfehlerhaft, dem Fehlen eines Strafmilderungsgrunds
strafschärfende Bedeutung beizumessen (BGH, Urt. v. 24.8.2016
- 2 StR
504/15 Rn. 17; Niemöller, GA 2012,
337 ff.). Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung wie ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse oder eine Suchterkrankung können ebenso wie eine Tatverstrickung durch Dritte strafmildernd zu Buche schlagen. Die Abwesenheit eines strafmildernden Gesichtspunkts darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 10.4.1987 – GSSt 1/86 - BGHSt 34, 345, 350 - StV 1987, 337; BGH, Beschl. v. 23.3.2011 - 2 StR 35/11; BGH, Beschl. v. 17.4.2012 - 2 StR 73/12 - NStZ 2013, 46; BGH, Urt. v. 9.10.2013 - 2 StR 119/13; BGH, Beschl. v. 6.11.2013 - 1 StR 525/13 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 26.6.2014 - 2 StR 157/14; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rdn. 76). Das Vorhandensein einer für Motivation und Zielsetzung mitbestimmenden finanziellen Notlage wirkt in der Regel zu Gunsten des Täters. Das Fehlen eines solchen möglichen Strafmilderungsgrundes darf nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.2007 - 5 StR 477/07: "Angeklagter befand sich nicht in einer persönlich oder wirtschaftlich schwierigen Lage"; BGH, Beschl. v. 5.8.2008 - 4 StR 305/08 u. BGH, Beschl. v. 30.3.2011 - 5 StR 12/11: "Fehlen einer notstandähnlichen Lage"; BGH, Beschl. v. 23.3.2011 - 2 StR 35/11: "kein Handeln aus finanzieller Not oder sonst einer schwierigen Lebenslage"; BGH, Beschl. v. 29.4.2010 - 3 StR 64/10: zu Lasten der Angeklagten wurde berücksichtigt, dass das Opfer der Angeklagten "objektiv betrachtet keinerlei Anlass für die Tat geboten hatte"; BGH, Beschl. v. 3.2.2011 - 4 StR 673/10 u. BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 3 StR 106/17 Rn. 3: "fehlende Provokation durch das Tatopfer"; BGH, Beschl. v. 15.9.2015 - 2 StR 21/15: "keine nachvollziehbare Veranlassung zur Tat"; BGH, Beschl. v. 9.11.2010 - 4 StR 532/10 - StV 2011, 224, BGH, Beschl. v. 23.3.2011 - 2 StR 35/11 u. BGH, Beschl. v. 30.3.2011 - 5 StR 12/11: "Fehlen von Suchtmittelabhängigkeit, keine finanzielle Notlage"; BGH, Beschl. v. 21.12.2010 - 4 StR 610/10; BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 3 StR 62/11: "In den Verkehr bringen von Marihuana als Nichtkonsument, der für sich Drogenkonsum strikt ablehnt"; BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 3 StR 62/11 u. BGH, Beschl. v. 12.5.2011 - 3 StR 82/11: "Keine Spontantat"; BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3 StR 422/11: "Einmischung in eine Auseinandersetzung ohne Not"; BGH, Beschl. v. 17.4.2012 - 2 StR 73/12: "Keine spontane Tat ohne Anlass", "ohne Druck oder Beeinflussung Dritter" und auch nicht "aus einer Notsituation heraus"; BGH, Beschl. v. 9.10.2012 - 5 StR 453/12: "scheinbar grundlos"; BGH, Beschl. v. 26.6.2014 - 2 StR 157/14: "keine Spontantat", dass der Angeklagte „grundsätzlich bereit war, an der Tat mitzuwirken“, dass er „die Möglichkeit“ hatte, „die Mitwirkung an der Tat abzulehnen und sich … zu entfernen“ und dass er sich nicht passiv verhielt, sondern „aktiv an der Tatbegehung“ mitwirkte). Die Erwägungen verstoßen im Übrigen gegen das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungserwägungen (entsprechend § 46 Abs. 3 StGB), da sie in ihrem sachlichen Gehalt nicht über die Hervorhebung des Umstandes hinausgehen, dass der Angeklagte an der Tat mitgewirkt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 26.6.2014 - 2 StR 157/14). siehe auch oben Rdn. 200.2 Auch der Gesichtspunkt, dass es sich zumindest bei dem Waffen- und Eigentumsdelikt nicht um eine Spontantat gehandelt hat, wirkt als Fehlen des Strafmilderungsgrundes schwächer ausgeprägter krimineller Energie nicht unbedingt strafschärfend (vgl. BGH StV 1995, 584; BGH, Beschl. v. 13.9.2007 - 5 StR 305/07; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 33a, 74). Mit der Erwägung, es seien für die Tat keine billigenswerten Motive erkennbar, wird rechtsfehlerhaft das Fehlen von Milderungsgründen strafschärfend berücksichtigt (vgl. BGH, Beschl. v. 2.7.2009 - 3 StR 214/09; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 74). Hat das Tatgericht zu Gunsten des Angeklagten erwogen, daß der Geschädigte durch sein Verhalten im Lokal die Rauferei "ebenfalls provoziert" hat, gleichzeitig aber zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, daß die Tat auf eine "grundlose Racheaktion" des Angeklagten zurückgehe, sind diese Erwägungen unvereinbar, da eine Rauferei nicht gleichzeitig (auch) vom Opfer provoziert und vom Täter grundlos herbeigeführt sein kann. Schon dies kann zur Aufhebung des Strafausspruchs führen (vgl. BGH, Beschl. v. 5.12.2000 - 1 StR 533/00). Beispiel: Die vom Tatrichter gebrauchte Formulierung, der Angeklagte habe die Nebenklägerin „aus nichtigem Anlass“ angegriffen, stellte ersichtlich auf das Tatmotiv ab; nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte zu dem körperlichen Angriff auf die Nebenklägerin, weil er sich durch die erfolgte Zurückweisung seines Angebots, ihr zu helfen, „provoziert und verärgert“ fühlte. Die Kammer hat durch die genannte Strafzumessungserwägung ersichtlich nicht einen fehlenden Strafmilderungsgrund strafschärfend berücksichtigt, sondern – rechtlich unbedenklich – auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Anlass und Tat abgestellt. Der Tatrichter hat damit die Tätermotivation