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§
227 StGB
Körperverletzung mit Todesfolge
(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. (2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Die
Vorschrift des § 227 StGB setzt unter anderem voraus, dass der
Tod der verletzten Person „durch die Körperverletzung
(§§ 223 bis 226a StGB)„ verursacht worden ist, wobei dem
Täter hinsichtlich dieser Tatfolge Fahrlässigkeit zur Last
fallen muss (§ 18 StGB), er also die Todesfolge voraussehen konnte
(vgl. BGH, Beschl. v. 8.7.2008 - 3 StR 190/08 - NStZ 2009, 92 "128 kg
schwerer Täter setzt sich mit Schwung auf den Brustkorb der auf
dem Rücken liegenden Frau"; Fischer, StGB 55. Aufl. § 227
Rdn. 7). Zur Erfüllung dieser Voraussetzung genügt ein
lediglich kausaler Zusammenhang zwischen Körperverletzung und Tod
der verletzten Person nicht, vielmehr ist eine engere Beziehung
vorausgesetzt (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1982 - 2 StR 226/82 - BGHSt 31,
96, 98 - StV 1983, 61; BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02 - BGHSt 48,
34 - StV 2003, 74; BGH, Urt. v. 10.1.2008 - 5 StR 435/07 - NStZ 2008,
278; Fischer, StGB 55. Aufl. § 227 Rdn. 3). § 227 StGB soll allein der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Die genannte Vorschrift erfaßt deshalb nur solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muß sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (BGH, Urt. v. 30.6.1982 - 2 StR 226/82 - BGHSt 31, 96, 98 - StV 1983, 61; BGHR StGB § 227 [i.d.F. 6. StrRG] Todesfolge 1; BGH NStZ 1992, 335; NJW 1971, 152, 153; BGH, Beschl. v. 8.3.2000 - 3 StR 69/00; BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02 - BGHSt 48, 34 - StV 2003, 74). Liegt der tatsächliche Geschehensablauf, der Körperverletzung und Todesfolge miteinander verknüpft, nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dann kann sich im Tod des Opfers jene Gefahr verwirklichen, die bereits der Körperverletzungshandlung anhaftete (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1982 - 2 StR 226/82 - BGHSt 31, 96, 100 - StV 1983, 61). Beispiel: Die Angeklagte bewirkt die Körperverletzung durch das vorsätzliche Anfahren der Fußgängerin, wodurch diese erst auf die Motorhaube, danach vor das Fahrzeug geriet und zunächst von dem linken Vorderreifen sowie anschließend, weil das Opfer eingeklemmt war und auf Geheiß von rettungswilligen Zeugen die Angeklagte zurücksetzte, das Opfer ein weiteres Mal vom Hinterreifen überrollt wurde. Das Urteil verhält sich nicht dazu, ob die tödlichen Verletzungen des Opfers durch den ersten oder den zweiten Überrollvorgang entstanden sind. Hierauf kommt es für die rechtliche Bewertung der Tat nicht an. Sollte das Opfer bereits durch das erste Überrollen die tödlichen Verletzungen erlitten haben, so hat sich zweifelsohne in dem Todeseintritt die von der Körperverletzungshandlung ausgehende Gefahr verwirklicht, die für die Angeklagte auch vorhersehbar war. Selbst wenn aber die tödlichen Verletzungen allein auf das zweite Überrollen zurückzuführen wären, würde dies an dem für § 227 StGB erforderlichen spezifischen Gefahrzusammenhang zwischen Verletzungsgeschehen und Todesfolge (vgl. BGHSt 31, 96, 98; 48, 34, 37 m.w.N.) nichts ändern. Dieser fehlt nicht schon dann, wenn zunächst nur eine Verletzung eintritt, die - für sich genommen - nicht lebensbedrohlich erscheint, sondern erst infolge des Hinzutretens besonderer Umstände zum Tode des Verletzten führt. Die Angeklagte hat, als sie die Fußgängerin vorsätzlich anfuhr, eine Handlung begangen, die für das Opfer das Risiko eines tödlichen Ausgangs in sich barg. Der Tod des Opfers ist auf Grund eines Geschehensablaufs eingetreten, der nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit lag, denn es widerspricht nicht jeder Erfahrung, dass das Opfer nach einem solchen Unfall im Zusammenhang mit Rettungsversuchen, die durch Dritte oder den Täter vorgenommen werden, zu Tode kommt (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2008 - 4 StR 235/08 - NStZ-RR 2009, 78). Eine solche deliktsspezifische Gefahr kann auch schon von der bloßen Körperverletzungshandlung ausgehen (BGHSt 14, 110, 112; BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02 - BGHSt 48, 34 - StV 2003, 74; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; aA Hirsch in LK 11. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; Küpper in FS H. J. Hirsch [1999] S. 615 ff.; jeweils m. w. N.). Da der Täter schon durch die schuldhafte Verwirklichung eines der Grunddelikte der §§ 223 f. StGB stets objektiv und subjektiv pflichtwidrig handelt, ist dabei alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge die Vorhersehbarkeit des Todes des Opfers (st. Rspr.; BGHSt 24, 213, 215; BGH NStZ 1982, 27; BGHR StGB § 227 [i.d.F. 6. StrRG] Todesfolge 1 m.w.N.; BGH, Urt. v. 28.3.2001 - 3 StR 532/00 - NStZ 2001, 478; BGH, Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 536/05 - BGHSt 51, 18 - NJW 2006, 1822; vgl. auch BGH, Urt. v. 15.11.2007 - 4 StR 453/07 - NStZ 2008, 686; BGH, Urt. v. 20.6.2012 - 5 StR 536/11). Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Eintritt des Todes des Opfers - im Ergebnis und nicht in den Einzelheiten des dahinführenden Kausalverlaufs - vorausgesehen werden konnte (BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 6 m.w.N.; BGH, Urt. v. 28.3.2001 - 3 StR 532/00 - NStZ 2001, 478; BGH, Urt. v. 20.6.2012 - 5 StR 536/11) oder ob die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzurechnen ist (vgl. BGHSt 31, 96, 100; BGH NStZ 1997, 82 f. und 341; BGH, Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 536/05 - BGHSt 51, 18 - NJW 2006, 1822: Kochsalz bei einem Kleinkind; vgl. auch BGH, Urt. v. 3.8.2005 - 2 StR 75/05: Tramadol-Verabreichung beim Kind; BGH, Urt. v. 10.1.2008 - 5 StR 435/07 - NStZ 2008, 278: Messerstich und Fluchtversuch des Opfers in Panik mit tödlichem Sturz aus dem Fenster; BGH, Urt. v. 26.6.2008 - 3 StR 159/08 - Ersticken des Opfers durch Pressen des Kopfes auf ein Kopfkissen; BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 265/09: Tod der Geschädigten infolge sturzbedingter internistischer Folgeerkrankungen während des Krankenhausaufenthalts; BGH, Urt. v. 20.6.2012 - 5 StR 536/11). Dabei ist eine mögliche Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Angeklagten aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses zu berücksichtigen (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1973, 18; BGHR StGB § 226 Todesfolge 6 und 7; BGH, Urt. v. 28.3.2001 - 3 StR 532/00 - NStZ 2001, 478). Für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente reicht es aus, wenn der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte voraussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urt. v. 10.6.2009 – 2 StR 103/09 - NStZ-RR 2009, 309, 310; BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 1 StR 344/15 Rn. 17). Soweit § 227 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass dem Täter hinsichtlich der Verursachung des Todes wenigstens Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (§ 18 StGB), ist alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit hinsichtlich der qualifizierenden Tatfolge die Vorhersehbarkeit des Todes des Opfers (st. Rspr.; vgl. BGHSt 51, 18, 21 m.N.; BGH, Beschl. v. 20.12.2007 - 1 StR 576/07 - NStZ 2008, 278). Hierfür reicht es aus, dass der Erfolg nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag. Ferner ist erforderlich, dass der Eintritt des Todes des Opfers vom Täter in seiner konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenntnissen vorhergesehen werden konnte (vgl. BGHSt 51, 18, 21; BGHR StGB § 227 [i.d.F. d. 6. StrRG] Todesfolge 1). Bei der Prüfung der individuellen Vorhersehbarkeit ist nicht etwa darauf abzustellen, ob der Angeklagte die konkrete Todesursache hätte vorhersehen können. Bei der Körperverletzung mit Todesfolge braucht sich die Vorhersehbarkeit gerade nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs zu erstrecken (vgl. BGHSt aaO; BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 9, 12; BGH, Urt. v. 20.6.2012 - 5 StR 536/11), insbesondere nicht auf die durch die Körperverletzungshandlung ausgelösten im Einzelnen ohnehin nicht einschätzbaren somatischen Vorgänge, die den Tod schließlich ausgelöst haben (vgl. BGHR aaO). Vielmehr genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolges im Allgemeinen (vgl. BGHSt 48, 34, 39; BGH, Urt. v. 15.11.2007 - 4 StR 453/07 - NStZ 2008, 686). Die – nicht durch den Sachverständigen, sondern in wertender Betrachtung durch den Richter zu beurteilende – Vorhersehbarkeit muss sich nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs, mithin auch nicht auf die konkrete Todesursache erstrecken (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.2012 - 5 StR 536/11; BGH, Urt. v. 26.2.1997 – 3 StR 569/96 - BGHR StGB § 226 aF Todesfolge 12; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – 4 StR 453/07 - NStZ 2008, 686, 687; BGH, Urt. v. 10.6.2009 – 2 StR 103/09 - NStZ-RR 2009, 309). Der vom Mittäter im Rahmen einer Exzeßhandlung zugefügte Messerschnitt kann dem Angeklagten zumindest als Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zurechenbar gewesen sein. Wird ein wehrloses, höchstwahrscheinlich bewußtloses Opfer in einer abgelegenen Gegend bei einem gewaltbereiten Mittäter zurückgelassen, liegt es nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, daß dieser weitere Gewalthandlungen vornimmt bzw. es tötet, um die vorangegangene Tat zu verdecken (vgl. BGH, Urt. v. 15.9.2004 - 2 StR 242/04). Ein solcher Zusammenhang fehlt dann, wenn der tatsächliche Geschehensablauf, der Körperverletzung und Todesfolge miteinander verknüpft, außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt (vgl. BGHSt 31, 96, 100; 51, 18, 21 m.w.N.), wie etwa eine Verkettung außergewöhnlicher unglücklicher Zufälle (vgl. BGHSt 31, 96, 100; BGH, Urt. v. 15.11.2007 - 4 StR 453/07 - NStZ 2008, 686). Dass ein kräftiger Tritt mit der Schuhspitze gegen den Rumpf eines am Boden Liegenden zum Tod des Verletzten führt, liegt nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit (vgl. BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 9), denn ein solcher Geschehensablauf ist, auch wenn es sich bei der konkreten Todesursache um eine „medizinische Rarität„ handelt, nicht so außergewöhnlich, dass der eingetretene Erfolg deshalb nicht zuzurechnen ist (vgl. BGHSt 31, 96, 100). Dass möglicherweise die Alkoholisierung des Tatopfers und eine Vorschädigung des Herzmuskels für den Todeserfolg mitursächlich waren, steht der Zurechnung ebenfalls nicht entgegen (vgl. BGHSt aaO; BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 12; BGH, Urt. v. 15.11.2007 - 4 StR 453/07 - NStZ 2008, 686). Gleiches kann gelten, wenn das Tatopfer auch in der Vergangenheit nach Körperverletzungen eine ärztliche Behandlung stets abgelehnt hatte (vgl. BGH, Beschl. v. 8.3.2000 - 3 StR 69/00). Einen Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge hat der Bundesgerichtshof in einem Fall bestätigt, dem eine Misshandlung der Geschädigten durch den Angeklagten zugrundelag, bei dem der Angeklagte dem Tatopfer mit einem Turnschuh in die Seite schlug und hierdurch Rippenfrakturen und eine Milzruptur verursachte. Die Milzruptur führte zur Einblutung in das Gewebe und in die Bauchhöhle. Dies wurde, nachdem die Geschädigte wegen starker Schmerzen ins Krankenhaus gebracht wurde, von der Ärztin nicht erkannt. Die Geschädigte verstarb an den Folgen der vom Angeklagten verursachten Milzruptur. Ob bei zutreffender Diagnose und unverzüglicher Operation für die Patientin eine reelle Überlebenschance bestanden hätte, hatte das Tatgericht nicht geklärt. Die Prüfung dieser Frage hätte bei Bemessung der Strafe Bedeutung gewinnen können, weil eine in nicht unerheblichem Umfang gegebene Mitverursachung des tödlichen Ausgangs durch Dritte das Gewicht der dem Täter zuzurechnenden Tatfolgen vermindert und deshalb strafmildernd wirkt (BGH, Beschl. v. 23.8.1979 - 4 StR 417/79 - bei Holtz MDR 1979, 986; BGH, Beschl. v. 20.3.2000 - 1 StR 50/00 - NStZ-RR 2000, 265; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 237). Soweit eine solche Mitverursachung in Betracht kommt, gilt - wie allgemein bei Strafmilderungsgründen - der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2000 - 1 StR 50/00 - NStZ-RR 2000, 265; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 56, 126; vgl. BGH VRS 19, 126, 127; 36, 362). Es hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab, ob es sich um einen bestimmenden Gesichtspunkt i. S. v. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO handelt. Hierbei gilt: Je geringer die Rettungschance war, desto weniger wird ihre Versäumung strafmildernd ins Gewicht fallen (BGH, Beschl. v. 20.3.2000 - 1 StR 50/00 - NStZ-RR 2000, 265). L E I T S A T Z Vorhersehbarkeit der Todesfolge nach Brechmitteleinsatz (im Anschluss an BGHSt 55, 121) (BGH, Urt. v. 20.6.2012 – 5 StR 536/11 - Ls.). Auch bei angenommener Todesursache eines mulitfaktoriellen Geschehens ist der erforderliche Zurechnungszusammenhang keinen Zweifeln ausgesetzt. Denn auch dann hat sich die der Verwirklichung des Grunddelikts eigentümliche tatbestandsspezifische Gefahr im tödlichen Ausgang verwirklicht (BGH, Urt. v. 20.6.2012 - 5 StR 536/11; vgl. hierzu etwa BGH, Urt. v. 30.6.1982 – 2 StR 226/82 - BGHSt 31, 96; BGH, Urt. v. 28.3.2001 – 3 StR 532/00 - BGHR StGB § 227 Todesfolge 1; BGH, Urt. v. 16.3.2006 – 4 StR 536/05 - BGHSt 51, 18, 21; BGH, Urt. v. 10.1.2008 – 5 StR 435/07 - BGHR StGB § 227 Todesfolge 6). |
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Die
Frage, ob eine die Rechtswidrigkeit beseitigende Einwilligung des
Tatopfers im Rahmen von § 227 StGB möglich ist, ist vom
Bundesgerichtshof nicht abschließend beantwortet. Nach Meinung
des 3. Strafsenats (BGH, Urt. v. 11.12.2003 - 3 StR 120/03 - BGHSt 49,
34 - NJW 2004, 1054 - NStZ 2004, 204; vgl. aber BGH, Urt. v. 20.6.2000
- 4 StR 162/00, [insoweit in NStZ 2000, 583 nicht abgedruckt] unter
Hinweis auf BGHSt 4, 88, 93; 7, 112, 115) ist eine rechtfertigende
Einwilligung in eine fahrlässige Tötung grundsätzlich
möglich. Offengelassen in BGH, Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 505/03 -
BGHSt 49, 166 - NJW 2004, 2458, wo schon die Einwilligung in die
Gefährdungshandlung wegen der Höhe der Gefahr und des
Gewichts des konkret drohenden Erfolgs keine rechtfertigende Wirkung
entfalten konnte und dies erst recht für den Erfolg angenommen
wurde, in dem sich die Gefährdung realisiert hat. näheres hierzu unter: Einwilligung, § 228 StGB Ein Irrtum über das Bestehen der konkreten Lebensgefahr kann als Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes entsprechend den Regeln des Tatbestandsirrtums nach § 16 Abs. 1 StGB zu behandeln sein (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2003 - 3 StR 120/03 - BGHSt 49, 34 - NStZ 2004, 204; BGHSt 31, 264, 286 f.; BGH, Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 505/03 - BGHSt 49, 166 - NJW 2004, 2458). näheres hierzu unter: Einwilligung, § 228 StGB Bei einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist ggfls.die Möglichkeit einer Strafmilderung aufgrund der nicht rechtfertigenden, aber tatsächlich immerhin vorliegenden Einwilligung zu bedenken (vgl. BGH MDR bei Dallinger 1969, 194; BGH, Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 505/03 - BGHSt 49, 166 - NJW 2004, 2458; Stree in Schönke/Schröder § 228 Rdn. 1 und § 46 Rdn. 25; Jescheck/Weigend Strafrecht AT 5. Aufl. S. 334; Dölling GA 1984, 71, 93; Geppert ZStW 83 [1971], 947, 999). |
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Zur Rechtfertigung von Tötungen und Körperverletzungen an der Grenze der früheren DDR aufgrund eines Befehls vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2000 - 2 StR 329/00 - NJ 2001, 152 | |
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Leitsatz
Der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge
in Form eines "erfolgsqualifizierten Versuchs" ist möglich (BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02 - Ls. - BGHSt 48, 34 - StV 2003, 74). Es gilt insoweit nichts anderes als bei sonstigen erfolgsqualifizierten Delikten wie beim Raub mit Todesfolge nach § 251 StGB oder bei der Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c StGB (vgl. BGHSt 7, 37; BGH, Urt. v. 23.3.2000 - 4 StR 650/99 - BGHSt 46, 24 - NJW 2000, 1878; BGHR StGB § 251 Todesfolge 3; BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02 - BGHSt 48, 34 - StV 2003, 74: betr. Flucht „Hals über Kopf„; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 18 Rdn. 4; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 5 m. w. N.; differenzierend Ferschl, Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim erfolgsqualifizierten Delikt 1999 S. 128 ff.). |
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25 |
In
subjektiver Hinsicht setzt § 227 StGB den (bedingten) Vorsatz
einer Körperverletzung voraus (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.2003 - 3
StR 159/03 - NStZ 2004, 201). Dieser Vorsatz, der nur dann gegeben ist,
wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen
Körperverletzungserfolgs als möglich und nicht ganz
fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, daß
er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um
des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm der
Erfolgseintritt auch unerwünscht sein (BGHSt 36, 1, 9), muß
nach § 16 StGB " bei der Begehung der Tat", also im Zeitpunkt der
Handlung vorliegen, die den Körperverletzungserfolg zur Folge hat.
