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§
52 StGB
Tateinheit
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen. (3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen. (4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Nach
§ 52 Abs. 1 StGB liegt materiellrechtlich Tateinheit vor, wenn
dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz
mehrfach verletzt. Eine solche mehrfache Gesetzesverletzung durch eine
Handlung ist zunächst bei einer Handlung im
natürlichen Sinne
gegeben, also dann, wenn sich ein Willensentschluss in einem
Ausführungsakt erschöpft (BGH, Beschl. v. 3.9.2015 -
3 StR
236/15; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 9,
§ 52 Rn. 6; jeweils mwN). Tateinheit (Idealkonkurrenz) liegt vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt (§ 52 Abs. 1 StGB). Das setzt für den erstgenannten Fall voraus, dass ein und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze in der Weise verletzt, dass - von den Fällen der sog. Klammerwirkung durch eine dritte Tat abgesehen - sich die Ausführungshandlungen mehrerer Straftaten mindestens teilweise decken, wobei eine Überschneidung zwischen Vollendung und Beendung der einen Tat ausreicht. Tateinheit kann nicht schon aufgrund eines einheitlichen Motivs, der Verfolgung eines Endzwecks oder einer Grund-Folge-Beziehung angenommen werden (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.1968 - 1 StR 25/68 - BGHSt 22, 206; 26, 24; BGH, Urt. v. 11.9.1984 - 1 StR 408/84 - NStZ 1985, 70; BGH, Urt. v. 21.10.2003 - 1 StR 544/02 - wistra 2004, 105). Beispiel: A. brach das Schloss eines ihm nicht gehörenden Motorrades auf, um das Fahrzeug zu entwenden und für sich zu behalten. „Daraufhin“ fuhr er das Motorrad vom jeweiligen Tatort auf öffentlichen Straßen in einen anderen Ort, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein. A. hat die Delikte tateinheitlich (§ 52 StGB) verwirklicht, weil die Wegnahme des Motorrades gerade durch das Wegfahren erfolgt ist, die Tathandlungen somit identisch waren (vgl. BGH, Urt. v. 7.9.1962 - 4 StR 266/62 - BGHSt 18, 66, 69; BGH, Beschl. v. 8.8.2006 - 4 StR 263/06; BGH, Beschl. v. 6.3.2012 - 1 StR 28/12). Eine Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB liegt nicht nur bei einer auch tatsächlich einzigen natürlichen Handlung vor, sondern ebenso dann, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Handlungseinheit zusammenzufassen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 3.9.2015 - 3 StR 236/15; BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4 StR 99/12; MüKoStGB/von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl., § 52 Rn. 12, 22 ff.; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 31 jeweils mwN; siehe hierzu unten Rdn. 15 ff.). Dies ist der Fall, wenn zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3 StR 422/11 - StV 2013, 382, 383 mwN; BGH, Beschl. v. 3.9.2015 - 3 StR 236/15). Von einer solchen Handlungseinheit geht die Rechtsprechung etwa aus, wenn mehrere Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4 StR 99/12; Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 29; MüKoStGB/von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl., § 52 Rn. 17; LK-Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 67; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 32 jeweils mwN; siehe hierzu unten Rdn. 50.2). Verletzen mithin mehrere (natürliche) Handlungen, die zu einer Handlungseinheit verbunden sind, zugleich mehrere Strafgesetze, ist Tateinheit gegeben (BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4 StR 99/12). Über eine enge tatbestandliche Handlungseinheit hinausgehend kann auch eine Mehrheit natürlicher Handlungen, die tatbestandlich zusammengefasst sind und sich als Verwirklichung eines einheitlichen Täterwillens darstellen, als sog. Bewertungseinheit eine Tat im Rechtssinne bilden (BGH, Beschl. v. 3.9.2015 - 3 StR 236/15; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 40 mwN). Tateinheit setzt ein Zusammentreffen mehrerer objektiver Tatbestandsverwirklichungen in einem einheitlichen Handlungsablauf voraus. Ein Zusammentreffen nur im subjektiven Tatbestand reicht hierfür nicht aus (BGH, Urt. v. 17.7.1997 - 1 StR 208/97 - BGHSt 43, 149, 151; BGH, Urt. v. 14.3.2012 - 2 StR 561/11; Fischer StGB 59. Aufl. Vor § 52 Rn. 24; Eschelbach in S/S/W-StGB § 52 Rn. 52). Auch ein einheitlicher Tatplan begründet für sich gesehen keine Tateinheit (vgl. BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 1 StR 512/00 - NJW 2001, 1508, 1509 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 22.4.2003 - 3 StR 105/03). Allein ein Handeln am selben Ort und zur selben Zeit begründet im Allgemeinen keine Tateinheit im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit; erforderlich ist grundsätzlich vielmehr die (Teil-)Identität der objektiven Ausführungshandlungen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.9.2015 - 3 StR 236/15; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 20 mwN). Hierzu reichen ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel-Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht aus (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 25.11.1997 - 5 StR 526/96 - BGHSt 43, 317, 319; BGH, Urt. v. 16.7.2009 - 3 StR 148/09 - NStZ 2011, 97; BGH, Beschl. v. 22.5.2014 - 4 StR 223/13; BGH, Beschl. v. 3.9.2015 - 3 StR 236/15; vgl. auch Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 20). Mehrere strafbare Gesetzesverstöße stehen aber zueinander in Tateinheit, wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Pkw befördert (Einfuhrfahrt, Transportfahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu Abnehmern etc.) durch das Führen des Transportfahrzeuges weitere Gesetzesverstöße, stehen diese daher regelmäßig zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit. Denn ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.2014 - 4 StR 437/13; zum Ganzen: BGH, Beschl. v. 2.7.2013 - 4 StR 187/13 - NStZ-RR 2013, 320). Der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" gilt auch dann, wenn ungeklärt ist, ob die tatsächlichen Voraussetzungen der Tateinheit oder der Tatmehrheit vorgelegen haben (BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 2 m.w.Nachw.; BGH, Beschl. v. 18.10.2001 - 3 StR 387/01 - NStZ-RR 2002, 75). siehe auch: In dubio pro reo |
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5.1 |
Diese
liegt vor, wenn dasselbe
Gesetz mehrmals verletzt
wird, § 52 Abs. 1 StGB. Gleichartige Idealkonkurrenz scheidet
aus,
wenn der Tatbestand auf die Verletzung von sog. Gesamtheiten abstellt,
also eine "quantitative Steigerung des Angriffsobjekts" schon
einschließt und nicht etwa
höchstpersönliche
Rechtsgüter betroffen sind. Dann verletzt dieselbe Handlung
das
Strafgesetz auch nicht bereits deshalb "mehrmals", weil verschiedene
Rechtsgutsträger geschädigt sind (vgl.
BGH,
Beschl.
v.
25.2.2003 - 1 StR 474/02; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl.
§
52
Rdn. 35 f.; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
§
52 Rdn. 23 ff.; Samson/Günther in SK-StGB § 52 Rdn.
25 ff.). Beispiel: Werden in einem einzigen Akt mehrere Personen beleidigt, liegt wegen des verletzten höchstpersönlichen Rechtsgutes gleichartige Tateinheit vor (vgl. BGH, Beschl. v. 18.11.2008 - 1 StR 621/08). Bei mehrfacher Verwirklichung desselben Gesetzes durch dieselbe Handlung ist der Strafrahmen unmittelbar dem mehrfach tateinheitlich verletzten Strafgesetz zu entnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.2004 - 1 StR 129/04 - wistra 2004, 463; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 33). siehe zur gleichartigen Tateinheit im Zusammenhang mit der Beteiligung an Deliktsserien unten --> Rdn. 50.1; zur Urteilsformel bei gleichartiger Idealkonkurrenz unten --> Rdn. U.1.2 sowie unter: Urteil, § 260 StPO --> Rdn. 95.3.10.1 |
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5.5 |
Zwischen
Dauerdelikten und anderen Straftaten, die während des
Dauerzustands begangen werden, kann Tateinheit
bestehen, wenn sich die Ausführungshandlungen wenigstens in
einem
für die jeweilige Tatbestandserfüllung notwendigen
Teil
decken, also die zur Verwirklichung des einen Tatbestands beitragende
Handlung zugleich der Begründung oder Aufrechterhaltung des
durch
das Dauerdelikt geschaffenen rechtswidrigen Zustandes dient (BGHSt 18,
29, 31; 29, 184, 186; 31, 29, 30; BGH, Urt. v. 14.3.2012 - 2 StR
561/11; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rn. 23; v.
Heintschel-Heinegg in MünchKomm-StGB 2. Aufl. § 52
Rn. 91 ff.
jew. mwN). siehe zum Begriff des Dauerdelikts unten Rdn. 25.2.1 |
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5.10 |
Für
die Frage des Vorliegens einer oder mehrerer
Handlungen im Sinne der §§ 52, 53
StGB wird der
mittelbare
Täter nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nach seinem Tatbeitrag beurteilt (vgl. BGH, Urt. v.
26.7.1994 - 5 StR 98/94 - BGHSt 40,
218, 238 - StV 1994, 534; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung,
dieselbe 26; BGH,
Beschl. v. 1.9.1998 - 1 StR 410/98 - StV 2000, 196; BGH,
Beschl. v.
23.9.2003 - 3 StR 294/03). siehe auch: Täterschaft § 25 StGB |
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10 |
Regelungsgegenstand
des § 52 StGB ist die
Bestimmung des maßgeblichen Strafrahmens, während
§ 264
StPO den Gegenstand der Urteilsfindung umreißt (vgl. BGHR
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Organisationsdelikt 1; BGH,
Beschl.
v.
20.12.2002 - StB 15/02 - 2 StE 8/96). Im Einzelfall,
insbesondere dann,
wenn untereinander an sich in Tatmehrheit stehende Straftaten durch ein
jeweils tateinheitlich verwirklichtes Delikt zur Tateinheit verklammert
werden, kann eine Tat im materiellrechtlichen Sinn prozessual in
mehrere Taten zerfallen (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1980 - 3 StR
9/80 - BGHSt 29, 288,
295 f. - NJW 1980, 2718; BGH,
Beschl.
v.
20.12.2002 - StB 15/02 - 2 StE 8/96). siehe auch: § 264 StPO, Gegenstand des Urteils; zur Tatidentität bei Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeit und Straftat siehe: § 21 OWiG Rdn. 5 |
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12 |
siehe: § 13 StGB Rdn. K.1 - Tateinheit | |
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15 |
Eine
natürliche Handlungseinheit und damit eine
Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit
strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nur dann vor, wenn die
einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives
Element verbunden und zwischen ihnen ein derart unmittelbar
räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das
gesamte
Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten
als ein
einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint (vgl. BGH, Urt.
v.
23.1.1957 - 2 StR 565/56 - BGHSt 10,
230,
231; BGH, Beschl. v. 25.11.1992 – 3 StR 520/92 - BGHR StGB vor § 1
natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 7; BGH, Beschl.
v. 19.11.1997 - 3 StR 574/97 - BGHSt 43, 312, 315;
BGH, Urt. v. 19.12.1997 - 5 StR 569/96 - BGHSt 43, 381, 387; BGHR StGB
vor §
1/natürliche
Handlungseinheit, Entschluß, einheitlicher 1, 8 u. 9; BGH,
Beschl. v. 4.9.1990 - 1 StR 301/90 - BGHR
§
52 StGB Abs. 1 Entschluß einheitlicher 1; BGH, Urt. v.
30.11.1995
- 5 StR 465/95 - BGHSt 41, 368 - StV 1996, 312; BGH, Urt. v. 27.6.1996
– 4 StR 166/96 - NStZ 1996, 493 f.; BGH NStE Nr. 39 zu
§ 24 StGB; BGH,
Urt. v. 24.5.2000 - 3 StR 551/99 - NStZ 2000,
532; BGH,
Beschl. v. 5.10.2000 - 4 StR 313/00; BGH,
Beschl. v. 6.6.2001 - 3
StR 158/01; BGH,
Urt. v. 21.11.2002 - 3 StR 296/02; BGH,
Urt. v.
28.10.2004 - 4 StR 268/04 - NStZ 2005, 262; BGH,
Urt. v. 25.11.2004 - 4
StR 326/04; BGH,
Urt. v. 30.11.2005 - 2 StR 393/05;
BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3
StR 422/11; BGH, Beschl. v. 21.8.2012 - 2 StR 199/12; BGH, Urt. v.
19.3.2013 - 1 StR 647/12; BGH, Beschl. v. 18.12.2013 - 4 StR 356/13;
Fischer, StGB,
59. Aufl., Vor § 52 Rn. 3; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12.
Aufl.,
vor § 52 Rn. 10 ff.; vgl.
auch BGH,
Beschl. v. 27.10.2009 - 3 StR 369/09;
BGH, Beschl. v.
3.8.2010 - 4 StR
157/10; BGH, Beschl. v. 14.9.2010 - 4 StR 422/10 - wistra 2010, 476;
BGH, Beschl. v. 7.1.2011 - 4 StR 409/10 - wistra 2011, 184; BGH, Urt.
v. 24.10.2013 - 4 StR 124/13; BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14;
verneint in BGH,
Urt. v. 22.3.2002 - 2 StR 517/01 mangels
subjektivem Element (neu gefasster Tatentschluss und deutliche
Zäsur); BGH,
Beschl. v. 11.12.2007 - 4 StR 576/07: bejaht im
Falle
einer Wegnahmehandlung bei Gelegenheit einer noch nicht beendeten
räuberischen Erpressung; BGH,
Beschl. v. 22.1.2009 - 4 StR
573/08
bejaht bei Fortwirkender Gewaltwirkung durch Drohung mit der geballten
Faust und die in dem Entreißen der Handtasche liegende
Gewalt,
als der Angeklagte unmittelbar im Anschluss an die Wegnahme der
Handtasche mit der Geschädigten deren Wohnung aufsuchte, um
diese
nach werthaltigen Gegenständen zu durchsuchen, sich der
Geschädigten bemächtigte und diese
schließlich zwang,
an einem Bankautomaten Bargeld abzuheben und es ihm
auszuhändigen; BGH,
Urt. v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09;
BGH, Beschl. v. 10.8.2011 - 2 StR 272/11: einheitlicher Tatentschluss
und gleichzeitige Ausführungshandlungen bei Inbrandsetzen
zweier
PKW mit Grillanzündern; BGH, Urt. v. 8.2.2012 - 1 StR 427/11:
mehrfache Pausen bei das Geschehen verbindender Zwangssituation; BGH,
Urt. v. 14.3.2012 - 2 StR 561/11: verneint mangels hinreichend engem
räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs bei im
Abstand von
mehreren Tagen an unterschiedlichen Orten vorgenommenen Tathandlungen;
BGH, Beschl. v. 20.6.2012 - 5 StR 221/12: bejaht bei unmittelbar
ineinander übergehenden Handlungsteilen und Weiterverfolgung
des
ursprünglichen Handlungsziels; BGH, Beschl. v. 15.5.2013 - 5
StR
182/13: Übergabe von gefälschten Kreditkarten und
eines
gefälschten Führerscheins; BGH, Urt. v. 13.7.2016 - 1
StR 128/16; BGH, Beschl. v. 23.5.2017 - 4 StR 617/16 Rn. 27; BGH, Beschl. v. 11.7.2017 - 5 StR 202/17 Rn. 3 bejaht:
Angeklagter wandte sich nach der nur wenige Sekunden in Anspruch
nehmenden Brandlegung mit Hilfe von Brandbeschleuniger sofort dem
nächsten Fahrzeug zu).
Sie
ist gekennzeichnet durch einen solchen unmittelbaren Zusammenhang
zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen
Verhaltensweisen, dass sich das gesamte Tätigwerden an sich
(objektiv) auch für einen Dritten bei natürlicher
Betrachtungsweise als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt
(vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3 StR 422/11; BGH, Urt. v. 14.3.2012 - 2
StR 561/11; LK/Rissing-van Saan, StGB,
12. Aufl., vor § 52 Rn. 10 ff.; vgl hierzu auch BGH, Beschl.
v. 3.2.2015 - 3 StR 555/14). Eine
natürliche Handlungseinheit
verlangt neben den weiteren Voraussetzungen jedenfalls auch, dass die
einzelnen Betätigungen auf
einer einzigen Willensentschließung beruhen (st. Rspr.; vgl.
nur
BGH, Urt. v. 1.9.1994 - 4 StR 259/94 - NStZ 1995, 46, 47 mwN; BGH,
Beschl. v. 11.1.2012 - 1 StR 386/11). Beispiel: Ein Fall der natürlichen Handlungseinheit ist etwa gegeben, wenn der Täter an ein und demselben Ort in ein und derselben Nacht ersichtlich sofort hintereinander drei PKW aufgebrochen und daraus fremde Gegenstände entwendet hat (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.1996 - 4 StR 166/96 - NStZ 1996, 493, 494; BGH, Beschl. v. 15.8.2001 - 3 StR 291/01). Bei wiederholter (iterativer) Verwirklichung des gleichen Tatbestandes und damit einhergehender Steigerung der Intensität der Rechtsgutsverletzung liegt eine natürliche Handlungseinheit auch dann vor, wenn die verschiedenen Handlungen im natürlichen Sinne auf die Verwirklichung desselben Tatbestandstypus, also unter Einschluss von Qualifikationen, gerichtet sind (BGH, Urt. v. 13.7.2016 - 1 StR 128/16 Rn. 12; v. Heintschel-Heinegg in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 52 Rn. 56 mwN). Beispiel: Die Verwirklichung des Qualifikationsmerkmals aus § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erst durch die Tritte gegen den Kopf des am Boden liegenden Nebenklägers steht der Verurteilung wegen einer einheitlichen Tat der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2016 - 1 StR 128/16 Rn. 12). Allein die Absicht, die vorangegangene Tat zu verdecken, vermag eine (natürliche) Handlungseinheit nicht zu begründen (BGH, Beschl. v. 16.7.1953 – 4 StR 258/53, S. 3; BGH, Urt. v. 24.10.2013 - 4 StR 124/13). Für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist ebenfalls eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur. Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 25.11.2004 - 4 StR 326/04 mwN; BGH, Urt. v. 19.3.2013 - 1 StR 647/12). |
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15.1 |
Richten
sich die Handlungen des Täters gegen
höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer,
wird die
Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht
grundsätzlich ausgeschlossen, sie liegt jedoch bereits nicht
nahe
(BGH,
Urt. v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09; BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3
StR 422/11; BGH, Beschl. v. 21.8.2012 - 2 StR 199/12; BGH, Urt. v.
10.2.2015 - 1 StR 488/14; Fischer, StGB 59. Aufl. Vor
§ 52 Rdn. 7). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Menschen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zu Grunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2008 - 1 StR 327/08 - NStZ 2009, 226; BGH, Urt. v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09; BGH, Beschl. v. 2.8.2011 - 3 StR 193/11; BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3 StR 422/11; BGH, Beschl. v. 21.8.2012 - 2 StR 199/12; BGH, Beschl. v. 22.10.2015 - 4 StR 262/15 Rn. 13; BGH, Beschl. v. 10.2.2016 - 2 StR 391/15 Rn. 7). Die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter, namentlich von Leben und körperlicher Integrität, stellt sich in der Regel auch dann als Mehrheit selbständiger Taten dar, wenn die Angriffe zeitnah aufeinander folgen oder auf derselben Motivation des Täters beruhen (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.1962 - 1 StR 524/61 - BGHSt 16, 397, 398; BGH, Urt. v. 24.11.1983 - 4 StR 551/83 - NStZ 1984, 311; BGH, Urt. v. 13.9.1995 - 3 StR 221/95 - NStZ 1996, 129; BGH, Urt. v. 18.12.2002 - 2 StR 149/02- NStZ 2003, 366; BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3 StR 422/11; BGH, Beschl. v. 9.8.2012 - 1 StR 323/12; zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl., vor § 52 Rn. 7). Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1952 - 1 StR 786/51 - BGHSt 2, 246, 247; BGH, Urt. v. 16.01.1962 - 1 StR 524/61 - BGHSt 16, 397; BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 9, 10; BGH, Beschl. v. 13.11.1998 - StB 12/98 - StV 1999, 351, 352, BGH StV 1994, 537, 538; BGH, Beschl. v. 15.1.2002 - 1 StR 548/01 - NStZ-RR 2002, 140; BGH, Urt. v. 4.12.2008 - 1 StR 327/08 - NStZ 2009, 226; BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 195/05 - NStZ 2006, 284, 285 f.; BGH, Beschl. v. 6.6.2008 - 2 StR 189/08; BGH, Beschl. v. 22.10.2015 - 4 StR 262/15 Rn. 13; BGH, Beschl. v. 10.2.2016 - 2 StR 391/15 Rn. 7). Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff willkürlich und gekünstelt erschiene (BGH, Urt. v. 11.10.2005 – 1 StR 195/05 - NStZ 2006, 284; BGH, Beschl. v. 22.10.2015 - 4 StR 262/15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschl. v. 24.10.2000 – 5 StR 323/00 - NStZ-RR 2001, 82). |
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15.1.1 |
Für
Tateinheit ausreichend ist die teilweise
Identität der
objektiven
Ausführungshandlungen (BGH, Urt. v. 16.7.1968 - 1
StR 25/68 - BGHSt 22, 206, 208; Stree
in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 52 Rdn.
10), selbst
wenn die Überschneidung der Handlungen nur in der
Beendigungsphase
stattfindet (BGH, Beschl. v. 14.7.1995 - 3 StR 156/95 - NStZ
1995, 588; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl.
