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§
240 StGB
Nötigung
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder 2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Allgemeines |
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Das durch § 240 StGB geschützte Rechtsgut ist die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.2004 - 3 StR 490/03; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 240 Rdn. 1; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 240 Rdn. 2). | |
§ 240 Abs. 1 StGB |
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Nötigen
ist das Beugen eines dem Ansinnen des Täters
entgegen
stehenden Willens durch Ausüben von Zwang. Auf eine bestimmte
Form
des Täterhandelns oder den Einsatz eines bestimmten
Zwangsmittels
kommt es hierbei grundsätzlich nicht an (vgl. im Einzelnen
BGHSt
45, 253, 257 ff.). Voraussetzung einer vollendeten Nötigung
ist,
dass das Tatopfer durch die Nötigungshandlung zu einem seinem
Willen entgegen stehenden Verhalten veranlasst wird, dass also das
Vornehmen eigener oder Dulden fremder Handlungen auf einem dem
Täter zuzurechnenden Zwang beruht (vgl. BGH,
Urt. v. 25.1.2006
- 2
StR 345/05 zu § 177 StGB). Eine Nötigung setzt voraus, dass mit einem Übel gedroht wird, wobei das Übel empfindlich sein muss. Außerdem muss die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck gemäß § 240 Abs. 2 StGB als verwerflich anzusehen sein (vgl. BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13). |
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Bei einem Übel
handelt es sich um eine künftige nachteilige Veränderung der
Außenwelt (BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13; vgl. Fischer,
StGB, 60. Aufl., § 240 Rn. 32; Toepel in NK-StGB, 4. Aufl., §
240 Rn. 103). Dies trifft etwa für eine Strafanzeige zu, weil
daraus zumindest ein Ermittlungsverfahren mit seinen vielfältigen
nachteiligen Folgen erwachsen kann (vgl. BGH, Beschl. v.
5.9.2013
- 1 StR 162/13; Kudlich/Melloh, JuS 2005, 912; weitere Nachweise bei
Sinn in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 240 Rn. 78). |
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10 |
Eine
Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB ist das
Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen
Eintritt
der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt und dessen
Verwirklichung er nach dem Inhalt seiner Äußerung
für
den Fall des Bedingungseintritts will. Das Übel muss
gerade
als
vom Willen des Drohenden abhängig dargestellt werden (vgl.
Fischer
StGB 59. Aufl. § 240 Rdn. 31, 36). Zwar kann für eine
(versuchte) Nötigung auch die Ankündigung der
Zufügung
eines Übels durch Dritte genügen, dies jedoch nur,
wenn der
Drohende damit zum Ausdruck bringt, er sei willens und in der Lage, den
oder die Dritten zu einem entsprechenden Tätigwerden
veranlassen
zu können (vgl. BGHSt 7, 197, 198; 16, 386, 387; 31, 195, 201;
BGH,
Beschl. v. 2.12.2008 - 3 StR 203/08 - NStZ 2009, 692 betr.
Abgrenzung zur straflosen Warnung). Der Täter droht mit einem Übel, wenn er (sei es zutreffend oder nicht) behauptet, er habe auf dessen Eintritt Einfluss (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2011 - 1 StR 287/11; zusammenfassend Fischer, StGB, 60. Aufl., § 240 Rn. 31 mwN). Soll das Übel von einem Dritten verwirklicht werden, muss er also die Vorstellung erwecken wollen, er könne den Dritten in der angekündigten Richtung beeinflussen und wolle dies für den Fall der Verweigerung des verlangten Verhaltens auch tun (vgl. BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13; BGH, Beschl. v. 2.12.2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; Träger/Altvater in LK-StGB, 11. Aufl., § 240 Rn. 56; insoweit vergleichbar zur Erpressung BGH, Beschl. v. 17.8.2006 - 3 StR 238/06 - NStZ-RR 2007, 16; BGH, Urt. v. 18.1.1955 - 2 StR 284/54 - BGHSt 7, 197, 198 jew. mwN). Andernfalls läge lediglich eine nicht von § 240 StGB erfasste Warnung vor (vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.2008 - 3 StR 203/08 - NStZ 2009, 692, 693; BGH, Urt. v. 17.1.1957 - 4 StR 393/56 - NJW 1957, 596, 598; BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13). Allerdings kann eine scheinbare Warnung eine Drohung enthalten (Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 8). Die Abgrenzung von Warnung und Drohung ist ebenso aus der Sicht des Empfängers zu bestimmen wie die Frage, ob das, was angekündigt ist, ein empfindliches Übel ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 29.11.2011 - 1 StR 287/11; Vogel aaO Rn. 7). Beispiel (BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13): Der Angeklagte hat in dem Anwaltsschreiben mitgeteilt, die rechtlichen Interessen der Mandantin würden nunmehr von ihm wahrgenommen. Die Forderung der Mandantin sei berechtigt und er werde sie konsequent durchsetzen. Zahlungen seien auf sein Konto zu leisten. Dieser Gesamtzusammenhang des Briefes ergibt, dass der Angeklagte mit der von ihm gewählten Formulierung, die „Mandantin“ behalte sich die Erstattung einer Strafanzeige vor, zwar vordergründig lediglich gewarnt hat, aber dennoch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, er habe auf die Erstattung einer Strafanzeige maßgeblichen Einfluss. Daher ist nicht ersichtlich, dass die Strafkammer mit der Annahme, der Angeklagte habe sich selbst Einfluss auf die Erstattung einer Strafanzeige zugeschrieben, die Grenzen möglicher tatrichterlicher Auslegung überschritten haben könnte (vgl. speziell zur Ankündigung eines Rechtsanwalts, der Mandant werde Strafanzeige erstatten Kudlich/Melloh, JuS 2005, 912 Fn. 4). Die Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne der §§ 240, 253 StGB muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, sondern kann auch schlüssig oder versteckt erfolgen (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2002 - 4 StR 583/01; vgl. hierzu auch Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 240 Rdn. 31 m.w.N.). Es genügt insoweit, wenn die Drohung versteckt "zwischen den Zeilen" erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 6.11.2008 - 4 StR 495/08 - NStZ 2009, 263 betr. "Drohkulisse"; Träger/Altvater in LK 11. Aufl. § 240 Rdn. 56). |