Zu diesem Zeitpunkt muß bei dem Täter das für den
Vorsatz erforderliche Wissen in aktuell wirksamer Weise vorhanden sein
(BayObLG NJW 1977, 1974). Bloßes nicht in das Bewußtsein
gelangtes Wissen oder ein nur potentielles Bewußtsein reicht
nicht aus. Ebensowenig vermag früheres Wissen, das beim Täter
zum Zeitpunkt der Tat nicht mehr vorhanden ist, oder eine erst nach der
Tat erlangte Kenntnis das Wissenselement des Vorsatzes zu
begründen (vgl. BGH NStZ 1983, 452; BGHSt 10, 151, 153; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 - 3
StR 159/03 - NStZ 2004, 201; vgl. auch BGH,
Urt. v. 14.1.2015 - 5 StR 494/14 betr. Verneinung eines bedingten
Vorsatzes bei Tötung eines Säuglings durch
Schütteln aufgrund der besonderen Fallumstände). Hinsichtlich der Verursachung des Todes hingegen reicht leichteste Fahrlässigkeit aus (§ 227 Abs. 1, § 18 StGB) (vgl. BGH, Beschl. v. 26.2.2003 - 5 StR 27/03). Für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente reicht es aus, wenn der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte voraussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH NStZ 2008, 686 m.w.N.; BGH, Urt. v. 10.6.2009 - 2 StR 103/09 - NStZ-RR 2009, 309). Dass wiederholte gegen Kopf und Körper gerichtete, blutende Wunden verursachende Mißhandlungen, auch wenn sie ohne besonderen Kraftaufwand ausgeübt wurden, zumal bei einem körperlich geschwächten Opfer zum Tod führen können, ist - auch wenn es nicht überaus wahrscheinlich sein mag - ohne weiteres vorhersehbar. An dieser klaren Bewertung kann regelmäßig auch der Umstand erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung des Täters nichts ändern (vgl. dazu BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 6 und 7; BGH NStZ-RR 1997, 296; BGH, Beschl. v. 26.2.2003 - 5 StR 27/03). Kann bei Tätern, die während ihrer Handlungen vom Körperverletzungs- zum Tötungsvorsatz übergehen, nicht ausgeschlossen werden oder steht fest, dass die zum Tod führenden Handlungen „lediglich„ mit Körperverletzungsvorsatz ausgeführt wurden, scheidet eine Verurteilung wegen vollendeten Totschlags aus; vielmehr ist dann regelmäßig wegen Körperverletzung mit Todesfolge und versuchtem Totschlag zu verurteilen (BGH NJW 1989, 596, 597; BGH NStZ 1992, 277, 278; BGH bei Holtz MDR 1977, 282; BGH, Urt. v. 4.12.2008 - 4 StR 438/08 - NStZ 2009, 266). |
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Anders
als bei Fahrlässigkeitsdelikten, bedarf es bei der
Körperverletzung mit Todesfolge nicht des Nachweises, daß
ein jeder von mehreren Beteiligten einen für den Erfolg kausalen
Beitrag erbracht hat. Es macht sich nach § 227 StGB nämlich
auch derjenige strafbar, der die Verletzung nicht mit eigener Hand
ausführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses
mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt.
Voraussetzung ist allerdings, daß die Handlung der anderen im
Rahmen des allseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden
Einverständnisses lag (vgl. BGHR StGB § 226 Kausalität
2, 3; BGH, Beschl. v. 9.6.2009 - 4 StR 164/09 - NStZ 2009, 631). Zudem
muß ein jeder hinsichtlich des Erfolges wenigstens
fahrlässig gehandelt haben, insbesondere muß der Todeserfolg
für jeden vorhersehbar gewesen sein. Hierfür reicht es aus,
daß der Erfolg nicht außerhalb aller Lebenserfahrung liegt;
alle konkreten Einzelheiten brauchen dabei nicht voraussehbar zu sein.
Es genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolgs im allgemeinen ( BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02 - BGHSt 48, 34 - StV 2003, 74;
Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 227 Rdn. 3; § 222 Rdn.
25, 26; vgl. auch BGH NStZ 1994, 339; BGH, Beschl. v. 9.6.2009 - 4 StR 164/09 - NStZ 2009, 631). Kann der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven) Mittäterschaft und eine Mitwirkung an einem Verbrechen des § 227 StGB trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen Anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548, 549; NStZ 1994, 339; BGH, Beschl. v. 9.6.2009 - 4 StR 164/09 - NStZ 2009, 631). Kann nicht festgestellt werden, welche der von beiden Angeklagten ausgeübten Gewalteinwirkungen für die todesursächliche Verletzung des Geschädigten ursächlich war, ist in Anwendung des Zweifelssatzes davon auszugehen, dass dem Geschädigten die zum Tode führende Verletzung schon im ersten Teil des Geschehens und damit vor dem Zeitpunkt zugefügt worden war, als der späterhin handelnde Angeklagte beschloss, sich der durch den Mitangeklagten begonnenen Gewalthandlungen gegen das Tatopfer anzuschließen und bei den Körperverletzungshandlungen mitzuwirken. Insoweit kommt jedoch eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 9.6.2009 - 4 StR 164/09 - NStZ 2009, 631). siehe auch: In dubio pro reo Hielt sich der Angeklagte A mit seinen Handlungen jedenfalls im Grundsatz genau an den zuvor vereinbarten, von allen Angeklagten gebilligten Tatplan, der darin bestand, dass jeder der drei Angeklagten das Tatopfer - in vorab vereinbarter Reihenfolge - durch Tritte massiv misshandeln und verletzen sollte und ist der Angeklagte A nicht in einer den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Weise abgewichen, wobei er jedoch in der Intensität seiner Handlungen und in seinem Vorsatz exzessiv über das Vereinbarte hinausging, haben sich die beiden Mitangeklagten B und C dies jedenfalls im Sinne eines Fahrlässigkeitsvorwurfs zurechnen zu lassen. Ihre Verantwortlichkeit für die Todesfolge ergibt sich daher bereits aus der gemeinsamen Tatplanung; hinsichtlich des Exzesses von A traf sie Fahrlässigkeit (§ 18 StGB; vgl. BGH, Beschl. v. 5.9.2012 - 2 StR 242/12). |
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30.5 |
Zwar
kann einem
Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über
das gemeinsam Gewollte hinausgeht, grundsätzlich nicht zugerechnet
werden (BGH, Urt. v. 5.8.2010 - 3 StR 210/10 Rn. 15 mwN). Handelt ein
Mittäter aber mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz, ein
anderer dagegen nur mit Verletzungsvorsatz, so ist letzterer - wenn er
den tödlichen Ausgang für das Opfer vorhersehen konnte - zwar
nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, aber wegen
Körperverletzung mit Todesfolge strafbar (BGH, Urt. v. 19.8.2004 -
5 StR 218/04 - NStZ 2005, 93 m. Anm. Heinrich). Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, mithin auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausgeführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beigetragen hat, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (BGH, Beschl. v. 9.6.2009 - 4 StR 164/09 - NStZ 2009, 631, 632). Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei dem Mittäter das Wissenselement des Tötungsvorsatzes vorlag und dieser allein deshalb fehlte, weil es am Willenselement mangelte (vgl. auch BGH, Urt. v. 15.9.2004 - 2 StR 242/04 - NStZ 2005, 261, 262; BGH, Urt. v. 5.8.2010 - 3 StR 210/10; BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 4 StR 502/10 - StV 2011, 412). Beispiel: Beide Angeklagten rechneten - wie ausgeführt - mit Körperverletzungen unter Einsatz von Waffen und Werkzeugen, auch eines Messers, und billigten diese. Ihnen war ferner bewusst, dass "die Aktion aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Die damit gegebene Vorhersehbarkeit des Todes des Tatopfers reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente des § 227 StGB aus; einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 4 StR 502/10 - StV 2011, 412; BGH, Urt. v. 10.6.2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN). |
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33 |
Sofern der zu einer gefährlichen
Körperverletzung Angestiftete dem
Misshandelten, insoweit über den Vorsatz des Anstifters hinausgehend,
mit Tötungsvorsatz eine Verletzung zufügt, die auch zum Tode des Opfers
führt, kann der Anstifter wegen Anstiftung zur Körperverletzung mit
Todesfolge (§ 227 StGB) schuldig sein (BGH, Urt. v. 1.4.1952 - 1 StR
867/51 - BGHSt 2, 223, 226; BGH, Urt. v. 25.11.2015 - 1 StR 349/15). Er
haftet andererseits nur für die Folgen derjenigen Handlungen des
Angestifteten, die er in seine Vorstellungen einbezogen hatte. Die von
dem Angestifteten dem Opfer mit Tötungsvorsatz zugefügten
Körperverletzungen dürfen also - wenn eine Verurteilung nach § 227 StGB
in Betracht kommen soll - nicht von anderer Art und Beschaffenheit
sein, als der Anstifter wollte und es sich vorstellte (BGH, Urt. v.