§ 52 Rdn. 20). Somit kann auch im Zeitraum zwischen Vollendung
und
Beendigung der Tat noch Tateinheit begründet werden (BGH,
Beschl.
v. 19.4.2000 - 3 StR 149/00 - NStZ-RR 2000, 367). So können Verletzungshandlungen gegen mehrere Personen schon nach § 52 Abs. 1 StGB zu einer Handlung im Rechtssinn verbunden sein, wenn sie in einer Ausführungshandlung zusammenfallen oder sich überschneiden (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2002 - 2 StR 149/02 - NStZ 2003, 366; siehe auch oben). Beispiel: Weil die Schüsse des aus der Sparkasse flüchtenden Angeklagten auf den ihm den Weg versperrenden - und hierbei getöteten - Rentner der Beendigung des Überfalls auf die Sparkasse dienten, ist Tateinheit zwischen dem Mord (an dem Rentner) und den in der Sparkasse begangenen Straftaten der schweren räuberischen Erpresung und des erpresserischen Menschenraubs anzunehmen, selbst wenn eine Absicht der Beutesicherung nicht ausdrücklich festgestellt wurde (BGH, Urt. v. 15.5.1992 - 3 StR 535/9 - NJW 1992, 2103, 2104; BGH, Beschl. v. 19.4.2000 - 3 StR 149/00 - NStZ-RR 2000, 367; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 20). Allein ein Handeln am selben Ort und zur selben Zeit oder die enge zeitliche und räumliche Verbundenheit verschiedener Handlungsabläufe sowie die gleiche Motivationslage beim Täter begründet im Allgemeinen keine Tateinheit im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit; erforderlich ist grundsätzlich vielmehr die (Teil)Identität der objektiven Ausführungshandlungen (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.2009 - 3 StR 148/09; BGH, Urt. v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rdn. 20 m. w. N.). Eine teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen ist gegeben, wenn die Ausführungshandlungen des Täters in einem für alle Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind und so dazu beitragen, den Tatbestand aller in Betracht kommender Strafgesetze zu erfüllen (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09; BGH, Urt. v. 24.10.2013 - 4 StR 124/13; BGH, Beschl. v. 21.3.1985 – 1 StR 583/84 - BGHSt 33, 163, 165; Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 20 m. w. N.; vgl. etwa für die Tatbestände der Förderung der Prostitution, der Zuhälterei und des Menschenhandels bei Handlungen zum Nachteil mehrerer Frauen BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2004, 358; 2005, 366; BGH, Beschl. v. 6.7.2005 - 2 StR 131/05 - NStZ-RR 2007, 46, 47; BGH, Urt. v. 14.5.1986 - 3 StR 504/85 - StV 1987, 243; BGH, Beschl. v. 15.7.2003 - 4 StR 29/03 - StV 2003, 617, 618; BGH, Beschl. v. 25.8.1999 - 3 StR 290/99; BGH bei Pfister NStZ-RR 2002, 357 f.). Ein Zusammentreffen nur im subjektiven Tatbestand reicht dafür nicht aus (BGH, Urt. v. 17.7.1997 – 1 StR 208/97 - BGHSt 43, 149, 151; BGH, Urt. v. 24.10.2013 - 4 StR 124/13; vgl. auch BGH, Urt. v. 11.1.1955 – 5 StR 290/54 - BGHSt 7, 149, 151). Die Gewerbsmäßigkeit begründet keine (rechtliche) Handlungseinheit (BGH, Urt. v. 20.2.1951 - 3 StR 64/50 - BGHSt 1, 41; BGH, Urt. v. 21.9.2000 - 4 StR 284/00 - BGHSt 46, 146 - wistra 2001, 18; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. vor §§ 52 ff. Rdn. 57). |
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15.1.2 |
Liegt
eine solche Handlungsidentität nicht vor, so
kommt eine Bewertung als natürliche Handlungseinheit und damit
als eine Tat im
Rechtssinn in Betracht. Ausnahmsweise kann eine
natürliche Handlungseinheit auch dann vorliegen, wenn es um
die
Beeinträchtigung höchstpersönlicher
Rechtsgüter
verschiedener Personen geht (vgl. BGH NJW 1985, 1565; BGH NStZ 2001,
219, 220; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Rechtsgüter,
höchstpersönliche 1); sie ist dann anzunehmen, wenn
ein einheitlicher Tatentschluss gegeben ist und eine
Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines
außergewöhnlich engen
zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und
gekünstelt erschiene (vgl. BGHR StGB vor §
1/natürliche
Handlungseinheit - Entschluß, einheitlicher 1, 5 und 9; BGH,
Beschl. v. 11.7.2000 - 4 StR 238/00; BGH,
Beschl. v. 24.10.2000 - 5 StR
323/00 - NStZ-RR 2001, 82: mehrere Schüssen auf zwei
Personen
innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur; BGH,
Beschl. v. 21.11.2000 - 4 StR 354/00 - BGHSt 46, 204 - StV
2001, 155; BGH,
Beschl. v. 16.10.2001 - 4 StR 415/01; BGH,
Urt. v. 18.12.2002 - 2
StR 149/02 - NStZ 2003, 366; BGH,
Urt. v. 9.9.2003 - 5 StR 126/03 - StV
2004, 205; BGH,
Beschl. v. 16.9.2004 - 3 StR 316/04; BGH,
Beschl. v.
13.10.2004 - 3 StR 371/04; BGH,
Urt. v. 28.10.2004 - 4 StR 268/04 -
NStZ 2005, 262; BGH, Beschl. v. 10.2.2016 - 2 StR 391/15), wie etwa bei
zeitgleich und wechselweise erfolgenden
Angriffen auf mehrere Opfer (vgl. BGH,
Beschl. v. 13.3.2001 - 4 StR
567/00; BGH,
Beschl. v. 6.6.2008 - 2 StR 189/08; BGH,
Urt. v. 4.12.2008
- 1 StR 327/08 - NStZ 2009, 226; BGH,
Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 571/08 -
NStZ 2009, 501; BGH, Beschl. v. 2.8.2011 - 3 StR 193/11; vgl. auch BGH,
Urt. v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09-
BGHR StGB § 232 Konkurrenzen 1; BGH, Urt. v. 29.3.2012 - 3
StR 422/11; BGH, Urt. v. 23.5.2012 - 5 StR 54/12:
Schüsse
innerhalb
weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur auf mehrere
Personen; BGH, Beschl. v. 21.8.2012 - 2 StR 199/12: dort verneint
(mehrere Tatentschlüsse) bei zeitlich eng aufeinanderfolgenden
Schüssen auf mehrere Geschädigte; vgl. insoweit auch
BGH,
Beschl.
v. 14.2.2012 - 3 StR 392/11; Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor §
52
Rn. 4) oder
bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht
individualisierten Personenmehrheit gerichteten Angriff (vgl. BGH, Urt.
v. 18.12.1984 - 1 StR 596/84 - NJW
1985, 1565; BGH,
Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167:
"Amokfahrt eines Betrunkenen"; BGH,
Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 195/05; BGH,
Beschl. v. 6.6.2008 - 2 StR 189/08). Beispiel: Ein solcher Ausnahmefall kann namentlich bei mehreren Schüssen auf mehrere Personen innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur vorliegen (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit - Entschluß, einheitlicher 2 und 5; BGH, Urt. v. 23.5.2012 - 5 StR 54/12). Hierbei ist dann nicht etwa ein einheitliches (versuchtes) Tötungsdelikt, sondern es sind mehrere tateinheitlich verwirklichte (versuchte) Tötungsdelikte gegeben (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 109 mwN), verbunden mit entsprechend eigenständigen Rücktrittsprüfungen (vgl. BGH, Urt. v. 23.5.2012 - 5 StR 54/12; siehe hierzu auch § 24 StGB Rdn. 20.4.5). Allerdings kann sich eine solche Zäsur etwa auch daraus ergeben, daß der Täter nach dem ersten Schuß einen Stellungswechsel vorgenommen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 24.10.2000 - 5 StR 323/00 - NStZ-RR 2001, 82). Es erscheint jedoch eher fernliegend, in einer geringfügigen Richtungsänderung zwischen den Schüssen auf die beiden Opfer, die „dicht beieinander“ waren, einen Umstand zu sehen, der der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit entscheidend entgegenstehen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 9.9.2003 - 5 StR 126/03 - StV 2004, 205). Das ist zwar bei Handlungen, welche sich nacheinander gegen verschiedene Personen richten, in der Regel nicht der Fall (BGHSt 2, 246, 247; BGH NStZ 1984, 311; BGH StV 1994, 537, 538; BGH, Beschl. v. 6.6.2008 - 2 StR 189/08; vgl. auch Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. Rdn. 14 vor § 52 m.w.N.); es kann aber je nach den Umständen des Einzelfalls namentlich dann gegeben sein, wenn Angriffe auf mehrere Opfer zeitgleich und wechselweise erfolgen (BGH NStZ 1985, 217; StV 1990, 544; BGH, Beschl. v. 25.5.1995 - 2 StR 239/95; BGH, Beschl. v. 25.6.1997 - StV 1998, 72; BGH, Urt. v. 18.12.2002 - 2 StR 149/02 - NStZ 2003, 366). Beispiel: Der Angeklagte stach aufgrund eines einheitlichen Tötungsentschlusses mit einem sogenannten Butterflymesser wechselseitig, in räumlich und zeitlich unmittelbar zusammenhängender Weise auf die Eheleute ein (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2001 - 4 StR 415/01 und BGH, Beschl. v. 21.11.2000 - 4 StR 354/00 - BGHSt 46, 204 - StV 2001, 155: der Angeklagte stach innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur mehrfach mit einem Messer auf zwei Personen ein). Werden die in der unverändert zugelassenen Anklage jeweils als rechtlich selbständige Handlungen angeklagten Taten als materiell-rechtlich einheitliches Geschehen gewertet, ist für einen Teilfreispruch kein Raum, wenn der Schuldspruch, wenn auch unter abweichender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses, den gesamten Anklagevorwurf umfasst und damit Anklage und Eröffnungsbeschluß vollständig erschöpft (BGHSt 44, 196, 201 f.; BGH, Urt. v. 29.3.2000 - 2 StR 603/99 - NStZ 2000, 430; BGH, Urt. v. 25.4.2001 - 2 StR 374/00 - BGHSt 46, 380 - NJW 2001, 2812; Engelhardt KK 4. Aufl. § 260 Rdn. 21). siehe näher m.w.N. auch für den Fall der Inkongruenz: Urteilsgründe, § 267 StPO --> Abs. 5 --> Teilfreispruch |
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15.1.3 |
Die
Vorschrift des § 238 Abs. 1 StGB stellt zwar
kein Dauerdelikt dar, umfasst jedoch objektiv nach ihrem Wortlaut und
ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Sinn typischerweise ein
über
den Einzelfall hinausreichendes, auf gleichartige Wiederholung
gerichtetes Verhalten und soll somit typischerweise ganze
Handlungskomplexe treffen (vgl. BGH,
Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR
244/09 - NStZ 2010, 277; BGHSt 43, 1, 4 zu § 99
StGB). Es
liegt
deshalb auf der Hand, in Fallgestaltungen, in denen die Angriffe des
Angeklagten erst in ihrer Gesamtheit den tatbestandlichen Erfolg im
Sinne einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der
Lebensgestaltung
des Opfers bewirkten, von einer sukzessiven Tatbegehung auszugehen
(vgl. BGH,
Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR
244/09 - NStZ 2010, 277;
Gazeas KritJ 2006, 247, 262; ders. JR 2007, 504: iterative, d. h.
wiederholte Tatbestandsverwirklichung), die eine ununterbrochene
deliktische Tätigkeit oder einen in deliktischer Weise
geschaffenen Zustand nicht voraussetzt (Rissing-van Saan in LK 12.
Aufl. Vor § 52 Rdn. 24). Die sukzessive Tatbegehung ist
vielmehr
dadurch gekennzeichnet, dass sich der Täter dem
tatbestandlichen
Erfolg nach und nach nähert; dabei werden diejenigen einzelnen
Handlungen des Täters, die erst in ihrer Gesamtheit zu der
erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen,
unter
rechtlichen Gesichtspunkten im Wege einer tatbestandlichen
Handlungseinheit zu einer Tat im materiellen Sinne zusammengefasst,
wenn sie einen ausreichenden räumlichen und zeitlichen
Zusammenhang aufweisen und von einem fortbestehenden einheitlichen
Willen des Täters getragen sind (Rissing-van Saan aaO Rdn.
36).
Anders als bei der natürlichen Handlungseinheit ist dabei
indes
kein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang des
strafbaren
Verhaltens zu fordern. Vielmehr können zwischen den einzelnen
tatbestandsausfüllenden Teilakten erhebliche
Zeiträume liegen
(BGH,
Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR
244/09 - NStZ 2010, 277; BGHSt 43,
1, 3 zu § 99 StGB). Ob eine mehrere taugliche Tatobjekte beeinträchtigende Handlung zu einer mehrmaligen oder lediglich zu einer in ihrem Gewicht gesteigerten einmaligen Gesetzesverletzung geführt hat, hängt aber von dem in Rede stehenden Tatbestand ab. Stellt dieser auf die Verletzung von Gesamtheiten ab und werden keine höchstpersönlichen Rechtsgüter geschützt, so führt eine handlungseinheitliche Beeinträchtigung mehrerer Tatobjekte selbst dann nicht zu einer mehrfachen Verwirklichung des Tatbestands, wenn verschiedene Rechtsgutsträger geschädigt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2016 - 4 StR 487/15 Rn. 23; BGH, Beschl. v. 25.2.2003 – 1 StR 474/02; BGHR StGB § 306 Konkurrenzen 1; BGH, Beschl. v. 10.2.2009 – 3 StR 3/09 - NStZ-RR 2009, 278, 279 [nur ein Diebstahl bei Wegnahme mehrerer Sachen verschiedener Eigentümer im Zuge einer Tatausführung]; BGH, Beschl. v. 14.3.1969 – 2 StR 64/69 - BGHSt 22, 350, 351; Sternberg-Lieben/Bosch in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 52 Rn. 24; von Heintschel-Heinegg in: MünchKommStGB, 2. Aufl., § 52 Rn. 105, Puppe in: NK-StGB, 3. Aufl., § 52 Rn. 22; Rissing-van Saan in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., 2007, § 52 Rn. 37; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 32. Abschnitt, Rn. 16 ff.; Jescheck, ZStW 67 [1955], 541, 547). So verhält es sich auch bei der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2016 - 4 StR 487/15 Rn. 23; BGH, Beschl. v. 25.2.2003 – 1 StR 474/02; BGHR StGB § 306 Konkurrenzen 1; Wolf in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 306 Rn. 51), die als „qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt”, dem auch ein Element der Gemeingefährlichkeit anhaftet (vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.2000 – 1 StR 438/00 - NStZ 2001, 196, 197 mwN; weiterführend: Radtke, Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte, 1998, S. 382 f.) keine höchstpersönlichen Rechtsgüter schützt (BGH, Urt. v. 12.5.2016 - 4 StR 487/15 Rn. 23). |
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15.2 |
Ein
solcher Sonderfall ist nicht gegeben, wenn der
Angeklagte erst auf A schoss und sich nach Abgabe dieser
Schüsse
entschied, auch auf den in eine Auseinandersetzung mit den
Brüdern
verwickelten B zu schießen. Durch das - der Annahme einer
natürlichen Handlungseinheit hier entgegenstehende (vgl.
Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Rdn. 14 vor § 52 m.w.N.) -
Handeln auf Grund eines neu gefassten Entschlusses unterscheidet sich
dieser Sachverhalt von denjenigen, die den Beschlüssen des 5.
Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 23. September 1986 (BGHR StGB
vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss,
einheitlicher
1), vom 4. Juni 1991 (BGHR StGB vor § 1/natürliche
Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 5) und BGH,
Beschl. v.
24.10.2000 - 5 StR 323/00 - NStZ-RR 2001, 82 zugrunde lagen
(vgl. BGH,
Beschl. v. 6.6.2008 - 2 StR 189/08). |
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15.3 |
Läßt
sich nicht klären, durch wieviele
Handlungen ein Tatbeteiligter als Mittäter oder Teilnehmer
mehrere
Einzeltaten gefördert hat, ist im Zweifel zu seinen Gunsten
davon
auszugehen, daß er nur eine Handlung begangen hat (BGH wistra
1997, 61, 62; NStZ 1997, 121; BGH,
Urt. v. 24.5.2000 - 3 StR 551/99 -
NStZ 2000, 532; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. 1999 § 52 ff.
Rdn. 16). |
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15.4 |
Anders als in den Fällen, in denen die Täter ohne Zäsur im Tatgeschehen vom Körperverletzungs- zum Tötungsvorsatz übergehen, stellt sich ein zweiaktiges Geschehen mit einer Unterbrechung zur Untersuchung des Tatopfers nicht als natürliche Handlungseinheit dar, vielmehr stehen die Körperverletzung mit Todesfolge und der versuchte Totschlag zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 101; BGH, Urt. v. 4.12.2008 - 4 StR 438/08 - NStZ 2009, 266). | |
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15.5 |
Auch für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen (st. Rspr., vgl. BGHSt 40, 75, 76). Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur (vgl. BGHSt 40, 75, 77; 41, 368, 369). Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. BGHSt 41, 268, 269; 44, 91, 94). Ein solcher Fehlschlag, der nach der Rechtsprechung einen Rücktritt aussschließt (vgl. BGHSt 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 228), liegt vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur vollenden kann ( vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGHSt 41, 368, 369; BGH NStZ-RR 2002, 168), so daß ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zu dem gewünschten Ziel zu gelangen (vgl. BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369; BGH, Urt. v. 25.11.2004 - 4 StR 326/04). | |
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15.10 |
Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind
gesonderte,
indessen für sich erfolglose Versuchshandlungen eines
innerhalb einer
natürlichen Handlungseinheit auf anderem Wege zur
Deliktsvollendung
gelangten Täters im Schuldspruch nicht besonders auszuweisen,
wenn kein
Teilakt unter erschwerenden Umständen oder sowohl der
erfolglose als
auch der erfolgreiche Teilakt in gleichem Maße oder nur
letzterer unter
solchen Umständen begangen worden sind. Ist dagegen lediglich
der in
der einheitlichen Handlung begriffene Versuch unter einem erschwerenden
Umstand verübt worden, ist der Täter wegen des
Versuchs des schwereren
Delikts in Tateinheit mit dem vollendeten einfachen Delikt zu bestrafen
(BGH, Urt. v. 23.1.1957 - 2 StR 565/56 - BGHSt 10, 230, 232; BGH, Urt.
v. 29.8.1952 - 3 StR 330/52 - NJW 1952, 1184, 1185; außerdem
BGH,
Beschl. v. 4.7.1966 - 2 StR 198/66 - BGHSt 21, 78, 80; vgl. im
Übrigen
schon RG, Urt. v. 13.1.1887 - Rep. 3305/86, RGSt 15, 281, 283 f.), weil
nur so der Schuldgehalt der Tat erfasst werden kann (BGH, Beschl. v.
8.5.2012 - 3 StR 72/12). Beruht aber die Zusammenfassung gleichgerichteter Tathandlungen beim Haupttäter zu einer Gesetzesverletzung auf einer rechtlichen Wertung, die dann keine Gültigkeit mehr beansprucht, wenn sie den Schuldgehalt der Tat unzutreffend abbildet, so ist für eine undifferenzierte Betrachtungsweise beim Teilnehmer ebenfalls kein Raum, wenn sich sein Beitrag - für das Maß seiner Schuld relevant - auf einen nur versuchten Teilakt der Haupttat beschränkt (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - 3 StR 72/12; RG, Urt. v. 13.11.1900 - Rep. 3096/00 - RGSt 34, 5, 7; RG, Urt. v. 5.3.1888 - Rep. 194/88 - RGSt 17, 227, 228 f.; anderer Fall RG, Urt. v. 27.5.1919 - V 164/19 - RGSt 53, 284, 285). Dem entspricht es, dass nach richtiger Ansicht in Fällen einer Bewertungseinheit für die Bestrafung des Gehilfen nur die Handlungen des Haupttäters relevant sind, an denen er sich beteiligt hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2003 - 3 StR 375/03 - BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 22; BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - 3 StR 72/12; Körner/Patzak, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 416). Beispiel: A, B, C und D, die eine Diebesbande bildeten, begaben sich zu einer Goldschmiedewerkstatt. A und B stiegen durch ein von B eingeschlagenes Fenster in die Geschäftsräume ein und nahmen Schmuck an sich, den sie zum größten Teil an den draußen wartenden C weitergaben. Da sie mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeug die Tür zur Werkstatt, in der sie erhebliche Goldbestände vermuteten, nicht zu öffnen vermochten, nahm D Kontakt zum E auf, der der Diebesbande nicht angehörte. Entsprechend der Aufforderung des D brachte E weiteres Aufbruchswerkzeug zum Tatort, um den A und B die Fortführung des Diebstahls zu ermöglichen. A und B gelang es, mithilfe dieses Werkzeugs die Tür zur Werkstatt einen Spalt breit zu öffnen. Da sie dabei einen Alarm auslösten, verließen sämtliche Beteiligten sodann den Tatort, ohne weitere Beute erlangt zu haben (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - 3 StR 72/12). Der Tatbeitrag des E ist nicht als Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl zu qualifizieren. Tatbeteiligte, die nicht selbst Bandenmitglieder sind, können nur wegen Beteiligung am Grunddelikt bestraft werdenn, da die Bandenmitgliedschaft besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - 3 StR 72/12; BGH, Urt. v. 9.8.2000 - 3 StR 339/99 - BGHSt 46, 120, 128; BGH, Beschl. v. 15.1.2002 - 4 StR 499/01 - BGHSt 47, 214, 216; siehe hierzu auch § 28 StGB Rdn. 15.5, ausführlich § 244a StGB Rdn. 10.2). Darüber hinaus ist im vorstehenden Beispiel nicht von einer Beihilfe des E zum vollendeten, sondern von Beihilfe zum (nur) versuchten Diebstahl auszugehen: Zwar haben sich die Mitglieder der Diebesbande als Haupttäter, denen der E durch das Zurverfügungstellen des Aufbruchswerkzeugs Hilfe geleistet hat, des vollendeten und nicht nur versuchten schweren Bandendiebstahls schuldig gemacht. Dass sie aus der Werkstatt Goldbestände nicht erlangten, steht der Qualifikation ihrer Tat als vollendete nicht entgegen, weil sie zuvor erfolgreich Schmuck aus den Geschäftsräumen weggenommen hatten. Ihr anschließend fehlgeschlagenes Bemühen, in die Werkstatt einzudringen und weitere fremde Sachen an sich zu bringen, stellte trotz ihres geänderten Entschlusses zu dem bei der Tat zu verwendenden Tatmittel lediglich einen (konkurrenzrechtlich) unselbständigen Teilakt dar, der - weil wie die vollendete Tat auf die Verwirklichung des § 244a StGB zielend - für die rechtliche Bewertung ihrer eine natürliche Handlungseinheit bildenden Aktivitäten ohne Bedeutung ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - 3 StR 72/12; BGH, Urt. v. 27.3.1953 - 2 StR 801/52 - BGHSt 4, 219, 220 f.; BGH, Urt. v. 23.1.1957 - 2 StR 565/56 - BGHSt 10, 230, 232; BGH, Beschl. v. 4.7.1966 - 2 StR 198/66 - BGHSt 21, 78, 79; BGH, Beschl. v. 14.3.1969 - 2 StR 64/69 - BGHSt 22, 350, 351). E hat sich der Beihilfe nur zum versuchten, nicht zum vollendeten Diebstahl schuldig gemacht, weil er sich an der Tat der Bandenmitglieder erst zu einem Zeitpunkt beteiligte, zu dem diese Gewahrsam an dem Schmuck aus den Geschäftsräumen schon erlangt hatten, seine Beihilfehandlung mittels der Überlassung des Aufbruchswerkzeugs indessen nicht der Sicherung dieses Gewahrsams, sondern ausschließlich der Wegnahme weiterer Sachen zu dienen bestimmt war und es zu einer weiteren Wegnahme anschließend nicht mehr kam (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - 3 StR 72/12). |
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20 |
Mehrere
natürliche Handlungen können als eine Tat im
Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche
Bewertungseinheit),
wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung zur
Erreichung eines einheitlichen Erfolges darstellen (BGH, Beschl. v.