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10.1 |
Es handelt sich lediglich um eine von der Drohung mit einem empfindlichen Übel abzugrenzende Warnung, wenn naheliegende für den Adressaten negative Konsequenzen für den Weigerungsfall angekündigt werden, die nach eigener Darstellung nicht vom Willen des Erklärenden abhängen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2000 - 5 StR 300/00 - StV 2001, 108; Fischer, StGB 56. Aufl. § 240 Rdn. 36). | |
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10.2 |
Ob
ein empfindliches Übel angekündigt ist, richtet sich nach dem Inhalt
der Erklärung, der nach dem Empfängerhorizont
zu bestimmen ist (BGH, Urt. v. 29.11.2011 - 1 StR 287/11; Vogel in LK,
12. Aufl., § 253 Rn. 7). Der Vorsatz des Täters muss darauf
gerichtet sein, dass der Empfänger die Äußerungen als
Drohung versteht und ernst nimmt (BGH, Urt. v. 29.11.2011 - 1 StR
287/11). Formulierungen des Täters tragen oftmals die Bewertung als rechtswidrige Drohung nicht schon ohne weiteres und bedürfen daher der Auslegung im Zusammenhang mit der jeweiligen Sachlage (vgl. BGH, Beschl. v. 14.3.2003 - 2 StR 7/03 betr. "totaler Krieg"). Sofern der Angeklagte unausgesprochen erwartete, der ihn festnehmende Polizeibeamte werde mit seiner Äußerung einen bestimmten Sinn verbinden, kann sich im Einzelfall herausstellen, dass er sachlich nicht mehr getan hat, als eine Dienstaufsichtsbeschwerde anzukündigen. Die Unannehmlichkeiten, die mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde zwangsläufig verbunden sind, muß aber grundsätzlich jeder Beamte tragen. Ihre Ankündigung stellt im allgemeinen nicht eine Drohung mit einem empfindlichen Übel dar, weil sonst der Gebrauch eines zulässigen Rechtsbehelfs durch eine Strafdrohung behindert wäre (vgl. RG JW 1928, 799 m. Anm. Radbruch; RGSt 56, 46; RGSt 60, 337, 343; BGH, Urt. v. 28.1.1976 - 2 StR 696/75 - BGHSt 26, 267; OLG Celle NJW 1957, 1847; OLG Neustadt GA 1960, 251, 286; Dreher, StGB 35. Aufl. Anm. 5 zu § 240; Schäfer in LK 9. Aufl. Rdn. 87 zu § 240). |
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13 |
Empfindlich
im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB
ist ein
angedrohtes Übel, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil so
erheblich ist, dass seine Ankündigung den Bedrohten im Sinne des
Täterverlangens motivieren kann (BGH, Beschl. v. 5.9.2013
- 1 StR
162/13; vgl. Fischer aaO § 240 Rn. 32a mwN). Beispiel: Die Androhung einer Strafanzeige ist im Grundsatz geeignet, den Bedrohten zur Begleichung geltend gemachter Geldforderungen zu motivieren (BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13). Besonderheiten des Einzelfalls können dazu führen, dass die Empfindlichkeit des Übels - auch unter Berücksichtigung normativer Gesichtspunkte - gleichwohl zu verneinen ist. Derartige Besonderheiten können insbesondere dann vorliegen, wenn und soweit gerade von dem Bedrohten in seiner (häufig: beruflichen) Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13; BGH, Beschl. v. 28.1.1992 - 5 StR 4/92 - NStZ 1992, 278 [Bedrohung eines Vorgesetzten mit der Aufdeckung angeblicher Straftaten Untergebener]; BGH, Urt. v. 28.1.1976 - 2 StR 696/75 - NJW 1976, 760 [Bedrohung eines Beamten mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde]; in vergleichbarem Sinne [zu § 105 StGB] auch BGH, Urt. v. 23.11.1983 - 3 StR 256/83 - BGHSt 32, 165, 174; vgl. auch Horn/Wolters in SK-StGB, 59. Lfg., § 240 Rn. 10). Ebenso wie die Position des Bedrohten das Gewicht einer Drohung mindern kann, kann es sich durch die berufliche Stellung des Drohenden erhöhen (vgl. BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13). Der 1. Senat teilt auch nicht die Auffassung der Revision, wonach hier deshalb nicht mit einem empfindlichen Übel gedroht sei, weil Verbraucher ein „besonderes Interesse“ daran hätten, sich einem Straf- oder Zivilverfahren zu stellen, in dem es um die von ihnen bestrittene Inanspruchnahme von Leistungen geht (so missverständlich OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1996, 296 [unter Hinweis auf BGH, Beschl. v. 28.1.1992 - 5 StR 4/92 - NStZ 1992, 278] für einen Streit über die Inanspruchnahme von Leistungen aus Telefonsexverträgen). Ein derartiger Rechts- oder Erfahrungssatz besteht nicht (BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13). |
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15 |
§ 240 StGB ist als konkretes
Erfolgsdelikt ausgestaltet (vgl.
BGH,
Beschl. v. 8.11.2005 - 1 StR 455/05; BGH, Beschl. v.
19.6.2012 - 4 StR
139/12). Die Anwendung des
Nötigungsmittels muss in kausalem Sinne zu dem vom
Täter
geforderten Verhalten des Opfers führen (BGHSt 37, 350, 353;
BGHR
StGB § 240 Abs. 1 Nötigungserfolg 3; BGH,
Beschl. v.
11.12.2003 - 3 StR 421/03;
BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 4 StR
139/12;
BGH, Urt. v. 19.12.2013 - 4 StR 302/13). Entscheidende Voraussetzung
für
die
Annahme einer Nötigung ist deshalb, dass der
Genötigte als
Folge der tatbestandsmäßigen Handlung mit einem von
ihm vom
Täter geforderten Verhalten zumindest begonnen hat (vgl. BGH, Urt.
v. 26.8.1986 – 1 StR 365/86 - NStZ 1987, 70 f.; BGH bei Holtz MDR
1979,
280 f. BGH,
Beschl. v. 1.12.2005 - 4 StR 506/05; BGH, Beschl. v. 19.6.2012 – 4 StR 139/12 - NStZ 2013, 56; BGH, Urt. v.