und damit zugleich die aus der Tat sprechende „Gesinnung“ im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB als besonders verwerflich charakterisiert und strafschärfend berücksichtigt. Dies ist – wie beispielsweise das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes zeigt, der die Tat bei einem „eklatanten Missverhältnis zwischen Anlass und Tat“ als Mord qualifiziert und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht (vgl. Fischer StGB, 63. Aufl., § 211 Rn. 18) – von Rechts wegen nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urt. v. 24.8.2016 - 2 StR 504/15 Rn. 18). Ob Umstände, wie das Nichtvorliegen einer "Verzweiflungstat" und das Fehlen einer Provokation durch das Tatopfer strafschärfend gewertet werden dürfen, kann nur nach Lage des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. BGHSt 34, 345). Demgemäß bedarf die strafschärfende Wertung solcher Umstände einer besonderen Begründung, um dem Revisionsgericht die rechtliche Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.4.2009 - 4 StR 601/08 - NStZ-RR 2009, 231). Umgekehrt kann die Abwesenheit eines strafschärfenden Grundes nicht strafmildernd berücksichtigt werden und somit etwa nicht zu Gunsten des Angeklagten gewertet werden, dass er nicht mit noch höherer krimineller Energie einen noch höherer Schaden angerichtet hat (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2012 - 1 StR 525/11). Zwar darf der Grundsatz, wonach das Fehlen eines Strafmilderungsgrunds keinen Strafschärfungsgrund darstellt, nicht dahin missverstanden werden, dass die Einbeziehung gegebener Tatsachen in die Abwägung der Umstände, die für die Strafzumessung von Bedeutung sind, stets dann rechtsfehlerhaft sei, wenn sie im Urteil in negativer Formulierung umschrieben sind. Die revisionsrichterliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich vielmehr am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatgerichts und nicht an dessen - möglicherweise missverständlichen oder sonst unzureichenden - Formulierungen zu orientieren (BGH, Urt. v. 9.10.2013 - 2 StR 119/13; BGH, Beschl. v. 10.4.1987 - GSSt 1/86 - BGHSt 34, 345, 349 f.; vgl. auch im Ergebnis: BGH, Urt. v. 21.11.1993 - 1 StR 384/93 Rn. 15). Nur wenn die Strafe tatsächlich an bloß fiktiven Erwägungen oder an einem nur hypothetischen Sachverhalt gemessen wird, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat, wird ein rechtlich fehlerhafter Maßstab an die Wertung des Verhaltens des Angeklagten angelegt (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.2013 - 2 StR 119/13; BGH, Urt. v. 28.5.1980 - 3 StR 176/80 - NStZ 1981, 60 mwN; BGH, Beschl. v. 13.8.2013 - 4 StR 288/13 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 24.10.2012 - 4 StR 392/12 - NStZ-RR 2013, 81, 82). |
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215 |
Eine Tötung in Notwehr ist rechtmäßig und kann dem Täter nicht strafschärfend zum Vorwurf gemacht werden (BGH, Beschl. v. 5.2.2002 - 3 StR 512/01). | |
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215.5 |
Hat das Tatgericht offengelassen, ob der Angeklagte den ersten Schuss in Notwehr abgab und ihn jedenfalls wegen des zweiten Schusses rechtsfehlerfrei des Totschlags für schuldig befunden, kann der Strafausspruch rechtsfehlerhaft sein, wenn sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt wurde, dass er zwei Schüsse auf sein Opfer abgegeben hat. Denn damit wird der erste Schuss als straferschwerend bewertet, obgleich dieser möglicherweise durch das Notwehrrecht des Angeklagten gerechtfertigt war (vgl. BGH, Beschl. v. 14.11.2012 - 3 StR 368/12). | |
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220 |
Zum
Verbot der
Doppelbewertung von Merkmalen des Tatbestands des
§
63 Abs. 1 StGB/DDR vgl. BGH,
Beschl. v. 19.6.2002 - 4 StR
206/02; Zur analogen Anwendung des § 46 Abs. 3 StGB vgl. etwa § 176a StGB Rdn. 55 Wurde zu Gunsten des Angeklagten seine Haftempfindlichkeit berücksichtigt, dies aber nur eingeschränkt, weil dem Angeklagten bekannt gewesen sei, dass ihn im Falle der Aufdeckung eine erhebliche Strafe erwarten würde, wirkt sich die Kenntnis des Angeklagten von der Strafbarkeit seines Handelns in der Sache demnach strafschärfend aus, ohne dass es hierfür einen rechtfertigenden Grund gäbe. Das Bewusstsein, Unrecht zu tun (vgl. § 17 StGB), ist Voraussetzung für die Strafbarkeit die Strafgesetze verletzender Verhaltensweisen; es gibt demnach keinen Anlass, dem Täter die Kenntnis von der Strafbarkeit seines Tuns strafschärfend anzulasten (vgl. BGH, Beschl. v. 5.2.2015 - 2 StR 496/14). |
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Besonders schwere Fälle |
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225 |
Regelbeispiele
enthalten eine im Vergleich zum Grunddelikt schwerere
Strafdrohung für besonders schwere Fälle und benennen
Beispiele, die den erhöhten Strafrahmen dann
eröffnen, wenn
sie verwirklicht sind (vgl. BGH,
Beschl. v. 7.1.2003 - 3 StR 425/02
betr. § 177 Abs. 1 und 2 StGB). Zwar ist außerhalb
des
Regelbeispiels die Annahme eines besonders schwerer Falls nicht
ausgeschlossen. Doch kann die Einordnung als solcher dann allein auf
eine Bewertung aller für die Strafzumessung wesentlichen tat-
und
täterbezogenen Umstände im Rahmen einer
Gesamtwürdigung
gestützt werden (vgl. BGH,
Beschl. v. 7.1.2003 - 3 StR 425/02;
vgl. auch BGH,
Urt. v. 7.8.2001 - 1 StR 470/00 - NJW 2002, 150: betr.