1.2.2007 – 5 StR 467/06 - NStZ 2007, 578; BGH,
Beschl. v. 7.11.2013 - 4 StR 340/13; SSW-StGB/Eschelbach
§ 52 Rn. 36; Rissing-van Saan in: LK 12. Aufl., vor §
52 Rn.
36; Puppe in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl.,
§
52 Rn. 18). Eine sukzessive
Tatausführung
kann auch dann gegeben sein, wenn der Täter zunächst
davon
ausgeht, den angestrebten Taterfolg durch eine Handlung erreichen zu
können, sich dann aber umgehend zu weiteren Tathandlungen
entschließt, die auf die vorhergehende Handlung aufsetzen,
nachdem die ins Auge gefasste Handlung keinen
oder
nur einen Teilerfolg erbracht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.2013 - 4
StR 340/13; BGH, Beschl. v. 22.11.2011 – 4 StR
480/11 -
NStZ-RR 2012, 79; vgl. auch BGH, Urt. v. 24.5.2000 – 3 StR
551/99
- BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; Jakobs, Strafrecht
Allgemeiner
Teil, 2. Aufl., 32. Abschn. Rn. 8). Dabei ist es jedoch erforderlich,
dass die weiteren Tathandlungen auf die vorhergehende Handlung
aufsetzen (vgl. BGH,
Urt. v. 24.5.2000 – 3 StR 551/99 - BGHR
StGB
§ 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5) und sich nicht als neuer Anlauf
zur
(vollständigen) Erreichung des ursprünglich
angestrebten
Taterfolges darstellen (BGH, Beschl. v. 22.11.2011 - 4 StR 480/11). Ein
Wechsel des Angriffsmittels, räumliche Trennungen oder
längere zeitliche Intervalle zwischen den jeweiligen
Einzelakten
stellen die Annahme einer Bewertungseinheit nicht
grundsätzlich in
Frage (BGH, Urt. v. 24.5.2000 – 3 StR 551/99 - BGHR StGB
§ 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; SSW-StGB/Eschelbach § 52
Rn. 36;
Puppe JR 1996, 513, 514), können aber ein Indiz für
einen
neuerlichen Tatbeginn sein (BGH, Beschl. v. 22.11.2011 - 4 StR 480/11). Beispiel: Für den Straftatbestand der Erpressung ist insoweit anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten sind, wenn dabei die anfängliche Drohung lediglich den Umständen angepasst und aktualisiert wird, im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.2011 – 4 StR 480/11 - NStZ-RR 2012, 79 mwN; BGH, Beschl. v. 7.11.2013 - 4 StR 340/13). siehe hierzu auch: § 253 StGB Rdn. K.1.1 Es geht bei einer Bewertungseinheit regelmäßig um einen Tatbestand, der typischerweise im Gesetz in pauschalierender, weit gefasster und verschiedene natürliche Handlungen zusammenfassender Weise beschrieben ist und der dementsprechend trotz mehrerer - nicht wegen teilweisen Zusammenfallens von Tathandlungen oder wegen eines auch räumlich/zeitlich engen Zusammenhangs tateinheitlich verbundener - derartiger Handlungen als nur einmal erfüllt angesehen wird (vgl. zum Fall des Handeltreibens mit [der selben Menge] Betäubungsmitteln grundlegend BGH, Beschl. v. 7.1.1981 - 2 StR 618/80 - BGHSt 30, 28, 31; zum Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot, dem „das Element der Wiederholung [einzelner Handlungen] immanent ist“, BGH, Beschl. v. 11.2.2000 - 3 StR 486/99 - BGHSt 46, 6, 15 sowie BGH, Beschl. v. 12.1.2010 - 3 StR 466/09 - NStZ 2010, 455; weitere Beispiele bei Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., vor § 52, Rn. 24 ff.; von Heintschel–Heinegg in MünchKomm-StGB, § 52 Rn. 41 ff.) (BGH, Urt. v. 17.3.2011 - 1 StR 407/10). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes werden durch den Begriff der Bewertungseinheit alle Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Menge von Betäubungsmitteln richten, zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens verbunden, da bereits der Erwerb und Besitz von zur Weiterveräußerung bestimmten Betäubungsmitteln den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf diese Gesamtmenge erfüllt; zu dieser Tat gehören als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit auch die späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie dasselbe Rauschgift betreffen (vgl. BGHSt 30, 28, 31; 31, 163, 165; BGH NStZ 1998, 89; BGH, Beschl. v. 26.5.2000 - 3 StR 162/00 - NStZ 2000, 540; BGH, Beschl. v. 6.2.2001 - 4 StR 11/01; BGH, Beschl. v. 8.5.2001 - 4 StR 114/01; BGH, Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 36/01; BGH, Beschl. v. 5.3.2002 - 3 StR 491/01 - NStZ 2002, 438; BGH, Beschl. v. 16.6.2009 - 3 StR 6/09 - NStZ 2009, 648: betr. sukzessiver Verkauf der Ernte eines Marihuana-Anbaus). Mehrere Rauschgiftgeschäfte sind dann im Sinne von Tateinheit in einer Bewertungseinheit verbunden, wenn sie in ein und demselben Güterumsatz in einem Handlungsteil, etwa bei Erwerb, Lieferung oder Bezahlung des Kaufpreises in einer Gesamtmenge oder in einem Geldbetrag zusammentreffen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 14.1.2010 - 1 StR 587/09; BGH, Beschl. v. 25.5.2010 - 1 StR 59/10; Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rdn. 846 f. m.w.N.). Eine Bewertungseinheit (vgl. BGHSt 30, 28, 31; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4 und 11) kommt nicht nur beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, sondern bei allen Absatzdelikten in Betracht, also auch beim Veräußern und Abgeben (BGH NStZ 1997, 243 m. N.). Demgemäß ist, soweit ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung ist, auch bei der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige eine Tat im Sinne einer Bewertungseinheit anzunehmen (vgl. BGH StV 1997, 636. 637; 1999, 431; BGH, Urt. v. 17.8.2000 - 4 StR 233/00 - NStZ 2001, 41; BGH, Beschl. v. 9.12.2009 - 2 StR 417/09). So sind etwa sowohl der Erwerb und die Lieferung an Abnehmer als auch der (zunächst gescheiterte) Versuch, die Betäubungsmittel zu beschaffen, unselbständige Teilakte des Handeltreibens mit der schließlich gelieferten Betäubungsmittelmenge (vgl. BGH StV 1996, 483; BGH, Beschl. v. 5.12.1996 - 4 StR 547/96; BGH, Beschl. v. 29.6.2000 - 4 StR 202/00 - StV 2000, 613). |
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20.1 |
Die
Annahme einer solchen Bewertungseinheit ist
geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es rechtfertigen
können, bestimmte Einzelverkäufe einer vom
Angeklagten
erworbenen Gesamtmenge zuzurechnen (BGHR BtMG § 29
Bewertungseinheit 6, 8, 11, 12, 13; BGH NStZ 1998, 89; BGH,
Beschl. v.
26.5.2000 - 3 StR 162/00 - NStZ 2000, 540; BGH,
Beschl. v. 16.11.2000 -
3 StR 457/00 - StV 2001, 460; BGH,
Beschl. v. 8.5.2001 - 4 StR 114/01; BGH,
Beschl. v. 27.6.2001 - 2 StR 225/01). Ein sicherer Nachweis
ist
indes für die Annahme einer Bewertungseinheit nicht
erforderlich
(vgl. BGH,
Beschl. v. 16.11.2000 -
3 StR 457/00 - StV 2001, 460; BGH,
Beschl. v. 26.3.2009 - 3 StR 585/08: angesichts konkreter
Anhaltspunkte
nicht auszuschließen). Es ist insoweit
rechtsfehlerhaft,
allein
auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte
abzustellen,
wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß
an sich
selbständige Rauschgiftgeschäfte aus derselben
Erwerbsmenge
getätigt wurden (vgl. BGH,
Beschl. v. 8.5.2001 - 4 StR 114/01).
Die bloße Möglichkeit, daß Einzelmengen
einer
Gesamtmenge entnommen sein können, genügt dabei
nicht, wenn
tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete
Zuordnung
bestimmter Einzelverkäufe zu einer bestimmten erworbenen
Gesamtmenge fehlen (BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit
5; BGH,
Beschl. v.
26.5.2000 - 3 StR 162/00 - NStZ 2000, 540). Eine lediglich
willkürliche Zusammenfassung ohne ausreichende
Tatsachengrundlage
kommt dabei nicht in Betracht, auch der Zweifelssatz gebietet in
solchen Fällen nicht die Annahme einer einheitlichen Tat (BGH
NJW
1995, 2300; BGH,
Beschl. v.
26.5.2000 - 3 StR 162/00 - NStZ 2000, 540;
Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. vor § 52 ff. Rdn. 29 Fn. 101
m.w.Nachw.). Leitsätze 1. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, daß zahlreiche Einzelverkäufe von Betäubungsmitteln mehreren größeren Erwerbsmengen entstammen, so erfordert dies die Bildung von Bewertungseinheiten. Dazu hat der Tatrichter die Zahl und Frequenz der Erwerbsvorgänge sowie die Zuordnung der einzelnen Verkäufe zu ihnen an Hand der Tatumstände festzustellen. 2. Kann er genaue Feststellungen nicht treffen, hat er innerhalb des feststehenden Gesamtschuldumfangs die Zahl der Einkäufe und die Verteilung der Verkäufe auf sie zu schätzen. Dabei darf er die Grenze zur nicht geringen Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nur auf Grund einer ausreichenden Tatsachengrundlage als überschritten ansehen (BGH, Beschl. v. 5.3.2002 - 3 StR 491/01 - Leitsätze - NStZ 2002, 438). Von einer Bewertungseinheit ist dann auszugehen, wenn der Täter eine Gesamtmenge eines Betäubungsmittels erwirbt, um es in einer Mehrzahl von Einzelakten zu verkaufen (BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 18; BGH, Beschl. v. 18.6.2003 - 1 StR 184/03). Mehrere von einem Drogenhändler getätigte bzw. beabsichtigte Rauschgiftverkäufe werden nur dann zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst, wenn die gehandelten Drogen zuvor in einem Erwerbsakt zum Zwecke der Weiterveräußerung erlangt wurden (BGH BtMG § 29 Bewertungseinheit 20). Allein der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittel begründet eine Bewertungseinheit für verschiedene Verkaufsgeschäfte nicht (BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 9; BGH, Beschl. v. 20.2.2008 - 2 StR 619/07 - NStZ 2008, 470). Eine die Annahme der Bewertungseinheit unbrechende Zäsurwirkung kann sich jedoch infolge einer (rechtskräftigen) Verurteilung ergeben und ist für Dauerdelikte wie etwa den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln oder Waffen anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 31.7.1980 - 4 StR 340/80; BGH, Beschl. v. 23.10.2008 - 1 StR 526/08; Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 50, 56). Zum Strafklageverbrauch durch frühere Verurteilung wegen aus derselben Vorratsmenge stammender Teilmengen bei Bewertungseinheit vgl. Einstellung bei Verfahrenshindernissen, § 206a StPO --> Strafklageverbrauch siehe zur Bewertungseinheit eingehender: § 29 BtMG --> Rdn. K.3.10; zum Verjährungsbeginn: Verjährungsbeginn, § 78a StGB --> Rdn. 5.4.9 |
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20.2 |
Leitsatz
Übernimmt ein Täter im
Interesse eines mit einem Betätigungsverbot belegten Vereins
ein
auf eine gewisse Dauer angelegtes Amt oder einen bestimmten
Tätigkeitsbereich mit dem Willen, zur Aufrechterhaltung oder
zur
Unterstützung der verbotenen Tätigkeit des Vereins
beizutragen, so verbindet das übernommene Amt
sämtliche in
seiner Ausübung begangenen Zuwiderhandlungen gegen das
vereinsrechtliche Betätigungsverbot zu einer einzigen Tat
(Bewertungseinheit) des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG (im
Anschluß an BGHSt 43, 312) (BGH,
Beschl. v. 11.2.2000 - 3 StR
486/99 - Ls. - BGHSt 46, 6 - NStZ 2000, 322). siehe hierzu: § 20 VereinsG, Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot --> Rdn. 20 |
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20.5 |
Die
Akzessorietät der Beihilfe gilt auch in den Fällen
der
Bewertungseinheit, so dass mehrere natürliche, an sich
selbständige
Beihilfehandlungen zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden,
wenn dies nach den Grundsätzen der Bewertungseinheit bei den
Taten der
Fall ist, zu denen Beihilfe geleistet wurde (vgl. BGH, Beschl. v.
6.12.2011 - 3 StR 393/11; Weber, BtMG, 3. Aufl., vor § 29 Rn.
280 mwN). siehe hierzu näher: § 29 BtMG Rdn. K.3.10.15 siehe auch unten: Rdn. 50.2.5 - Akzessorietätsbedingte Ausnahme bei Bewertungseinheit |
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25 |
Voraussetzung
für die Tateinheit durch Klammerwirkung ist,
daß die Ausführungshandlungen zweier an sich
selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit
der
Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes
(teil-)identisch
sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich
selbständigen Delikte und dem sie verbindenden Delikt
zumindest
annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat
die
schwerste ist (vgl. RGSt 68, 216, 218; BGHSt 28, 18, 20; BGH NJW 1975,
985, 986; NStZ 1984, 262; 2008, 209; BGHR StGB § 52 Abs. 1
Klammerwirkung 5, 6; BGH,
Urt. v. 28.10.2004 - 4 StR 268/04 - NStZ
2005, 262; BGH,
Beschl. v. 2.12.2008 - 3 StR 203/08 - NStZ 2009, 692; BGH,
Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR 244/09
- NStZ 2010, 277; BGH,
Beschl. v. 19.4.2011 - 3 StR 230/10; BGH, Beschl. v. 22.5.2014 - 4 StR
223/13; Fischer,
StGB 56. Aufl. vor § 52 Rdn. 30; Rissing-van Saan in LK StGB
12.
Aufl. § 52 Rdn. 27, 29 m.w.N.). Als Maßstab
hierfür
dient die Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt
unter Orientierung an den Strafrahmen, wobei der Wertevergleich nicht
nach einer abstrakt-generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand
der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen ist (vgl. BGH, Beschl.
v. 22.5.2014 - 4 StR 223/13; BGH, Urt. v. 13.12.2012 – 4 StR
99/12; BGH, Beschl. v. 19.4.2011 – 3 StR 230/10 - NStZ 2011,
577,
578; BGH, Beschl. v. 2.12.2008 – 3 StR 203/08 - NStZ
2009,
692, 693; BGH, Urt. v. 18.7.1984 – 2 StR 322/84 - BGHSt 33,
4, 6
ff.). Fehlt es an der erforderlichen - zumindest teilweisen - Identität der objektiven Tathandlungen (vgl. BGHSt 43, 317, 319; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 19) und läßt sich allein eine zeitliche Überschneidung der Deliktsverwirklichungen feststellen, begründet dies allein keine Tateinheit (vgl. BGH, Beschl. v. 11.8.2000 - 3 StR 235/00 - NStZ 2000, 641; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.2.2000 - 3 StR 503/99 betr. für die weiteren Delikte bedeutungslos gebliebener Waffenbesitz). siehe zur Klammerwirkung, wenn das verbindende (dritte) Delikt nach den §§ 154, 154a StPO ausgeschieden worden ist: § 154 StPO, Unwesentliche Nebenstrafen - Rdn. 65 |
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25.1 |
Die
Klammerwirkung bleibt aus, wenn das (Dauer-)Delikt in seinem
strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafandrohung seinen Ausdruck
findet, deutlich hinter den während seiner Begehung
zusätzlich verwirklichten Gesetzesverstößen
zurückbleibt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.11.2010 - 5 StR 464/10;
BGH,
Beschl. v. 11.1.2012 - 1 StR 386/11). Der Wertevergleich ist nicht nach einer abstrakten generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.1984 - 2 StR 322/84 - BGHSt 33, 4 f.; BGH, Urt. v. 28.10.2004 - 4 StR 268/04 - NStZ 2005, 262; BGH, Beschl. v. 19.4.2011 - 3 StR 230/10; vgl. auch Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 52 Rdn. 16), wobei berücksichtigt werden kann, ob im konkreten Fall eine versuchsbedingte Milderung des Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nahe liegt (BGH, Urt. v. 28.10.2004 - 4 StR 268/04 - NStZ 2005, 262; BGH, Beschl. v. 2.12.2008 - 3 StR 203/08 - NStZ 2009, 692). Als Maßstab für den Wertevergleich dient neben der Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt in Verbrechen oder Vergehen insbesondere eine Orientierung an den Strafrahmen, wobei einer Wertgleichheit grundsätzlich nicht entgegensteht, dass das verklammernde Delikt nur das Versuchsstadium erreicht hat (BGH, Beschl. v. 2.12.2008 - 3 StR 203/08 - NStZ 2009, 692). Beispiel: Die Nachstellung nach § 238 Abs. 1 StGB verklammert die von dem Angeklagten ebenfalls verwirklichten Delikte der Bedrohung und Beleidigung, so dass insgesamt Tateinheit gegeben ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR 244/09 - NStZ 2010, 277; aA Valerius JuS 2007, 319, 324). Die Ausführungshandlungen der an sich getrennt verwirklichten Bedrohungen bzw. Beleidigungen sind zwar nicht miteinander, wohl aber mit den Ausführungshandlungen der Nachstellung (teil-)identisch; die zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verbundenen einzelnen Teilakte der Nachstellung bilden deshalb jeweils mit den daneben verwirklichten Tatbeständen der Bedrohung und Beleidigung eine Tat im materiellrechtlichen Sinn. Die Nachstellung ist nach § 238 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe und damit mit höherer Strafe als die Bedrohung und die Beleidigung bedroht, deren Strafrahmen jeweils von Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe reicht. Sie stellt daher das schwerste der verwirklichten Delikte dar (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR 244/09 - NStZ 2010, 277). siehe auch: § 238 StGB, Nachstellung --> Rdn. K.2 § 16 UWG, Rdn. K.1.5 Beispiel: Ein zu den beiden Morden in Tateinheit stehender Diebstahl im besonders schweren Fall kann wegen seiner geringeren Strafdrohung die beiden Morde nicht zur Tateinheit verklammern (vgl. BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 3 StR 514/00). Diese Wirkung tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann ein, wenn eines der betroffenen Delikte schwerer wiegt als dasjenige, das die Verbindung begründet (vgl. BGHSt 31, 29, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 7 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 4 StR 562/09; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. Vor § 52 Rdn. 30). Beispiel: Das Verbrechen der Geiselnahme und das Vergehen der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs, die bei isolierter Betrachtungsweise in Tatmehrheit zueinander stehen, werden durch das Vergehen der Entziehung Minderjähriger zur Tateinheit verbunden, weil dieses seinerseits mit jedem der anderen Delikte tateinheitlich zusammentrifft (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 4 StR 562/09). Die klammernde Wirkung eines Delikts, durch welche die anderen Delikte zu Tateinheit verbunden werden, entfällt nicht unbedingt, weil das zu Tateinheit verklammernde Delikt nicht abgeurteilt werden kann, etwa weil ein persönlicher Strafaufhebungsgrund vorliegt, (vgl. BGH, Beschl. v. 11.8.2004 - 3 StR 202/04 - wistra 2004, 474), der erforderliche Strafantrag fehlt (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 1 und 2) oder aufgrund einer Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO (vgl. BGH NStZ 1984, 135; BGHR StPO § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 3) eine Verurteilung nicht erfolgt. Nach § 184 Abs. 5 Satz 2 StGB aF ist auch der durch die Beschaffung aus dem Internet begründete Besitz der Bilddateien seinerseits strafbar. Mündet dieser Besitz unmittelbar in die Weitergabe der einzelnen Dateien per Email an eine andere Person, sind die vom Tatgericht festgestellten Einzelhandlungen - jedenfalls dann, wenn sich der Täter alle versandten Bilder vor der ersten Versendung verschafft hat - durch den sie verbindenden Besitz zu einer einheitlichen Straftat im Sinne von § 52 StGB verklammert (vgl. BGH, Beschl. v. 5.4.2005 - 4 StR 95/05; OLG Hamburg NStZ-RR 1999, 329; ). Wenn die Angeklagten hierbei etwa drei Taten der gefährlichen Körperverletzung begangen haben, wird auch Tateinheit zwischen diesen Taten durch eine Klammerwirkung der Beteiligung an einer Schlägerei mangels einer annähernden Wertgleichheit dieser Tat ausscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 195/05). Die Annahme von Tateinheit kommt (unter anderem) in Betracht, wenn die tatbestandlichen, mehrere Strafgesetze verletzenden Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Dabei ist in der Rechtsprechung allerdings anerkannt, daß eine nach der Vollendung der Tat liegende Handlung, die der Verwirklichung der tatbestandsmäßig vorausgesetzten Absicht des Täters dient und zugleich ein weiteres Strafgesetz verletzt, Ausführungshandlung beider Delikte ist und Tateinheit begründen kann (BGHSt 26, 24, 27; BGHR StGB § 113 Konkurrenzen1 und 2; BGH, Urt. v. 4.8.2004 - 2 StR 183/04). |
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25.2 |
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25.2.1 |
Als
Dauerdelikt sind nur solche Straftaten anzusehen,
bei denen der Täter den von ihm in deliktischer Weise
geschaffenen
rechtswidrigen Zustand willentlich aufrecht erhält oder die
deliktische Tätigkeit ununterbrochen fortsetzt, so dass sich
der
strafrechtliche Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch
auf
die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands bezieht (BGHSt 42,
215, 216; BGH,
Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR 244/09 - NStZ 2010, 277;
Fischer StGB 56. Aufl. Vor § 52 Rdn. 58). Die Verurteilung
wegen
eines Dauerdelikts bewirkt eine Zäsur mit der Folge, dass das
Aufrechterhalten des Dauerzustands nach dem Urteil als
selbstständige Tat zu werten ist (BGH,
Beschl. v. 12.1.2010 -
3
StR 466/09; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor §
52 Rdn. 56;
Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27.