19.12.2013 - 4 StR 302/13; BGH, Beschl. v. 21.6.2017 - 4 StR 109/17 Rn. 4; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.11.2012 – 3 StR 195/12 Rn. 8). Ein Teilerfolg, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, kann für die Annahme einer vollendeten Nötigung ausreichen, wenn die abgenötigte Handlung des Opfers nach den Vorstellungen des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 5.7.2017 - 4 StR 228/17 Rn. 12; BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 4 StR 139/12; BGH, Beschl. v. 11.12.2003 - 3 StR 421/03 - NStZ 2004, 442; BGH, Urt. v. 14.1.1997 - 1 StR 507/96 - NJW 1997, 1082; BGH, Urt. v. 20.6.2007 - 1 StR 157/07 - StV 2008, 249). Beispiel: In der ‚Bemächtigung der Geschädigten‘ durch das ‚Hochheben‘ und ‚Festhalten‘ liegt kein die Annahme einer vollendeten Nötigung rechtfertigender Teilerfolg, wenn das Verhalten des Angeklagten darauf abzielte, die Geschädigte auf den Mund zu küssen und die Bemächtigungssituation nach der Vorstellung des Täters keine eigenständig bedeutsame Vorstufe des angestrebten Enderfolgs darstellt, bei der die Bemächtigungssituation vielmehr als Mittel erscheint, um das vom Angeklagten letztlich erstrebte Verhalten der Geschädigten (hier der Kuss auf den Mund) zu ermöglichen (vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.12.2003 - 3 StR 421/03). Das Verhalten der Geschädigten erschöpft sich somit letztlich in der Hinnahme des Nötigungsmittels (vgl. BGH, Beschl. v. 5.7.2017 - 4 StR 228/17 Rn. 12). Ein vom Täter erstrebtes Verhalten des Genötigten, das er von diesem nicht verlangt, ist dafür nicht ausreichend, weil das durch § 240 StGB geschützte Rechtsgut die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung ist (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.2004 - 3 StR 490/03 - BGHR StGB § 240 Abs. 1 Nötigungserfolg 2; BGH, Beschl. v. 21.6.2017 - 4 StR 109/17 Rn. 4; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 240 Rdn. 1; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 240 Rdn. 2). Beispiel: Das mit der Bedrohung mit einer Spielzeugpistole und der Geldherausgabeforderung erstrebte eigentliche Ziel der stark angetrunkenen Angeklagten ist die Benachrichtigung der Polizei von dem "Überfall" zum Zwecke ihrer Festnahme. Es wird kein Geld herausgegeben, statt dessen jedoch die Polizei herbeigerufen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.2004 - 3 StR 490/03). Für die Annahme einer (auch nur versuchten) Nötigung an einem von dem Angeklagten mit einem tätlichen Übergriff erstrebten Verhalten der Geschädigten darf es daher nicht fehlen, so etwa, wenn die Einwirkung des Angeklagten auf die Geschädigte nicht über die mit der Körperverletzungshandlung verbundene Beeinträchtigung hinaus ging (vgl. BGH, Beschl. v. 1.12.2005 - 4 StR 506/05). Daran etwa ändert nichts, dass der Angeklagte sein Opfer dabei kurzfristig "am Boden fixierte", weil dies lediglich unselbständiger Teil der vom Angeklagten gegen die Geschädigte ausgeübten Gewalt war. Ein eigenständiger, vom Tatbestand des § 240 StGB erfasster Unrechtsgehalt liegt darin nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 1.12.2005 - 4 StR 506/05; Hruschka NJW 1996, 160, 162). Ein Nötigungserfolg kann bereits darin liegen, dass die Geschädigte das von dem Angeklagten geforderte Versprechen abgegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 4.4.2012 - 2 StR 570/11). |
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15.1 |
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15.1.1 |
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Auslegung des Merkmals der Gewalt in § 240 Abs. 1 StGB liegt solche dann nicht vor, wenn die Handlung lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Betroffenen nur psychischer Natur ist (BVerfGE 92, 1, 16 ff. = BVerfG NStZ 1995, 275, 276). Stellt sich also jemand auf die Straße und zwingt so - ohne Gefährdung anderer (vgl. § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB) - den ersten herannahenden Autofahrer zum Anhalten, so ist dies nicht strafbar. Daran ändert nichts, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Zusammenhang mit Sitzdemonstrationen ergangen ist. Die Auslegung des Merkmals der Gewalt in § 240 Abs. 1 StGB kann nicht davon abhängen, welche Ziele der Täter weiter verfolgt, ob er also von seinem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen oder den zum Anhalten gezwungenen Autofahrer zu einem persönlichen Gespräch veranlassen will (vgl. BGH, Beschl. v. 23.4.2002 - 1 StR 100/02). | |
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15.1.2 |
Hat der Angeklagte sich hingegen, als die Geschädigte wieder anfahren wollte, mit seinem Körper auf die Motorhaube gelegt, dann hat er damit unter Einsatz seines Körpers und unter Entfaltung gewisser Körperkraft auch ein physisches Hindernis geschaffen, von dem auf die Autofahrerin nicht nur psychische Zwangswirkung durch bloße Anwesenheit ausging (vgl. BGH, Beschl. v. 23.4.2002 - 1 StR 100/02; im übrigen zur Abgrenzung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes BGH NJW 1995, 3131 - Ausbremsen im Verkehr; BGHSt 41, 182 - sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung; BGH, Beschl. v. 1.8.1995 - 1 StR 334/95 - Kreuzungsblockade durch mehrere hundert Personen; BGHSt 41, 231 - "Spaziergangs-Demonstrant"; BGH, Urt. v. 12.2.1998 - 4 StR 428/97 - BGHSt 44, 34 - NJW 1998, 2149: Gleisblockade mit Stahlkasten). | |
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20 |
Eine
Tat i.S.d. § 240
StGB ist im Falle der Erzwingung einer
Handlung vollendet, sobald das Opfer unter der Einwirkung des
Nötigungsmittels mit der vom Täter geforderten
Handlung
begonnen hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.8.1986 - 1 StR 365/86 - NStZ 1987,
70 f.; BGH,
Beschl. v. 20.3.2001 - 4 StR 33/01 - StV 2002,
361; BGH,
Beschl. v.
11.12.2003 - 3 StR 421/03 - BGHR StGB
§ 240
Abs. 1 Nötigungserfolg 3; BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14;
Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl.
§ 240 Rdnr.