konkurrenzrechtliche Bewertungen). Regelbeispiele enthalten z.B. die nachfolgenden Tatbestände: § 94 Abs. 2 StGB siehe auch: Landesverrat, § 94 StGB § 95 Abs. 3 i.V.m. § 94 Abs. 2 StGB siehe auch: Offenbaren von Staatsgeheimnissen, § 95 StGB § 98 Abs. 1 StGB i.V.m. § 94 Abs. 2 StGB siehe auch: Landesverräterische Agententätigkeit, § 98 StGB § 99 Abs. 2 StGB siehe auch: Geheimdienstliche Agententätigkeit, § 99 StGB § 100 Abs. 2 StGB siehe auch: Friedensgefährdende Beziehungen, § 100 StGB § 100a Abs. 4 StGB siehe auch: Landesverräterische Fälschung, § 100a StGB § 113 Abs. 2 StGB siehe auch: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113 StGB § 121 Abs. 3 StGB siehe auch: Gefangenenmeuterei, § 121 StGB § 125a StGB siehe auch: Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs, § 125a StGB § 177 Abs. 2 StGB siehe auch: Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, § 177 StGB § 218 Abs. 2 StGB siehe auch: Schwangerschaftsabbruch, § 218 StGB § 240 Abs. 4 StGB siehe auch: Nötigung, § 240 StGB § 243 StGB siehe auch: Besonders schwerer Fall des Diebstahls, § 243 StGB § 253 Abs. 4 StGB siehe auch: Erpressung, § 253 StGB § 261 Abs. 4 StGB siehe auch: Geldwäsche, § 261 StGB § 263 Abs. 3 StGB siehe auch: Betrug, § 263 StGB § 263a Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB siehe auch: Computerbetrug, § 263a StGB § 264 Abs. 2 StGB siehe auch: Subventionsbetrug, § 264 StGB § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB siehe auch: Untreue, § 266 StGB § 266a Abs. 4 StGB siehe auch: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, § 266a StGB § 267 Abs. 3 StGB siehe auch: Urkundenfälschung, § 267 StGB § 283a StGB siehe auch: Besonders schwerer Fall des Bankrotts, § 283a StGB § 283d StGB siehe auch: Schuldnerbegünstigung, § 283d StGB § 291 Abs. 2 StGB siehe auch: Wucher, § 291 StGB § 292 Abs. 2 StGB siehe auch: Jagdwilderei, § 292 StGB § 303b Abs. 4 StGB siehe auch: Computersabotage, § 303b StGB § 316b Abs. 3 StGB siehe auch: Störung öffentlicher Betriebe, § 316b StGB § 330 StGB siehe auch: Besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat, § 330 StGB § 335 Abs. 2 StGB siehe auch: Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung, § 335 StGB § 95 Abs. 3 AMG siehe auch: § 95 AMG § 370 Abs. 3 AO siehe auch: Steuerhinterziehung, § 370 AO § 84 Abs. 2 AsylG siehe auch: Verleitung zur mißbräuchlichen Asylantragstellung, § 84 AsylG § 29 Abs. 3 BtMG siehe auch: § 29 BtMG --> Abs. 3 § 19 Abs. 3 GÜG siehe auch: Strafvorschriften, § 19 GÜG § 20a Abs. 2 KWKG siehe auch: Strafvorschriften gegen Antipersonenminen, § 20a KWKG § 22a Abs. 2 KWKG siehe auch: Sonstige Strafvorschriften, § 22a KWKG § 58 Abs. 5 LFGB § 17 Abs. 4 UWG § 48 Abs. 3 WeinG § 51 Abs. 2 WaffG siehe auch: Strafvorschriften, § 51 WaffG § 1 Abs. 3 WiStrG § 18 Abs. 3 WStG § 24 Abs. 4 WStG § 25 Abs. 3 WStG § 27 Abs. 3 WStG § 30 Abs. 4 WStG § 31 Abs. 3 WStG |
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225.1 |
Sind die Voraussetzungen eines Regelbeispiels gegeben, so bestimmt sich der "Regelstrafrahmen" nach dem erhöhten Strafrahmen; einer zusätzlichen Prüfung, ob dessen Anwendung im Vergleich zu den im Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle geboten erscheint, bedarf es nicht (BGH, Urt. v. 11.9.2003 - 4 StR 193/03 - wistra 2003, 460; BGH, Urt. v. 31.3.2004 - 2 StR 482/03 - wistra 2004, 339). In einem zweiten Prüfungsschritt ist zu prüfen, ob Besonderheiten des Einzelfalls die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften (siehe nachstehend Rdn. 225.2). | |
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225.2 |
Der
Tatrichter hat unabhängig davon, ob die Voraussetzungen
des
Regelbeispiels vorliegen oder nicht, stets darüber hinaus zu
prüfen, ob auf Grund mildernder Umstände die
Regelwirkung
entfällt und deshalb der Normalstrafrahmen anzuwenden ist, und
ob im Falle des
Nichtvorliegens eines Regelbeispiels etwa im Blick auf besondere
erschwerende Gesichtspunkte ein unbenannter besonders schwerer Fall
anzunehmen ist (vgl. BGH,
Urt. v. 7.10.2003 - 1 StR 274/03 - BGHSt 48,
360 - NJW 2004, 169). Es müssen in dem Tun oder in der Person
des
Täters Umstände vorliegen, die das Unrecht seiner Tat
oder
seiner Schuld deutlich vom Regelfall abheben, so dass die Anwendung des
erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint (st. Rspr.; vgl. BGHSt
20, 121, 125; BGH,
Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 36/01; BGH,
Urt. v.
