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§
121 StGB
Gefangenenmeuterei
(1) Gefangene, die sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften 1. einen Anstaltsbeamten, einen anderen Amtsträger oder einen mit ihrer Beaufsichtigung, Betreuung oder Untersuchung Beauftragten nötigen (§ 240) oder tätlich angreifen, 2. gewaltsam ausbrechen oder 3. gewaltsam einem von ihnen oder einem anderen Gefangenen zum Ausbruch verhelfen, werden mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen wird die Meuterei mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter 1. eine Schußwaffe bei sich führt, 2. eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, um diese oder dieses bei der Tat zu verwenden, oder 3. durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. (4) Gefangener im Sinne der Absätze 1 bis 3 ist auch, wer in der Sicherungsverwahrung untergebracht ist. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 121 Abs. 3 StGB |
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75 |
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75.2 |
Befanden
sich die Angeklagten noch auf dem Gelände der
Vollzugsanstalt und hatten die ca. sechs Meter hohe
Außenmauer noch nicht überwunden, kann nicht die
Rede davon sein, sie hätten die in einer Entfernung von 200
bis 300 Meter außerhalb der Haftanstalt bereitgelegte
Schußwaffe in dem Sinne "bei sich geführt",
daß sie sich ihrer jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand
und ohne besondere Schwierigkeit hätten bedienen
können (vgl. BGH, Beschl. v. 28.12.1994 - 3 StR 509/94 - StV
1996, 147; BGHSt 31, 105 zum
Beisichführen einer
Schußwaffe beim Raub). Auch ein besonders schwerer Fall nach § 121 Abs. 3 Nr. 1 StGB kann nicht mit der Begründung bejaht werden, dass die Angeklagten nach ihrem Tatplan die Schußwaffe nach erfolgreichem Ausbruch in der Beendigungsphase der Tat bei sich geführt hätten. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, weil damit die Indizwirkung des Regelbeispiels des besonders schweren Falles nach § 121 Abs. 3 Nr. 1 StGB zu weit ausgedehnt würde (vgl. BGH, Beschl. v. 28.12.1994 - 3 StR 509/94 - StV 1996, 147). Die Indizwirkung von tatbestandsähnlich ausgestalteten Regelbeispielen bei den Strafzumessungsvorschriften besonders schwerer Fälle wie § 121 Abs. 3 StGB kann beim Versuch grundsätzlich nicht weiter reichen als die erhöhte Versuchsstrafbarkeit bei entsprechenden, rechtlich verselbständigten Qualifikationstatbeständen reichen würde. Dem steht die Entscheidung des Senats in BGHSt 33, 370 nicht entgegen, weil in der obigen Fallgestaltung die Angeklagten zur Verwirklichung des Regelbeispiels nicht unmittelbar angesetzt haben, sondern davon noch so weit entfernt waren, daß ihr Verhalten nach dem Sinn des § 121 Abs. 3 Nr. 1 StGB von der Indizwirkung des Regelbeispiels nicht erfaßt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 28.12.1994 - 3 StR 509/94 - StV 1996, 147). |
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75.5 |
Nach bisher ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 56. Aufl. § 121 Rdn. 15 i.V.m. § 113 Rdn. 38) wird angenommen, dass - der benannte besonders schwere Fall der Geiselnahme nach § 121 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB als "andere Waffe" auch die Waffe im nicht-technischen Sinn erfasst (so BTDrucks. 7/550 S. 220 a.E.) und deshalb dieses Regelbeispiel etwa dadurch erfüllt ist, dass der Angeklagte einem der Vollzugsbediensteten bei der Tat eine 17 cm lange Schere an den Hals hielt. Ob diese Rechtsprechung weiterhin Bestand hat, könnte mit Blick auf die Gründe der zu § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ergangenen Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. September 2008 (NJW 2008, 3627 ff.) zweifelhaft sein, der zufolge eine Waffe im nicht-technischen Sinne lediglich dem vom Gesetz in anderen Strafvorschriften verwendeten Begriff des "anderen gefährlichen Werkzeugs" (§ 177 Abs. 3 Nr. 1; § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a; § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB) unterfällt, nicht aber auch dem im Gesetz verwendeten Begriff der (anderen) Waffe (BGH, Beschl. v. 22.9.2009 - 4 StR 382/09 dort offen gelassen; so unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für § 113 StGB Rosenau in LK-StGB 12. Aufl. § 113 Rdn. 77, 78; anders ders. zu § 121, dort Rdn. 60). | |
Konkurrenzen |
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K.5 |
Zwar
setzt die Anwendung von § 121 Abs. 1 Nr. 1 StGB - anders
als dessen Nummer 2 - nicht voraus, dass die Nötigung oder der
tätliche Angriff mit dem Ziel eines Ausbruchs begangen wird.