13). Beispiel: Der Angeklagte will den Zeugen zum Anhalten zwingen und stellt sich mit vorgehaltener Pistole auf die Fahrbahn. Statt zu halten, weicht das Fahrzeug dem Angeklagten aus. Da der Angeklagte das Fahrzeug anhalten und damit gerade nicht zum Ausweichen zwingen wollte, kommt lediglich Versuch in Betracht (§§ 240 Abs. 1, 3, 22 StGB; vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2001 - 4 StR 33/01 - StV 2002, 361; vgl. auch BGH, Beschl. v. 30.7.2014 - 4 StR 270/14). Vollendet ist die Nötigung erst dann, wenn der Genötigte die verlangte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat (BGH MDR 1979, 280 f.; BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – 4 StR 506/05 - NStZ-RR 2006, 77; BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 4 StR 139/12 - NStZ 2013, 36; BGH, Beschl. v. 19.12.2012 – 4 StR 302/13; BGH, Beschl. v. 30.7.2014 - 4 StR 270/14; vgl. auch BGH, Beschl. v. 15.11.2016 - 3 StR 332/16 Rn. 2; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 240 Rn. 55); ein solcher Teilerfolg des Täters, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, kann dann für die Annahme einer vollendeten Nötigung ausreichen, wenn die abgenötigte Handlung des Opfers nach der Vorstellung des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1997 - 1 StR 507/96 - NJW 1997, 1082 f.; BGH NStZ 1987, 70 f.; BGH, Beschl. v. 11.12.2003 - 3 StR 421/03 - NStZ 2004, 442; BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 4 StR 139/12; BGH, Urt. v. 20.6.2007 - 1 StR 157/07 - StV 2008, 249; BGH, Beschl. v. 20.12.2012 - 4 StR 292/12: von der Geschädigten abgegebene Erklärung, sich von ihrem Freund trennen zu wollen). Dagegen reicht es für die Vollendung des Tatbestandes nicht aus, wenn es dem Täter lediglich gelingt, das Opfer nur zu einem kurzfristigen Verhalten zu zwingen, das nicht Zweck, sondern lediglich Mittel ist, um das vom Täter gewollte Verhalten zu ermöglichen (BGH, Beschl. v. 11.12.2003 - 3 StR 421/03; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 240 Rdn. 55) oder wenn das Opfer nur scheinbar mitwirkt, um den Täter zu überführen (BGH, Beschl. v. 11.12.2003 - 3 StR 421/03; Träger/Altvater in LK StGB 11. Aufl. § 240 Rdn. 67). Beispiel: Der Angeklagte wollte einen Besuch bei seiner Lebensgefährtin im Krankenhaus über die Besuchszeit hinaus ausdehnen. Die Nachtschwester wies ihn darauf hin, daß er hierzu das Einverständnis der im Nachbarbett liegenden Zeugin benötige. Nachdem die Nachtschwester das Zimmer verlassen hatte, fragte der Angeklagte die Zeugin, ob er noch bleiben dürfe. Die Zeugin verneinte dies. Darauf zog der Angeklagte ein Messer, drückte es der Zeugin an den Hals und forderte sie auf, zur Nachtschwester zu gehen und ihr zu erklären, sie sei mit seinem weiteren Verbleiben im Krankenzimmer einverstanden. Die Zeugin verließ daraufhin den Raum, begab sich zur Nachtschwester und schilderte dieser die Bedrohung durch den Angeklagten. Zwar leistete das Opfer der Aufforderung des Angeklagten insoweit Folge, als es das Zimmer verließ und die Nachtschwester aufsuchte. Damit allein erreichte der Angeklagte aber noch keinen - selbständig bedeutsamen - Teilerfolg. Da das Opfer die verlangte Handlung, sich mit einem weiteren Aufenthalt des Angeklagten im Krankenzimmer einverstanden zu erklären, nicht vorgenommen hat, liegt nur eine versuchte Nötigung vor (vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2003 - 3 StR 421/03). Beispiel: Der Angeklagte fuhr mit der Geschädigten, seiner ehemaligen Freundin, die er zuvor unter einem Vorwand zum Mitfahren veranlasst hatte, in einen Wald. Dort hielt er an und bedrohte die Geschädigte über einen Zeitraum von ca. einer halben Stunde mit einer ihr gegenüber als echte Waffe bezeichneten Softair-Pistole, wobei er mit der Pistole hektisch herumhantierte und sie der Geschädigten auch für wenige Sekunden an die linke Seite ihres Kopfes hielt. Mit seinem Verhalten wollte der Angeklagte der Geschädigten Angst einjagen. Er hatte die Vorstellung, dass dies für ihn das letzte Mittel sei, ihr zu zeigen, dass er es ernst meine und er sich gegenüber seinem vorherigen Verhalten geändert habe. Er wollte sie dadurch bewegen, die Beziehung zu ihm wieder aufzunehmen. Die Geschädigte, die die Pistole für echt hielt und in Todesangst geriet, erzählte dem Angeklagten in ihrer Panik, dass sie ihn noch liebe, ihn zurückhaben wolle und sie es noch einmal miteinander versuchen sollten. Sie schlug ihm auch vor, gemeinsam aus dem Siegerland wegzugehen. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab und legte die Softair-Pistole wieder in das Handschuhfach seines Autos. Das Ansinnen der Geschädigten, die Pistole wegzuwerfen, lehnte er mit der Bemerkung ab, dass es sein könne, dass sie ihn anlüge und er die Waffe noch brauchen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 4 StR 139/12). In der Erklärung der Geschädigten, zu dem Angeklagten zurückzukehren, liegt kein die Annahme einer vollendeten Nötigung rechtfertigender Teilerfolg. Das drohende Verhalten des Angeklagten zielte darauf ab, die Geschädigte zur Wiederaufnahme und Fortsetzung der Beziehung mit ihm zu bewegen. Die Tat war damit auf ein Verhalten der Geschädigten in der Zukunft gerichtet. Eine von der Geschädigten abzugebende Erklärung über ihr künftiges Verhalten war dagegen nach den Feststellungen vom Angeklagten nicht gewollt. Die Äußerungen der Geschädigten sind auch nicht als eigenständig bedeutsame Vorstufe des vom Angeklagten erstrebten künftigen Verhaltens der Geschädigten anzusehen. Zum einen war davon auszugehen, dass die entsprechende Ankündigung von der Geschädigten nicht ernst gemeint war (vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2003 - 3 StR 421/03). Zum anderen zeigt die Bemerkung des Angeklagten im Zusammenhang mit seiner Weigerung, die Softair-Pistole wegzuwerfen, dass der Angeklagte selbst die Erklärung der Geschädigten nicht als verbindlich ansah (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2012 - 4 StR 139/12). Besteht das abgenötigte Verhalten in einem Unterlassen, kann Vollendung zum einen dann eintreten, wenn das Opfer die Handlung infolge des Zwangs ganz unterlässt (BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 4 StR 524/09; Fischer StGB 56. Aufl. § 240 Rn. 55a). So liegt der Fall etwa nicht, wenn der Geschädigte, dem gegenüber der Angeklagte aus Anlass der Eintreibung einer unberechtigten Forderung geäußert hatte, er werde ihn "in den Kopf schießen, wenn er die Polizei rufen würde", bei der Polizei wegen dieses Vorfalls Anzeige erstattete. Vollendete Nötigung kann zum anderen auch dann gegeben sein, wenn das Tatopfer die Erstattung einer Strafanzeige nur vorübergehend unterlässt, mag es auch fest entschlossen sein, die Anzeige nach Wegfall des Zwangs nachzuholen (BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 4 StR 524/09; Träger/Altvater in LK, 11. Aufl. § 240 Rn. 66; Fischer StGB 56. Aufl. § 240 Rn. 55a). Dafür geben die Feststellungen etwa dann keinen Anhalt, wenn der Geschädigte die Strafanzeige noch am selben Tage erstattete. Daher ist insoweit lediglich der Versuch einer Nötigung gegeben (§ 240 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 StGB; BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 4 StR 524/09). |
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25 |
Zur
Nötigung durch unberechtigte Ausübung eines
vermeintlichen Zurückbehaltungsrechts vgl. BGH,
Urt. v.