Aufl.
Vorbem. §§ 52 ff. Rdn. 87). Zum Konkurrenzverhältnis der unter Konkurrenzgesichtspunkten einheitlichen Dauerstraftat nach dem Waffengesetz bei Waffensammlungen zu zeitgleich begangenen Betäubungsmittelstraftaten siehe: § 52 WaffG Rdn. K.1.5 |
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25.2.2 |
Grundsätzlich
kann ein Delikt, das sich über
einen gewissen Zeitraum hinzieht, andere Straftaten, die bei isolierter
Betrachtung in Tatmehrheit zueinander stünden, zu Tateinheit
verbinden, wenn es seinerseits mit jeder dieser Straftaten
tateinheitlich zusammentrifft. Diese Wirkung tritt jedoch dann nicht
ein, wenn das Dauerdelikt in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in
der Strafandrohung Ausdruck findet, deutlich hinter den
während
seiner Begehung zusätzlich verwirklichten
Gesetzesverstößen zurückbleibt. Denn eine
minderschwere
Dauerstraftat hat nicht die Kraft, mehrere schwerere Einzeltaten, mit
denen sie ihrerseits jeweils tateinheitlich zusammentrifft, zu einer
materiell-rechtlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB
zusammenzufassen (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 4,
5,
7; § 129 a Konkurrenzen 4; BGH,
Beschl. v. 1.7.2003 - 4 StR
55/03
- StV 2004, 4; BGH,
Urt. v. 8.11.2007 - 3 StR 320/07 - NStZ 2008, 209;
BGH, Beschl. v. 10.11.2010 - 5 StR 464/10; BGH, Beschl. v. 4.4.2012 - 2
StR 70/12). Wiegt dagegen nur eines der betroffenen Delikte schwerer als dasjenige, das die Verbindung begründet, so bleibt es bei der Klammerwirkung mit der Folge, dass alle während der Begehung des Dauerdelikts zusätzlich verwirklichten Gesetzesverstöße zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengefasst werden (BGHSt 31, 29, 31; BGH NStZ 1993, 39, 40; 2008, 209, 210 mwN; BGH, Beschl. v. 10.11.2010 - 5 StR 464/10 Tz. 5; BGH, Beschl. v. 4.4.2012 - 2 StR 70/12; vgl. auch BGH NStZ 2011, 577, 578). Beispiel: Einer Verklammerung der Nötigung und der gefährlichen Körperverletzung durch die Freiheitsberaubung zur Tateinheit steht nicht entgegen, dass das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafdrohung Ausdruck findet, deutlich hinter dem Körperverletzungsdelikt zurückbleibt (vgl. BGH, Beschl. v. 4.4.2012 - 2 StR 70/12). siehe auch: Bildung krimineller Vereinigungen, § 129 StGB, Rdn. K.1; Zuhälterei, § 181a StGB Sowohl die schwere Vergewaltigung als auch die gefährliche Körperverletzung weisen im Vergleich zur Freiheitsberaubung einen so deutlich höheren Unrechtsgehalt auf, dass sie durch diese nicht zu Tateinheit verbunden werden können (vgl. Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 239 Rdn. 42; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.3.2013 - 1 StR 647/12; Fischer, StGB 60. Aufl., Rn. 32 vor § 52). Sie stehen vielmehr im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, wobei in beiden Fällen jeweils tateinheitlich die Freiheitsberaubung hinzutritt (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2007 - 3 StR 320/07 - NStZ 2008, 209; BGH, Beschl. v. 10.11.2010 - 5 StR 464/10; BGH, Urt. v. 8.12.2010 - 2 StR 453/10 - NStZ-RR 2011, 142; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rdn. 30; siehe auch die nachstehend dargestellte Möglichkeit der Klammerwirkung eines dritten Delikts). Eine Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB hingegen wäre aufgrund seines Unrechtsgehalts zu einer solchen Verklammerung der vorgenannten Delikte geeignet (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2007 - 3 StR 320/07 - NStZ 2008, 209; BGH, Urt. v. 10.12.2008 - 2 StR 338/08; BGH, Urt. v. 8.12.2010 - 2 StR 453/10 - NStZ-RR 2011, 142; BGH, Beschl. v. 21.6.2011 - 2 StR 189/11; vgl. BGH NStZ-RR 2004, 333, 335 zu § 239a StGB). Möglich ist auch die Fallkonstellation, dass sowohl § 177 Abs. 2 StGB mit den zuvor verwirklichten Delikten als auch § 224 Abs. 1 StGB mit den weiteren der Vergewaltigung nachfolgenden Delikten durch § 239 StGB zur Tateinheit verklammert werden. Für die sogenannte Klammerwirkung eines dritten Delikts im vorgenannten Sinne ist erforderlich aber auch hinreichend, dass zwischen dem dritten und einem der verbundenen Delikte annäherende Wertgleichheit besteht; wiegt nur eines der betroffenen Delikte schwerer als dasjenige, das die Verbindung begründet, so verbleibt es bei der Klammerwirkung (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 7; BGH, Beschl. v. 10.11.2010 - 5 StR 464/10; Fischer, StGB 57. Aufl. Vor § 52 Rdn. 30). Als minderschwere Straftat vermag das - ununterbrochene - Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG den (Tank-)Betrug (insoweit Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis) und eine hinzutretende Nötigung nicht zu einer rechtlichen Einheit zu verbinden (vgl. BGHSt 18, 66, 69; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 8; BGH, Beschl. v. 22.7.2009 - 5 StR 268/09). siehe auch: § 21 StVG, Fahren ohne Fahrerlaubnis --> Konkurrenzen; § 263 StGB, Betrug --> Konkurrenzen; § 240 StGB, Nötigung --> Konkurrenzen vgl. zur Klammerwirkung des Organisationsdelikts des § 129a StGB in Verbindung mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion nach § 311 Abs. 1 StGB a.F.: § 129a StGB Rdn. K.1 ; zur Klammerwirkung des fortdauernden Vereinigungsdelikts der Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB) in Verbindung mit Betäubungsmitteldelikten und Erpressungstaten: § 129 StGB Rdn. K.1; ferner Untreue, § 266 StGB Rdn. K.3.5 betr. Verklammerung mehrerer Untreuestraftaten durch Delikte der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) |
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25.5 |
Voraussetzung
für eine "Entklammerung"
und damit Auflösung einer an sich gegebenen Tateinheit ist,
dass
die Verbindung zu einer gemeinsamen Tat dem Gerechtigkeitsprinzip oder
sozial-ethischen Bewertungsgrundsätzen widerspricht (BGH, Urt.
v.
18.7.1984 - 2 StR 322/84 - BGHSt 33, 4, 6; BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4
StR 99/12). Mehrere selbständige Delikte, die
gegenüber einem
Dritten einen unverhältnismäßig
größeren
Unwert verkörpern (LK-Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl.,
§ 52
Rn. 30 mwN) bzw. bei denen das verbindende Delikt in seinem
Unrechtsgehalt "deutlich" hinter den zusätzlich verwirklichten
Gesetzesverstößen zurückbleibt (BGH,
Beschl. v.
8.11.2007 - 3 StR 320/07 - NStZ 2008, 209; BGH, Beschl.
v. 11.1.2012 - 1 StR 386/11 - wistra 2012, 310, Tz. 21),
werden
deshalb durch das leichtere Delikt nicht miteinander verklammert;
"annähernd gleichgewichtige" Straftaten bleiben dagegen
tateinheitlich miteinander verbunden (BGH, Urt. v. 11.6.1980 - 3 StR
9/80 - BGHSt 29, 288, 291 mwN; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 59.
Aufl., Vor § 52 Rn. 30). Dabei ist der Wertevergleich nicht
nach
einer abstrakt-generalisierten Betrachtungsweise, sondern anhand der
konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen; minder schwere
Fälle
oder wegen vertypter Milderungsgründe vorzunehmende
Strafrahmenverschiebungen sind mithin zu berücksichtigen (BGH,
Urt. v. 18.7.1984 - 2 StR 322/84 - BGHSt 33, 4, 7; BGH,
Urt.
v. 28.10.2004 - 4 StR 268/04 - NStZ 2005, 262; BGH,
Beschl. v.
2.12.2008 - 3 StR 203/08 - NStZ 2009, 692; BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4
StR 99/12). Tateinheit durch Klammerwirkung wird von der Rechtsprechung
daher bejaht, wenn die Ausführungshandlungen zweier an sich
selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit
der
Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes
(teil-)identisch
sind und zwischen wenigstens einem der beiden an sich
selbständigen Delikte und dem sie verbindenden (Dauer-)Delikt
zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die
verklammernde
Tat die schwerste ist (BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4 StR 99/12; BGH,
Urt.
v. 28.10.2004 - 4 StR 268/04
- NStZ 2005, 262; BGH, Beschl. v.
2.12.2008 - 3 StR 203/08 - NStZ 2009, 692; BGH, Beschl. v. 19.4.2011 -
3 StR 230/10 - BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 3; BGH, Beschl.
v. 11.1.2012 - 1 StR 386/11 - wistra 2012, 310 jeweils mwN). Werden aber wegen der Akzessorität der Beihilfe mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen gerade deshalb zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst, weil dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Bewertungseinheit bei den Taten des Haupttäters, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, der Fall ist, so ist es auch unter Beachtung des eine Entklammerung rechtfertigenden Gerechtigkeitsprinzips oder sozial-ethischer Bewertungsgrundsätze nicht geboten, die einheitliche Beihilfe wieder aufzulösen und die einzelnen Beihilfehandlungen sodann als materiell-rechtlich selbständige Taten - etwa jeweils gemeinsam mit einer täterschaftlichen Einfuhr - abzuurteilen. Es widerspricht dem Gerechtigkeitsprinzip vielmehr, beim Haupttäter Tateinheit zwischen täterschaftlichem Handeltreiben und mehreren Einfuhrfällen anzunehmen, bei ihm mithin nur eine Strafe zu verhängen, beim Gehilfen des Handeltreibens und Täter der Einfuhren dagegen wegen einer Auflösung der an sich gegebenen Tateinheit mehrere Einzelstrafen zu verhängen, die in ihrer Summe sogar höher sein können als die gegen den Haupttäter ausgesprochene Strafe (BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4 StR 99/12). |
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30 |
Seit
die Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung durch
den Beschluß des Großen Senats für
Strafsachen vom 3.
Mai 1994 (BGHSt 40, 138) im wesentlichen aufgegeben worden ist, stellt
sich das Problem der tatsächlichen Aufklärung und
zutreffenden konkurrenzrechtlichen Bewertung von Tatserien unter
Mitwirkung mehrere Beteiligter neu. Zur Überwindung der
dadurch
aufgeworfenen Schwierigkeiten behilft sich die Rechtsprechung nunmehr
damit, daß sie - abgesehen von durch einen Tatgenossen
eigenhändig verwirklichten oder durch einen individuellen
Tatbeitrag mitverwirklichten Einzeldelikten - Tatbeiträge
eines
Mittäters, mittelbaren Täters oder Gehilfen zum
Aufbau, zur
Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten
Geschäftsbetriebes unter Heranziehung des Zweifelssatzes (vgl.
BGH
NStZ 1994, 586; BGH, Beschl. v. 7.9.1995 - 1 StR 319/95; BGH,
Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02, insoweit in wistra 2003, 424
nicht abgedruckt; s. auch BGHSt 40, 218, 238) rechtlich weitgehend zu
einem - uneigentlichen - Organisationsdelikt zusammenfaßt,
durch
welches mehrere Einzelhandlungen oder mehrere natürliche
Handlungseinheiten rechtlich verbunden und hiermit die aus der
Unternehmensstruktur heraus begangenen Straftaten in der Person dieser
Tatbeteiligten zu einer einheitlichen Tat oder gegebenenfalls zu
wenigen einheitlichen Taten im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB
zusammengeführt werden (s. etwa BGH NStZ 1996, 296 f.; BGHR
StGB
§ 263 Täterschaft 1; BGH NJW 1998, 767, 769; 2004,
375,
378; BGH,
Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03 - BGHSt 49, 177 -
wistra 2004, 418; BGH,
Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 160/09 - wistra
2009, 437; BGH, Beschl. v. 19.4.2011 - 3 StR 230/10). Hiergegen ist, insbesondere unter dem Aspekt der Verfahrensvereinfachung, grundsätzlich nichts einzuwenden; denn da die konkurrenzrechtliche Einordnung der Einzeltaten deren Gesamtunrechts- und Schuldgehalt im allgemeinen nicht berührt (vgl. BGHSt 40, 218, 239; 41, 368, 373; BGH NStZ 1997, 233; BGH, Beschl. v. 30.3.2004 - 4 StR 529/03 - wistra 2004, 417), führt die Verurteilung wegen nur einer Tat oder nur weniger tatmehrheitlicher Taten in aller Regel im Ergebnis zu einer den Angeklagten weder ungerechtfertigt belastenden noch unberechtigt begünstigenden Straffolge. Jedoch darf hierüber nicht aus dem Blick verloren werden, daß dem Angeklagten jedes durch einen Mittäter, Tatmittler oder Haupttäter vollendetes selbständiges Einzeldelikt zuzurechnen ist. Dies ist zur Kennzeichnung des Schuldumfangs im Schuldspruch grundsätzlich dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß das Vorliegen gleichartiger Tateinheit kenntlich gemacht wird (vgl. etwa BGH NStZ 1994, 35; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 30 und § 263 Täterschaft 1; BGH wistra 2001, 144; BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 160/09 - wistra 2009, 437 betr. Kenntlichmachung durch Mitteilung der tateinheitlich begangenen Fälle; mißverständlich demgegenüber z. B. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 10 und § 266 Abs. 1 Konkurrenzen 2; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.8.2009 - 5 StR 244/09: danach ist es untunlich, gleichartige Tateinheit im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, weil hierdurch die Urteilsformel meist unübersichtlich und unverständlich wird - insoweit keinen Fall eines uneigentlichen Organisationsdelikts betreffend; siehe zur Urteilsformel näher unten --> Rdn. U.1.2 m.w.N.). Hiervon kann nur dann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn durch die genaue Bezeichnung des Konkurrenzverhältnisses der Schuldspruch unübersichtlich und schwer verständlich würde (BGH NStZ 1996, 610, 611; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03 - BGHSt 49, 177 - wistra 2004, 418). Beispiel: Der Angeklagte hat im Vorfeld und während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge erbracht, durch die er alle Einzeldelikte seiner Bandenmitglieder gleichzeitig förderte. Seine Tatbeiträge erschöpften sich damit im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs und sind damit als - uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGHSt 49, 177, 184; 48, 331, 343; BGH NStZ 1996, 296 f.; BGHR StGB 263 Täterschaft 1; BGH NStZ 1996, 296 f.; BGH NJW 2004, 375, 378; 1998, 767, 769; BGH, Beschl. v. 9.1.2008 - 5 StR 572/07 - wistra 2008, 181; BGH, Beschl. v. 21.5.2008 - 5 StR 124/08). vgl. hierzu auch: BGH, Beschl. v. 1.4.2008 - 5 StR 90/08 - wistra 2008, 261 Bei Betrugstaten darf jedoch nicht aus dem Blick verloren werden, dass § 263 StGB nicht als Organisationsdelikt, sondern als ein gegen das Vermögen einzelner Privater oder juristischer Personen gerichteter Straftatbestand konzipiert ist. Strafbar nach § 263 StGB ist nicht das Betreiben einer auf Betrug ausgerichteten Organisation als solcher, sondern die betrügerische Schädigung individuellen Vermögens. Der Umstand, dass Straftaten unter Schaffung und Ausnutzung einer Unternehmensstruktur "organisiert" begangen werden, ändert daher nichts daran, dass die mehrgliedrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 263 StGB, erforderlichenfalls hinsichtlich jedes - möglicherweise zu gleichartiger Tateinheit zusammenzufassenden - schädigenden Einzelaktes, konkret festgestellt sein müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 160/09 - wistra 2009, 437). Für die Tatfeststellung und Darstellung im Urteil gelten bei einer aus vielen Einzelakten bestehenden Tat im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdelikts (vgl. BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 160/09 - NStZ 2010, 103, 104; BGH, Beschl. v. 31.1.2012 – 3 StR 285/11 - StV 2012, 653 f.) keine anderen Anforderungen als bei einer Mehrzahl gleichartiger, rechtlich selbständiger Straftaten (BGH, Beschl. v. 16.5.2017 - 2 StR 169/15 Rn. 21). Die Urteilsgründe müssen auch hier die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Rechtliche Konkurrenzfragen haben darauf keinen Einfluss (vgl. für das Verhältnis einer „fortgesetzten Handlung“ zu Tatmehrheit BGH, Beschl. v. 3.5.1994 – GSSt 2/93 und 3/93 - BGHSt 40, 138, 159). Dies schließt zwar eine zusammenfassende, insbesondere tabellarische Darstellung der Einzelfälle und eine Wiedergabe von Gemeinsamkeiten der Tatbegehung nicht aus. Jedoch macht dies grundsätzlich Feststellungen zu den Einzelakten des Betruges zum Nachteil verschiedener Geschädigter im Urteil nicht entbehrlich (BGH, Beschl. v. 16.5.2017 - 2 StR 169/15 Rn. 21). Die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftskonzept ist für sich nicht ausreichend, die Einzelakte der Tatserie rechtlich zu einer Tat, auch nicht im Sinne eines sog. „uneigentlichen Organisationsdelikts“ (hierzu: BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 150/09), zusammenzufassen. Erbringt der Täter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten grundsätzlich als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen (BGHSt 49, 177, 182 f.; BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 91/09 - NStZ 2010, 88). siehe auch: § 263 StGB, Betrug --> Konkurrenzen --> Tateinheit Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter grundsätzlich nach der Anzahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten anderer Täter nicht mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten "Geschäftsbetriebs", sind diese Tathandlungen als - uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 9.1.2008 - 5 StR 572/07 - wistra 2008, 181, 182 mwN; BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 160/09 - StV 2010, 363; BGH, Beschl. v. 23.5.2013 - 2 StR 555/12 - wistra 2013, 389; BGH, Beschl. v. 14.10.2014 - 3 StR 365/14 Rn. 4; BGH, Beschl. v. 23.7.2015 - 3 StR 518/14; BGH, Beschl. v. 3.3.2016 - 4 StR 134/15 Rn. 12), ohne dass die Annahme banden- und gewerbsmäßiger Begehung dadurch berührt würde (vgl. BGH, Urt. v. 17.6.2004 – 3 StR 344/03 - BGHSt 49, 177, 182 ff., 187 f.; BGH, Beschl. v. 3.3.2016 - 4 StR 134/15 Rn. 16). Ob die anderen Täter die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03 - BGHSt 49, 177, 183; BGH, Beschl. v. 14.11.2012 - 3 StR 403/12; BGH, Beschl. v. 3.3.2016 - 4 StR 134/15 Rn. 12). Als rechtlich selbständige Taten können dem Mittäter - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - nur solche Einzeltaten der Serie zugerechnet werden, für die er einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag leistet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 23.7.2015 - 3 StR 518/14; BGH, Beschl. v. 14.10.2014 - 3 StR 365/14 - NStZ 2015, 334; BGH, Beschl. v. 17.9.2013 - 3 StR 259/13, juris Rn. 3; BGH, Beschl. v. 14.10.2014 - 3 StR 365/14 Rn. 4; BGH, Beschl. v. 4.5.2016 - 3 StR 358/15 Rn. 23). Kommt mittelbare Täterschaft in Betracht, weil ein Hintermann unternehmerische oder geschäftsähnliche Organisationsstrukturen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst (vgl. BGH NStZ 2008, 89), müssen die von ihm nicht selbst verwirklichten Tatbestandsmerkmale in der Person des Tatmittlers begangen sein (BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 160/09 - wistra 2009, 437). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter nach der Anzahl seiner Handlungen. Wird im Fall einer Organisation eines Unternehmens, das durch Mitarbeiter Kunden täuscht und hierdurch zu Vermögensverfügung veranlasst, ein einheitlicher Tatbeitrag des Hintermanns in seiner Organisationstätigkeit gesehen (etwa Täuschung von 159 Kunden durch Vermittler), dann gilt dies für alle Fälle, in denen dieser Täter nicht selbst eigenhändig gegenüber den Kunden Betrügereien begeht (vgl. BGH, Beschl. v. 29.7.2009 – 2 StR 160/09 - StV 2010, 363; BGH, Beschl. v. 23.5.2013 - 2 StR 555/12). Dass der Tatentschluss auf zwei unterschiedliche Betrugsmodalitäten gerichtet war (etwa beim Aufbau und der Aufrechterhaltung eines "fiktiven Reisebüros" durch Täuschung der Zeitungsverlage durch Schalten von Werbeanzeigen, die nicht bezahlt werden sollten und zum anderen die Täuschung der Reiseinteressenten, ändert nichts daran, dass hinsichtlich dieser Angeklagten jeweils nur eine Tat (§ 52 StGB) vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 29.11.2016 - 3 StR 291/16 Rn. 12). siehe zum (einheitlichen) Organisationsdelikt auch: § 54 KWG Rdn. K.1 - Einheitliches Organisationsdelikt; ferner: BGH, Beschl. v. 9.5.2012 - 5 StR 499/11 zur prozessual einheitlichen Tat beim uneigentlichen Organisationsdelikt siehe: § 264 StPO Rn. 5.60 - Einheitliche Tat bei uneigentlichem Organisationsdelikt |
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45 |
Gesetzeseinheit - und nicht Tateinheit - liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfaßt wird (BGHSt 31, 380; BGH, Beschl. v. 20.10.1992 – GSSt 1/92 - BGHSt 39, 100, 108; BGHSt 41, 113, 115; BGH NJW 1999, 69, 70; BGH, Beschl. v. 19.6.2003 - 5 StR 160/03 - wistra 2003, 389; BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13). Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt (BGH, Beschl. v. 19.6.2003 - 5 StR 160/03 - wistra 2003, 389; BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13). Die Verletzung des durch einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muß eine - wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige - Erscheinungsform des anderen Tatbestands sein (BGH, Urt. v. 23.3.2000 - 4 StR 650/99 - BGHSt 46, 24 - NJW 2000, 1878; BGH, Beschl. v. 19.6.2003 - 5 StR 160/03 - wistra 2003, 389; BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13; Fischer, StGB, 61. Aufl., Vor § 52 Rdn. 39). | |
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45.1 |
Abstrakter
Rechtsgüterschutz hat nach den allgemeinen
Grundsätzen unter Konkurrenzgesichtspunkten hinter dem
konkreten zurückzutreten (vgl. BGH,
Beschl. v.
