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§
239a StGB
Erpresserischer Menschenraub
(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. (3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. (4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 239a Abs. 1 StGB |
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Des
erpresserischen Menschenraubes macht sich schuldig, wer einen
Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die
Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl
des Opfers zu einer Erpressung gemäß § 253
StGB
auszunutzen, oder wer die durch eine solche Handlung geschaffene Lage
eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt. Im Hinblick auf
den Anwendungsbereich klassischer Delikte mit
Nötigungselementen wie § 177,
§§ 249
ff.,
§§ 253
ff. StGB ist der Tatbestand des § 239a
Abs. 1
StGB im Zwei-Personen-Verhältnis, insbesondere für Fälle
des Sichbemächtigens, allerdings einschränkend auszulegen.
Der Täter muss durch die Anwendung von Gewalt oder durch Drohungen
gegen das Opfer eine stabile Bemächtigungslage schaffen und
beabsichtigen, diese Lage für sein weiteres Vorgehen auszunutzen,
wobei dieser mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine
eigenständige Bedeutung zukommen muss. Mit der eigenständigen
Bedeutung der Bemächtigungslage ist - insbesondere in Abgrenzung
zu den Raubdelikten - lediglich gemeint, dass sich über die in
jeder mit Gewalt verbundenen Nötigungshandlung liegende
Beherrschungssituation hinaus eine weitergehende Drucksituation auf das
Opfer gerade auch aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben muss.
Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt daher nicht vor, wenn
sich der Täter des Opfers durch Nötigungsmittel
bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung
dienen, wenn also Bemächtigungs- und Nötigungsmittel
zusammenfallen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.1994 – GSSt 1/94 - BGHSt 40,
350 ff., 359; BGH,
Urt. v. 31.8.2006 - 3
StR 246/06 - BGHR StGB § 239a Sichbemächtigen 9,
Tz. 8 - NStZ
2007, 32; BGHR StGB § 239 a Abs. 1
Anwendungsbereich 1 und
Sich-bemächtigen 4, 8; BGH NJW 1997, 1082 f. und NStZ 2006, 448
f.; BGH,
Beschl. v. 4.12.2007 - 3 StR 459/07 - NStZ-RR 2009, 130; BGH,
Urt. v. 2.2.2012 - 3 StR 385/11 - NStZ-RR 2012, 173, 174; BGH, Beschl.
v. 9.9.2015 - 4 StR 184/15 betr.
Preisgabe der PIN; vgl.
auch BGH,
Beschl. v. 28.5.2009 - 3 StR 172/09 - NStZ 2009, 632; BGH,
Beschl. v. 11.2.2014 - 4 StR 522/13). Die für § 239a Abs. 1 StGB erforderliche stabile Bemächtigungslage ist bei einem "Dreipersonenverhältnis" regelmäßig gegeben (vgl. BGHSt 40, 350, 356; BGH NStZ 1986, 166; 2002, 31, 32; NStZ-RR 2000, 367; BGH, Beschl. v. 10.3.1999 - 2 StR 614/98 - StV 1999, 646 mit krit. Anm. Renzikowski; BGH, Urt. v. 11.4.2002 - 4 StR 2/02 - NStZ-RR 2002, 213: betr. Banküberfall mit bedrohtem Kunden). Der Tatbestand ist nicht erfüllt, wenn die dem Opfer abgepresste Handlung erst nach der Freilassung erfolgen soll (vgl. BGH StV 1997, 302, 303; StV 2007, 354; BGH, Beschl. v. 20.9.2007 - 4 StR 334/07; BGH, Urt. v. 14.3.2012 - 2 StR 547/11), so etwa, wenn es den Angeklagten darauf ankommt, den Geschädigten während der Dauer der Zwangslage einzuschüchtern und seine entsprechende Bereitschaft zu einer späteren Zahlung nach erfolgter Freilassung zu wecken (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 109, 110; NStZ-RR 2009, 16, 17; BGH, Urt. v. 14.3.2012 - 2 StR 547/11). Dies gilt auch dann, wenn der Täter eine aus anderen Motiven begründete Entführungs- oder Bemächtigungslage zu einer Erpressung ausnutzen will (§ 239a Abs. 1 2. Alt. StGB; vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2007 - 3 StR 459/07 - NStZ-RR 2009, 130; Fischer StGB 55. Aufl. § 239a Rdn. 10). Die Tatvariante des Ausnutzungstatbestandes im Sinne von § 239a Abs. 1 Halbs. 