1.4.1952 - 1 StR 867/51 - BGHSt 2, 223, 226; BGH, Urt.
v. 20.5.1986 - 1
StR 224/86 - NJW 1987, 77 f.; BGH, Urt. v. 25.11.2015 - 1 StR 349/15). siehe auch: § 26 StGB Rdn. 60.5 - Strafrechtliche Haftung des Anstifters bei erfolgsqualifizierten Delikten |
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35 |
Eine
Körperverletzung mit Todesfolge liegt nahe, wenn dem
Angeklagten bekannt war, dass sein Opfer aufgrund eines Schlaganfalls
halbseitig gelähmt war und der erkennen konnte, "dass ein
unvermittelter heftiger Stoß nicht abgefangen oder pariert werden
könnte, sondern dazu führen würde, dass dieser
rückwärts stürzt" (vgl. BGH, Beschl. v. 22.4.2009 - 2
StR 102/09). Leitsatz Zur Strafbarkeit gemäß § 227 StGB und zum Tötungsvorsatz eines Schönheitschirurgen, der es vorübergehend unterlassen hat, seine wegen eines Aufklärungsmangels rechtswidrig operierte komatöse Patientin zur cerebralen Reanimation in ein Krankenhaus einzuweisen (BGH, Urt. v. 7.7.2011 – 5 StR 561/10 - Ls.). |
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40 |
Als
Grunddelikt der Erfolgsqualifikation des § 227 StGB kommt
eine Körperverletzung durch Unterlassen (§ 223 Abs. 1, §
13 Abs. 1 StGB) in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2016 – 1 StR
354/16 Rn. 9). Die Möglichkeit, § 227 StGB durch einen Garanten aufgrund einer Körperverletzung durch Unterlassen zu verwirklichen, ist in der Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 30.3.1995 – 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113, 118; BGH, Urt. v. 20.7.1995 – 4 StR 129/95 - NStZ 1995, 589 f.; BGH, Beschl. v. 20.7.2006 – 3 StR 244/06 - StraFo 2006, 466 f.; BGH, Urt. v. 22.11.2016 – 1 StR 354/16; vgl. auch BGH, Urt. v. 23.10.2007 – 1 StR 238/07 Rn. 30 [insoweit in NStZ 2008, 150 f. nicht abgedruckt]) und der Strafrechtswissenschaft (siehe nur Ingelfinger GA 1997, 573 ff.; BeckOK-StGB/ Eschelbach aaO § 227 Rn. 3 und 11; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 227 Rn. 1 und 6a; Hardtung in Münchener Kommentar zum StGB, Band 1, 3. Aufl., § 18 Rn. 47; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 227 Rn. 1) anerkannt. Leitsatz - StGB § 13 Abs. 1, § 227 Abs. 1 Bei einer Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge ist der erforderliche spezifische Gefahrzusammenhang regelmäßig – soweit nicht allgemeine Gründe für einen Ausschluss der Zurechenbarkeit der schweren Folge eingreifen – gegeben, wenn der Garant in einer ihm vorwerfbaren Weise den lebensgefährlichen Zustand herbeigeführt hat, aufgrund dessen der Tod der zu schützenden Person eintritt. BGH, Urteil vom 22. November 2016 – 1 StR 354/16 – LG Bamberg Nach BGH, Urt. v. 20.7.1995 - 4 StR 129/95 - NJW 1995, 3194 f. kommt in den Fällen, in denen die Körperverletzung durch Unterlassen verwirklicht wird, eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge nur in Betracht, wenn erst durch das Unterbleiben der gebotenen Handlung eine Todesgefahr geschaffen wird (vgl. zur Kritik Wolters JR 1996, 471 f.; Ingelfinger GA 1997, 573 ff.). Die Rechtslage kann sich jedoch anders darstellen, wenn durch die Untätigkeit die von der Vorschädigung ausgehende Lebensgefahr erheblich erhöht wird (vgl. BGH, Beschl. v. 20.7.2006 - 3 StR 244/06). Beispiel: Hat daher der Angeklagte erkannt, dass sich der Gesundheitszustand des am Kopf schwer getroffenen Kindes dermaßen verschlechtert hatte, dass es zur Vermeidung einer weiteren Verschlechterung mit möglicherweise tödlichem Ausgang dringend geboten war, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, war ihm somit bewusst, dass das Kind infolge der Unterlassung versterben könne und die Annahme des Straftatbestandes des § 227 StGB nicht zu beanstanden, weil der Angeklagte durch seine Untätigkeit eine Körperverletzung in Form der Herbeiführung einer wesentlichen weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Kindes durch Unterlassen begangen hat, der typischerweise die Gefahr des Todes anhaftete (vgl. BGH, Beschl. v. 20.7.2006 - 3 StR 244/06). Dabei 1. Strafsenat hat in BGH, Urt. v. 22.11.2016 – 1 StR 354/16 (vgl. dort Rn. 22) offen gelassen, ob der in dem Urteil des 4. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (4 StR 129/95, NStZ 1995, 589 f.; siehe vorstehend) geäußerten Rechtsauffassung, in Fällen, in denen die Körperverletzung durch Unterlassen verwirklicht werde, komme eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge nur in Betracht, wenn erst durch das Unterbleiben der gebotenen Handlung eine Todesgefahr geschaffen wird, in dieser Allgemeinheit gefolgt werden könnte (vgl. auch BGH, Beschl. v. 20.7.2006 - 3 StR 244/06 - StrafFo 2006, 466 f.). Denn der 4. Strafsenat hat in dem genannten Urteil entschieden, von den vorgenannten Voraussetzungen sei „ohne Weiteres in den Fällen auszugehen, in denen erst der Unterlassungstäter den zum Tode führenden Zustand verursacht hat“ (BGH aaO NStZ 1995, 589, 590). Dementsprechend hatte derselbe Senat in einer früheren Entscheidung die Verurteilungen der dortigen Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in einer Fallgestaltung nicht beanstandet, in der diese ihr Kind unzureichend versorgt und der dadurch hervorgerufene atrophische Zustand die unmittelbare Ursache für den später – bei dem Bemühen, nunmehr das Kind mit Nahrung zu versorgen – eingetretenen Erstickungstod des Kindes bildete (BGH, Beschl. v. 18.3.1982 – 4 StR 12/82 bei Holtz MDR 1982, 624, zustimmend Wolter GA 1984, 443, 446). Soweit in der Strafrechtswissenschaft das Urteil des 4. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (aaO) dahingehend gedeutet wird, der Senat habe sämtliche Fallgestaltungen aus dem Anwendungsbereich von § 227 StGB (§ 226 StGB aF) ausnehmen wollen, in denen das Unterlassen an eine erhebliche lebensgefährliche Vorschädigung des später zu Tode Gekommenen anknüpft (Ingelfinger GA 1997, 573, 582), findet dies in dem Urteil selbst so keine Stütze. Vielmehr hat der 4. Strafsenat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, vom Vorliegen des spezifischen Gefahrzusammenhangs stets bei Verursachung des zum Tode führenden Zustands durch den Garanten auszugehen (BGH aaO NStZ 1995, 589, 590). In Übereinstimmung damit ist der 1. Senat der Auffassung, dass der spezifische Gefahrzusammenhang bei einer Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB) regelmäßig – soweit nicht allgemeine Gründe eines Ausschlusses der Zurechenbarkeit der schweren Folge eingreifen – dann gegeben ist, wenn der Garant bereits in einer ihm vorwerfbaren Weise den lebensgefährlichen Zustand herbeigeführt hat, aufgrund dessen der Tod der zu schützenden Person eintritt. In welchen Konstellationen darüber hinaus die Voraussetzungen einer Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge gegeben sein können, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (BGH, Urt. v. 22.11.2016 – 1 StR 354/16 Rn. 22). Wusste der Angeklagte, dass sich der Gesundheitszustand des an gravierender Mangelversorgung leidenden Kindes laufend weiter verschlechterte und dass bei pflichtgemäßem Eingreifen des Angeklagten das Leben des Kindes in jedem Fall hätte verlängert werden können, steigerte das Unterlassen des Angeklagten die dem Kind drohende Lebensgefahr weiter und kann eine Verurteilung nach § 227 StGB tragen (vgl. BGH, Urt. v. 3.9.2008 - 2 StR 305/08 - NStZ-RR 2009, 173). |
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§ 227 Abs. 2 StGB |
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... (2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. |
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55 |
Die
Prüfung der Anwendung des Sonderstrafrahmens erfordert eine
Gesamtabwägung, bei der alle relevanten Strafzumessungstatsachen
heranzuziehen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 25.3.2009 - 5 StR 86/09 -
NStZ-RR 2009, 204; etwa Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der
Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 488 f.). Maßgebend für die
Annahme eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild
einschließlich aller subjektiven Momente und der
Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich
vorkommenden Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des
Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Hierzu ist eine
Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände
heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der
Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie
der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder
nachfolgen (st. Rspr. vgl. BGHSt 26, 97, 98 f.; BGHR StGB vor § 1
minder schwerer Fall, Prüfungspflicht 1; BGH, Urt. v. 3.3.2000 - 2
StR 388/99 - StV 2000, 556). Die Annahme eines minder schweren Falles der Körperverletzung mit Todesfolge setzt nicht voraus, dass eine in § 213,1. Variante StGB vorausgesetzte Provokationslage gegeben ist oder dass der Tat ein "außergewöhnlicher Streit" zwischen Täter und Opfer vorausgegangen ist. Vielmehr ist etwa, wenn sonstige, allgemeine Milderungsgründe eine Einordnung der Tat als minder schweren Fall nicht rechtfertigten, der vertypte Milderungsgrund des § 21 StGB neben allen anderen, in den Urteilsgründen darzustellenden Milderungs- und ggf. Erschwerungsgründen in eine Gesamtbewertung der Tat einzustellen und im Zusammenhang in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu erörtern (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2010 - 2 StR 550/09). Verneint wurde die Annahme eines minder schweren Falles der Körperverletzung mit Todesfolge zum Beispiel in folgendem Fall: - aus nichtigem Anlass erfolgte massive Vorgehensweise des Angeklagten gegen den Geschädigten (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.2006 - 4 StR 405/05). Bejaht: Schütteln eines Säuglings durch Mutter, die nur vermindert fähig war, sozialen Belastungssituationen in der allgemein üblichen Weise zu begegnen, um den Säugling vom weiteren Schreien abzuhalten (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2004 - 5 StR 154/04). Die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 227 Abs. 2 StGB wird zu erwägen sein, wenn naheliegt, daß das Tatopfer in voller Kenntnis der Tragweite seiner Entscheidung eingewilligt hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 505/03 - BGHSt 49, 166 - NJW 2004, 2458). Bereits bei der Strafrahmenwahl ist zu bedenken, dass das Opfer an der Entstehung der Schlägerei maßgebend beteiligt war und dem Angeklagten den ersten heftigen Faustschlag versetzte. Ferner kommt dem Umstand entscheidendes Gewicht zu, dass der Eintritt des Todes eine ungewöhnlich späte Folge nach einem eher untypischen Krankheitsverlauf darstellt, der maßgeblich durch das Verhalten des Opfers wegen des verspäteten abermaligen Aufsuchens des Krankenhauses mitverursacht worden ist. Die Annahme eines minder schweren Falles nach § 227 Abs. 2 StGB liegt bei dieser Sachverhaltsgestaltung auf der Hand (vgl. BGH, Beschl. v. 25.3.2009 - 5 StR 86/09 - NStZ-RR 2009, 204). Wesentliches Gewicht für die Bewertung der Tatschuld des Angeklagten kann der Tatsache zukommen, dass die - im Rahmen von § 18 StGB zwar zurechenbare - Todesfolge auf sehr unglücklichen Umständen beruhte (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.2000 - 2 StR 388/99 - StV 2000, 556). Beispiel: Dass ein - wenn auch heftiger - Schlag gegen den Kopf einer sitzenden Person deren Tod verursacht, ist eher selten und beruhte unter anderem auch auf den körperlichen Gegebenheiten des Tatopfers (Alkoholiker). Ein solcher besonderer - wenn auch in seinem Ergebnis letztlich doch voraussehbarer - Geschehensablauf läßt die Schuld des Täters in einem milderen Licht erscheinen (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.2000 - 2 StR 388/99 - StV 2000, 556). Schon angesichts der besonders gravierenden Verletzung der Aufklärungspflicht und des ärztlichen Standards bei Durchführung der äußerst gefahrenträchtigen Operation sowie in Ansehung der Feststellungen zum grob pflichtwidrigen, rücksichtslosen, ersichtlich von Eigensucht geprägten Nachtatverhalten kann die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 227 Abs. 2 StGB als ausgesprochen fernliegend erscheinen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.8.2012 - 5 StR 238/12). siehe zum minder schweren Fall auch: Zusammentreffen von Milderungsgründen, § 50 StGB; zur Strafrahmenwahl nachstehend --> Strafzumessung zu weiterer Fallgestaltung iSv § 227 Abs. 2 StGB vgl. etwa BGH, Urt. v. 18.12.2014 - 4 StR 468/14 |