2.12.2008 - 1 StR 416/08 - BGHSt 53, 71 - wistra 2009, 107).
Das Vorliegen vertypter Milderungsgründe etwa kann die Indizwirkung des Regelbeispiels aufheben und zur Anwendung des Normalstrafrahmens führen (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 13.3.2002 - 1 StR 39/02). Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Ausnahme von der Regelwirkung dann in Betracht kommen, wenn ein Regelbeispiel mit gewichtigen Milderungsgründen zusammentrifft. Der Bestrafung kann dann der Strafrahmen des Grundtatbestands zu Grunde gelegt werden. In Ausnahmefällen kann darüber hinaus eine weitere Milderung dieses Strafrahmens und die Bemessung der Strafe aus dem Rahmen für minder schwere Fälle in Betracht zu ziehen sein (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13; BGH StV 1998, 76; BGHR StGB § 177 Abs. 2 (i.d.F. des 6. StrRG) Strafrahmenwahl 14; BGH, Beschl. v. 22.4.2002 - 5 StR 149/02: BGH, Beschl. v. 21.1.2003 - 4 StR 414/02; BGH, Beschl. v. 26.9.2003 - 2 StR 321/03; BGH, Beschl. v. 10.2.2004 - 4 StR 2/04; BGH, Beschl. v. 19.7.2007 - 4 StR 262/07; BGH, Beschl. v. 31.7.2007 - 4 StR 316/07; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 177 Rdn. 96 m.N.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.12.2008 - 5 StR 536/08 - wistra 2009, 151). Die Indizwirkung eines Regelbeispiels kann durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint (BGH wistra 2008, 474, 476 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 28.10.2009 - 5 StR 171/09 - NStZ-RR 2010, 54). Ein vertypter Strafmilderungsgrund kann schon allein oder im Zusammenwirken mit allgemeinen Milderungsgründen ein Abweichen vom Regelstrafrahmen (etwa des § 177 Abs. 2 StGB) und die Anwendung des Normalstrafrahmens rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.2.2004 - 4 StR 2/04; Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 92 m.w.N.). Liegt etwa eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit aufgrund einer akuten Kokainwirkung vor, ist das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB bereits bei der Prüfung des besonders schweren Falls zu berücksichtigten (vgl. BGH, Beschl. v. 27.3.2012 - 2 StR 41/12 betr. § 240 Abs. 4 StGB; siehe auch Fischer StGB 59. Auflage § 46 Rn. 92; siehe auch näher: § 240 StGB Rdn. 75). Die ausdrückliche Begründung, warum der Regelstrafrahmen und nicht der des Grundtatbestandes nach § 177 Abs. 1 StGB oder gar der des minder schweren Falles nach § 177 Abs. 5 StGB angewendet worden ist, bedarf es nur, wenn der Sachverhalt eine solche Prüfung nahelegt und eine Erörterung in den Urteilsgründen als Grundlage einer revisionsrechtlichen Nachprüfung geboten ist. Liegt aber die Heranziehung eines niedrigeren Strafrahmens in Anbetracht der gesamten Umstände fern, ist eine solche Erörterung aus sachlich-rechtlichen Gründen nicht geboten (BGH StV 1981, 541; GA 1987, 226; BGH, Urt. v. 19.12.2002 - 3 StR 401/02 - NStZ-RR 2003, 110). Soweit ein Entfallen der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB mit der Begründung versagt wird, dass die fehlende Tatvollendung "reiner Zufall" gewesen sei und eine Begünstigung des Angeklagten nicht rechtfertige, erscheint dies rechtlich bedenklich. Sofern hiermit nicht auf die Nähe zur Tatvollendung abgestellt, sondern dem Angeklagten angelastet wird, dass er die Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgab, stellt dies im Rahmen der gebotenen Gesamtschau keinen tauglichen Gesichtspunkt dar (BGH StV 1985, 411; BGH, Beschl. v. 6.2.2009 - 2 StR 340/08 - NStZ-RR 2009, 175). Auch wenn aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist, dass das Tatgericht auch unter Heranziehung eines vertypten Strafmilderungsgrundes in bestimmten Fällen jeweils die Voraussetzungen eines minder schweren Falles verneint und in einen weiteren Fall einen besonders schweren Fall angenommen hat, muss das Urteil erkennen lassen, dass das Tatgericht eine insoweit in Betracht kommende Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 StGB geprüft hat (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2000 - 4 StR 606/99; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 21 Rdn. 8). Rechtsfehlerhaft ist es daher, wenn eine Begründung, mit der dem nicht vorbestraften Angeklagten diese Milderungsmöglichkeit ermessensfehlerfrei versagt wurde, dem Urteil nicht zu entnehmen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2000 - 4 StR 606/99). |
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225.3 |