2 StGB liegt vor, wenn sich der Täter nach einer von ihm selbst oder ihm zurechenbar von einem Mittäter geschaffenen Bemächtigungssituation entschließt, diese zu einer Erpressung auszunutzen (BGH, Beschl. v. 11.2.2014 - 4 StR 522/13; SSW-StGB/ Schluckebier, 2. Aufl., § 239a Rn. 14). Da der Tatbestand der Erpressung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den des Raubes mit umfasst, vermag die etwa die in diesem Zusammenhang festgestellte, im weiteren Geschehensverlauf in der Wohnung des Geschädigten erfolgte von Gegenständen eine Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubes grundsätzlich zu begründen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – 3 StR 459/07 - NStZ-RR 2009, 16, 17 mwN; BGH, Beschl. v. 11.2.2014 - 4 StR 522/13). |
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10 |
Der
Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes setzt ein
Entführen oder ein Sich-Bemächtigen eines Menschen voraus.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt im -
auch bei zwei Mittätern gegebenen -
„Zwei-Personen-Verhältnis„
(Täter-Opfer) ein
Sich-Bemächtigen vor, wenn der Täter die physische Herrschaft
über einen anderen erlangt, wobei weder eine Ortsveränderung
erforderlich ist, noch der Tatbestand der Freiheitsberaubung
erfüllt sein muss (BGHR StGB § 239a Abs. 1
Sich-Bemächtigen 6, 7; BGH,
Urt. v. 8.3.2006 - 5 StR 473/05 - NStZ
2006, 448: Anregung des Opfes, zum Geldautomaten zu fahren; BGH,
Urt.
v. 22.10.2009 - 3 StR 372/09 - NStZ-RR 2010, 46; BGH,
Beschl. v. 5.8.2015 - 1 StR 328/15). Allerdings ist bei
einem "Zwei-Personen-Verhältnis"
(Täter-Opfer) weitere
Voraussetzung, dass die Bemächtigungssituation
im Hinblick auf die
erstrebte Erpressungshandlung eine eigenständige
Bedeutung hat;
sie erfordert daher eine gewisse Stabilisierung der Beherrschungslage,
die der Täter zur Erpressung (oder zum Raub, vgl. hierzu etwa BGH,
Urt. v. 8.5.2013 - 2 StR 558/12) ausnutzen
will (vgl. BGH, Beschl. v.
22.11.1994 - GSSt 1/94 - BGHSt 40, 350
ff., 359; BGH StV 1996, 266; BGH,
Urt. v. 8.3.2006 - 5 StR 473/05 -
NStZ 2006, 448; BGH,
Urt.
v. 22.10.2009 - 3 StR 372/09 - NStZ-RR
2010,
46; BGH, Urt. v. 2.2.2012 - 3 StR 385/11; Fischer, StGB, 59. Aufl.,
§ 239a Rn. 7). Zwar muss der stabilisierten Bemächtigungslage
mit Blick auf das Vermögensdelikt eigenständige Bedeutung
zukommen. Damit ist aber nur gemeint, dass sich über die in jeder
mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende
Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation aus
der stabilen Bemächtigungslage ergeben haben muss (vgl. BGH, Urt.
v. 8.5.2013 - 2 StR 558/12; BGH, Urt. v. 2.2.2012 – 3 StR 385/11
- NStZ-RR 2012, 173, 174; BGH, Urt. v. 2.6.2015 - 5 StR 80/15). Dies
ist auch in der Weise möglich,
daß
das Opfer -
selbst über eine größere Distanz - mit einer scheinbar
echten Schußwaffe bedroht und derart in Schach gehalten wird,
daß es an einer freien Bestimmung über sich selbst gehindert
ist (vgl. BGH, Beschl. v. 10.3.1999 - 2 StR 614/98 - StV 1999, 646;
NStZ 1999, 509; 1986, 166; BGHR StGB § 239 a Abs. 1
Sichbemächtigen 1; BGH, Urt. v. 5.5.1999 - 2 StR 579/98 - jew.
