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§
49 StGB
Besondere gesetzliche
Milderungsgründe
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. 2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. 3. Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß. (2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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5.1 |
Ob
bei Annahme des § 21
StGB (Ermessensvorschrift)
eine Milderung des Strafrahmens nach § 49 Abs. 1 StGB
vorzunehmen
oder zu versagen ist, hat der Tatrichter unter
Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls nach
pflichtgemäßem
Ermessen zu entscheiden. Bei verminderter Schuldfähigkeit ist
grundsätzlich davon auszugehen, daß der Schuldgehalt
und
damit die Strafwürdigkeit der Tat verringert ist, so
daß
regelmäßig eine Strafrahmenmilderung nach §
49 Abs. 1
StGB vorzunehmen ist, wenn nicht andere schulderhöhende
Gesichtspunkte dem entgegenstehen (st. Rspr. BGH NStZ-RR 1999, 295; BGH,
Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 386/03; BGH,
Urt. v. 11.6.2008 - 5 StR
612/07 - NStZ 2008, 619; BGH,
Beschl. v. 23.6.2010 - 2 StR 222/10;
Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 19 m.w.N.).
Umstände,
welche die Schuld erhöhen, können zur Versagung der
Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21,
49 Abs. 1 StGB
führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Einsichts-
oder
Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen. Dies
kommt
bei einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit
dann
in Betracht, wenn sie auf einer selbst zu verantwortenden,
verschuldeten Trunkenheit beruht, die dem Täter
uneingeschränkt vorwerfbar ist ("Vorverschulden"; vgl. BGH,
Beschl. v. 2.8.2012 - 3 StR 216/12; Fischer, StGB, 59. Aufl.,
§ 21
Rn. 25 ff. mwN). siehe auch: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB An die Versagung einer gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich möglichen Strafrahmenverschiebung sind, wenn die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes in Frage steht (§ 211 Abs. 1 StGB) besondere Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 93/04 - BGHSt 49, 239 - NJW 2004, 3350; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 4 StR 54/04). Wenn allein die Wahl zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe und einer zeitigen Freiheitsstrafe besteht, müssen besonders erschwerende Gründe vorliegen, um die mit den Voraussetzungen des § 21 StGB verbundene Schuldminderung so auszugleichen, daß von einer Milderung des Strafrahmens abgesehen und die gesetzliche Höchststrafe verhängt werden darf (st. Rspr., vgl. BGH NStZ-RR 2003, 136; BGH NStZ 1994, 183; BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 25; 28; BGH, Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 386/03; BGH. Urt. v. 17.6.2004 - 4 StR 54/04; BGH, Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 93/04 - BGHSt 49, 239 - NJW 2004, 3350). siehe auch: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB; Mord, § 211 StGB Rdn. S.1.1.2 - Verminderte Schuldfähigkeit Rechtsfehlerhaft ist es, wenn die Strafrahmenreduzierung nach §§ 21, 49 StGB mit der Verwirklichung des (Qualifikations-) Tatbestandes als solchem begründet wird (vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2010 - 2 StR 222/10). |
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5.2 |
Gleiches
gilt bei der Prüfung einer
Strafrahmenmilderung nach den § 23
Abs. 2 i.V.m. § 49
Abs. 1
StGB. Der Tatrichter hat neben der Persönlichkeit des
Täters
die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die
versuchsbezogenen Gesichtspunkte, die Nähe zur Tatvollendung,
die
Gefährlichkeit des Versuches und die eingesetzte kriminelle
Energie in einer Gesamtschau umfassend zu würdigen (BGHR StGB
§ 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 12, 13). Eine floskelhafte
Wendung, aus der sich lediglich ergibt, daß der Angeklagte
zwar
den Willen zur Tatbestandsverwirklichung hatte, der Erfolg aber
ausblieb, genügt diesen Erfordernissen nicht (vgl. BGH,
Beschl. v.