Die Annahme eines Regelbeispiels bei einem Gehilfen kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Teilnahmehandlungen selbst als besonders schwere Fälle darstellen (BGH, Beschl. v. 21.9.1995 - 1 StR 316/95 - StV 1996, 87; BGH, Beschl. v. 31.7.2012 - 5 StR 188/12). Es reicht deshalb nicht aus, wenn lediglich der Haupttäter das Regelbeispiel verwirklicht hat. Vielmehr ist anhand des konkreten Regelbeispiels in einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt, die Beihilfe sich selbst als besonders schwerer Fall darstellt (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 4 - Gehilfe 2; vgl. auch BGH, Beschl. v. 30.10.1991 - 3 StR 368/91; BGH, Urt. v. 21.1.1992 - 1 StR 598/91; BGH, Beschl. v. 1.4.1992 - 5 StR 97/92 - NStE Nr. 81 zu § 29 BtMG; BGH, Beschl. v. 13.9.2007 - 5 StR 65/07 - wistra 2007, 461; BGH, Beschl. v. 11.12.2008 - 5 StR 536/08 - wistra 2009, 151; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 105). | |
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225.4 |
Den "Versuch eines besonders schweren
Falles" gibt es im System des
Strafgesetzbuches nicht, weil die Vorschriften über besonders
schwere Fälle, insbesondere die gesetzlichen Regelbeispiele
keine
Tatbestände im engeren Sinn, sondern lediglich
Strafzumessungsregeln enthalten. Allerdings ist es möglich,
daß der Tatrichter - als Ergebnis der ihm aufgegebenen
umfassenden Würdigung - in dem "Versuch" (als solchem) der
Erfüllung eines Regelbeispiels das Vorliegen eines
(unbenannten)
besonders schweren Falles findet (vgl. BGH, Beschl. v. 17.6.1997 - 5
StR 232/97 - NStZ-RR 1997, 293; Fischer, StGB 55. Aufl., § 46
Rdnr. 97). Sind Grunddelikt und Regelbeispiel versucht, wobei sich der Tatentschluss auch auf die Verwirklichung des Regelbeispiels gerichtet und der Täter hierzu bereits unmittelbar angesetzt hat, ist der - ggfls. nach den §§ 23, 49 StGB gemilderte - Strafrahmen des besonders schweren Falls anzuwenden (vgl. BGH, Beschl. v. 18.11.1985 - 3 StR 291/85 - BGHSt 33, 370 - NJW 1986, 940, offen gelassen in BGH, Urt. v. 8.2.1984 - 3 StR 414/83 - NStZ 1984, 262; jeweils zum besonders schweren Fall des Diebstahls; BGH, Beschl. v. 11.1.2006 - 2 StR 505/05 zu § 177 Abs. 2 StGB). Beispiel: Danach setzt die Annahme des Regelbeispiels "Einbrechen" in § 243 I 2 Nr. 1 StGB beim versuchten Diebstahl nicht voraus, daß der begonnene Einbruch gelungen ist (BGH, Beschl. v. 18.11.1985 - 3 StR 291/85 - BGHSt 33, 370 - NJW 1986, 940). Beispiel: Hat der Angeklagte mit dem Einsatz der gefährlichen Werkzeuge gegen die Tatopfer zugleich unmittelbar zu der jeweils geplanten Vergewaltigung im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB angesetzt und war das Grunddelikt des § 177 Abs. 1 StGB nicht vollendet, aber waren dieses sowie der besonders schwere Fall versucht, ist wegen versuchter Vergewaltigung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2006 - 2 StR 505/05; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl., § 177 Rdn. 77 m.w.N.). Dies wird nach anderer Auffassung für bedenklich gehalten, weil hierin eine verbotene Analogie zu Ungunsten des Täters verbunden sei, die darin gesehen wird, dass ein "unmittelbares Ansetzen" des Täters zur Verwirklichung der Merkmale eines Regelbeispiels nicht in Betracht kommt (vgl. Lackner-Kühl, 25. Aufl., § 46 Rdnr. 15 m.w.N.). Diese Ansicht gelangt vorbehaltlich der Annahme atypischer Fallgestaltungen im Ergebnis zum versuchten Grunddelikt. Die Indizwirkung von tatbestandsähnlich ausgestalteten Regelbeispielen bei den Strafzumessungsvorschriften besonders schwerer Fälle (wie etwa bei § 121 Abs. 3 StGB) kann aber beim Versuch grundsätzlich nicht weiter reichen als die erhöhte Versuchsstrafbarkeit bei entsprechenden, rechtlich verselbständigten Qualifikationstatbeständen reichen würde. Dem stand die vorgenannte Entscheidung 3. Strafssenats des Bundesgerichtshofs in BGHSt 33, 370 nicht entgegen, weil die Angeklagten zur Verwirklichung des Regelbeispiels nicht unmittelbar angesetzt hatten, sondern davon noch so weit entfernt waren, dass ihr Verhalten nach dem Sinn des § 121 Abs. 3 Nr. 1 StGB von der Indizwirkung des Regelbeispiels nicht erfaßt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 28.12.1994 - 3 StR 509/94 - StV 1996, 147). Die in BGH, Beschl. v. 18.11.1985 - 3 StR 291/85 - BGHSt 33, 370 - NJW 1986, 940 auch in den Blick genommene einfachere Handhabung der Versuchsproblematik durch Anlehnung an den Entschluss des Täters ist hingegen nicht allgemeingültig auf Regelbeispiele