m.w.N.; BGH,
Urt. v. 19.9.2001 - 2 StR 240/01 - NStZ 2002, 31). Beispiel: Die Angeklagten suchten am Tatabend in sog. Chatrooms im Internet, in denen sie sich unter einem Frauennamen angemeldet hatten, nach einem Mann, um diesen zu einer vermeintlichen Verabredung an einen günstigen Ort zu locken und dort sodann mittels Gewalt an dessen Geld zu gelangen. Als Lockvogel diente ihnen die mit dem Angeklagten A befreundete Angeklagte B. Es gelang ihnen, den Nebenkläger zu einem nächtlichen Treffen am Busbahnhof Viersen zu veranlassen, wo B auf ihn wartete und ihn in den nahe gelegenen Stadtpark führte. Plangemäß wurde er dort von den Angeklagten A und C überfallen. Der Angeklagte C brachte ihn durch einen Faustschlag zu Boden. Sodann traten und schlugen beide auf ihn ein. Der Angeklagte A hielt ihm eine Machete an den Hals. Unter der wiederholten Drohung, ihm Körperteile abzuschneiden, forderten beide Angeklagte die Herausgabe von Geldbörse, Armbanduhr und Mobiltelefon. Der Nebenkläger übergab den Geldbeutel und die Uhr. Das Telefon hatte er bei dem Sturz verloren. Als sich im Portemonnaie nur ein paar Münzen anfanden, zwangen die Angeklagten den Nebenkläger, in sein Fahrzeug einzusteigen, und fuhren mit ihm zur Sparkasse, wo er 200 € am Geldautomaten abheben und an sie übergeben musste. Diese Feststellungen legen nahe, dass die Angeklagten mittels Gewalt und Drohung mit Leibes- und Lebensgefahr die physische Herrschaft über ihr Opfer erlangt hatten und eine so von ihnen geschaffene stabile Bemächtigungslage (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.1994 - GSSt 1/94 - BGHSt 40, 350; BGH, Beschl. v. 3.8.1995 - 4 StR 435/95 - BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 4; BGH, Urt. v. 8.3.2006 - 5 StR 473/05 - NStZ 2006, 448; BGH, Urt. v. 31.8.2006 - 3 StR 246/06 - BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 9) für die Fortsetzung ihres erpresserischen Verhaltens ausnutzten, indem sie den Nebenkläger zwangen, mit ihnen in seinem Auto zur Sparkasse zu fahren, Geld abzuheben und ihnen zu übergeben (vgl. BGH, Urt. v. 2.9.2010 - 3 StR 273/10 - NStZ 2011, 106). Da der Tatbestand der Erpressung die Raubhandlung mit umfasst, liegt ein erpresserischer Menschenraub auch dann vor, wenn die Bemächtigungslage für einen Raub im Sinne des § 249 StGB ausgenutzt wird (BGH NStZ 2002, 31, 32; BGH, Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 197/04 - NStZ-RR 2004, 333, 334; BGH, Urt. v. 8.3.2006 - 5 StR 473/05 - NStZ 2006, 448; BGH, Beschl. v. 4.12.2007 - 3 StR 459/07 - NStZ-RR 2009, 130: BGH, Urt. v. 22.10.2009 - 3 StR 372/09 - NStZ-RR 2010, 46; BGH, Beschl. v. 13.11.2012 - 3 StR 422/12). In sog. "Drei-Personen-Verhältnissen" kommt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Bemächtigungslage und deren Stabilisierung geringere Bedeutung zu als in sog. Zwei-Personen-Verhältnissen (vgl. BGH, Beschl. v. 5.8.2015 - 1 StR 328/15; Nachw. bei Fischer, StGB, 62. Aufl., § 239a Rn. 8b). |
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10.5 |
Die Tatvariante des § 239a
Abs. 1 Alt. 2
StGB kann nach ihrem
eindeutigen Wortlaut nicht in der Weise verwirklicht werden kann, dass
der Täter die durch einen Dritten mittels Entführung oder in sonstiger
Weise begründete Bemächtigungslage des Opfers lediglich zu einer