6.11.2002 - 5 StR 361/02; BGH,
Beschl. v. 4.11.2008 - 4 StR 196/08). siehe auch: § 23 StGB Rdn. 25 ff. m.w.N. |
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5.3 |
siehe
hierzu: § 50
StGB Rdn. 5 ff. - Minder schwerer Fall |
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10 |
Führt
die Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB zu einem milderen
Strafrahmen
als die Annahme eines minder schweren Falles unter Verbrauch des
vertypten Milderungsgrundes, so ist der Tatrichter nicht von vornherein
gehalten, bei der Bemessung der Strafe von dem milderen Strafrahmen
auszugehen, auch wenn dies im Zweifel nahe liegen mag. Er hat vielmehr
im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen und
darzulegen,
welchen Strafrahmen er nach den konkreten Umständen des
Einzelfalles für angemessen hält (BGH, Urt. v.
28.5.2013 - 3
StR 54/13; BGH, Beschl. v. 12.2.2014 - 1 StR 10/14; Fischer, StGB, 60.
Aufl., § 50 Rn. 5 mwN). Nicht zulässig ist es (vgl.
BGH,
Beschl. v. 12.10.2005 – 1 StR 369/05 -
NStZ-RR 2006, 6; BGH, Beschl. v. 15.10.1991 – 1 StR
548/91;
BGH,
Beschl. v. 12.2.2014 - 1 StR 10/14), in diesem
Zusammenhang der
erheblichen Schuldminderung ein geringeres Gewicht beizumessen, weil
sie nicht positiv festgestellt, sondern lediglich aufgrund des
Zweifelssatzes unterstellt worden ist (vgl. zur Anwendung des
Zweifelssatzes auf nicht behebbare tatsächliche Zweifel
hinsichtlich
Art und Grad des psychischen Ausnahmezustands BGH, Beschl. v.
25.7.2006 – 4 StR 141/06 - NStZ-RR 2006, 335; BGH,
Urt. v.
29.4.1997 –
1 StR 511/95 - BGHSt 43, 66). Denn auch in den
Fällen, in
denen unter
Anwendung des Zweifelssatzes von einem bestimmten Sachverhalt
auszugehen ist, ist dieser Sachverhalt bei der rechtlichen
Würdigung
von der gleichen Bedeutung, wie ein zur Überzeugung des
Gerichts
festgestellter (BGH, Urt. v. 9.2.2000 – 3 StR 392/99 -
NStZ-RR
2000,
166; BGH, Beschl. v. 12.2.2014 - 1 StR 10/14). Auf die Zahl der festgestellten und zur Begründung des minder schweren Falls herangezogenen vertypten Milderungsgründe kommt es dabei nicht entscheidend an (vgl. BGH, Urt. v. 4.8.2004 - 2 StR 183/04; BGH, Urt. v. 28.5.2013 - 3 StR 54/13). Beispiel: Das Tatgericht hat dem Angeklagten eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Tat zugebilligt (§ 21 StGB). Unter Verbrauch sowohl dieses Strafmilderungsgrundes als auch der Möglichkeit, den Versuch milder als die vollendete Tat zu bestrafen (§ 23 Abs. 2 StGB), hat es einen minder schweren Fall des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB angenommen und bei der Bemessung der Freiheitsstrafe den Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zu Grunde gelegt. Davon, stattdessen den Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB zweifach nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, hat das Tatgericht abgesehen (vgl. BGH, Urt. v. 28.5.2013 - 3 StR 54/13). Die Milderungsmöglichkeit nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB führt lediglich dazu, daß der Strafrahmen für die betreffende Einzelstrafe ermäßigt wird. Dagegen bleibt der Rahmen des § 54 Abs. 1 und 2 StGB für die Bildung der Gesamtstrafe unverändert. Lediglich bei der zusammenfassenden Bewertung des gesamten Schuldumfanges aller Taten im Rahmen der Gesamtstrafenbildung (vgl. BGHSt 24, 268, 270) wird auch der Umstand einer verminderten Schuldfähigkeit Bedeutung erlangen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.6.2002 - 3 StR 132/02). siehe hierzu auch: § 54 StGB Rdn. 20 - Zumessungsakt und § 54 StGB Rdn. 60 - Gesamtstrafenbildung und Milderungsmöglichkeit nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB; siehe ferner zu den Urteilsfeststellungen zur Strafrahmenverschiebung bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB: § 21 StGB Rdn. U.2 - Urteilsfeststellungen |
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15 |