Jedenfalls in der Fallgestaltung eines im Versuchsstadium
steckengebliebenen Ausbruchs, der mit der Nötigung bzw. dem
tätlichen Angriff ermöglicht werden sollte, scheidet
aber die Annahme von Tateinheit aus, weil der lediglich versuchten
Gefangenenmeuterei kein eigenständiges Handlungsunrecht
zukommt (BGH,
Beschl. v. 9.3.2010 - 4 StR 632/09; vgl. zum
Verhältnis zwischen versuchter Nötigung und Bedrohung
auch BGH,
Beschl. v. 8.11.2005 - 1 StR 455/05 - NStZ 2006, 342 -
sowie ferner Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl.
§ 121 Rdn. 23; Bosch in Münchner Kommentar StGB
§ 121 Rdn. 36; a.A. LK-Rosenau StGB 12. Aufl. § 121
Rdn. 67 jeweils m.w.N.; Fischer StGB 57. Aufl. § 121 Rdn. 13).
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Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen § 121 Abs. 1 StGB: 3
Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 1 Monat 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe Strafrahmen § 121 Abs. 3 StGB: 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 5 Jahre 7 Monate 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 4 Jahre 2 Monate 2 Wochen 4 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 10 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe |
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S.3 |
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S.3.4 |
Die straferschwerende Berücksichtigung der "Gefährlichkeit der einsatzbereiten Schußwaffe" verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB, wenn eine einsatzbereite Schußwaffe bereits Tatbestandsmerkmal ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2001 - 3 StR 352/01 betr. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG). | |
Urteil |
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U.2 |
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U.2.1 |
Bei Bejahung der Schusswaffeneigenschaft muss festgestellt werden, dass die Waffe den Ausschuß nach vorne durch den Lauf hatte, wenn es sich trotz der mitgeteilten Typenbezeichnung noch um ein älteres Modell mit seitlichen oder obenliegenden Ausschußöffnungen handeln kann, das nach ständiger Rechtsprechung die Voraussetzungen einer Schußwaffe nicht erfüllen würde (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2001 - 3 StR 352/01; Weber, BtMG § 30 a Rdn. 116 m.w.Nachw.). | |
Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die
Verjährungsfrist für Gefangenmeuterei
beträgt fünf Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr.
4 StGB). Der Strafrahmen des § 121 Abs. 3 StGB betrifft besonders schwere Fälle und bleibt bei der Bestimmung der Verjährungsfrist unberücksichtigt (§ 78 Abs. 4 StGB). |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In
§ 121 StGB wird verwiesen auf: § 240 StGB siehe auch: Nötigung, § 240 StGB |
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Z.8.2 |
§ 121 StGB wurde mit Wirkung vom 5.11.2011 geändert durch das
vierundvierzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs -
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vom 1. November 2011, BGBl. I S.
2130 Zuvor hatte die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 121 StGB Gefangenenmeuterei (1) Gefangene, die sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften 1. einen Anstaltsbeamten, einen anderen Amtsträger oder einen mit ihrer Beaufsichtigung, Betreuung oder Untersuchung Beauftragten nötigen (§ 240) oder tätlich angreifen, 2. gewaltsam ausbrechen oder 3. gewaltsam einem von ihnen oder einem anderen Gefangenen zum Ausbruch verhelfen, werden mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen wird die Meuterei mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter 1. eine Schußwaffe bei sich führt, 2. eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, oder 3. durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. (4) Gefangener im Sinne der Absätze 1 bis 3 ist auch, wer in der Sicherungsverwahrung untergebracht ist." |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 6. Abschnitt (Widerstand gegen die Staatsgewalt) |
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