Erpressung ausnutzt. Allein hierauf beschränkt sich indes die
tatbestandliche Einschränkung der Vorschrift. Sie mag daher einer
Verwirklichung des erpresserischen Menschenraubs in der Form entgegen
stehen, dass dem (gegebenenfalls nur als "Trittbrettfahrer":
vgl. MüKoStGB/Renzikowski,
2. Aufl., § 239a Rn. 60 mwN) später durch erpresserische Handlungen in
das Geschehen eingreifenden Täter die von Dritten zuvor begründete und
weiter aufrecht erhaltene Bemächtigungslage über die Rechtsfigur der
sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet wird (so etwa Immel, Die
Gefährdung von Leben und Leib durch Geiselnahme (§§ 239a,
239b StGB),
2001, S. 325; vgl. demgegenüber bei zwar nicht eigenhändiger, aber
mittäterschaftlicher Begründung der Bemächtigungslage durch den später
aktiv Eingreifenden: BGH,
Beschl. v. 1.12.2000 - 2 StR
379/00 - NStZ 2001, 247 f.; bei Begründung der
Bemächtigungslage in
mittelbarer Täterschaft: Schönke/Schröder-Eser/Eisele, StGB, 28. Aufl.,
§ 239a Rn. 21; Renzikowski aaO). Sie schließt es indes nicht aus, dass
der später Hinzutretende § 239a
Abs. 1 StGB in anderer Weise
verwirklicht (BGH, Beschl. v. 19.9.2013 - 3 StR 119/13). Dazu gilt: Befindet sich das Opfer bereits in der Gewalt von Dritten, die dieses entführt oder sich seiner in sonstiger Weise bemächtigt haben, so kommt durchaus in Betracht, dass ein sich erst danach an dem Geschehen beteiligender Täter eigenständig Gewalt über das Opfer erlangt. So liegt es jedenfalls dann, wenn er durch sein Eingreifen die Situation des Opfers qualitativ ändert und über das Fortbestehen der Bemächtigungslage nunmehr maßgeblich selbst bestimmt (vgl. Renzikowski aaO Rn. 34 und 60). Es gilt hier nichts anderes als in den Fällen, in denen sich das Opfer aufgrund anderer Umstände bereits in einer hilflosen Lage befindet und sich der Täter dies zunutze macht, um das Opfer in seine Gewalt zu bringen (vgl. Renzikowski aaO). Tut er dies in der Absicht, die so gewonnene Herrschaft über das Opfer zu dessen Erpressung auszunutzen, so verwirklicht er in beiden Fallgestaltungen den Tatbestand des § 239a Abs. 1 Alt. 1 StGB (BGH, Beschl. v. 19.9.2013 - 3 StR 119/13). |
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15 |
Zwischen
der Entführungslage und der beabsichtigten Erpressung
muss ein solcher funktionaler und zeitlicher Zusammenhang bestehen,
dass der Täter das Opfer (oder einen Dritten) während der
Dauer der Zwangslage erpressen will; denn der Zweck der
Regelung des
§ 239a
StGB besteht gerade darin, das Entführen oder
Sichbemächtigen des Opfers deshalb besonders unter Strafe zu
stellen, weil der Täter seine Drohung während der Dauer der
Zwangslage jederzeit realisieren kann und das Opfer aus Sorge um sein
Wohl die erstrebte Vermögensverfügung noch während des
Bestehens der Bemächtigungslage vornehmen wird (st. Rspr.;
vgl. BGH NJW 1996,
2171 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 28.11.1995 - 4 StR 641/95 - BGHR StGB
§ 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5;
BGHSt 40, 350, 355 zu § 239 b StGB; BGH,
Urt. v. 19.9.2001 - 2 StR 240/01 -
NStZ 2002, 31; BGH,
Beschl. v. 8.4.2005 - 2 StR 111/05; BGH,
Beschl. v. 14.3.2007 - 2 StR 576/06; BGH,
Beschl. v. 19.6.2007 - 3 StR
124/07 - StraFo 2007, 429; BGH,
Beschl. v. 20.9.2007 - 4 StR 334/07;
BGH,
Beschl. v.