Beispiel: Das Tatgericht bewertet die Tat unter gleichzeitigem Verbrauch des gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemäß § 21 StGB als minder schweren Fall im Sinne von § 227 Abs. 2 StGB, wonach auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen ist. Gleichwohl geht es von einer Strafrahmenuntergrenze von sechs Monaten aus, die sich nach einer Strafrahmenverschiebung des Grundstrafrahmens gemäß § 227 Abs. 1 StGB über §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB ergibt und setzt die Strafrahmenobergrenze mit zehn Jahren gemäß § 227 Abs. 2 StGB an. Eine solche Kombination unterschiedlicher Strafrahmen ist jedoch nicht möglich (vgl. BGH NStZ 2001, 532; BGH, Beschl. v. 15.1.2003 - 1 StR 511/02; BGH, Beschl. v. 8.5.2008 - 3 StR 150/08; Fischer, StGB 55. Aufl. § 46 Rdn. 84 a). | |
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35 |
Nach
§ 49 Abs. 2 StGB wird der angedrohte
Strafrahmen nur im Mindestmaß
gemildert, nicht hingegen auch
die
angedrohte Höchststrafe im Strafrahmen herabgesetzt, wie dies
bei
§ 49 Abs. 1 StGB der Fall ist (vgl. BGH,
Urt. v. 29.5.2008 - 3
StR
105/08). Soweit bei der Ablehnung der Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 2 StGB entscheidend darauf abgestellt wird, dass die sich daraus ergebende Strafuntergrenze von einem Monat Freiheitsstrafe (oder Geldstrafe) in keinem Fall angemessen erscheine, um den vom Angeklagten begangenen Taten hinreichend gerecht zu werden, ist zu berücksichtigen, dass eine tat- und schuldangemessene Strafe innerhalb des jeweiligen Strafrahmens zu finden ist. Da eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 2 StGB die Obergrenze nicht verändert, erscheint es ausgeschlossen, dass innerhalb des gemilderten Strafrahmens keine angemessene Bestrafung möglich sein sollte (vgl. BGH, Beschl. v. 30.9.2009 - 2 StR 323/09 - NStZ-RR 2010, 26). |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
Auf
§ 49 StGB (ohne Absatzangabe) wird verwiesen in: § 50 StGB siehe auch: Zusammentreffen von Milderungsgründen, § 50 StGB Auf § 49 Abs. 1 StGB wird verwiesen in: § 13 StGB siehe auch: Begehen durch Unterlassen, § 13 StGB § 17 StGB siehe auch: Verbotsirrtum, § 17 StGB § 21 StGB siehe auch: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB § 23 StGB siehe auch: Strafbarkeit des Versuchs, § 23 StGB § 27 StGB siehe auch: Beihilfe § 27 StGB § 28 StGB siehe auch: Besondere persönliche Merkmale, § 28 StGB § 30 StGB siehe auch: Verabredung eines Verbrechens, § 30 StGB § 46a StGB siehe auch: Täter-Opfer-Ausgleich, § 46a StGB § 46b StGB siehe auch: Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten, § 46b StGB § 111 StGB siehe auch: Öffentliche Aufforderung zu Straftaten § 111 § 142 StGB siehe auch: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 StGB § 239a StGB siehe auch: Erpresserischer Menschenraub, § 239a StGB § 31 BtMG siehe auch: § 31 BtMG, Strafmilderung oder Absehen von Strafe Auf § 49 Abs. 2 StGB wird verwiesen in: § 23 Abs. 3 StGB siehe auch: Strafbarkeit des Versuchs, § 23 StGB § 83a StGB siehe auch: Tätige Reue, § 83a StGB § 84 StGB siehe auch: Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei, § 84 StGB § 89a StGB siehe auch: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat , § 89a StGB § 90 StGB siehe auch: Verunglimpfung des Bundespräsidenten, § 90 StGB § 98 StGB siehe auch: Landesverräterische Agententätigkeit, § 98 StGB § 113 StGB siehe auch: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, § 113 StGB § 129 StGB siehe auch: Bildung krimineller Vereinigungen § 129 § 129a StGB siehe auch: Bildung terroristischer Vereinigungen, § 129a StGB § 157 StGB siehe auch: Aussagenotstand, § 157 StGB § 261 StGB siehe auch: Geldwäsche, § 261 StGB § 306e StGB siehe auch: Tätige Reue, § 306e StGB |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 2. Titel (Strafbemessung) |
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