übertragbar, sondern durchaus tatbestandsspezifisch zu betrachten: So unterfällt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Vermögensverlust im Sinne des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB nur der tatsächlich eingetretene Schaden (BGH, Urt. v. 7.10.2003 - 1 StR 212/03 - BGHSt 48, 354, 356 - NJW 2003, 3717; BGH, Beschl. v. 9.8.2005 - 5 StR 67/05 - wistra 2006, 17; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.5.2002 - 3 StR 48/02 - wistra 2002, 339; ebenso Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 263 Rdn. 49; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn. 188 c). L E I T S A T Z Wird bereits durch den Abschluß eines Austauschvertrages ein Nachteil im Sinne einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bewirkt, so ist ein "Vermögensverlust großen Ausmaßes" im Sinne des Regelbeispiels für den besonders schweren Fall einer Untreue wie auch eines Betruges erst dann herbeigeführt (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 266 Abs. 2 StGB), wenn der Geschädigte seine vertraglich geschuldete Leistung erbracht hat (BGH, Urt. v. 7.10.2003 - 1 StR 212/03 - Ls. - BGHSt 48, 354 - NJW 2003, 3717). Ist es nicht zu einem endgültigen Schaden gekommen, kann lediglich im Hinblick auf die übrigen Umstände der Tat die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles in Betracht kommen (vgl. BGH, Urt. v. 7.10.2003 - 1 StR 212/03 - BGHSt 48, 354, 359 - NJW 2003, 3717). Mit diesen Grundsätzen verträgt sich die Annahme eines 'Versuchs eines besonders schweren Falles' nicht, wie ihn der Bundesgerichtshof bei anderen Delikten für möglich erachtet hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 46, Rdn. 101 m.w.N.). Würde schon die beabsichtigte Zufügung eines großen Vermögensverlustes, zu der der Täter angesetzt hat, ohne dass das Betrugsdelikt vollendet wäre, zur Annahme des Regelbeispiels führen, müsste es auch im Falle einer Vermögensgefährdung, die zur Annahme eines vollendeten Betruges führt, aber nach den Vorstellungen des Täters noch in einen endgültigen Vermögensschaden umschlagen soll, ohne weiteres ebenfalls gegeben sein. Das aber hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung BGH, Urt. v. 7.10.2003 - 1 StR 212/03 - BGHSt 48, 354 - NJW 2003, 3717 gerade ausgeschlossen (vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.11.2006 - 2 StR 388/06 - wistra 2007, 111). Die Voraussetzungen des Regelbeispiels der Herbeiführung eines "Vermögensverlusts großen Ausmaßes" (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB) sind in Fällen bloßer Versuchsstrafbarkeit nicht erfüllt (vgl. BGHSt 48, 354, 359; BGH, Beschl. v. 17.11.2006 - 2 StR 388/06 - wistra 2007, 111; BGH, Beschl. v. 9.1.2007 - 4 StR 428/06 - wistra 2007, 183). Insoweit § 177 Abs. 2 StGB eine im Vergleich zum Grunddelikt (§ 177 Abs. 1 StGB) schwerere Strafdrohung für besonders schwere Fälle der sexuellen Nötigung enthält, Beispiele benennt, die den erhöhten Strafrahmen dann eröffnen, wenn sie verwirklicht sind, ist eine Auffassung des Tatgerichts für unzutreffend angesehen worden, wonach die entsprechende Indizwirkung auch vom versuchten erzwungenen Beischlaf und demnach von der versuchten Verwirklichung dieses Regelbeispiels ausgehe (vgl. BGH, Beschl. v. 7.1.2003 - 3 StR 425/02). |
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225.5 |
Die
Subsidiaritätsklausel des Grunddelikts (z.B. §
125 StGB)
greift auch dann ein, wenn ein besonders schwerer Fall (z.B. des
Landfriedensbruchs nach § 125a StGB) vorliegt, da
Regelbeispiele
keine qualifizierende Tatbestände darstellen, sondern
Strafzumessungsregeln enthalten (vgl. etwa BGHR StGB § 125 a
Konkurrenzen 1; BGH,
Beschl. v. 7.4.2005 - 2 StR 537/04). Der Tatrichter darf bei der Strafzumessung auch die Verwirklichung solcher Straftatbestände strafschärfend berücksichtigen, die aufgrund ihrer formellen Subsidiarität zurücktreten (st. Rspr., BGHSt 19, 189; BGH, NStZ-RR 1996, 21; BGH, Beschl. v. 16.9.2010 - 3 StR 331/10). |
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U.2 |
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U.2.1 |
Nach
§ 267
Abs. 3 Satz 1 StPO sind in den Urteilsgründen die
Umstände
anzuführen, die bei der Zumessung der Strafe für das
Gericht
bestimmend waren. Die Darstellung der maßgeblichen Tatsachen
und
deren Bewertung muss dabei so angelegt sein, dass dem Revisionsgericht
eine rechtliche Nachprüfung möglich wird (BGH, Urt.
v.
30.11.1971 – 1 StR 485/71 - BGHSt 24, 268; BGH, Beschl. v.