27.5.2008 - 4 StR 150/08 - NStZ 2008, 569; BGH, Beschl. v.
5.4.2016 - 3
StR 550/15 Rn. 6; Fischer StGB 55. Aufl.
§ 239 a Rdn. 7 m.w.N.). Dies ist gegeben, wenn es dem Angeklagten darauf ankam, Drohungen und Gewalt dazu zu benutzen, dem Opfer die verlangten Geldleistungen bereits während der Entführung abzupressen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2007 - 3 StR 124/07). Ausreichend ist hierbei, wenn sich der Angeklagte vorgestellt hatte, auf die Forderung noch an Ort und Stelle wenigstens einen Teilbetrag zu bekommen Denn bereits dann ist der erforderliche funktionale und zeitliche Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung (BGH NJW 1996, 2171 f.) gegeben (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2006 - 3 StR 366/06). Auch in der Begleitung eines Opfers durch einen physisch überlegenen Bewacher, der entschlossen ist, etwaige Fluchtversuche zu unterbinden, liegt eine solche Bemächtigung (BGH NStZ 2006, 448; BGH, Urt. v. 23.11.2006 - 3 StR 366/06). Diese setzt keine so umfassende Sicherung voraus, dass eine Schutz- oder Fluchtmöglichkeit "ausgeschlossen" ist. Deshalb besagt etwa der Umstand, dass dem Opfer beim Verlassen des Aufzugs wegen der zufälligen Anwesenheit von hilfsbereiten Dritten die Flucht gelungen ist, nicht, dass vorher keine physische Beherrschung durch den mit einem Messer bewaffneten Bewacher vorgelegen hätte (BGH, Urt. v. 23.11.2006 - 3 StR 366/06). Sieht dagegen der Tatplan vor, dass die Leistung, die der Täter erpressen will, erst zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem die Bemächtigungslage bereits beendet ist, fehlt es an der Absicht des Ausnutzens gemäß § 239a Abs. 1 StGB (BGH, Beschl. v. 20.9.2007 - 4 StR 334/07; BGH, Beschl. v. 27.5.2008 - 4 StR 150/08 - NStZ 2008, 569; BGH, Beschl. v. 7.11.2013 - 4 StR 340/13; vgl. auch BGH, Beschl. v. 5.4.2016 - 3 StR 550/15). Beispiel: Die Geldzahlung sollte – auch nach der Vorstellung der Angeklagten – erst nach Beendigung der Bemächtigungslage erfolgen, nachdem der Geschädigte frei gelassen wurde, um die Wohnung seiner Eltern aufzusuchen und das Geld dort zu beschaffen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.2013 - 4 StR 340/13). Beispiel: Da ihre wiederholten Bemühungen nur zur Zahlung eines geringen Teilbetrages geführt hatten, planten die Angeklagten, "die Zeugen an einen für sie unbekannten Ort zu verbringen, um dort unter Androhung von Gewalt die Zahlungsbereitschaft der Zeugen zu erhöhen". Zu diesem Zweck verbrachten sie die Zeugen in ein dunkles Waldstück. Dort versprachen die verängstigten Zeugen schließlich, um die in Aussicht gestellten Gewaltanwendungen zu vermeiden, am folgenden Tag eine weitere Teilzahlung zu erbringen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2007 - 4 StR 334/07). Hat der Angeklagte das Opfer mit Drohungen gegen sein Leben und das seiner Familie mit der Forderung entlassen, das Lösegeld später zu zahlen, reicht dies für die Annahme des erforderlichen engen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Entführung und Zahlung nicht aus (vgl. BGH NJW 1996, 2171; BGH, Beschl. v. 19.6.2007 - 3 StR 124/07). Beispiel: Die Angeklagten hatten sich der Geschädigten bemächtigt und unter Drohungen aufgefordert, Zahlungen zu erbringen. Jedoch sollten diese erst zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem sie aus der Gewalt der Angeklagten entlassen waren. Da die Geschädigten sich das Geld beschaffen mussten, war Voraussetzung für die Erfüllung der Forderung der Angeklagten die Beendigung der Bemächtigungslage. Unter diesen