8.11.2005 - 1 StR 455/05 für das Verhältnis
von
§ 241
StGB (Bedrohung) zu § 240 StGB (Nötigung)). Dass dies jedenfalls im Verhältnis des § 240 StGB zu § 241 StGB auch dann gilt, wenn konkret nur das Versuchsstadium erreicht wurde, wird dadurch bestätigt, dass die Strafobergrenze der versuchten Nötigung von zwei Jahren und drei Monaten weit über der Strafobergrenze von einem Jahr bei der Bedrohung liegt. Bedrohungen mit einem Verbrechen, auf die § 241 StGB beschränkt ist, stellen auch kein im Verhältnis zu § 240 StGB eigenständiges Handlungsunrecht dar, vielmehr soll diese Beschränkung nur die Strafbarkeit im Bereich des abstrakten Rechtsgüterschutzes sinnvoll begrenzen (so zutreffend Jäger JR 2003, 478, 479). § 240 StGB und § 241 StGB bezwecken den gleichen aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Freiheitsschutz (vgl. BGHSt 37, 350, 353 - zu § 240 StGB -; Träger/Schluckebier aaO Rdn. 1 - zu § 241 StGB -). Dabei stellt § 240 StGB konkretes Erfolgsunrecht unter Strafe, während § 241 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. Rdn. 1 zu § 241; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 241 Rdn. 2; BGH, Urt. v. 13.10.2016 – 4 StR 239/16 Rn. 49) im Vorfeld des Nötigungstatbestandes angesiedelt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8.11.2005 - 1 StR 455/05). siehe auch: Nötigung, § 240 StGB; Bedrohung, § 241 StGB Nach der Rechtsprechung liegt Gesetzeseinheit in der Form der Spezialität vor, wenn die Bedrohung den Tatbestand des § 241 StGB erfüllt und sie zugleich Mittel der in der entsprechenden Vorschrift vorausgesetzten Nötigung ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.2002 - 2 StR 523/01; BGH bei Miebach NStZ 1994, 225 zu §§ 177, 178 StGB a.F.; BGH GA 77, 306 zu § 177 StGB a.F. mit weiteren Hinweisen zum Verhältnis zu § 240 und zu § 253 StGB; BGH bei Dallinger MDR 1973, 902 zu § 113 StGB; bei Rücktritt vom Versuch vgl. aber BGH, Urt. v. 21.6.1977 - 5 StR 310/77). Kommt etwa der Nötigung neben der Vergewaltigung kein eigener Unrechtsgehalt zu, weil sie ersichtlich der Vorbereitung des Geschlechtsverkehrs diente, so liegt in einem derartigen Fall Gesetzeseinheit in Form der Spezialität des § 177 StGB vor (vgl. BGH, Beschl. v. 20.1.1993 - 3 StR 540/92; Laufhütte in LK, StGB, 10. Aufl. § 177 Rdn. 20). Der Schuldspruch soll den Unrechtsgehalt der Tat umfassend kennzeichnen. Dementsprechend liegt Gesetzeseinheit nur vor, wenn rechtsgutbezogen der Unrechtsgehalt einer Handlung schon durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfaßt wird; ist dies nicht der Fall, liegt Tateinheit vor (BGHSt 44, 196, 198; 39, 100, 108 m.w.Nachw.). Dies kann dazu führen, daß zwar Gesetzeseinheit vorliegt, wenn die beiden in Rede stehenden Delikte vollendet sind, aber Tateinheit vorliegt, wenn das schwerere Delikt lediglich versucht und nur das minder schwere vollendet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 31.8.2004 - 1 StR 347/04; generell Lackner in Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. vor § 52 Rdn. 24; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. vor §§ 52 ff. Rdn. 89 m.w.Nachw.). Nach allgemeinen Grundsätzen tritt das abstrakte Gefährdungsdelikt hinter ein konkretes Gefährdungsdelikt zurück (vgl. allgemein von Heintschel-Heinegg in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor § 52 Rn. 47; BGH, Urt. v. 13.10.2016 – 4 StR 239/16 Rn. 49 zum Verhältnis von § 40 Abs. 1 SprengG zu § 308 StGB) |
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45.2 |
Privilegierende
Spezialität als besondere Form der
Gesetzeskonkurrenz liegt vor, wenn ein Strafgesetz alle Merkmale einer
anderen Strafvorschrift aufweist und sich nur dadurch von dieser
unterscheidet, daß es wenigstens noch ein weiteres Merkmal
enthält, das den in Frage kommenden Sachverhalt unter einem
genaueren (spezielleren) Gesichtspunkt erfaßt (BGH NJW 1999,
1561; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. vor §§ 52 ff.
Rdn. 73
m. w. N.) und der Täter durch die Spezialvorschrift
privilegiert
werden soll. In diesem Fall ist ein Rückgriff auf das
allgemeinere
Delikt ausgeschlossen, da hierdurch die Privilegierung beseitigt
würde (vgl. BGHSt 30, 235, 236). Ob die speziellere Vorschrift
den
Täter begünstigen soll, ist anhand des Zwecks dieser
Vorschrift, des inneren Zusammenhangs der miteinander konkurrierenden
Bestimmungen und des Willens des Gesetzgebers zu prüfen (BGHSt
19,
188, 190; 24, 262, 266; 49, 34, 37; BGH,
Urt. v. 11.12.2003 - 3 StR
120/03 - BGHSt 49, 34 - NJW 2004, 1054 - NStZ 2004, 204; BGH,
Urt. v.
29.4.2009 - 1 StR 518/08 - BGHSt 53, 288 - NStZ 2009, 504:
betr.
§
222 StGB und § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; Rissing-van Saan in LK
11.
Aufl. vor §§ 52 ff. Rdn. 73). siehe auch: Straftaten, § 30 BtMG --> Abs. 1 Nr. 3; Fahrlässige Tötung, § 222 StGB; § 227, Körperverletzung mit Todesfolge |
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45.3 |
Die Konsumtion setzt voraus, daß der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung durch den einen der anwendbaren Straftatbestände schon erschöpfend erfaßt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.1996 - 1 StR 481/95 - NJW 1996, 1294). Der Beurteilung sind die Rechtsgüter zugrunde zu legen, die der Täter angegriffen hat, weiter die Tatbestände, die der Gesetzgeber zu deren Schutz aufgestellt hat (BGHSt 11, 15, 17; 28, 11, 15; BGH, Urt. v. 7.8.2001 - 1 StR 470/00 - NJW 2002, 150; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 52 Rdn. 17). | |
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50 |
Nach
ständiger Rechtsprechung ist die Frage der
Handlungseinheit oder -mehrheit nach dem individuellen Tatbeitrag eines
jeden Beteiligten zu beurteilen (BGHSt 40, 218, 238; BGHR StGB
§
52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 29; BGH NStZ 1997, 121; BGHR StGB
§ 27 Abs. 1
Hilfeleisten 2; BGH, Beschl. v. 20.8.1998 - 4 StR 328/98; BGH,
Urt. v.
25.4.2001 - 2 StR 374/00 - BGHSt 46, 380 - NJW 2001, 2812;
BGH, Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 52/01 - StV 2002, 73; BGH StV
2002, 73; BGHR § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 7; BGH,
Urt. v.
27.2.2004 - 2 StR 146/03; BGH,
Urt. v. 6.7.2004 - 1 StR 129/04 - wistra
2004, 463; BGH,
Beschl. v. 6.7.2004 - 4 StR 161/04 - wistra 2004, 417; BGH,
Beschl. v. 22.6.2004 - 4 StR 428/03 - BGHSt 49, 201 ff. -
wistra
2004, 387; BGH,
Urt. v. 27.2.2004 - 2 StR 146/03; BGH, Urt. v. 28.10.2004 – 4 StR 59/04 - BGHSt 49, 306, 316; BGH,
Beschl. v.
29.4.2008 - 4 StR 125/08; BGH,
Beschl. v. 21.4.2010 - 4 StR 635/09;
BGH, Beschl. v. 20.3.2014 - 3 StR 353/13; BGH, Beschl. v. 23.5.2017 - 4 StR 617/16 Rn. 16; zustimmend
Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. vor § 52
Rdn. 7,
8; Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 54; Rissing-van Saan in LK
11.
Aufl. § 52 Rdn. 16; krit. Stree in
Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 21). Werden mehrere an sich selbständige Taten durch eine einheitliche Tathandlung bewirkt, sind diese tateinheitlich verbunden (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.2001 - 2 StR 374/00 - BGHSt 46, 380 - NJW 2001, 2812). Bei mehreren Tätern oder Tatbeteiligten ist für jeden gesondert nach seinem eigenen Tatbeitrag zu beurteilen, durch wie viele Handlungen im Sinne von §§ 52, 53 StGB er die Tat gefördert oder begangen hat (st. Rspr. vgl. nur BGHR StGB § 52 Abs.1 in dubio pro reo 7; BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02; BGH, Beschl. v. 30.3.2004 - 1 StR 99/04 - wistra 2004, 264; BGH, Beschl. v. 27.4.2004 - 1 StR 165/03 - wistra 2004, 422; BGH, Beschl. v. 1.2.2011 - 3 StR 470/10; BGH, Beschl. v. 9.5.2012 - 5 StR 499/11). Dies gilt auch im Rahmen einer Deliktserie von mehreren Personen in verschiedenen Rollen als Täter oder sonst Beteiligte (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02 - wistra 2003, 424; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.8.2009 - 3 StR 552/08 - BGHSt 54, 69 ff. - NJW 2009, 3448 ff. betr. rechtliches Zusammentreffen bei Deliktsserie; siehe auch unten --> Rdn. 50.1). siehe auch: § 30 StGB Rdn. K.1 - Verabredung mehrerer Verbrechen Liegt ein strafbares Verhalten der Täter vor, das in deren Person als mitbestrafte Nachtat anzusehen ist, so bleibt eine strafbare Tatbeteiligung an dieser Nachtat - auch in Form der Mittäterschaft - grundsätzlich möglich (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2004 - 1 StR 165/03 - wistra 2004, 422; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vorbem. §§ 52 ff. Rdn. 118). Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen verschiedenen Straftaten richtet sich - auch bei der Mitwirkung mehrerer Tatbeteiligter - für jeden Beteiligten allein danach, welche Tathandlungen er im Hinblick auf die jeweilige Tat vorgenommen hat, unabhängig davon, ob die einzelne Tat nur verabredet, versucht oder vollendet worden ist (BGHSt 56, 170, 172; wistra 2011, 299, 300). Soweit sich aus BGH NJW 2010, 623, 624 Entgegenstehendes ergibt, hält der 2. Senat hieran nicht fest (vgl. BGH, Urt. v. 8.8.2012 - 2 StR 526/11; so schon BGH NStZ-RR 2011, 367, 368). |
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50.1 |
Sind
an einer Deliktsserie mehrere Personen als
Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen
beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Straftaten tateinheitlich
oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für jeden der
Beteiligten
gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich
ist dabei
der Umfang des Tatbeitrags oder der Tatbeiträge jedes
Beteiligten. Leistet ein Mittäter für alle
oder einige
Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden
Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine
natürliche Handlungseinheit vorliegt – als
tatmehrheitlich
begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen
Tatförderung, erbringt der Täter oder Teilnehmer aber
im
Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie
Tatbeiträge,
durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig
gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig
geförderten
einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in
seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im
Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne
Bedeutung
ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte
tatmehrheitlich
begangen haben (vgl. BGH,
Beschl. v. 13.5.2003 - 3
StR
128/03 - wistra 2003, 426; BGH,
Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 52/01 -
wistra 2001, 336, 337 m. w. N.; BGH,
Beschl. v. 17.12.2009 - 3 StR
367/09-
wistra 2010, 217; BGH, Urt. v. 17.2.2011 - 3 StR
419/10; BGH,
Beschl. v. 14.4.2011 - 2 StR 616/10; BGH, Beschl. v. 3.8.2010 - 4 StR
192/10; BGH, Beschl. v. 14.9.2010 - 3 StR 131/10 - wistra 2011, 66;
BGH, Beschl. v. 5.7.2011 - 3 StR 197/11; BGH, Beschl. v. 18.10.2011 - 4
StR 346/11; Fischer, StGB, 57. Aufl., Vor § 52 Rn. 34; vgl.
auch
BGH, Beschl. v. 6.3.2012 - 4 StR 669/11; BGH, Beschl. v. 30.7.2013 - 4
StR 29/13; BGH, Beschl. v. 17.9.2013 - 3 StR 259/13; BGH, Beschl. v.
24.9.2014 - 4 StR 231/14; BGH, Beschl. v. 19.11.2014 - 4 StR 284/14 Rn.
4; BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 507/14; BGH, Beschl. v. 31.8.2016
- 4 StR 160/16 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 20.9.2016 - 3 StR 302/16 Rn. 6;
BGH, Beschl. v. 2.5.2017 - 2 StR 575/16 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 4.7.2017
- 4 StR 566/16 Rn. 4).
Erschöpfen sich die Tatbeiträge im Aufbau und der
Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten
"Geschäftsbetriebes", sind diese Tathandlungen als -
uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im
Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (BGH, Beschl. v.
14.10.2014 - 3 StR 365/14 - NStZ 2015, 334 mwN; BGH, Beschl.
v. 23.7.2015 - 3 StR 518/14 - NStZ-RR 2015, 341 f.; BGH,
Beschl.
v. 20.9.2016 - 3 StR 302/16 Rn. 6: betr.
Online-Möbelverkäufe
auf verschiedenen Verkaufsplattformen, siehe auch oben "uneigentliches
Organisationsdelikt").
Für die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten des
Täters
oder Teilnehmers kommt es dabei nicht darauf an, ob die anderen
Beteiligten, die die tatbestandlichen Ausführungshandlungen
vornehmen, (Mit-)Täter oder Gehilfen sind oder ob es sich um
gutgläubige Werkzeuge handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2016
- 3
StR 302/16 Rn. 6; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 263 Rn. 203;
S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 52 Rn. 20 f.).
Lässt sich nicht
feststellen, durch wie
viele Handlungen im Sinne der
§§ 52, 53 StGB der Angeklagte die festgestellten
Taten
gefördert hat,
so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er nur eine
Handlung begangen hat (BGH, Beschl. v. 19.11.1996 – 1 StR
572/96
- BGHR
StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 7; BGH, Beschl. v. 3.7.2014
- 4
StR
191/14; vgl. Beschl. v. 15.4.1987 – 3 StR 138/87 - BGHR StGB
§ 52 Abs.
1 in dubio pro reo 1; BGH, Beschl. v. 19.11.2014 - 4 StR 284/14 Rn. 4;
BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 160/16 Rn. 7).
Zur
Kennzeichnung
des
Schuldumfangs ist dies im Schuldspruch
grundsätzlich als gleichartige Tateinheit kenntlich zu machen
(BGH,
Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03 - BGHSt 49, 177, 182 f.,
185;
BGH, Beschl. v. 3.8.2010 - 4 StR 192/10). Beispiel: Da das Landgericht die einzelnen Tatbeiträge nicht genauer feststellen konnte, ist nach dem Zweifelssatz zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er nicht selbst in die Wohnungen der Geschädigten A. und B. eingedrungen ist, sondern an den von seinen Mittätern ausgeführten Einbrüchen durch das Absichern der Umgebung übergreifend mitgewirkt hat. Damit hat er in Bezug auf diese beiden Taten keinen individuellen, sondern nur einen einheitlichen Tatbeitrag erbracht, so dass insoweit (gleichartige) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB gegeben ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.2014 - 4 StR 284/14 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 3.7.2014 – 4 StR 191/14, Rn. 5 mwN). Bei einer Deliktserie unter Beteiligung mehrerer Personen ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und dabei auf seinen individuellen Tatbeitrag abzustellen. Bewirkt dieser, dass dadurch mehrere Tatbeiträge von Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen (BGH, Beschl. v. 15.11.2012 - 3 StR 199/12; vgl. BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03 - NJW 2004, 2840, 2841 mwN). Beispiel: Nur eine materiell-rechtliche Tat des Angeklagten (§ 52 StGB) ist anzunehmen, wenn sich die Tätigkeit des Angeklagten darin erschöpfte, an dem Aufbau und dem allgemeinen Betrieb der GmbH mitzuwirken, indem er den Zeugen Z. als Geschäftsführer gewann, diesen bei der Gründung der GmbH unterstützte sowie Büropersonal für das Unternehmen anwarb und bei dessen Tätigkeit motivierte, er jedoch einen konkreter Tatbeitrag zu den einzelnen betrügerischen Verkäufen der GmbH nicht leistete (vgl. BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 373/09). Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist demgegenüber nicht geeignet, diese Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (vgl. BGHSt 26, 284, 285 f.; BGH NStZ 1996, 296, 297 sub 2. d; 1997, 233; BGH, Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 52/01 - wistra 2001, 336 f.; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03 - BGHSt 49, 177 - wistra 2004, 418; BGH, Beschl. v. 29.4.2008 - 4 StR 125/08; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 373/09; BGH, Beschl. v. 7.12.2010 - 3 StR 433/10; BGH, Beschl. v. 7.12.2010 - 3 StR 434/10 - StraFo 2011, 238; BGH, Beschl. v. 14.4.2011 - 2 StR 616/10; BGH, Beschl. v. 5.7.2011 - 3 StR 197/11; BGH, Beschl. v. 18.10.2011 - 4 StR 346/11; BGH, Beschl. v. 22.12.2011 - 4 StR 514/11; BGH, Beschl. v. 30.7.2013 - 4 StR 29/13). Hat ein Mittäter einen mehrere Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht und sich an der weiteren Ausführung der Taten nicht mehr beteiligt, so hat er den Straftatbestand nicht nur einmal verletzt. Es werden ihm vielmehr die einzelnen Taten der anderen Mittäter als gemäß § 52 Abs. 1 2. Alt. StGB (gleichartige Tateinheit) tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 26; BGH StV 2002, 73; BGH, Urt. v. 6.7.2004 - 1 StR 129/04 - wistra 2004, 463; BGH, Beschl. v. 29.4.2008 - 4 StR 125/08; BGH, Beschl. v. 3.12.2009 - 3 StR 253/09 - wistra 2010, 99; BGH, Beschl. v. 7.12.2010 - 3 StR 433/10; BGH, Beschl. v. 7.12.2010 - 3 StR 434/10 - StraFo 2011, 238; BGH, Beschl. v. 5.2.2013 - 3 StR 499/12; Fischer, StGB 56. Aufl. § 25 Rdn. 23). siehe zur gleichartigen Tateinheit auch oben --> Rdn. 5.1; zur Urteilsformel bei gleichartiger Tateinheit unten --> Rdn. U.1.2 Gleiches gilt im Falle der mittelbaren Täterschaft. Bewirkt der mittelbare Täter durch lediglich eine Einflußnahme auf den oder die Tatmittler, daß diese mehrere für sich genommen selbständige Taten begehen, werden diese in der Person des mittelbaren Täters zur Tateinheit verbunden, da sie letztlich allein auf dessen einmaliger Einwirkung auf den oder die Tatmittler beruhen (vgl. BGHSt 40, 218, 238; BGHR § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 26; BGH NStZ 1994, 35; BGH wistra 1996, 303; 1997, 181, 182; 1998, 262; 1999, 23, 24; BGH, Beschl. v. 7.11.2000 - 4 StR 424/00 - wistra 2001, 144; BGH, Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 52/01 - wistra 2001, 336; BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02 - wistra 2003, 424). siehe auch: Täterschaft, § 25 StGB Erbringt der Täter im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder je mehrere Einzeldelikte seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die je gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die Mittäter die einzelnen Delikte nach obigen Grundsätzen gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2003, 265, 267; BGH wistra 2001, 336, 337 m. w. N.; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03 - BGHSt 49, 177 - wistra 2004, 418; BGH, Beschl. v. 29.4.2008 - 4 StR 125/08; a.A. Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 52 Rdn. 21). |
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50.2 |
Die
Frage, ob Tatmehrheit oder Tateinheit vorliegt, ist für
jeden
Täter und Teilnehmer voneinander unabhängig und
selbständig zu prüfen ist (vgl. BGHR StGB §
27 Abs. 1
Konkurrenzen 1; BGH,
Beschl. v. 4.11.2008 - 4 StR 195/08 - wistra 2009,
113). Ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Die Frage, ob das Verhalten eines Tatbeteiligten eine Einheit oder Mehrheit von Handlungen bildet, richtet sich nicht nach der Haupttat, sondern nach dem Tatbeitrag, den der Beteiligte geleistet hat. Tatmehrheit nach § 53 StGB ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind (vgl. BGH NStZ 2000, 83; BGH, Beschl. v. 19.10.2006 - 4 StR 393/06 - NStZ 2007, 526; BGH, Beschl. v. 4.3.2008 - 5 StR 594/07 - wistra 2008, 217; BGH, Beschl. v. 5.12.2012 - 2 StR 629/11; BGH, Urt. v. 22.7.2015 - 1 StR 447/14). Dagegen liegt Tateinheit und damit eine Beihilfe im Sinne des § 52 StGB vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2000, 83; BGH NJW 2000, 1732, 1735; NStZ 1993, 584; BGH, Beschl. v. 13.5.2003 - 3 StR 128/03 - wistra 2003, 426; BGH, Beschl. v. 3.8.2005 - 2 StR 202/05 - wistra 2005, 460; BGH, Beschl. v. 21.2.2006 - 5 StR 558/05 - wistra 2006, 226 BGH, Beschl. v. 29.4.2008 - 4 StR 148/08 - wistra 2008, 305; BGH, Beschl. v. 4.11.2008 - 4 StR 195/08 - wistra 2009, 113; BGH, Beschl. v. 5.12.2012 - 2 StR 629/11; BGH, Urt. v. 22.7.2015 - 1 StR 447/14). Fördert der Gehilfe durch denselben Tatbeitrag zeitgleich mehrere Einzeldelikte, so werden ihm die Taten des Haupttäters als tateinheitlich zugerechnet (vgl. etwa BGH NStZ-RR 2003, 265; BGH, Beschl. v. 7.7.2009 - 3 StR 132/09; BGH, Urt. v. 17.2.2011 - 3 StR 419/10; BGH, Urt. v. 22.7.2015 - 1 StR 447/14). Beispiel: Der Angeklagte hat seinem Bruder von vornherein für dessen nachfolgende Straftaten die Benutzung seines ebay accounts für die Veräußerung der gestohlenen Waren gestattet, ohne dass dies insoweit jeweils ein erneutes Tätigwerden des Angeklagten verlangte (vgl. BGH, Beschl. v. 29.4.2008 - 4 StR 148/08 - wistra 2008, 305). Besteht die Beihilfe aus einem einzigen pflichtwidrigen Unterlassen, stellt sie sich auch bei mehreren selbständigen Haupttaten als eine einheitliche Teilnahmehandlung dar (vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2008 - 3 StR 494/08 - NStZ 2009, 443; Fischer, StGB 55. Aufl. vor § 52 Rdn. 34 m. w. N.). Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (BGH, Urt. v. 1.8.2000 - 5 StR 624/99 - BGHSt 46, 107, 116 - NJW 2000, 3010; BGH, Beschl. v. 4.3.2008 - 5 StR 594/07 - wistra 2008, 217; BGH, Urt. v. 22.7.2015 - 1 StR 447/14; vgl. zum Ganzen auch Jäger wistra 2000, 344, 346). Die fortlaufende Förderung der Taten kann sich in der Gesamtschau als nur eine - dauerhafte - Beihilfehandlung des Angeklagten zu einer Vielzahl der Haupttaten darstellen (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 9; BGH, Beschl. v. 6.12.2006 - 1 StR 556/06 - wistra 2007, 100; BGH, Urt. v. 14.3.2007 - 5 StR 461/06 - wistra 2007, 262). Beziehen sich mehrere Hilfeleistungen auf eine Tat, liegt nur eine Beihilfe vor. Fördert der Gehilfe durch eine Handlung mehrere Haupttaten eines oder mehrerer Haupttäter, liegt ebenfalls nur eine einheitliche Beihilfe vor. Fördert deshalb der Gehilfe durch ein und dasselbe Tun mehrere rechtlich selbständige Taten des Haupttäters, so ist nur eine Beihilfe im Rechtssinne gegeben (vgl. BGH NJW 2000, 1732, 1735; BGH, Urt. v. 18.6.2003 - 5 StR 489/02 - wistra 2003, 385; BGH, Beschl. v. 19.10.2006 - 4 StR 393/06 - NStZ 2007, 526; BGH, Beschl. v. 4.3.2008 - 5 StR 594/07 - wistra 2008, 217; BGH, Beschl. v. 4.11.2008 - 4 StR 196/08; Fischer StGB 55. Aufl. § 27 Rdn. 31). Das läßt indes die Akzessorietät der Beihilfe zur Haupttat unberührt. Daß der Gehilfe in einem solchen Fall durch seine Handlung mehrere materiell selbständige Vergehen, nämlich Rauschgiftgeschäfte unterstützt, die sich erst in ihrer Gesamtheit auf eine „nicht geringe Menge“ beziehen, kann deshalb nicht dazu führen, daß der Gehilfe der Beteiligung an einem Verbrechen (§§ 29 a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) schuldig ist, sondern kann nur im Rahmen der Strafzumessung angemessen strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 28.10.2004 - 4 StR 59/04 - BGHSt 49, 306 - NJW 2005, 163). Besteht der Tatbeitrag des Gehilfen aus einer einzigen Handlung, so ist sein Verhalten auch dann als eine Tat zu werten, wenn der Haupttäter mehrere rechtlich selbständige Handlungen begeht (vgl. BGH NStZ 1993, 584; BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 2; BGH, Beschl. v. 4.6.2003 - 2 StR 139/03). Beispiel: Beihilfehandlung ist das Anmieten und Zurverfügungstellen ein Fahrzeugs für die Dauer von zehn Tagen. Es werden zahlreiche Transporte mit dem Fahrzeug abgewickelt, bei denen die Gesamtmenge des beförderten Rauschgifts die nicht geringe Menge überschreitet. Hat der Angeklagte durch mehrere Einzelakte im Vorfeld gleichsam global die Begehung der nachfolgenden Haupttaten gefördert, ist von Tateinheit auszugehen (vgl. dazu BGH wistra 1996, 140, 141; wistra 1997, 61, 62; NStZ 2000, 83, dort zum Unterlassen; Münch-Komm/StGB - Joecks § 27 Rdn. 100 - 102). Anders läge der Fall dann, wenn sich bestimmte Unterstützungshandlungen auf einzelne konkrete Haupttaten bezögen. Der Aspekt etwa des Sich-Bereit-Haltens für telefonische Rückfragen reicht zur Begründung von Tatmehrheit nicht aus, weil damit lediglich das Fortwirken der im Vorfeld für sämtliche Haupttaten erteilten Rathilfe, nicht aber sechsfach tatsituativ aktualisiertes Gehilfenunrecht umschrieben wird (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2005 - 5 StR 336/05 - wistra 2006, 104). Leitsatz Leistet der Gehilfe zu mehreren Taten der Steuerhinterziehung durch jeweils selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB, steht der Umstand, dass der Angeklagte bereits bei der Anbahnung des Gesamtgeschäfts, auf das die einzelnen Haupttaten zurückgehen, beteiligt war, der Annahme von mehreren im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) zueinander stehenden Taten der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht entgegen (BGH, Beschl. v. 22.9.2008 - 1 StR 323/08 - Ls. - StraFo 2009, 73). Läßt sich nicht klären, durch wie viele Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB ein Angeklagter die festgestellte Tat gefördert hat, so ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er nur eine Handlung begangen hat (BGH, Beschl. v. 19.11.1996 - 1 StR 572/96 m.w.N.; BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02 - wistra 2003, 424). Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen verschiedenen Straftaten richtet sich bei der Mitwirkung mehrerer Tatbeteiligter zunächst für jeden Beteiligten danach, welche Tathandlungen er selbst vorgenommen hat. Ob bei der akzessorischen Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen ist, hängt aber sowohl von der Anzahl der Beihilfehandlungen als auch von der Zahl der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit ist danach nur anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden. Dagegen liegt eine einzige Beihilfe vor, wenn der Gehilfe mit einer Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines Anderen Hilfe leistet. Handlungseinheit liegt ferner vor, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen. Die Akzessorietät der Beihilfe gilt schließlich auch in Fällen einer Bewertungseinheit, so dass mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, wenn dies nach den Grundsätzen der Bewertungseinheit auch bei den Haupttaten der Fall ist, zu denen Beihilfe geleistet wurde (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2012 - 2 StR 117/12; BGH, Beschl. v. 6.12.2011 - 3 StR 393/11 - BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 12). |
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50.2.5 |
Sind
an mehreren Taten -
insbesondere an einer Deliktserie - mehrere Personen als
Mittäter,
mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist
die
Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich
zusammentreffen, nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zwar für jeden Beteiligten gesondert zu
prüfen und zu entscheiden (siehe vorstehend Rdn. 50.1 u. 50.2;
vgl. die Nachweise bei Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn.
34
ff.). Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber
jedenfalls dann nicht, wenn mehrere an sich selbständige
Beihilfehandlungen gerade deshalb zu einer Tat im Rechtssinne
zusammengefasst werden, weil dies nach den Grundsätzen der
Rechtsprechung zur Bewertungseinheit bei den Taten des
Haupttäters, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat,
der
Fall ist (BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4 StR 99/12; BGH, Beschl. v.
11.5.1999 - 4 StR 162/99 - NStZ 1999, 451; BGH, Beschl.
v. 2.9.2008 - 5 StR 356/06 - NStZ-RR 2008, 386;
einschränkend
für eine hier nicht gegebene Fallkonstellation: BGH, Urt. v.
11.12.2003 - 3 StR 375/03 - NStZ-RR 2004, 146, 148; wie hier aber BGH,
Beschl. v. 6.12.2011 - 3 StR 393/11 - NStZ-RR 2012, 280). In solchen
Fällen ist mithin auch für die strafrechtliche
Beurteilung
des Konkurrenzverhältnisses beim Gehilfen entscheidend, ob
eine
oder mehrere Haupttaten vorliegen (BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4 StR
99/12). siehe auch oben Rdn. Rdn. 20.5 - Akzessorietät der Beihilfe bei Bewertungseinheit Da der zwischen Drogenhändlern eingesetzte Kurier mit der Förderung des Betäubungsmittelumsatzes jedenfalls in der Regel objektiv zugleich den Handel sowohl auf Seiten des die Betäubungsmittel Abgebenden als auch auf Seiten des diese Annehmenden unterstützt, ist ferner maßgeblich, wessen Haupttat er in strafbarer Weise fördert. Dies bestimmt sich wesentlich danach, in wessen Auftrag und Interesse er handelt, worin also bei wertender Betrachtung der Schwerpunkt des jeweiligen Rechtsgutangriffs liegt. Die Beihilfe zum Handeltreiben auf der anderen Seite tritt gegenüber dieser Tat dann zurück (BGH, Urt. v. 13.12.2012 - 4 StR 99/12; BGH, Beschl. v. 6.12.2011 - 3 StR 393/11 - NStZ-RR 2012, 280). |
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50.3 |
Der
mittelbare Täter ist rechtlich so zu behandeln, als habe
er
die Taten eigenhändig verwirklicht (§ 25 Abs. 1
StGB).
Für die Frage des Vorliegens einer oder mehrerer Handlungen im
Sinne der §§ 52, 53 StGB wird er nach der
ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nach seinem Tatbeitrag
beurteilt (vgl. BGHSt 40, 218, 238; BGHR StGB § 52 Abs. 1
Handlung, dieselbe 26; BGH, Beschl. v. 1.9.1998 - 1 StR 410/98 - StV
2000, 196; BGH,
Beschl. v. 23.9.2003 - 3 StR 294/03; BGH,
Beschl. v.
30.3.2004 - 1 StR 99/04 - wistra 2004, 264). siehe auch: Täterschaft § 25 StGB |
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50.4 |
Auch bei der Anstiftung kommt es für die Frage der Konkurrenz auf die Einheitlichkeit der Handlung des Anstifters an; deshalb ist die Anstiftung mehrerer Personen zu jeweils selbstständigen Delikten als tateinheitlich zu werten, wenn sie durch dieselbe Handlung begangen wird (BGH, Urt. v. 17.2.2011 - 3 StR 419/10; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 26 Rn. 19). | |
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65 |
Eine
Änderung des Konkurrenzverhältnisses
lässt in aller
Regel den Unrechts- und Schuldgehalt unberührt (vgl. hierzu
auch
BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 2251/03 m.w.N.; BGH,
Beschl. v.
21.11.2000 - 4 StR 354/00 - BGHSt 46, 204 - StV 2001, 155; BGH,
Urt. v.
6.7.2004 - 1 StR 129/04 - wistra 2004, 463; BGH,
Urt. v. 19.10.2005 - 2
StR 98/05; BGH,
Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 373/09; BGH,
Beschl. v.
9.3.2010 - 4 StR 592/09: betr.
Zusammenfassung mehrerer Taten zu
jeweils einer einzigen Tat; BGH, Beschl. v. 4.11.2010 - 4
StR 404/10 -
NJW 2011, 467; BGH, Beschl. v. 11.1.2012 - 1 StR 386/11; BGH, Beschl. v. 4.7.2017 - 4 StR 566/16 Rn. 8). Durch die
Zusammenfassung mehrerer Taten zu jeweils
einer einzigen Tat ändert sich deren Schuldgehalt nicht (BGH,
Beschl. v. 3.8.2010 – 4 StR 157/10; BGH,
Beschl.
v. 9.3.2010
– 4 StR 592/09;
BGH, Beschl. v. 7.1.2011 - 4 StR
409/10 -
wistra
2011, 184), weshalb etwa die Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen
bleiben kann (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2012 - 5 StR 457/12;
Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 354 Rn. 22). Beispiel: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24 Fällen (Einzelfreiheitsstrafen jeweils ein Jahr und drei Monate) und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Einzelfreiheitsstrafe drei Jahre und sechs Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge ergibt sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten; allerdings ist das Konkurrenzverhältnis abweichend zu beurteilen. Das Revisionsgericht entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das gesamte in den Fällen 1 bis 25 abgeurteilte Handeltreiben zu einer Bewertungseinheit und damit einer Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbunden ist. Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der Einzelstrafen nach sich. Der Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat bleibt unverändert, so dass die Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben kann (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2012 - 5 StR 457/12; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 354 Rn. 22). Bei unverändertem Unrechts- und Schuldgehalt kann die unterschiedliche rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses kein maßgebliches Kriterium für die Strafzumessung sein (BGHSt 41, 368, 373; BGH NStZ 1997, 233; BGH, Urt. v. 6.4.2001 - 2 StR 356/00; BGH, Beschl. v. 9.10.2001 - 4 StR 395/01; BGH, Beschl. v. 28.1.2003 - 4 StR 521/02; BGH, Urt. v. 9.10.2003 - 4 StR 127/03; BGH, Urt. v. 27.2.2004 - 2 StR 146/03; BGH, Beschl. v. 18.6.2003 - 1 StR 184/03; vgl. auch BGH, Beschl. v. 22.1.2010 - 2 StR 563/09; BGH, Beschl. v. 9.3.2010 - 4 StR 632/09). Eine "Konkurrenzkorrektur" bedeutet in aller Regel keine Verringerung des verwirklichten Tatunrechts; denn es kommen keine Delikte in Wegfall (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2008 - 2 StR 338/08; BGH, Beschl. v. 25.1.2011 - 4 StR 689/10; vgl. hierzu auch den umgekehrten Fall - Wegfall von Delikten, so dass sich ein Konkurrenzverhältnis nicht ergibt: BGH, Urt. v. 2.2.2010 - 1 StR 635/09 - wistra 2010, 226). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine aus mehreren Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben kann (vgl. BGH, Urt. v. 4.9.2001 - 1 StR 232/01 - NStZ 2002, 30). siehe auch: Strafzumessung, § 46 StGB Hält sich die Bewertung des Tatrichters im Rahmen des ihm bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses eingeräumten Beurteilungsspielraums, ist dies vom Revisionsgericht - unbeschadet der Frage, ob auch eine andere Beurteilung möglich wäre - hinzunehmen (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 68, 69; BGH, Urt. v. 19.4.2007 - 4 StR 572/06 - NStZ-RR 2007, 235; BGH, Urt. v. 27.11.2009 - 2 StR 104/09 - NJW 2010, 784). Wird ein Urteil aufgehoben, weil eine möglicherweise gebotene Verurteilung wegen einer Tat unterblieben ist, die gegebenenfalls mit einer abgeurteilten Tat in Tateinheit stehen kann, kann das Urteil auch hinsichtlich der abgeurteilten Tat keinen Bestand haben (vgl. BGH bei Kusch NStZ-RR 1998, 257, 262 f.; BGH, Urt. v. 20.9.2005 - 1 StR 288/05; Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 16 jew. m. w. N.). Bei Tateinheit steht die Einheitlichkeit der Tat einer Aufrechterhaltung des vom Rechtsfehler nicht betroffenen Teils entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 29.8.2007 - 5 StR 103/07 - NStZ 2008, 87; BGH, Beschl. v. 7.2.2008 - 5 StR 625/07; BGH, Beschl. v. 27.11.2012 - 3 StR 433/12; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 353 Rn. 7a). Ist rechtsfehlerhaft von Tatmehrheit statt von Tateinheit ausgegangen worden, kann dies zur Folge haben, daß die diesen Fällen zugrunde liegenden Einzelstrafen aufzuheben und durch eine einheitliche Strafe zu ersetzen sind, was auch eine Neufestsetzung der Gesamtstrafe erfordert (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.2005 - 2 StR 131/05; BGH, Beschl. v. 21.4.2005 - 2 StR 454/04; vgl. auch BGH, Beschl. v. 2.8.2011 - 3 StR 193/11). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei Tatmehrheit die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs zur Aufhebung der übrigen Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, daß diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflußt sind (BGH NJW 1979, 378; NJW 1981, 2204, 2206; NStZ 2001, 323). Dies kann insbesondere dann gelten, wenn es sich bei der rechtsfehlerhaft festgesetzten Einzelstrafe um die höchste Einzelstrafe handelt oder wenn die abgeurteilten Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen (vgl. BGH, Urt. v. 15.6.2005 - 1 StR 499/04). Wird rechtsfehlerhaft von Tatmehrheit statt von Tateinheit ausgegangen und bei der Festsetzung der Einzelstrafen zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass aus der wiederholten Tatbegehung eine erhöhte kriminelle Energie ersichtlich sei, kann im Einzelfall nicht auszuschließen sein, dass diesem Umstand weniger Gewicht beigemessen worden wäre, wenn das Tatgericht anstelle von drei nur von zwei Taten ausgegangen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 30.9.2009 - 2 StR 323/09 - NStZ-RR 2010, 26). Wegen des Wegfalls der tateinheitlichen Verurteilungen können die erkannten Einzelstrafen nicht bestehen bleiben, wenn das Tatgericht von den Strafrahmen (der in Wegfall geratenen Tatbestände) ausgegangen ist, die diejenigen der jeweils tateinheitlich verwirklichten Delikte übersteigen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.2009 - 4 StR 88/09 - NStZ-RR 2009, 202). Beispiel: Der Angeklagte wurde wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Beischlaf zwischen Verwandten in mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die dem Tatbestand des § 177 Abs. 2 StGB entnommenen Einzelstrafen können keinen Bestand haben, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift unzutreffend bejaht wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.2009 - 4 StR 88/09 - NStZ-RR 2009, 202). Der Unrechtsgehalt der wegen Gesetzeseinheit zurücktretenden Strafnorm kann weiterhin strafschärfend berücksichtigt werden, sofern diese gegenüber dem Tatbestand des angewandten Gesetzes selbständiges Unrecht enthält (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2002 - 2 StR 477/02; BGH, Beschl. v. 16.9.2010 - 3 StR 331/10; BGH, Beschl. v. 26.6.2012 - 2 StR 137/12; Fischer, StGB, 59. Aufl. Vor § 52 Rn. 45; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl. 2006, Vor § 52 Rn. 139; krit. SSW/Eschelbach, StGB, 2010, § 52 Rn. 28 f.; NK/Puppe, StGB, 3. Aufl. 2010, Vor § 52 Rn. 50). Ob etwa eigenständiges Unrecht der veruntreuenden Unterschlagung gegenüber Untreue anzunehmen ist, erscheint zumindest zweifelhaft (BGH, Beschl. v. 26.6.2012 - 2 StR 137/12; abl. Apfel, Die Subsidiaritätsklausel der Unterschlagung, 2006, S. 133 f.). Die Beachtung der Konkurrenzverhältnisse kann auch bei der Ausscheidung von Delikten nach den §§ 154 f. StPO relevant werden (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.2.2006 - 4 StR 6/06). Die rechtsfehlerhafte Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses kann den Angeklagten beschweren, wenn die Strafe für ihn in einem möglichen späteren Strafverfahren im Hinblick auf § 66 Abs. 2 StGB nachteilige Bedeutung erlangen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 11.8.2000 - 3 StR 235/00 - NStZ 2000, 641). Sind mehrere Tatbestände als tateinheitlich verbunden abgeurteilt, führt ein Rechtsfehler regelmäßig zur Aufhebung dieses Schuldspruchs insgesamt (BGH, Urt. v. 4.12.2008 - 1 StR 327/08 mwN; BGH, Urt. v. 17.3.2011 - 1 StR 407/10). Bei Tateinheit läuft für jedes Delikt die Verjährungsfrist gesondert (st. Rspr.; vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 22.10.2008 - 1 StR 503/08 - NStZ-RR 2009, 43; BGH, Beschl. v. 2.3.2016 - 1 StR 619/15). Bei Tateinheit läuft für jedes Delikt die dafür vorgesehene Verjährungsfrist (vgl. BGH NStZ 1990, 80, 81; BGH, Beschl. v. 16.8.2000 - 3 StR 291/00; BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - 3 StR 472/00). siehe zur Berücksichtigung verjährter Taten bei Tateinheit: Verjährungsfrist § 78 StGB m.w.N.; siehe zur Frage, ob infolge anderweitiger konkurrenzrechtlicher Bewertung ein (Teil-)Freispruch zu erfolgen hat oder die Anklage erschöpft wird: Urteilsgründe, § 267 StPO --> Abs. 5 --> Freispruch |
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75 |
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75.0 |
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75.0.1 |
Vorlagebeschluss