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Konkurrenzen |
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K.1 |
Der Tatbestand des § 224 StGB wird von demjenigen der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB konsumiert (vgl. BGHR StGB § 227 Todesfolge 4; Tröndle/Fischer § 227 Rdn. 12), wenn die Gefahr für das Leben des Opfers gerade durch das gemeinschaftliche Zusammenwirken der Angeklagten verursacht wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 30.8.2006 - 2 StR 198/06). Der in dem gemeinschaftlichen Angriff zum Ausdruck kommende Unrechtsgehalt wird daher von dem Unrechtsgehalt des § 227 Abs. 1 StGB mit umfasst (BGH, Beschl. v. 30.8.2006 - 2 StR 198/06). | |
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K.2 |
Die
Körperverletzung mit Todesfolge steht nicht in Tateinheit zu
dem Raub mit Todesfolge, vielmehr besteht zwischen beiden
Straftatbeständen Gesetzeseinheit (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.2000 - 4 StR 650/99 - BGHSt 46, 24, 26 - NJW 2000, 1878; 41, 113, 115), wenn die
vom Angeklagten gegen sein Opfer beim Raub ausgeführten
Gewalthandlungen zugleich die Körperverletzungen waren, die
schließlich zum Tode des Opfers führten (vgl. BGH, Beschl.
v. 1.4.2004 - 3 StR 92/04). Leitsatz Versuchter Raub mit Todesfolge und Körperverletzung mit Todesfolge stehen in Tateinheit, nicht in Gesetzeskonkurrenz (BGH, Urt. v. 23.3.2000 - 4 StR 650/99 - Ls. - BGHSt 46, 24 - NJW 2000, 1878). |
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K.3 |
§
30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG in der Tatvariante des Verabreichens von
Betäubungsmitteln mit Todesfolge steht zu § 227 Abs. 1 StGB
nicht im Verhältnis privilegierender Spezialität (vgl. hierzu
allg. Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. vor
§§ 52 ff. Rdn. 136), die zur Folge hätte, daß
§ 227 Abs. 1 StGB nicht anwendbar ist, wenn eine Verurteilung nach
§ 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG mangels Leichtfertigkeit der
Todesverursachung nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2003 - 3 StR 120/03 - BGHSt 49, 34 - NStZ 2004, 204). siehe auch: Straftaten, § 30 BtMG --> Abs. 1 Nr. 3; Leichtfertigkeit |
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K.4 |
Körperverletzung
mit Todesfolge und Totschlag (§ 212 StGB)
können im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen (vgl.
BGH NStZ 2000, 29, 30; BGH, Urt. v. 3.3.2000 - 2
StR 388/99 - StV 2000,
556 zu § 226 StGB a.F.). siehe auch: § 212 StGB, Totschlag |
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K.5 |
Die versuchte Vergewaltigung mit Todesfolge und die Körperverletzung mit Todesfolge stehen im Verhältnis der Tateinheit (BGH, Beschl. v. 23.3.2000 - 4 StR 10/00 - NStZ 2000, 420). | |
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K.6 |
Körperverletzung
mit Todesfolge kann in Tateinheit mit Beteiligung an einer
Schlägerei stehen (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 4 StR 502/10 -
StV 2011, 412). siehe auch mwN: § 231 StGB Rdn. K.1 |
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Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen § 227 Abs. 1 StGB:
3 Jahre bis 15
Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 6 Monate bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 8 Jahre 5 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 6 Jahre 3 Monate 4 Wochen Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 15 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe Strafrahmen § 227 Abs. 2 StGB: 1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 3 Monate bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 5 Jahre 7 Monate 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 4 Jahre 2 Monate 2 Wochen 4 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 10 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe |
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S.2 |
Eine
Prüfung der Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB, kann
bei deren Annahme zur zwingenden Milderung nach § 227 Abs. 2
StGB führen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.2014 - 2 StR 23/14;
Fischer, StGB, 61. Aufl., § 227, Rn. 11). Eine Prüfung des
§ 213 Alt. 1 StGB liegt etwa bei einer spontanen Tat nahe, deren
unmittelbarer Auslöser Beschimpfungen und Beleidigungen des
Angeklagten gewesen sein können und die ihren Ausgangspunkt
jedenfalls auch in einem tätlichen Angriff des späteren
Opfers hatten (vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.2014 - 2 StR 23/14). siehe auch oben Rdn. 55 Wird unter Bejahung der Voraussetzungen der §§ 21, 49 Abs.1 StGB und unter Berücksichtigung dieses Umstandes ein minder schweren Fall nach § 227 Abs. 2 StGB angenommen, ist es unzulässig, der Strafzumessung sodann den Höchstmaßstrafrahmen des minder schweren Falls des § 227 Abs. 2 StGB (1 Jahr bis 10 Jahre), und im Mindestmaß hingegen den nach §§ 21, 49 Abs.1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB (6 Monate bis 11 Jahre drei Monate) zugrundezulegen (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2008 - 3 StR 150/08). siehe auch: Besondere gesetzliche Milderungsgründe, § 49 StGB m.w.N. |
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S.3 |
Die
strafschärfende Erwägung, der Angeklagte sei entschlossen
gewesen, dem Streit noch immer nicht aus dem Weg zu gehen, ist mit
Blick auf § 46 Abs.3 StGB nicht unbedenklich (vgl. BGH, Beschl. v.