25.6.2008
- 5 StR 109/07 - BGHSt 52, 307 ff. - wistra 2008,
467 Bei dem Kaufgeld, das der Täter dem Betäubungsmittelhändler nach Übergabe und Aushändigung des Rauschgifts durch diesen gewaltsam wieder abgenommen hat, handelt es sich nicht um eine fremde Sache im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB. Aus dem Verbot des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln folgt die Nichtigkeit der Übereignung des als Kaufpreis gezahlten Geldes (§ 134 BGB; vgl. BGHSt 31, 145). Das Handeln des Täters erweist sich lediglich als Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB; BGH, Beschl. v. 29.2.2000 - 1 StR 46/00 - StV 2000, 619). Nötigt der Angeklagte (unter Einsatz eines Teleskopschlagstocks) das Opfer zur Erstellung eines Schuldscheins, wobei mit einer Verwendung dieser Urkunde zur rechtlichen Durchsetzung der angeblichen Forderung nicht ernstlich zu rechnen ist, der Angeklagte solches auch nicht beabsichtigte und er weder mit einer sofortigen noch einer zukünftigen Zahlung rechnete, ist der erforderliche Tatvorsatz damit nicht festgestellt, so dass auch kein Versuch der (schweren) räuberischen Erpressung vorliegt. Die Erpressung des "Schuldscheins" ist als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB zu werten (vgl. BGH, Beschl. v. 25.11.2009 - 2 StR 495/09). siehe auch: § 255 StGB, Räuberische Erpressung Rdn. 30 Beispiel: Dem Angeklagten wurde ein Bild seiner Ehefrau beim Einsteigen in deren Pkw und ein Bild, eine ähnliche Frau in gleicher Position an einem ähnlichen Pkw zeigend, vorgelegt, um ihn eine Auswahl der zu tötenden Frau mittels der durch die beiden Bilder aufgebauten Alternative vornehmen zu lassen. Aufgrund des nachfolgenden Hinweises, falls der Angeklagte diese Auswahl nicht treffen wolle, würden „notfalls„ beide Frauen, vor deren Häusern zur Tötung bereite Täter stünden, getötet, ist der Angeklagte in einen Aussagezwang hinsichtlich der Benennung der zu tötenden Frau versetzt worden. Dies ist mittels eines als Nötigung mit einem empfindlichen Übel im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB zu qualifizierenden Eingriffs in die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung geschehen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.5.2010 - 5 StR 51/10 - StV 2010, 465). Solches setzt voraus, dass der Täter dem Opfer ein bestimmtes Verhalten aufzwingt, ihn also gegen seinen Willen dazu veranlasst (Fischer, StGB 57. Aufl. § 240 Rdn. 4). Der Angeklagte war entgegenstehenden Willens; er hatte in dem Gespräch sofort erklärt, über das Thema nicht sprechen zu wollen, nach Ausflüchten gesucht und sich in seinen Äußerungen nicht festgelegt. Der Hinweis, eine unbeteiligte Dritte könnte zu Tode kommen, stellte eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB (vgl. BGHR StGB § 240 Abs. 1 Übel 1; Fischer aaO Rdn. 37) gegenüber dem Angeklagten mit einem empfindlichen Übel dar (vgl. BGH NStZ 1987, 222, 223). Auf dessen Verwirklichung für den Fall des Bedingungseintritts, der Nichtäußerung, schrieb der Nötigende sich den erforderlichen Einfluss zu (vgl. BGHSt 16, 386, 387; Fischer aaO § 240 Rdn. 31). Es liegt auf der Hand, dass - bei fortgesetzter Weigerung der Identifizierung des „Tatopfers„ - eine dem Angeklagten bevorstehende Verantwortlichkeit für ein zweites, nicht gewolltes Tötungsverbrechen diesem als ein gewichtiger Nachteil erscheinen musste (vgl. BGH, Beschl. v. 18.5.2010 - 5 StR 51/10 - StV 2010, 465). Beispiel (versuchte Nötigung, vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.2014 - 1 StR 126/14): Der Angeklagte kündigte während einer Beschuldigtenvernehmung im Rahmen eines gegen ihn wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz geführten Ermittlungsverfahrens den beiden Vernehmungsbeamten an, sie und alle anderen an dem Verfahren gegen ihn beteiligten Personen umzubringen. „Seine Absicht war dabei, auf das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren … Einfluss zu nehmen und die Beamten zumindest zeitweise von weiteren Ermittlungen abzuhalten“. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen versuchter Nötigung zu Lasten der zuständigen Polizeibeamten strafbar gemacht. Sein Vorsatz war darauf gerichtet, diese durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel davon abzuhalten, weitere Ermittlungen, mithin Handlungen, vorzunehmen. Durch das Aussprechen der Drohung hat der Angeklagte unmittelbar zu der im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB verwerflichen, weil auf einen rechtswidrigen Zweck gerichteten Tat angesetzt. Hinter dieser versuchten Nötigung tritt die durch dieselbe Nötigungshandlung begangene Bedrohung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurück (BGH, Beschl. v. 8.11.2005 – 1 StR 455/05 - NStZ 2006, 342 mwN). Da die Beamten sich in ihrer Ermittlungsarbeit von der Drohung nicht weiter haben beeindrucken lassen, war der Nötigungsversuch fehlgeschlagen (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.2014 - 1 StR 126/14). Leitsätze: StGB § 240 Abs. 1 bis 3; StPO § 111i Abs. 2, § 260 Abs. 4 1. Zur Nötigung durch ein anwaltliches Mahnschreiben. 2. Auch aus einer (versuchten) Nötigung kann der Täter etwas erlangen. 3. Zur Fassung des Urteilstenors bei einer Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO. BGH, Beschluss vom 5. September 2013 - 1 StR 162/13 - Leitsätze |
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§ 240 Abs. 2 StGB |
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... (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. ... |
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30 |
Rechtswidrig im Sinne von § 240
Abs. 2 StGB
ist die
Androhung eines Übels, wenn sie im Verhältnis zum jeweilig
angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist (vgl. etwa BGH,
Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13). Dies ist dann der Fall, wenn die Verquickung von Mittel und Zweck mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar ist, sie also »sozial unerträglich« ist (BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - 1 StR 162/13; so schon BGH, Beschl. v. 19.6.1963 - 4 StR 132/63 - BGHSt 18, 389, 391; vgl. auch Träger/Altvater in LK-StGB, 11. Aufl., § 240 Rn. 69, 86; die in diesem Zusammenhang auch verwendete, inhaltlich identische Formulierung, wonach verwerflich sei, was »nach richtigem allgemeinem Urteil sittlich zu missbilligen« sei, geht auf noch ältere Rechtsprechung [BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschl. v. 18.3.1952 - GSSt 2/51 - BGHSt 2, 194, 196] zurück). |
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§ 240 Abs. 3 StGB |
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... (3) Der Versuch ist strafbar. ... |
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55 |
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55.10 |
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55.10.5 |
Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208, BGH NStZ 2007, 91, 92). Im Falle einer versuchten räuberischen Erpressung bzw. einer versuchten Nötigung ist es insoweit ausreichend, wenn die Täter freiwillig davon absehen, ihr Nötigungs- bzw. Erpressungsziel weiter mit den tatbestandlichen Nötigungsmitteln zu verfolgen. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass sie ganz darauf verzichten, den angestrebten Nötigungs- bzw. Erpressungserfolg, die Handlung, Duldung oder Unterlassung, die zu einem Vermögensnachteil führt, herbeizuführen (BGH, Beschl. v. 17.1.2013 - 2 StR 396/12). | |
§ 240 Abs. 4 StGB |
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... (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder 2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht. |
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75 |
Das
Gesetz erfasst nicht das Erdulden einer sexuellen Handlung, so dass
insoweit eine Anwendung des § 240
Abs. 4 Nr. 1 StGB
ausscheidet
(vgl. BGH,
Beschl. v. 26.11.2008 - 5 StR 506/08; Fischer StGB 55. Aufl.