des 2. Strafsenats vom 11.3.2015 - 2 StR 495/12: Der 2. Senat hat durch Beschluss vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12 (StV 2014, 580 ff.) gemäß § 132 Abs. 3 GVG bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie an der bisherigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer gesetzesalternativen Verurteilung festhalten. Darin hat er die Auffassung vertreten, eine gesetzesalternative Verurteilung verstoße gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Deshalb sei eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei rechtlich zu beanstanden. Eine derartige gesetzesalternative Verurteilung verstoße gegen das Analogieverbot. Sie wirke strafbegründend, weil in einem solchen Fall die Erfüllung einer bestimmten Strafnorm nicht feststellbar sei. Die Verurteilung beruhe dann letztlich auf einer ungeschriebenen dritten Norm, die nicht durch den Gesetzgeber erlassen worden sei, sondern Richterrecht darstelle. Aus diesem Grund sei im Fall einer gesetzesalternativen Verurteilung auch keine dem Gesetz entsprechende Strafzumessung möglich. Die anderen Strafsenate sind dem entgegen getreten. Der 1. Strafsenat hat durch Beschluss vom 24. Juni 2014 – 1 ARs 14/14 (NStZ-RR 2014, 308 f.) ausgeführt, bei der gesetzesalternativen Verurteilung handele es sich um eine Verfahrensregel, die nicht der Verfassungsbestimmung des Art. 103 Abs. 2 GG unterliege. Die richterrechtliche Regel bestimme nicht darüber, was strafbar ist, sondern lege lediglich fest, wie das Gericht in einer bestimmten Situation prozessual zu reagieren habe. Die Strafbarkeit sei mit den alternativ anwendbaren Straftatbeständen durch den Gesetzgeber bestimmt und für den Normunterworfenen vorhersehbar. Der Angeklagte werde nicht aus einer ungeschriebenen dritten Strafnorm verurteilt. Die Möglichkeit der gesetzesalternativen Verurteilung aufgrund von Richterrecht entspreche auch der Einschätzung des Gesetzgebers. Das von der Rechtsprechung entwickelte Merkmal der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit der verschiedenen Taten stelle nur sicher, dass die Rechtsfolgenentscheidung trotz der Tatsachenalternativen an einen im Kern einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfen könne. Erschwerende Umstände, die nur bei einer der alternativ in Betracht kommenden Verhaltensweisen infrage kämen, dürften dem Angeklagten nicht angelastet werden. Der 3. Strafsenat hat durch Beschluss vom 30. September 2014 – 3 ARs 13/14 (NStZ-RR 2015, 39 f.) erklärt, die richterrechtlich entwickelte Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung verletze nicht Art. 103 Abs. 2 GG. Der Sache nach handele es sich um eine Entscheidungsregel. Solche Regelungen würden von Art. 103 Abs. 2 GG nicht erfasst. Der Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips, für den Angeklagten seine Bestrafung vorhersehbar zu halten, bleibe unberührt. Grundlage der Bestrafung sei nicht eine ungeschriebene dritte Norm, die übereinstimmende Unrechtselemente der beiden Strafgesetze in sich vereinigen würde. Vielmehr müsse in jeder in Betracht kommenden Sachverhaltsvariante jeweils ein Straftatbestand vollständig erfüllt sein. Dass der vom Gericht zu treffende Schuldspruch stets bestimmt sein müsse, lasse sich der Verfassungsnorm des Art. 103 Abs. 2 GG nicht entnehmen. Die Einschränkung, dass eine Verurteilung im Fall der gesetzesalternativen Verurteilung nach der Rechtsprechung nur zulässig ist, wenn die in Betracht kommenden Straftatbestände rechtsethisch und psychologisch vergleichbar seien, schränke den Anwendungsbereich der Rechtsfigur ein, die – gemessen an Art. 103 Abs. 2 GG – aber auch unbeschränkt zulässig wäre. Der 4. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 11. September 2014 – 4 ARs 12/14 (NStZ-RR 2015, 40 f.) ausgeführt, die Tatsache, dass bei einer Verurteilung auf der Grundlage einer Wahlfeststellung nicht feststehe, welcher der Straftatbestände verletzt worden sei, ändere nichts daran, dass die strafrechtlichen Handlungsverbote für den Täter zur Tatzeit erkennbar gewesen seien. Da ein Angeklagter im Fall der Wahlfeststellung nur verurteilt werden dürfe, wenn die nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten alternativ in Betracht kommenden Sachverhalte jeweils einen Straftatbestand vollständig erfüllen und andere Sachverhaltsalternativen sicher ausscheiden, bleibe gewährleistet, dass der Gesetzgeber über die Voraussetzungen der Strafbarkeit entscheide. Der Angeklagte werde nicht wegen Verstoßes gegen einen außergesetzlichen Gesamttatbestand verurteilt. Da sämtliche Voraussetzungen des jeweils in Betracht kommenden Delikts in den Sachverhaltsalternativen verwirklicht sein müssten, komme es nicht zu einer Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen oder Tatbeständen. Zu der Frage, ob eine Verurteilung im Schuldspruch eindeutig sein müsse oder mehrdeutig sein dürfe, treffe Art. 103 Abs. 2 GG keine Aussage. Da die gesetzesalternative Verurteilung nur erfolgen dürfe, wenn den in Betracht kommenden Delikten eine ähnliche rechtsethische Bewertung zukomme und eine vergleichbare psychologische Beziehung des Täters zu den infrage kommenden Sachverhalten bestehe, werde die mit der alternativen Aufzählung in der Urteilsformel verbundene Belastung für den Verurteilten auf ein Maß begrenzt, das zur Vermeidung ungerechter Ergebnisse hinnehmbar sei. Soweit der Bestimmtheitsgrundsatz neben den Anforderungen an die Voraussetzungen der Strafbarkeit auch verlange, dass die mögliche Strafe im Gesetz hinreichend bestimmt geregelt sein müsse, gerate die Wahlfeststellung ebenfalls nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG in Konflikt. Der Tatrichter habe auf der Grundlage der Sachverhaltsalternativen zu erörtern, welche Strafe er jeweils für angemessen gehalten hätte, wenn zweifelsfrei die eine oder die andere Handlung nachgewiesen wäre; sodann habe er die mildeste Strafe zu verhängen. Der Zulässigkeit der gesetzesalternativen Verurteilung stehe auch nicht entgegen, dass eine eindeutige Verurteilung aufgrund eines Auffangtatbestands möglich wäre. Zwar habe die Möglichkeit einer eindeutigen Verurteilung grundsätzlich Vorrang. Davon sei aber eine Ausnahme anzuerkennen, wenn feststehe, dass der Täter in jeder der Sachverhaltsalternativen ein schwerer wiegendes Delikt begangen habe. Der 5. Strafsenat hat durch Beschluss vom 16. Juli 2014 – 5 ARs 39/14 (NStZ-RR 2014, 307 f.) ausgeführt, bei der gesetzesalternativen Verurteilung handele es sich um eine prozessuale Entscheidungsregel. Diese stelle eine Ausnahme von dem Rechtssatz „in dubio pro reo“ dar. Ein Freispruch in doppelter Anwendung des Zweifelsatzes wäre in Fällen, in denen ein strafloses Verhalten des Angeklagten sicher auszuschließen sei, mit dem Gebot der Gerechtigkeit unvereinbar. Die gesetzesalternative Verurteilung ziehe auch keine Ungenauigkeiten bei der Strafzumessung nach sich, da die Strafe dem mildesten Gesetz zu entnehmen sei. Der 2. Senat hält auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Anfrageverfahrens an seiner Rechtsauffassung fest, dass die gesetzesalternative Verurteilung mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar ist. Deshalb ist die Vorlage der Sache an den Großen Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG erforderlich. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. August 2016 beschlossen: Die Vorlage wird zurückgenommen (BGH, Beschl. v. 9.8.2016 - 2 StR 495/12 - GSSt 2/15) Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. November 2016 gemäß § 132 Abs. 4 GVG dem Großen Senat für Strafsachen folgende Frage vorgelegt: 1. Ist die gesetzesalternative Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei verfassungsgemäß? 2. Wenn ja: Ist die gesetzesalternative Verurteilung bei gleichzeitiger Erfüllung des Tatbestands der Geldwäsche ausgeschlossen? (BGH, Beschl. v. 2.11.2016 - 2 StR 495/12) |
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75.0.2 |
Eine
Wahlfeststellung ist nach ständiger Rechtsprechung
zulässig, wenn der Tatrichter nach Ausschöpfung aller
Erkenntnismöglichkeiten eine eindeutige Feststellung nicht
treffen
kann und wenn jeder der möglichen Geschehensabläufe
ein
Strafgesetz verletzt (vgl. BGH, Urt. v. 18.5.1976 - 1 StR 146/76 -
BGHSt 26, 346). Eine Verurteilung
auf alternativer Tatsachengrundlage
setzt nach den in der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen
Grundsätzen voraus, dass innerhalb des durch
§ 264 StPO
gezogenen Rahmens die angeklagte Tat nach Ausschöpfung aller
Beweismöglichkeiten nicht so eindeutig aufzuklären
ist, dass
ein bestimmter Tatbestand festgestellt werden kann, aber sicher
festzustellen ist, dass der Angeklagte einen von mehreren
Tatbeständen verwirklicht hat, und andere, straflose
Handlungen
ausgeschlossen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.2011 - 3 StR 231/11;
BGH, Beschl. v. 13.9.2011 - 3 StR 262/11;
Fischer, StGB, 59. Aufl., § 1 Rn. 19 mwN). Die Verurteilung
auf
wahldeutiger Tatsachengrundlage
hat dann keinen Bestand, wenn nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist,
dass sich der Angeklagte nach allen nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme verbleibenden Sachverhaltsvarianten entweder des einen
oder des anderen Tatbestands schuldig gemacht hätte
(vgl. BGH,
Beschl. v. 12.5.2010 - 4 StR 92/10; Dannecker in LK StGB 12.
Aufl.
Anh § 1 Rdn. 45 m.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage prozessual zulässig, wenn beide in Frage kommenden Tatalternativen von dem durch Anklage und Eröffnungsbeschluss umgrenzten Verfahrensgegenstand erfasst sind (BGH, Urt. v. 11.3.1999 - 4 StR 526/98 - NStZ 1999, 363, 364; BGH, Beschl. v. 5.3.2013 - 1 StR 613/12; siehe auch BGH, Beschl. v. 3.11.1983 - 1 StR 178/83 - BGHSt 32, 146). Soweit die Anklage nicht ohnehin bereits beide Tatvarianten aufführt, ist dafür maßgeblich, ob die alternierenden Handlungsvorgänge nach den allgemeinen, für die Beurteilung der prozessualen Tatidentität maßgeblichen tatsächlichen Gegebenheiten wie insbesondere das Tatobjekt, den Tatort und die Tatzeit als von einem einheitlichen Lebensvorgang erfasst bewertet werden können (BGH, Beschl. v. 5.3.2013 - 1 StR 613/12; Stuckenberg in: Löwe/Rosen-berg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 108; Radtke, in: Radtke/Hohmann, StPO, 2011, § 264 Rn. 56; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März 1999 - 4 StR 526/98, NStZ 1999, 363). Eine Wahlfeststellung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die mehreren möglichen, einander ausschließenden Verhaltensweisen rechtsethisch und psychologisch gleichartig bzw. gleichwertig sind (vgl. BGHSt 9, 390, 392 ff.; 21, 152, 153; 25, 182, 183 ff.; BGHR StGB § 260 Wahlfeststellung 1 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ 2000, 473; BGH, Urt. v. 8.5.2008 - 3 StR 53/08 - NStZ 2008, 646; BGH, Beschl. v. 12.5.2010 - 4 StR 92/10). Eine rechtsethische Gleichwertigkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn bei Berücksichtigung aller Umstände, die den besonderen Unrechtscharakter der Straftatbestände ausmachen, den möglichen Taten im allgemeinen Rechtsempfinden eine gleichartige oder ähnliche sittliche Bewertung zuteil wird; eine psychologische Gleichwertigkeit liegt bei einigermaßen gleichgearteten seelischen Beziehungen des Täters zu den mehreren infrage stehenden Verhaltensweisen vor (vgl. BGHSt 21, 152, 153; BGH StV 1985, 92 m.w.Nachw.; BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ 2000, 473). Eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage ist auch im Hinblick auf die alternative Verwirklichung verschiedener Mordmerkmale rechtlich möglich (BGH, Urt. v. 1.12.1967 – 4 StR 523/67 - BGHSt 22, 12 f.; BGH, Urt. v. 16.12.1998 – 2 StR 340/98 - NStZ-RR 1999, 106; BGH, Urt. v. 24.2.1999 – 3 StR 520/98 - NStZ-RR 1999, 234; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11). Sie setzt voraus, dass bei sämtlichen Sachverhaltsvarianten, welche der Tatrichter nach Ausschöpfung aller Beweismittel unter Ausschluss anderweitiger Geschehensabläufe für möglich erachtet, eines der Mordmerkmale erfüllt ist (BGH, Urt. v. 16.12.1998 – 2 StR 340/98 - NStZ-RR 1999; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11; siehe hierzu näher: § 211 StGB Rdn. U.2.5). Zu Fallkonstellationen, bei denen die zu beurteilenden Verhaltensweisen in einem Stufenverhältnis im Sinne eines „Mehr oder Weniger“ stehen siehe unten Rdn. 75.9 - Täterschaft und Beihilfe siehe zur Wahlfeststellung auch: in dubio pro reo Rdn. 50.2 - Wahlfeststellung / Tatvarianten |
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75.1 |
Bei einer Wahlfeststellung muss die Strafe dem Gesetz entnommen werden, das die mildeste Strafe zuläßt, was aufgrund einer konkreten Betrachtungsweise zu ermitteln ist (vgl. BGHSt 25, 182, 186; BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ 2000, 473; BGH, Beschl. v. 24.2.2011 - 4 StR 651/10 - StraFo 2011, 230; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 1 Rdn. 114 m.w.Nachw.). | |
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75.2 |
Bezieht
sich die Strafverfolgung auf ein wahldeutig in Tatmehrheit oder
Tateinheit stehendes Delikt, stellt sich auch die Einstellung des
Verfahrens als Absehen von der Verfolgung nach § 154 Abs. 2
StPO
oder als Verfolgungsbeschränkung nach § 154a Abs. 2
StPO dar
(vgl. BGH,
Beschl. v. 10.6.2008 - 3 StR 66/08). siehe auch: Unwesentliche Nebenstrafen, § 154 StPO |
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75.3 |
Die
getroffene Postpendenzfeststellung benachteiligt den Angeklagten
unangemessen, wenn die von ihm möglicherweise begangenen
Diebstähle, die im Falle ihres Erwiesenseins einer
Verurteilung
wegen gewerbsmäßiger Hehlerei
entgegenstünden, wegen
Verjährung nicht mehr verfolgt werden können. Der
Zweifelssatz gebietet es deshalb, den Angeklagten so zu stellen, als
habe er diese Diebstähle begangen (BGH,
Beschl. v. 17.6.2003 -
3
StR 183/03 - wistra 2003, 430). siehe auch: in dubio pro reo |
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75.4 |
Daß
Diebstahl und Hehlerei rechtsethisch und psychologisch
vergleichbar sind und deshalb die Grundlage einer Wahlfeststellung
bilden können, ist anerkannt (BGHSt 1, 304; 9, 390, 392; 15,
63),
ebenso ist eine Wahlfeststellung zwischen -
gewerbsmäßig
begangenem - Diebstahl nach §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 3
StGB und
gewerbsmäßiger Hehlerei nach § 260 Abs. 1
Nr. 1 StGB
zulässig (BGH, Urt. v. 17.10.1957 - 4 StR 73/57 - BGHSt 11,
26, 28
- betr. Diebstahl und gewerbsmäßiger Hehlerei; BGH
NJW 1974,
804, 805; BGH, Urt.
v.
9.7.1998 - 4 StR 250/98; BGH,
Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 -
NStZ 2000, 473; BGH, Beschl. v. 31.5.2016 - 3 StR 54/16 Rn. 9). Konnte das zusätzlich straferhöhende Merkmal der „bandenmäßigen Begehung“ zwar bei der Handlungsalternative der Hehlerei, nicht aber – aufgrund der qualitativ anderen Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB – bei der des Diebstahls festgestellt werden, scheidet insoweit (wegen zusätzlich "bandenmäßiger Begehung) eine Wahlfeststellung aus (vgl. BGH, Beschl. v. 27.11.2012 - 5 StR 377/12; BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ 2000, 473). Die Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei ist nicht deshalb unzulässig, weil außer diesen beiden Möglichkeiten noch die dritte einer Beihilfe zum Diebstahl mit anschließender Hehlerei am Diebesgut besteht. (BGH, Urt. v. 30.6.1960 - 2 StR 275/60 - BGHSt 15, 63). Zulässige ist auch eine Wahlfeststellung zwischen Diebstahl, Hehlerei und Unterschlagung (BGH, Urt. v. 26.7.1961 - 2 StR 190/61 - BGHSt 16, 184). siehe auch: § 242 StGB, Diebstahl; § 259 StGB, Hehlerei; § 243 StGB, Besonders schwerer Fall des Diebstahls; § 260 StGB, Gewerbsmäßige Hehlerei; Bandenhehlerei |
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75.5 |
Grundsätzlich
ist nach diesen Kriterien auch die
Möglichkeit
einer Wahlfeststellung zwischen Bandendiebstahl
gemäß §
244 Abs. 1 Nr. 2 StGB bzw. schwerem Bandendiebstahl nach §
244a
Abs. 1 StGB i.V.m. § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB einerseits und
Bandenhehlerei gemäß § 260 Abs. 1 Nr. 2
StGB bzw.
gewerbsmäßiger Bandenhehlerei
gemäß § 260a
Abs. 1 StGB anzuerkennen, da die rechtsethisch und psychologisch
vergleichbaren Grunddelikte durch gleiche oder ähnliche
Merkmale
qualifiziert werden und über vergleichbar erhöhte
Strafrahmen
verfügen (BGH,
Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ
2000,
473). siehe auch: § 244 StGB, Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl, Wohnungseinbruchdiebstahl; § 244a StGB, Schwerer Bandendiebstahl; § 260 StGB, Gewerbsmäßige Hehlerei; Bandenhehlerei; § 260a StGB, Gewerbsmäßige Bandenhehlerei |
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75.6 |
Nicht
zu entscheiden brauchte der Bundesgerichtshof, ob Vergehen nach
§§ 242, 243 Abs. 1 StGB mit dem Verbrechenstatbestand
des
§ 260a Abs. 1 StGB noch als rechtsethisch vergleichbar
angesehen
werden können, weil das Erfordernis der rechtsethischen
Gleichwertigkeit die annähernd gleiche Schwere der
möglichen
Schuldvorwürfe (BGHSt 9, 390, 393) voraussetzt bzw. verlangt,
daß die mehreren in Betracht kommenden Verhaltensweisen die
gleiche sittliche Mißbilligung verdienen (vgl. BGHSt 21, 152,
154), was bei einer Alternativität zwischen Vergehens- und
Verbrechenstatbeständen zweifelhaft erscheint (vgl. BGH,
Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ 2000, 473; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 1 Rdn.
108). siehe auch: § 243 StGB, Besonders schwerer Fall des Diebstahls; § 260a StGB, Gewerbsmäßige Bandenhehlerei In Fällen, in denen die mehreren als möglich in Betracht kommenden Geschehensabläufe nicht in vollem Umfang den Voraussetzungen einer Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage genügen, hat sich die rechtliche Würdigung auf das rechtsethisch und psychologisch Vergleichbare der möglichen Verhaltensweisen zu beschränken (vgl. BGHSt 15, 266 f.; 25, 182, 185; BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ 2000, 473; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 1 Rdn. 111 f.; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 1 Rdn. 108; Rudolphi in SK-StGB 29. Lfg. Anh. zu § 55 Rdn. 44). Das ist etwa über den Grundtatbestand hinaus das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit und für den Fall des Diebstahls, wenn auch nicht als Tatbestandsmerkmal, wohl aber ähnlich einem Qualifikationstatbestand (vgl. BGHSt 33, 370, 374) in § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls des Diebstahls zu bejahen. Dem entspricht auf der Seite der möglichen Hehlereihandlungen der Qualifikationstatbestand des § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der die gewerbsmäßige Hehlerei der (einfachen) Bandenhehlerei des § 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB gleichstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ 2000, 473). siehe auch: Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl, Wohnungseinbruchdiebstahl, § 244 StGB; § 260 StGB, Gewerbsmäßige Hehlerei; Bandenhehlerei |
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75.7 |
Leitsatz
Bleibt offen, ob der sexuelle
Mißbrauch einer Schutzbefohlenen vor oder nach dem 14.
Geburtstag
des Tatopfers begangen wurde, so ist der Täter auch dann auf
wahldeutiger Tatsachengrundlage unter Anwendung des Zweifelssatzes nach
§ 174 StGB zu verurteilen, wenn bei Annahme des
früheren
Tatzeitraums für dieses Delikt - nicht jedoch für den
tateinheitlich verwirklichten sexuellen Mißbrauch eines
Kindes -
das Verfahrenshindernis der Verjährung eingreift (BGH,
Beschl.
v.
28.6.2000 - 2 StR 213/00 - Ls. - BGHSt 46, 85 - NJW 2000,
3147). siehe auch: Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen, § 174 StGB; Sexueller Mißbrauch von Kindern, § 176 StGB |
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75.8 |
Für die Zulässigkeit der Wahlfeststellung im Verhältnis zwischen Täterschaft und Anstiftung hat sich der Bundesgerichtshof in BGH, Urt. v. 19.4.1951 - 3 StR 165/51 - BGHSt 1, 127 ausgesprochen (offen gelassen in BGH, Beschl. v. 2.12.2008 - 3 StR 466/08 - NStZ 2009, 258; vgl. auch Fischer StGB 55. Aufl. § 1 Rdn. 22, wonach der Zweifelssatz in diesen Fällen nicht analog anzuwenden ist). | |
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75.9 |
Kann der Tatrichter einen Tatvorgang nicht eindeutig aufklären und muss er mehrere mögliche Geschehensabläufe in Rechnung stellen, ist das Verhältnis dieser mehreren möglichen, das Tatgeschehen bildenden Verhaltensweisen zueinander dafür maßgebend, ob und aufgrund welcher Strafvorschrift der Angeklagte zu verurteilen ist. Stehen die zu beurteilenden Verhaltensweisen in einem Stufenverhältnis im Sinne eines „Mehr oder Weniger“, so ist nach dem Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist, nach dem milderen Gesetz zu verurteilen. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in Fällen von Beihilfe und Täterschaft bejaht worden (BGH, Urt. v. 16.12.1969 – 1 StR 339/69 - BGHSt 23, 203; BGH, Urt. v. 28.10.1982 – 4 StR 480/82 - BGHSt 31, 136, 138; BGH, Beschl. v. 18.8.1983 – 4 StR 142/82 - BGHSt 32, 48, 57; BGH, Urt. v. 14.12.1988 – 3 StR 170/88 - BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 2; BGH, Urt. v. 7.5.1996 – 1 StR 168/96 - BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26; BGH, Beschl. v. 10.8.2011 - 4 StR 369/11). | |
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75.10 |
Zwischen
Steuerhinterziehung
und Steuerhehlerei ist eine Wahlfeststellung
zulässig (BGH, Urt. v. 16.04.1953 - 4 StR 377/52 - BGHSt 4,
128). |
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75.11 |
Eine Wahlfeststellung zwischen Meineid und fahrlässigem Falscheid ist zulässig (BGH, Urt. v. 22.09.1953 - 5 StR 331/53 - BGHSt 4, 340). | |
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75.12 |
Bei Mord darf wahlweise festgestellt werden, daß die Tat aus niedrigen Beweggründen oder zur Ermöglichung einer anderen Straftat begangen worden ist (BGH, Urt. v. 1.12.1967 - 4 StR 523/67 - BGHSt 22, 12). | |
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75.13 |
Zur Zulässigkeit einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Begünstigung siehe BGH, Urt. v. 21.10.1970 - 2 StR 316/70 - BGHSt 23, 360. | |
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75.14 |
Zur
Tatsachenalternativität von versuchter und vollendeter
gefährlicher Körperverletzung siehe BGH, Urt. v.