6.6.2012 - 4 StR 144/12). siehe hierzu näher: Urteilsgründe, § 267 StPO Rdn. 100 ff. Zwar braucht das Tatgericht im Allgemeinen in den Urteilsgründen nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Strafzumessung bestimmend sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Darstellung aller letztlich maßgebenden belastenden und entlastenden Umstände ist weder vorgeschrieben noch möglich. An die Wiedergabe der für die Strafzumessung bestimmenden Umstände sind aber umso höhere Anforderungen zu stellen, je höher die erkannte Strafe ist (vgl. BGH, Beschl. v. 30.8.1983 – 5 StR 587/83 - StV 1984, 152; BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 5 StR 269/12). Spricht das Gericht eine auffallend hohe Strafe aus, bedarf die Bemessung der Strafhöhe eingehender Begründung (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 12; BGH, Beschl. v. 13.9.2007 - 5 StR 305/07). Je mehr sich die im Einzelfall verhängte Strafe dem unteren oder oberen Rand des zur Verfügung stehenden tatrichterlichen Spielraums nähert, um so höher sind die Anforderungen, die an eine umfassende Abwägung und eine erschöpfende Würdigung der maßgeblichen straferschwerenden und strafmildernden Umstände zu stellen sind (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 15, Beurteilungsrahmen 7; BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 8; BGH, Beschl. v. 5.11.2002 - 4 StR 304/02; BGH, Beschl. v. 17.1.2003 - 2 StR 471/02; BGH, Urt. v. 16.12.2004 - 3 StR 362/04; BGH, Urt. v. 13.1.2005 - 4 StR 469/04; BGH, Beschl. v. 8.2.2005 - 3 StR 500/04). Ist eine Mehrzahl erheblicher Strafmilderungsgründe aufgeführt und hat das Gericht für diese Tat die Höchststrafe verhängt, reicht die Erwägung, dass "die strafschärfenden Gesichtspunkte überwogen" als Begründung hierfür nicht aus. Zwar schließt das Vorliegen einzelner Milderungsgründe die Verhängung der Höchststrafe nicht von vornherein aus; diese bedarf dann aber sorgfältiger Begründung unter erkennbarer Berücksichtigung aller Umstände (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2007 - 2 StR 477/07 - wistra 2008, 195). An die Begründung der Strafhöhe sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die Strafe der unteren oder oberen Grenze des Zulässigen nähert (BGH NJW 1995, 2234, 2235; vgl. auch BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23; BGH, Beschl. v. 3.12.2004 - 2 StR 490/04) oder je knapper die verhängte Strafe eine an sich noch bewährungsfähige Strafe übersteigt (BGH StV 1992, 462, 463; BGH, Beschl. v. 29.6.2000 - 1 StR 223/00; BGH, Beschl. v. 19.9.2000 - 1 StR 392/00; BGH, Beschl. v. 5.12.2000 - 1 StR 533/00; BGH, Urt. v. 23.10.2002 - 5 StR 392/02; BGH, Beschl. v. 19.11.2002 - 1 StR 374/02; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 615 m.w.Nachw.). Dem wird das angefochtene Urteil dann nicht gerecht, wenn es ausgehend von dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB, der von zwei Jahren (das Urteil nennt irrtümlich drei Jahre) bis zu elf Jahren drei Monaten Freiheitsstrafe reicht, innerhalb seiner äußerst knappen Darlegungen zur Strafzumessung lediglich zwei Milderungsgründe anführt und Schärfungsgründe nicht genannt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 17.11.2005 - 3 StR 379/05). - Ober- und Untergrenze bei Verständigung L E I T S A T Z Gibt das Gericht gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Ober- und Untergrenze der Strafe an, ist es nicht gehindert, die angegebene Obergrenze als Strafe zu verhängen (BGH, Beschl. v. 27.7.2010 - 1 StR 345/10 - Ls.). |
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U.2.1.1 |
Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs sind Hilfserwägungen zur Strafzumessung unzulässig (RGSt 70, 400, 403; 71, 101, 104; BGHSt 7, 359; BGH NStZ 1998, 305; BGH, Urteile vom 10. April 1953 - 1 StR 133/53, vom 11. Januar 1955 - 1 StR 302/54 und vom 8. Februar 1955 - 2 StR 301/54). Die Strafe muss dem Gesamtverhalten des Angeklagten entsprechen, wie es tatsächlich festgestellt und rechtlich zu beurteilen ist. Es wird regelmäßig nicht hinreichend sicher erkennbar sein, ob die Strafe für eine nicht festgestellte Tat oder für den Fall angemessen ist, dass sie rechtlich anders als geschehen zu beurteilen wäre.Der Bundesgerichtshof hält Hilfserwägungen aber auch dann für unzulässig, wenn sie der Tatrichter nur für den Fall anstellt, dass er einen anderen Strafrahmen für dieselbe Tat zu Grunde gelegt hätte oder dass von ihm eigentlich als wesentlich angesehene Strafzumessungsgründe aus Rechtsgründen nicht hätten berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.10.2008 - 2 StR 386/08). | |
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U.2.2 |
Der
Strafausspruch kann keinen Bestand haben, wenn das Tatgericht als
bestimmenden Zumessungsumstand (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO)
zum
Nachteil des Angeklagten "die Verletzungsfolgen der
Nebenklägerin"
hervorhebt und es im Urteil an einer Feststellung von Verletzungsfolgen
vollständig fehlt. Ob das Gericht die ‚verschuldeten
Auswirkungen der Tat‘ (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB)
rechtsfehlerfrei erwogen hat, kann deshalb im Revisionsverfahren nicht
überprüft werden (vgl. BGH,
Beschl. v. 26.1.2005 - 5
StR
549/04). Kann das Gericht keine sicheren Feststellungen über Folgen der Tat treffen, darf sich dies nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken. Eine zum Nachteil des Angeklagten auf bloße Vermutungen hinsichtlich möglicherweise auftretender Spätfolgen der Tat gestützte Strafzumessung ist unzulässig (vgl. BGH NStZ 1997, 336, 337; StV 1998, 656, 657; BGH, Beschl. v. 20.8.2003 - 2 StR 285/03; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 176 Rdn. 22). Der Zweifelssatz gilt uneingeschränkt auch für die Strafzumessung (vgl. BGH StV 1983, 456; 1986, 5; BGH, Beschl. v. 20.8.2003 - 2 StR 285/03). Soweit im Rahmen der Strafzumessung lediglich pauschal darauf verwiesen wird, "strafschärfend (sei) das gesamte Tatbild zu berücksichtigen", ohne einzelne straferschwerende Umstände anzuführen, ist dies im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB nicht frei von rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Beschl. v. 5.1.2005 - 4 StR 518/04). |
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U.2.3 |
Bei den Feststellungen zu den Tatzeiten handelt es sich um sogenannte doppelrelevante Tatsachen, die nicht nur für den Strafausspruch, sondern auch für den Schuldspruch von Bedeutung sind (vgl. BGHSt 24, 274, 275; BGH, Beschl. v. 23.3.1995 - 1 StR 68/95; BGH, Beschl. v. 14.4.2004 - 4 StR 99/04; Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 25). Unterbleiben insoweit Feststellungen kann dies beispielsweise bei der Strafzumessung im engeren Sinn zur fehlerhaften Annahme strafschärfender Erwägungen führen, wenn beispielsweise zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt wird, er sei bereits vielfach vorbestraft, obwohl beim genauen Hinsehen die Taten der Vorverurteilungen in den Zeitraum der zu beurteilenden Taten fallen und keine den Vorstrafen zukommende Warnfunktion entfalten können (vgl. BGH, Beschl. v. 14.4.2004 - 4 StR 99/04). | |
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Z.7 |
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Z.7.1 |
Die
Strafzumessung - zu der auch die Frage gehört, ob ein
minder
schwerer Fall vorliegt (vgl. BGH,
Urt. v. 10.11.2004 - 5 StR 403/04) -
ist grundsätzlich Sache
des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe,
auf
der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung
von der Tat und der Persönlichkeit des Täters
gewonnen hat,
die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände
festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander
abzuwägen
(st. Rspr.; vgl. BGHSt 26, 97, 98; BGHR BtMG § 30 Abs. 2
Gesamtwürdigung 4; BGH,
Urt. v. 22.7.2004 - 5 StR 154/04; BGH,
Urt. v. 23.3.2006 - 3 StR 458/05; BGH,
Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR
149/05; BGH,
Beschl. v. 22.10.2002 - 5 StR 441/02; BGH,
Urt. v.