§ 240 Rdn. 59 m.w.N.). Ein (unbenannter) besonders schwerer Fall im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB kann etwa auf das "besonders grobe" Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck gestützt werden (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 4 StR 502/10 - StV 2011, 412). Wird zugunsten des Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit aufgrund einer akuten Kokainwirkung angenommen, ist bei der Prüfung des besonders schweren Falls das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.3.2012 - 2 StR 41/12; siehe Fischer StGB 59. Auflage § 46 Rn. 92). Wird allein aufgrund der objektiven Gefährlichkeit des Handelns des Angeklagten der besonders schweren Fall der Nötigung als begründet angesehen, zeigt diese Formulierung auf, dass gerade nicht berücksichtigt wurde, dass der vertypte Milderungsgrund des § 21 der Annahme des besonders schweren Falls entgegenstehen könnte. Insoweit muss etwa auch berücksichtigt werden, dass sich der Angeklagte aufgrund der akuten Kokainwirkung zur Tatzeit - die zur Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit geführt hat - in einem (nicht ausschließbaren) Zustand der Euphorisierung und höherer Risikofreudigkeit befand und seine Dominanz und Präsenz zudem gesteigert war. Danach spricht aber vieles dafür, dass die Ausführung der Tat des Angeklagten symptomatischer Ausdruck seiner erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit war. Trifft dies aber zu oder kann dies nicht ausgeschlossen werden, gereicht die objektive Gefährlichkeit des Handelns dem Angeklagten nicht zum Vorwurf und kann deshalb auch nicht uneingeschränkt zur Begründung des besonders schweren Falls gemäß § 240 Abs. 4 StGB herangezogen werden (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 24; BGH, Beschl. v. 27.3.2012 - 2 StR 41/12; Fischer StGB 59. Auflage § 46 Rn. 32). Der Strafrahmen - bei Verneinung eines besonders schweren Falls - des § 240 Abs. 1 StGB (Geldstrafe bis 3 Jahre Freiheitsstrafe) ist für den Angeklagten günstiger als der nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 240 Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren und neun Monate) (vgl. BGH, Beschl. v. 27.3.2012 - 2 StR 41/12). Anlass zur Prüfung, ob von der Regelwirkung des § 240 Abs. 4 StGB abzusehen ist, kann etwa bestehen, wenn der vertypte Milderungsgrund nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorlag und die abgenötigte sexuelle Handlung im unteren Bereich der Erheblichkeitsschwelle des § 184h Nr. 1 StGB anzusiedeln ist (vgl. BGH, Beschl. v. 23.2.2016 - 3 StR 547/15 Rn. 7). Wurde der Strafrahmen des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB angewendet, den das Tatgericht wegen eines Täter-Opfer-Ausgleichs in Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, jedoch bei der Erörterung, ob Umstände vorliegen, welche die Indizwirkung des Regelbeispiels entfallen lassen könnten, der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a StGB unberücksichtigt gelassen, ist dies rechtsfehlerhaft, denn das Vorliegen derartiger vertypter Strafmilderungsgründe kann nach ständiger Rechtsprechung bei der Strafrahmenwahl Anlass geben, jedenfalls im Zusammenhang mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen (wenn diese hierfür allein nicht ausreichen) trotz Vorliegen eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen und die Strafe dem Regelstrafrahmen zu entnehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.6.2016 - 2 StR 70/16 Rn. 2; BGH, Beschl. v. 13.7.2000 - 4 StR 271/00 m.w.N., insoweit in NStZ 2000, 592 u.a. nicht abgedruckt). |
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80 |
Die Annahme eines Regelbeispiels bei einem Gehilfen kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Teilnahmehandlungen selbst als besonders schwere Fälle darstellen (BGH StV 1996, 87). Es reicht deshalb nicht aus, wenn lediglich der Haupttäter das Regelbeispiel verwirklicht hat. Vielmehr ist anhand des konkreten Regelbeispiels in einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.2007 - 5 StR 65/07 - wistra 2007, 461; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 105). | |
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85 |
Eine versuchte Nötigung im besonders schweren Fall kann etwa darin liegen, dass der Angeklagte der Nebenklägerin ins Gesicht schlug, durch den er die Nebenklägerin, die ihr Kind austragen wollte, dazu bewogen hat, ihn in die Arztpraxis zu begleiten, ohne dass es dort zunächst zu dem von ihm angestrebten Schwangerschaftsabbruch kam (vgl. BGH, Beschl. v. 24.3.2010 - 2 StR 506/09). | |
Konkurrenzen |
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K.1 |
Grundsätzlich
ist Tateinheit möglich zwischen einer
Nötigung und der Anstiftung zu einer abgenötigten
Handlung,
etwa wenn die Nötigung ihrerseits dazu dient, eine weitere
Person
zu nötigen (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1953 - 1 StR 190/53; BGH,
Urt.
v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09; Träger/Schluckebier in LK 11.
Aufl.
§ 240 Rdn. 127; Fischer, StGB 57. Aufl. § 240 Rdn. 63
a).