12.10.1989 -
4 StR 318/89 - BGHSt 36, 262 |
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75.15 |
Zur Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage, wenn der Täter entweder eine Geisel genommen oder dies mit seinem "Opfer" nur vorgetäuscht hat, um einen Dritten als Geisel nehmen zu können vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1991 - 4 StR 349/91 - BGHSt 38, 83. | |
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75.16 |
Zur Wahlfeststellung zwischen Betrug und Computerbetrug bei nicht zu ermittelndem Tatverlauf siehe BGH. Beschl. v. 12.2.2008 - 4 StR 623/07 - NJW 2008, 1394 | |
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75.17 |
In den Fällen, in denen ausreichend sichere Feststellungen zur örtlichen Einordnung der Vereinigung vor dem Hintergrund der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen nicht getroffen werden können, kommt auch eine wahlweise Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung in Betracht. Vor allem mit Blick darauf, dass nach § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB die §§ 129, 129a StGB auch bei einer Vereinigung im Ausland grundsätzlich uneingeschränkt gelten, mithin insbesondere der gesetzlich vorgesehene Strafrahmen nicht davon abhängt, ob die Tat sich auf eine in- oder ausländische Vereinigung bezieht, sieht der 3. Senat keinen Anlass, die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der §§ 129, 129a StGB einerseits und des § 129b StGB andererseits in Zweifel zu ziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.2011 - 3 StR 231/11; BGH, Beschl. v. 13.9.2011 - 3 StR 262/11). | |
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75.50 |
Bei
der sogenannten
Postpendenzfeststellung wird vorausgesetzt, dass von zwei
strafrechtlich relevanten Sachverhalten der frühere nicht
bewiesen
bzw. nach den Feststellungen nur möglich ist, während
demgegenüber bei dem zeitlich späteren in
jedem Fall ein
Sachverhalt feststeht, der die Verurteilung wegen der nachfolgenden Tat
rechtfertigt (vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.1987 - 2 StR 506/87 - BGHSt
35, 86 - NJW 1988, 921; BGH, Urt. v. 14.9.1989 - 4 StR 170/89 - BGHR
vor § 1/Wahlfeststellung Postpendenz 3 - NStZ 1989, 574; BGH,
Beschl. v. 24.2.2011 - 4 StR 651/10 - StraFo 2011, 230). Beispiel: Ein Angeklagter ist wegen Hehlerei zu verurteilen, wenn zweifelhaft bleibt, ob er an einer schweren räuberischen Erpressung als Mittäter beteiligt war, jedoch feststeht, daß er seinen Beuteanteil - in Kenntnis der Vortat - erst vom Täter der schweren räuberischen Erpressung erhalten hat (BGH, Beschl. v. 11.11.1987 - 2 StR 506/87 - Ls. - BGHSt 35, 86 - NJW 1988, 921). Auf die Postpendenzfeststellung finden die Grundsätze der Wahlfeststellung Anwendung (vgl. BGH, Beschl. v. 24.2.2011 - 4 StR 651/10 - StraFo 2011, 230; LK-Dannecker, StGB, 12. Aufl. Anh. § 1, Rn. 104), bei der die Strafe dem Gesetz entnommen werden muss, das die - aufgrund konkreter Betrachtung zu ermittelnde - mildeste Strafe zulässt (BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 - NStZ 2000, 473, 474; BGH, Beschl. v. 24.2.2011 - 4 StR 651/10 - StraFo 2011, 230; siehe oben Rdn. 75.1 mwN). Bei der sog. Präpendenzfeststellung ist im Unterschied zur Postpendenz der frühere der beiden Sachverhalte gewiss, der zeitlich spätere hingegen nur möglicherweise gegeben (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 9.3.2010 - 3 ARs 3/10; BGH, Urt. v. 19.5.2010 - 5 StR 464/09 i. Zshg. mit Nichtanzeige geplanter Straftaten; Joerden JZ 1998, 847, 852 f.; ders. Jura 1990, 663 ff., 640 f.). |
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80 |
Die
mitbestrafte Nachtat ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die
Nachtat in der Sicherung der durch die Vortat bereits erlangten
Position erschöpft, mithin die Geschädigten beider
Straftaten identisch
sind, durch die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der durch die
Haupttat angerichtete Schaden nicht erhöht worden ist
(vgl. BGH,
Beschl. v. 3.2.2016 - 1 StR 375/15; Rissing-van Saan, LK 12. Aufl. vor
§ 52 StGB Rn. 153 m. w. N.). Durch eine Nachtat werden die Erfolge der Vortat lediglich gesichert, ausgenutzt oder verwertet. Sie bleibt straflos, wenn sich aus dem Funktionszusammenhang der auf den Sachverhalt anzuwendenden Vorschriften ergibt, daß ihr gegenüber der Haupttat kein eigenständiger Unrechtsgehalt zukommt. Dann besteht kein Bedürfnis, sie neben der Haupttat selbständig zu bestrafen, sie ist bereits durch diese mit abgegolten. Voraussetzung für die Straflosigkeit ist dabei im einzelnen, daß die Geschädigten der beiden Straftaten identisch sind, die Nachtat kein neues Rechtsgut verletzt und der Schaden qualitativ nicht über das durch die Haupttat verursachte Maß hinaus erweitert wird (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2000 - 3 StR 19/00 - wistra 2001, 60; BGH, Urt. v. 18.7.2007 - 2 StR 69/07 - NStZ 2008, 396; BGH, Beschl. v. 21.8.2012 – 1 StR 26/12 - BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 22: BGH, Urt. v. 20.2.2014 – 3 StR 178/13, Rn. 11 - wistra 2014, 392; BGH, Beschl. v. 10.2.2015 - 1 StR 405/14; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. Vor §§ 52 ff Rdn. 121, 123, 125). Bei der (mitbestraften) Nachtat geht es um die Bewertung einer selbständigen, tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung unter dem Gesichtspunkt der Strafbedürftigkeit. Der Unrechtsgehalt der (mitbestraften) Nachtat wird durch die Bestrafung der in erster Linie strafwürdigen Haupttat abgegolten. Kann eine Bestrafung der Haupttat nicht erfolgen, entfällt der Grund für die Straflosigkeit der Nachtat, ohne dass es darauf ankommt, weshalb die Haupttat straffrei bleibt. Die Nachtat wird nur dann und deshalb "straflos" gelassen, wenn und weil sie durch die Strafe für die Haupttat schon hinreichend gesühnt wird (BGH bei Dallinger, MDR 1955, 269; BGH, NJW 1968, 2115; offen gelassen für die Frage der Verjährung vom 3. Strafsenat GA 1971, 83; siehe dazu nachstehend). Die Strafbarkeit einer eigentlich straflosen mitbestraften „Nachtat“ kann daher wieder aufleben (BGHSt 38, 366, 368 f.; 39, 233, 235; BGH, Beschl. v. 13.11.2008 - 5 StR 344/08 - wistra 2009, 105; vgl. auch Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 164). Dass die Taten ihrem Charakter nach (mitbestrafte) Nachtaten (etwa Sicherungsbetrügereien) waren, kann allerdings ein Strafzumessungsgesichtspunkt sein. Ebenso wie nachfolgende Betrugshandlungen zur Sicherung der Tatbeute sich bei der Ahndung der Haupttat strafschärfend auswirken (Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 160), kann bei der isolierten Verfolgung der (mitbestraften) Nachtat (etwa des Sicherungsbetrugs) zu Gunsten des Täters Berücksichtigung finden, dass der Vermögensschaden bereits durch eine verjährte Straftat vorher eingetreten war. Ob hierin ein bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zu sehen ist, hat der Bundesgerichtshof in BGH, Beschl. v. 13.11.2008 - 5 StR 344/08 - wistra 2009, 105 offen gelassen. Die Straflosigkeit einer Nachtat entfällt, wenn die Vortat – z.B. wegen Verjährung – nicht mehr verfolgbar ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 13.11.2008 – 5 StR 344/08 - wistra 2009, 105, 106; BGH, Beschl. v. 27.10.1992 – 5 StR 517/92 - BGHSt 38, 366, jeweils mwN; BGH, Beschl. v. 10.2.2015 - 1 StR 405/14). Ist die mitbestrafte Nachtat durch ihr eigenständiges 'Sicherungsunrecht' gekennzeichnet, indem der Angeklagte etwa eine weitere Tatbestandsvariante verwirklichte, kann auch diese Tat bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2016 - 1 StR 375/15 Rn. 4; BGH, Beschl. v. 3.2.2016 - 1 StR 383/15 Rn. 4; Rissing-van Saan, LK 12. Aufl., vor § 52 StGB Rn. 160). siehe auch: Strafzumessung, § 46 StGB; Betrug, § 263 StGB --> Konkurrenzen --> Mitbestrafte Nachtat; Urteilsgründe, § 267 StPO |
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85 |
Eine
straflose mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn diese das notwendige oder
regelmäßige Mittel zur Haupttat ist (BGH, Urt. v.
20.2.2014
- 3 StR 178/13; BGH,
Urt. v. 24.7.2014 - 3 StR 314/13). Beispiel: Durch § 30 StGB werden einzelne Vorbereitungshandlungen wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit unter Strafe gestellt; für eine Verurteilung nach § 30 StGB ist indes dann kein Raum mehr, wenn nach einer versuchten Anstiftung der Auffordernde selbst das Verbrechen begeht oder zu begehen versucht, zu dem er einen anderen vergeblich zu bestimmen versucht hat (BGHSt 8, 38 ff.; BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 3 und 6). Die versuchte Anstiftung tritt dann als mitbestrafte Vortat zurück (BGH, Beschl. v. 14.4.2010 - 2 StR 87/10). siehe auch: § 30 StGB, Verabredung eines Verbrechens Beispiel: Von einer mitbestraften Vortat kann im Verhältnis zwischen Verkauf und späterer Ausfuhr nicht ausgegangen werden, denn eine verbotene Ausfuhr von Gütern kann auch der Täter begehen, der sie vorher nicht an den Empfänger verkauft hat; umgekehrt ist es keine notwendige Folge eines Verkaufs, dass der Täter die Güter anschließend ausführt. Der Verkauf stellt im Verhältnis zur Ausfuhr mithin zusätzliches Unrecht dar (vgl. BGH, Urt. v. 24.7.2014 - 3 StR 314/13 im Zshg. mit § 17 AWG). |
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90 |
vgl. zur Behandlung der Konkurrenzen bei Gesetzesänderung und sich erstreckender Tateinheit: BGH, Beschl. vom 25. Mai 1993 - 5 StR 214/93; BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02 - wistra 2003, 424 | |
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95 |
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95.1 |
War nur unklar, ob das Opfer bei der Wegnahme bereits tot war oder nicht, ist in beiden Sachverhaltsalternativen Tatmehrheit gegeben. Tateinheit zwischen Mord und Unterschlagung gemäß § 52 Abs. 1 StGB liegt nicht vor, da nicht dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt hat. Die tödlichen Schläge sind nicht dieselbe Handlung wie die Wegnahme der Gegenstände. Dass der Eintritt des Todes möglicherweise mit der Wegnahme zeitlich zusammenfiel, führt nicht zur Annahme derselben Handlung. Es liegt keine - auch keine teilweise - Identität der Ausführungshandlungen vor (vgl. auch BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 25; BGH, Urt. v. 30.11.2005 - 2 StR 393/05). Bloße Gleichzeitigkeit vermag Tateinheit nicht zu begründen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.11.2005 - 3 StR 367/05; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 8). | |
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95.2 |
Hat
der Angeklagte dem Opfer gezielt Substanzen
(Betäubungsmittel)
überlassen oder verabreicht, um gegen ihren Willen sexuelle
Handlungen an ihr vornehmen zu können, kann das
Betäubungsmittel-Delikt in Tateinheit mit dem Folgedelikt
stehen
(vgl. hierzu BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 9, 14; BGH,
Urt. v.
4.12.2008 - 4 StR 371/08; Fischer, StGB 55. Aufl. §
177 Rdn. 7
sowie BGH NStZ-RR 2006, 10, 11; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl.
§ 353 Rdn. 6 a). siehe auch: Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, § 177 StGB; Straftaten, § 29 a BtMG |
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... (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen. ... |
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125 |
Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB wird, wenn wie hier mehrere Strafgesetze verletzt sind, die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, dass die schwerste Strafe androht. Hierbei kommt es nicht auf den jeweiligen Regelstrafrahmen der beiden zueinander in Tateinheit stehenden Tatbestände, sondern auf die konkret in Betracht kommenden Strafrahmen unter Berücksichtigung von Ausnahmestrafrahmen wie bei minder oder besonders schweren Fällen an (BGH, Beschl. v. 8.5.2003 – 3 StR 123/03 - NStZ 2004, 109, 110; BGH, Urt. v. 13.3.2014 - 4 StR 483/13; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 47; MüKoStGB/von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl., § 52 Rn. 120). | |
Urteil |
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U.1 |
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U.1.1 |
Die
zumindest mißverständliche Formulierung der
Entscheidungsformel "und" sollte bei Tateinheit durch die Worte "in
Tateinheit mit ...", ersetzt werden, weil üblicherweise gerade
zur
Bezeichnung von Tatmehrheit die Konjunktion "und" verwendet wird (vgl. BGH,
Beschl. v. 23.5.2003 - 3 StR 134/03). Beim Wegfall tatmehrheitlich angeklagter Delikte durch die Annahme von Bewertungseinheiten ist der Angeklagte nicht freizusprechen, wenn sich die weggefallenen materiell-rechtlich selbständig angeklagten Taten als Bestandteil der Taten erweisen, derentwegen Verurteilung erfolgt ist (vgl. BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 12; BGH NStZ 1994, 547; BGH, Beschl. v. 26.6.2002 - 3 StR 176/02; BGH, Beschl. v. 30.1.2003 - 3 StR 437/02 - NStZ 2003, 546 - wistra 2003, 232). Denn in einem solchen Fall wird der gesamte Verfahrensgegenstand durch die Verurteilung erschöpfend erledigt (vgl. Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 260 Rdn. 40, 41). An seiner früheren diesbezüglichen einzigen Entscheidung, in der eine andere Auffassung vertreten wurde (BGH NStZ 1997, 90) hat der 3 Strafsenat nicht festgehalten. Das Verbot der "reformatio in peius" (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Änderung des Schuldspruchs und der Kostenentscheidung zu Ungunsten des Angeklagten nicht entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 30.1.2003 - 3 StR 437/02 - NStZ 2003, 546 - wistra 2003, 232; BGH, Beschl. v. 26.6.2002 - 3 StR 176/02; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 331 Rdn. 6 und 8). Anderes gilt, wenn das Gericht eine Tat nicht für erwiesen hält, die in Tatmehrheit begangen worden sein soll: Ein Angeklagter, der nicht wegen aller Delikte verurteilt wird, die er der Anklage zufolge in Tatmehrheit begangen haben soll, ist insoweit freizusprechen, um Anklage und Eröffnungsbeschluß zu erschöpfen; dies gilt auch dann, wenn das Gericht das Konkurrenzverhältnis anders beurteilt und von Tateinheit ausgeht (st. Rspr., vgl. BGHSt 44, 196, 202; BGH, Beschl. v. 28.3.2007 - 2 StR 102/07; BGH, Beschl. v. 30.5.2008 - 2 StR 174/08 - NStZ-RR 2008, 287; BGH, Beschl. v. 3.6.2008 - 3 StR 163/08 - NStZ-RR 2008, 316; BGH, Beschl. v. 23.8.2011 - 4 StR 373/11). Voraussetzung ist jedoch, daß das Gericht die als tatmehrheitlich angeklagte "Tat" nicht für erwiesen hält (BGHSt aaO.; BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 2). Hat das Tatgericht den Angeklagten lediglich deshalb freigesprochen, weil die fraglichen Taten nach seiner rechtlichen Würdigung nicht Gegenstand eines selbständigen Schuld- und Strafausspruchs sein konnten, ist für einen Teilfreispruch kein Raum (vgl. auch BGH NStZ 1994, 547, 548; BGH, Beschl. v. 30.1.2003 - 3 StR 437/02 - NStZ 2003, 546 - wistra 2003, 232; BGH bei Becker NStZ-RR 2002, 72 Nr. 26; BGH, Beschl. v. 26.6.2002 - 3 StR 176/02). siehe hierzu näher: § 267 StPO Rdn. 165 ff. Bei mehrfacher Verwirklichung eines Straftatbestandes, der in wechselnden Kombinationen mit unterschiedlichen anderen Delikten tateinheitlich zusammentrifft, empfiehlt es sich, in der Entscheidungsformel jede Tat einzeln zu bezeichnen und nur dann unter Angabe der Zahl der tatmehrheitlichen Tatbegehungen zusammenzufassen, wenn die rechtliche Bezeichnung der Einzeltaten identisch ist (BGH, Beschl. v. 16.5.2012 - 3 StR 33/12). |
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U.1.2 |
Bei
gleichartiger Tateinheit ist in der Urteilsformel zum Ausdruck zu
bringen, wie oft der Tatbestand verwirklicht wurde (vgl. BGH,
Urt. v.
21.3.2002 - 3 StR 340/01; BGH,
Beschl. v. 19.8.2003 - 3 StR 256/03; BGH,
Beschl. v. 26.4.2006 - 2 StR 61/06; BGH,
Beschl. v. 23.6.2006 - 2
StR 79/06; BGH,
Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 373/09;
Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl. Rdn.
56
f.; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 260 Rdn. 26). Die
Aufnahme der gleichartigen Tateinheit in die Urteilsformel ist der
Klarstellungsfunktion der Idealkonkurrenz geschuldet (vgl. BGH,
Urt. v.
13.1.2010 - 2 StR 439/09 - NJW 2010, 623; Rissing-van Saan in
LK 12.
Aufl. § 52 Rdn. 3). Beispiel 1: Die gleichartige Idealkonkurrenz bezieht sich lediglich auf das gegenüber zwei Personen begangene Delikt der gefährlichen Körperverletzung und nicht auf den nur gegen ein Opfer gerichteten versuchten Totschlag: "Der Angeklagte ist des versuchten Totschlags in Tateinheit mit zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der gefährlichen Körperverletzung schuldig" (vgl. BGH, Beschl. v. 11.7.2006 - 3 StR 216/06 - wistra 2006, 432). Beispiel 2: Der bedingte Tötungsvorsatz hat sich auf alle vier im Eingangsbereich befindlichen Gäste bezogen. Der Angeklagte hatte auf diese Gruppe und nicht auf einen einzelnen von ihnen gezielt und dabei seine Waffe leer geschossen, weshalb "wegen versuchten Totschlags in vier tateinheitlich begangenen Fällen" verurteilt werden muss (vgl. BGH, Beschl. v. 6.9.2000 - 3 StR 226/00; BGH, Beschl. v. 15.3.2001 - 3 StR 57/01). Beispiel 3: Die bei dem Mordversuch und der gefährlichen Körperverletzung vorliegende gleichartige Tateinheit soll im Urteilsspruch kenntlich gemacht werden: "Der Angeklagte ist des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in sieben tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr schuldig" (vgl. BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167). Beispiel 4: Vorliegen gleichartiger Tateinheit durch das schuldhafte Verursachen des Todes von vier Menschen "Der Angeklagte ist der fahrlässigen Tötung in vier tateinheitlichen Fällen schuldig" (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2002 - 3 StR 340/01). Beispiel 5: "wegen Betruges in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen" (vgl. BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 373/09). Bei Brandstiftung mit Todesfolge muss es anstelle von "Brandstiftung in zwei tateinheitlichen Fällen" "Brandstiftung mit zweifacher Todesfolge" heißen (vgl. BGH, Beschl. v. 6.8.2003 - 2 StR 265/03). Gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO, wonach die Fassung der Urteilsformel im Ermessen des Gerichts liegt, kann es sich anbieten, davon abzusehen, in der Urteilsformel bei jedem Einzelfall die gleichartige Tateinheit zum Ausdruck zu bringen, wenn hierdurch der Tenor unübersichtlich würde; dies widerspräche dem Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel (vgl. BGH wistra 2007, 388, 391 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 4.3.2008 - 5 StR 594/07 - wistra 2008, 217; BGH, Beschl. v. 4.8.2009 - 5 StR 244/09; BGH, Beschl. v. 11.1.2012 - 1 StR 386/11). siehe zur Urteilsformel auch: Urteil, § 260 StPO --> Rdn. 95 ff. |
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U.1.3 |
Eine Umstellung des Schuldspruchs (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO) auf Tateinheit setzt - abgesehen von der nach Maßgabe des Einzelfalles zu beurteilenden Frage nach der Vereinbarkeit mit § 265 StPO - klare, erschöpfende und eindeutige Feststellungen voraus; es ist dagegen nicht möglich, wenn eine neue Hauptverhandlung andere oder ergänzende Feststellungen erwarten lässt, oder wenn eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung der Feststellungen erforderlich ist (vgl. BVerfG NStZ 2001, 187, 188; BGH, Urt. v. 8.12.2009 - 1 StR 277/09 <Rdn. 20>; BGH NStZ 2008, 213; NJW 1973, 1511, 1512; BGH, Beschl. v. 25.5.2010 - 1 StR 59/10 betr. möglicher tateinheitlicher Verbundenheit mehrerer Drogengeschäfte durch die Annahme von Bewertungseinheit; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 354 Rdn. 18; Temming in HK-StPO 4. Aufl. § 354 Rdn. 12 jew. m.w.N.). | |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In
§ 52 StGB wird verwiesen auf: § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB Personen- und Sachbegriffe, § 11 StGB § 41 StGB Geldstrafe neben Freiheitsstrafe, § 41 StGB Auf § 52 StGB wird verwiesen in: § 53 StGB Tatmehrheit, § 53 StGB |
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[ Änderungen § 52 StGB ] | |
§ 52 StGB wurde mit Wirkung vom 1.7.2017
geändert
durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872). Zuvor hatte
die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 52 StGB Tateinheit (1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen. (3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen. (4) Läßt eines der anwendbaren Gesetze die Vermögensstrafe zu, so kann das Gericht auf sie neben einer lebenslangen oder einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren gesondert erkennen. Im übrigen muß oder kann auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze sie vorschreibt oder zuläßt." | |
Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 3. Titel (Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen |
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