23.10.2002 - 5 StR 392/02; BGH, Urt. v. 27.1.2015 - 1 StR
142/14). Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn die tatrichterlichen Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft, insbesondere lückenhaft oder widersprüchlich sind, wenn sie gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (vgl. nur BGHSt 34, 345, 349; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 10, 12, 14; BGH, Urt. v. 29.8.2000 - 5 StR 321/00; BGH, Urt. v. 25.10.2000 - 3 StR 351/00; BGH, Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 421/06 - NStZ 2007, 288; BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05; BGH, Urt. v. 2.12.2005 - 5 StR 119/05 - wistra 2006, 96; BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 5 StR 301/04 - wistra 2005, 144; BGH, Urt. v. 27.04.2006 - 4 StR 572/05; BGH, Urt. v. 11.6.2002 - 5 StR 130/02; BGH, Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR 164/07 - wistra 2008, 58; BGH, Urt. v. 27.10.2009 - 1 StR 343/09; BGH, Beschl. v. 26.3.2003 - 2 StR 54/03; BGH, Beschl. v. 22.10.2002 - 5 StR 441/02; BGH, Urt. v. 14.6.2007 - 3 StR 176/07; BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - 3 StR 441/10 - StV 2011, 364; BGH, Urt. v. 27.1.2015 - 1 StR 142/14). Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 34, 345, 349; BGH wistra 2002, 137). Nur in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 5 StR 301/04 - wistra 2005, 144; BGH, Urt. v. 23.6.2009 - 5 StR 195/09). Dabei kann die Höhe der vom Tatrichter für den konkreten Fall bestimmten Strafe vom Revisionsgericht anhand der im Urteil dargelegten Umstände grundsätzlich nicht ohne weiteres nachgeprüft werden (BGH, Beschl. v. 22.10.2002 - 5 StR 441/02). An die Begründung der Strafhöhe sind allerdings um so größere Anforderungen zu stellen, die an eine umfassende Abwägung und eine erschöpfende Würdigung der für die Bemessung der Strafe maßgeblichen straferschwerenden und strafmildernden Umstände zu stellen sind, je mehr sich die Strafe der unteren oder oberen Grenze des Zulässigen nähert (vgl. BGH, Beschl. v. 22.10.2002 - 5 StR 441/02). So ist auch die Gesamtstrafenbildung dann eingehend zu begründen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten wird (BGHSt 24, 268, 271; BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05). Liegt die verhängte (Gesamt-)Freiheitsstrafe in der Nähe zu einer solchen, bei der eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung in Betracht kommt, bedarf es allerdings regelmäßig einer besonders sorgfältigen Begründung der Strafzumessung (BGH, Beschl. v. 13.5.1992 - 5 StR 440/91 - BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18; BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - 3 StR 441/10 - StV 2011, 364). In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGH NJW 1995, 340; BGH, Urt. vom 20.1.2004 - 1 StR 319/03; BGH, Urt. v. 29.6.2005 - 1 StR 149/05; BGH, Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR 164/07 - wistra 2008, 58; BGH, Urt. v. 26.10.2015 - 1 StR 317/15). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5; BGH, Urt. v. 19.4.2000 - 2 StR 410/99; BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - 3 StR 441/10 - StV 2011, 364; BGH, Urt. v. 26.10.2015 - 1 StR 317/15). Das gilt auch insoweit, als die tatgerichtliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falls zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht. Die vom Tatgericht vorgenommene Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann zu respektieren, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall Gesamtwürdigung, fehlerfreie 1 m.w.N.; BGH, Urt. v. 23.6.2009 - 5 StR 189/09 - NStZ-RR 2009, 307). Daraus, dass ein für die Strafzumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17; BGH, Urt. v. 12.5.2005 - 5 StR 86/05; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 - 5 StR 263/05 - wistra 2005, 458). Es liegt jedoch ein sachlich-rechtlicher Fehler vor, wenn in den Urteilsgründen Umstände außer Acht gelassen werden, die für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts und damit der Schwere der Tat von besonderer Bedeutung sind, deren Einbeziehung in die Strafzumessungserwägungen deshalb nahe lag (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 1982 - 4 StR 218/82 - und vom 7. Juli 1983 - 4 StR 222/83; BGH, Beschl. v. 21.9.2005 - 5 StR 263/05 - wistra 2005, 458; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. § 46 Rdn. 106). |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 2. Titel (Strafbemessung) |
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