Insoweit kann auch in Betracht kommen, die dem Genötigten
abgepressten Handlungen dem Angeklagten nach den Grundsätzen
der
mittelbaren Täterschaft zuzurechnen, weil der
Genötigte
möglicherweise unter den Voraussetzungen des entschuldigenden
Notstands nach § 35
StGB handelte und deshalb insoweit als
Werkzeug der Angeklagten im Sinne des § 25
Abs, 1 2, Alt. StGB
anzusehen sein könnte (vgl. BGH,
Urt.
v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09). Diente die nach Herausgabe des 20 €-Scheins vom Angeklagten ausgesprochene Aufforderung, mindestens zehn Minuten liegen zu bleiben, auch der Sicherung der Tatbeute und damit der Beendigung der räuberischen Erpressung, ist von Tateinheit zwischen § 240 Abs. 1 StGB und §§ 253, 255 StGB auszugehen (vgl. BGH, Beschl. v. 30.8.2011 - 3 StR 264/11; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rdn. 21). |
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K.1.1 |
Tateinheit
ist anzunehmen, wenn eine Nötigung mehrerer
Tatopfer
durch dieselbe Drohung vorliegt (BGHR StGB § 52 Abs. 1
Rechtsgüter, höchstpersönliche 1; BGH
NStZ-RR 1998, 103,
104; BGH,
Beschl. v. 17.7.2007 - 4 StR 220/07; BGH,
Urt.
v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09; zur
Tateinheit bei Handlungen unter Ausnutzung einer
einheitlichen, während des gesamten Geschehens fortwirkenden
Gewalt vgl. BGH NStZ 1999, 618, 619; zur Tateinheit aufgrund einer
einheitlichen Täuschungshandlung gegenüber mehreren
Geschädigten vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung,
dieselbe
30; BGH bei Holtz MDR 1970, 381 f.). Ist die Nötigung beider Tatopfer durch den Angeklagten durch dieselbe Drohung begangen worden, wobei ein Geschädigter nicht nur aus Sorge um sein eigenes Leben, sondern auch deshalb der erzwungenen Handlung nach, weil der Angeklagte mit Nötigungsabsicht zeitgleich die Mutter des Geschädigten mit der für schussfähig gehaltenen Waffe bedrohte und der Geschädigte daher auch um das Leben seiner Mutter fürchtete (vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2007 - 4 StR 220/07; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 240 Rdn. 37), hat der Angeklagte die von den beiden Geschädigten erbrachten Handlungen zumindest auch mittels desselben Nötigungsmittels - der Drohung gegenüber der Geschädigten D. - erzwungen. Dies reicht zur Annahme von (gleichartiger) Tateinheit aus (vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2007 - 4 StR 220/07; Tröndle/Fischer aaO vor § 52 Rdn. 20, 23). |
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K.2 |
Körperverletzungshandlungen, mit denen der Angeklagte die Nebenklägerin zwang, ihn gegen ihren Willen in die gemeinsame Wohnung zu begleiten, und unmittelbar im Anschluss daran in der Wohnung begangene weiteren Körperverletzungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin können eine natürliche Handlungseinheit bilden (vgl. BGHSt 41, 368; BGH NStZ 2005, 263 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 28.8.2007 - 4 StR 323/07). | |
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K.3 |
§ 240
StGB ist gegenüber § 177
StGB subsidiär,
soweit die Nötigung der Erzwingung der sexuellen Handlung dient.
Nur dann, wenn der Täter mit der Nötigung ein darüber
hinausgehendes Ziel verfolgt oder die Deliktsverwirklichung über
die Vollendung des § 177
StGB hinaus andauert, ist Tateinheit
gegeben (BGH, Urt. v. 6.2.2014 - 3 StR 315/13; Renzikowski in
Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 100 m.w.N.). siehe hierzu: Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, § 177 StGB ---> Konkurrenzen |
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K.4 |
§
113
StGB ist gegenüber § 240
StGB lex
specialis (vgl.
BGHR StGB § 113 Konkurrenzen 3; BGH,
Urt. v. 20.2.2003 - 4 StR 228/02 -
BGHSt 48, 233, 238 f.; BGH,
Beschl. v. 8.6.2004 - 4
StR
150/04; BGH, Beschl. v. 28.8.2012 - 3 StR 291/12). siehe auch m.w.N.: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113 StGB --> Rdn. K.1 |
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K.5 |
Die
Nötigung tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter dem
versuchten besonders schweren Raub zurück (vgl. BGHSt 48, 233,
238
f.; 32, 165, 176; BGH,
Urt. v. 23.7.2008 - 5 StR 46/08 - NStZ 2008,
626; Fischer aaO § 240 Rdn. 63). siehe auch: Schwerer Raub, § 250 StGB |
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K.6 |
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K.6.1 |
Als
minderschwere Straftat vermag das - ununterbrochene - Vergehen des
Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21
Abs. 1 Nr. 1 StVG den
(Tank-)Betrug (insoweit Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis) und
eine hinzutretende Nötigung nicht zu einer rechtlichen Einheit
zu
verbinden (vgl. BGHSt 18, 66, 69; BGHR StGB § 52 Abs. 1
Klammerwirkung 8; BGH,
Beschl. v. 22.7.2009 - 5 StR 268/09). siehe auch: § 52 StGB, Tateinheit --> Verklammerung |
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K.7 |
Nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tritt
die
Bedrohung (§ 241
StGB) hinter der damit zugleich begangenen
versuchten Nötigung zurück (vgl. nur BGH, Beschl. v.
24.1.1990 – 3 StR 477/89 - BGHR StGB
§ 240
Abs. 3, Konkurrenzen 2; BGH bei Holtz MDR 1979, 280 f.; BGH,
Beschl. v.
18.1.2000 - 4 StR 561/99; BGH,
Beschl. v. 8.2.2000 - 4 StR 652/99; BGH,
Urt. v. 21.1.2004 - 1 StR 364/03; BGH,
Beschl. v. 8.11.2005 - 1 StR 455/05 -
NStZ 2006, 342; BGH,
Beschl. v. 8.8.2006 - 4 StR 215/06; BGH,
Beschl. v.
30.4.2008 - 2 StR 51/08; BGH, Beschl. v. 14.12.2011 - 1 StR
582/11;
BGH, Beschl. v. 11.3.2014 - 5 StR 20/14; Fischer StGB 55. Aufl. §
241 Rdn. 7
m.w.N.). In besonders gelagerten Fallgestaltungen ist abweichend
hiervon die Annahme tateinheitlicher Verwirklichung beider Delikte
durch das Tatgericht nicht zu beanstanden (vgl. BGH,
Beschl. v.