31.1.2007 - 5 StR 514/06; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. §
46 Rdn. 76a). Bei der straferschwerenden Erwägung, der Angeklagte habe die tätliche Auseinandersetzung zum Schluss mit einem Messer fortgesetzt - und dieser Umstand die ersichtlich einzige tragende Erwägung war, mit der die Annahme eines minder schweren Falles ausgeschlossen wurde - kann dieser Umstand bei der allgemeinen Strafzumessung nur noch geringeres Gewicht erhalten (BGH, Beschl. v. 31.1.2007 - 5 StR 514/06). Überforderung des noch jungen Angeklagten mit der Betreuung und Pflege seines querschnittsgelähmten Freundes (vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2007 - 3 StR 497/06 - NStZ 2007, 469). Wird bei der Strafrahmenwahl und bei der Strafbemessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er "durchaus die Möglichkeit" gehabt habe, "an der Situation etwas zu ändern, Hilfe Dritter anzunehmen und einen Schlussstrich zu ziehen", ist dies rechtsfehlerhaft, wenn diese Wertung nicht ohne weiteres mit der Feststellung zu vereinbaren ist, dass der Angeklagte zuvor den Versuch unternommen hatte, mit Unterstützung des Jugendamtes seine Ehefrau zur Durchführung einer Alkoholtherapie zu bewegen. Dieser Maßnahme hatte sie sich entzogen und war längere Zeit verschwunden (vgl. BGH, Beschl. v. 15.9.2010 - 2 StR 369/10). Wird strafschärfend berücksichtigt, der gemeinsame minderjährige Sohn habe durch die Tat nicht nur die Mutter, sondern für die Zeit des Vollzugs der verwirkten Freiheitsstrafe auch den Angeklagten als Vater verloren, wird damit gegen § 46 Abs. 2 StGB verstoßen, denn es werden damit Umstände zum Nachteil des Angeklagten verwertet, die nicht geeignet sind, die Tatschuld zu kennzeichnen (BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87, 88; BGH, Beschl. v. 13.4.2011 - 3 StR 114/11; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 77). |
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Urteil |
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U.1 |
Dass der Täter den Tod durch eine qualifizierte Körperverletzung verursacht hat, ist in der Urteilsformel nicht gesondert zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.4.2000 - 2 StR 112/00 betr. "gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge"). | |
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U.1.1 |
Die
Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel als minder schwerer Fall
entfällt, weil allein für die Strafzumessung von Bedeutung.
Der minder schwere Fall wird insoweit nur in der Normenkette der
angewendeten Vorschriften zum Ausdruck gebracht (vgl. BGHSt 27, 287,
289; 23, 254, 256; BGH, Beschl. v. 11.3.2008 - 3 StR 36/08; BGH,
Beschl. v. 4.9.2002 - 3 StR 192/02; BGH, Beschl. v. 22.7.2003 - 3 StR
243/03; BGH, Beschl. v. 13.8.2008 - 2 StR 332/08). siehe zur Urteilsformel auch: Urteil, § 260 StPO |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die Verjährungsfrist für die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) beträgt zwanzig Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Der Strafrahmen des § 227 Abs. 2 StGB betrifft minder schwere Fälle und bleibt bei der Bestimmung der Verjährungsfrist unberücksichtigt (§ 78 Abs. 4 StGB). | |
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Z.3 |
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Z.3.1 |
Ist
der Beschuldigte dringend verdächtig, wiederholt oder
fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende
Straftat nach § 227 StGB begangen zu haben und begründen
bestimmte Tatsachen die Gefahr, dass er vor rechtskräftiger
Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die
Straftat fortsetzen wird und ist Haft zur Abwendung der drohenden
Gefahr erforderlich, besteht der - gemäß § 112a Abs. 2
StPO subsidiäre - weitere Haftgrund nach § 112a Abs. 1 Nr. 2
StPO, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten
ist. Liegen die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls nach § 112 StPO vor und sind die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1, 2 StPO nicht gegeben, wird der Haftbefehl auch dann nach § 112 StPO erlassen, wenn Wiederholungsgefahr besteht (vgl. § 112a Abs. 2 StPO; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 112a Rdnr. 17). |
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Z.5 |
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Z.5.1 |
Die
Befugnis zum Anschluß mit der Nebenklage steht
gemäß § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO Personen zu, deren
Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine
rechtswidrige Tat nach § 227 StGB getötet wurden. Für
die Nebenklagebefugnis eines nahen Angehörigen aus § 395 Abs.
2 Nr. 1 StPO und damit die Rechtsmittelbefugnis gemäß § 395 Abs. 4 Satz 2 StPO, § 401 Abs.1 Satz 1 StPO genügt auch
ein durch den Todeserfolg qualifiziertes Delikt (vgl. BGH NStZ 1998,
476; BGH, Urt. v. 10.1.2008 - 3 StR 463/07 - NStZ 2008, 395; BGH, Urt.
v. 5.3.2008 - 2 StR 626/07 - NJW 2008, 2199; Hilger in LR StPO 25.
Aufl. § 395 Rdn. 6). siehe auch: § 395 StPO, Befugnis zum Anschluss |
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Z.6 |
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Z.6.1 |
Für Verbrechen der Körperverletzung mit Todesfolge ist (erstinstanzlich) das Schwurgericht zuständig (§ 74 Abs. 2 Nr. 8 GVG). | |
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Z.6.1.2 |
Seine
Zuständigkeit prüft das Schwurgericht als besondere
Strafkammer nach § 74 Abs. 2 GVG bis zur Eröffnung des
Hauptverfahrens gemäß § 6a Satz 1 StPO von Amts wegen.
Danach darf es seine Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten beachten. Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen (§ 6a Satz 2 und 3 StPO). siehe auch: Zuständigkeit besonderer Strafkammern, § 6a StPO |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In
§ 227 StGB wird verwiesen auf: § 223 StGB siehe auch: Körperverletzung, § 223 StGB § 224 StGB siehe auch: Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB § 225 StGB siehe auch: Mißhandlung von Schutzbefohlenen, § 225 StGB § 226 StGB siehe auch: Schwere Körperverletzung, § 226 StGB § 226a StGB Auf § 227 StGB wird verwiesen in: § 340 StGB siehe auch: Körperverletzung im Amt, § 340 StGB § 112a StPO siehe auch: Weitere Haftgründe, § 112a StPO § 74 GVG siehe auch: Zuständigkeiten, § 74 GVG |
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Z.8.2 |
§ 227 StGB wurde
geändert mit Wirkung vom 28.9.2013 durch das 47.
Strafrechtsänderungsgesetz (47. StrÄndG) vom 24. September
2013, BGBl. I S. 3671. Zuvor hatte die Vorschrift folgenden Wortlaut:
"§ 227 StGB Körperverletzung mit Todesfolge (1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. (2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen." |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 17. Abschnitt (Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit) |
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