9.2.2010 - 4 StR 556/09 - NStZ 2010, 391). Der Bedrohungstatbestand (§ 241 Abs. 1 StGB) tritt hinter denjenigen der Nötigung zurück, wenn die Bedrohung sich als Teil der Nötigung erweist. Das gilt auch für den Fall des bloßen Nötigungsversuchs (vgl. BGH, Beschl. v. 24.1.1990 - 3 StR 477/89 - BGHR, StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2; BGH, Urt. v. 21.1.2004 - 1 StR 364/03, insoweit in BGHSt 49, 56 nicht abgedruckt; BGH, Beschl. v. 8.11.2005 - 1 StR 455/05, NStZ 2006, 342; BGH, Beschl. v. 11.3.2014 - 5 StR 20/14; BGH, Beschl. v. 22.1.2015 - 2 StR 390/14; Rissing-van Saan in LK, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 105). siehe auch: Tateinheit, § 52 StGB ---> Spezialität; Bedrohung, § 241 StGB --> Rdn. K.1 |
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K.8 |
Erschöpft sich der Nötigungserfolg in der
Kindesentziehung, so tritt nach verbreiteter Meinung
§ 240
StGB hinter § 235
StGB zurück (vgl. u.a. LK-StGB/Gribbohm,
§ 235 Rn. 135; MüKo-StGB/Wieck-Noodt, § 235 Rn.
105; SSW-StGB/Schluckebier, 2. Aufl., § 235 Rn. 18;
SK-StGB/Wolters, § 235 Rn. 21; grds. für Gesetzeskonkurrenz
Lackner/Kühl, StGB, 8. Aufl., § 235 Rn. 10). Anders liegt es, wenn der Nötigungserfolg über die Kindesentziehung hinausgeht, etwa weil der Angeklagte insbesondere auch das Ziel verfolgte, sich seiner Ehefrau durch deren zwangsweise Entfernung "gänzlich zu entledigen" (vgl. BGH, Beschl. v. 17.9.2014 - 1 StR 387/14). Er wollte also insoweit nicht nur eine räumliche Trennung von gewisser Dauer, die bei § 235 StGB unter Umständen einige Stunden betragen kann (vgl. u.a. BGHSt 10, 376 ff.). Jedenfalls wenn der angestrebte Nötigungserfolg über die Tatbestandserfüllung der Kindesentziehung hinausreicht, ist von Tateinheit auszugehen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.9.2014 - 1 StR 387/14; MüKoStGB/Wieck-Noodt, aaO; SSW-StGB/Schluckebier, 2. Aufl., § 235 Rn. 18; SK-StGB/Wolters, § 235 Rn. 21; LK-StGB/Gribbohm, § 235 Rn. 135; für grundsätzliche Tateinheit Fischer, StGB, 61. Aufl., § 235 Rn. 22; Eser/Eisele, aaO, § 235 Rn. 26). Leitsätze StGB §§ 235 Abs. 1 Nr. 1, 240 Abs. 1, 52 Abs. 1 1. Entziehung Minderjähriger liegt auch dann vor, wenn ein sorgeberechtigter Elternteil zwangsweise für eine gewisse Dauer von seinem unter achtzehnjährigen Kind entfernt wird. 2. Entziehung Minderjähriger und Nötigung können in Tateinheit stehen. BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - 1 StR 387/14 siehe auch: § 235 StGB Rdn. K.5 - Entziehung Minderjähriger und Nötigung |
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Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen § 240 Abs. 1 StGB: 1
Monat bis 3
Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360
Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 2 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 1 Jahr 8 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 1 Jahr 3 Monate 5 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen Strafrahmen § 240 Abs. 4 StGB: 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 1 Monate 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe |
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S.2 |
Beispiel: Die Strafkammer hat bei allen Angeklagten einen unbenannten besonders schweren Fall der Nötigung (§ 240 Abs. 4 StGB) angenommen. Zwar ist es für sich genommen nicht rechtsfehlerhaft, dass sie nicht den minderen Strafrahmen aus § 240 Abs. 1 StGB angewendet hat. Indes beanstandet der Generalbundesanwalt insoweit letztlich zu Recht, dass es die Strafkammer versäumt hat darzulegen, ob es nicht für die Angeklagten günstiger gewesen wäre, die Annahme eines besonders schweren Falls unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs zu verneinen. In diesem Fall hätte sich der Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB eröffnet, der eine geringere Strafe vorsieht als der angenommene nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB geminderte Strafrahmen des § 240 Abs. 4 StGB. Zudem hat die Strafkammer die Strafrahmenwahl bedenklicherweise allein tatbezogen pauschal statt, wie geboten, individuell für jeden Angeklagten begründet (vgl. BGH, Beschl. v. 24.10.2013 - 5 StR 371/13). | |
Urteil |
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U.1 |
Die Aufnahme der Strafzumessungsregelung des § 240 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB in den Urteilstenor ist nicht veranlasst (BGH, Beschl. v. 26.11.2013 - 3 StR 261/13; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 25 mwN). | |
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U.2 |
Soweit eine Nötigung angenommen wird, weil der Beschuldigte die Nebenklägerin "gezwungen" habe, bei ihm zu sitzen, ist hierzu ein Nötigungsmittel zu belegen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.2005 - 3 StR 306/05). | |
Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die
Verjährungsfrist für Nötigung
(§ 240
Abs. 1
StGB) beträgt fünf Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 4
StGB). § 240 Abs. 3 StGB, der die Versuchsstrafbarkeit zum Gegenstand hat, kann insoweit nur über die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (§ 49 StGB) zu einer Änderung des Ausgangsstrafrahmens führen und ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich (§ 78 Abs. 4 StGB). Der Strafrahmen des § 240 Abs. 4 StGB betrifft besonders schwere Fälle und bleibt bei der Bestimmung der Verjährungsfrist unberücksichtigt (§ 78 Abs. 4 StGB). |
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Z.5 |
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Z.5.1 |
Der
durch eine rechtswidrige Tat nach § 240
Abs. 4 StGB
Verletzte
kann sich der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im
Sicherungsverfahren mit der Nebenklage anschließen
(§ 395
Abs. 1 Nr. 4 StPO). siehe auch: § 395 StPO, Befugnis zum Anschluss |
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Z.5.2 |
Dem
Nebenkläger ist nach § 397a
Abs. 1 Nr. 4 StPO auf
seinen
Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er durch eine
rechtswidrige Tat nach § 240
Absatz 4 StGB verletzt ist und er
bei
Antragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder seine
Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann. siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
Auf
§ 240
StGB wird verwiesen in: § 121 StGB siehe auch: Gefangenenmeuterei, § 121 StGB § 395 StPO siehe auch: § 395 StPO, Befugnis zum Anschluss § 397a StPO siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand |
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Z.8.2 |
§ 240 StGB wurde mit Wirkung vom 10.11.2016
geändert durch das fünfzigste
Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes
der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460).
Zuvor hatte die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 240 StGB Nötigung (1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung nötigt, 2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder 3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht." -------- Zuvor wurde § 240 StGB mit Wirkung vom 1.7.2011 geändert durch Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften vom 23.06.2011(BGBl. I S. 1266 - Nr. 33). Die zuvor geltende Fassung hatte folgenden Wortlaut: "§ 240 StGB Nötigung (1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung oder zur Eingehung der Ehe nötigt, 2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder 3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht." |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 18. Abschnitt (Straftaten gegen die persönliche Freiheit) |
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