Umständen fehlt es an dem zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung erforderlichen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang und subjektiv auch an der erforderlichen Absicht des "Ausnutzens" im Sinne von § 239a StGB (vgl. BGH NStZ 2005, 508; BGH, Beschl. v. 14.3.2007 - 2 StR 576/06). Haben sich die Angeklagten des Tatopfers nicht bereits in Erpressungsabsicht bemächtigt, kommt in Betracht, dass sie die stabilisierte Bemächtigungslage zumindest zu einer Erpressung ausnutzten (§ 239a Abs. 1 2. Halbs. StGB; vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2009 - 3 StR 372/09 - NStZ-RR 2010, 46 betr. weitere gewaltsame Erpressungen des gefesselt am Boden liegenden Tatopfers, nachdem dieses zuvor den mit Geld und Wertsachen gefüllten Tresor geöffnet hatte). Beispiel: Der Angeklagte und sein Mittäter haben die Zeugin entführt und sich ihrer bemächtigt, als sie die Zeugin mit aufgesetzter Pistole zwangen in das Fahrzeug einzusteigen und mehrere Stunden mitzufahren. Zwar verfolgten sie damit zunächst nur den Zweck, sie daran zu hindern, alsbald Anzeige zu erstatten. Durch die Entführung war jedoch eine Zwangslage für die Zeugin geschaffen, die sie dem ungehemmten Einfluß der Täter aussetzte und die der Angeklagte und sein Mittäter in der Folge nutzten, um sie mit mindestens konkludenten Todesdrohungen zur Herausgabe von Geld zu nötigen. Die Zeugin, die auch nach dem Wechsel auf die Rückbank von dem neben ihr sitzenden Angeklagten weiterhin mit der Pistole bedroht wurde, gab - wie für den Angeklagten und seinen Mittäter offensichtlich war - das Geld allein unter dem Eindruck der andauernden Todesdrohungen heraus (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2002 - 2 StR 266/02). Dies genügt für die zweite Alternative des § 239a Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2002 - 2 StR 266/02). Beispiel: Bei einem "Banküberfall" stellt sich die Fesselung der Sparkassenmitarbeiter regelmäßig als Mittel der Raubhandlung dar, ohne das dieser eine darüber hinausgehende eigenständige Bedeutung zukommt. Mit der aufgrund der Fesselung entstandenen Bemächtigungssituation soll hierbei ein möglicher Widerstand der Opfer ausgeschaltet werden, es soll aber nicht - was nach § 239a StGB Voraussetzung wäre - aus einer gesicherten und stabilisierten Beherrschungslage durch weitere Nötigungshandlungen eine Vermögensverfügung der Opfer herbeigeführt werden (vgl. BGH NStZ 2006, 448, 449; BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 4, 8, 9; BGH, Beschl. v. 19.12.2007 - 5 StR 534/07). Eine Erörterung der Voraussetzungen des § 239b Abs. 2 i.V.m. § 239a Abs. 4 StGB ist in Fällen der versuchten Geiselnahme jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn keine gewisse Stabilisierung der Bemächtigungslage eingetreten ist (vgl. BGH, Beschl. v. 27.9.2006 - 2 StR 278/06). siehe zum Tatbestandsmerkmal Sich-Bemächtigen auch: Geiselnahme, § 239b StGB; Menschenhandel, § 232 StGB Nach ständiger Rechtsprechung macht sich der Täter eines Banküberfalls - tateinheitlich zum Erpressungsdelikt - auch wegen erpresserischen Menschenraubs schuldig, wenn er die durch den Einsatz einer (Schein-)Waffe erlangte physische Herrschaft über einen Bankkunden dazu ausnutzt, den Kassierer zu veranlassen, ihm aus Angst um das Leben des Bankkunden die erstrebte Beute zu übergeben (vgl. nur BGHSt 25, 386; BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 1, 6, 7, 8; BGH, Urt. v. 19.9.2001 - 2 StR 240/01 - NStZ 2002, 31; BGH, Urt. v. 11.4.2002 - 4 StR 2/02 - NStZ-RR 2002, 213). Danach kommt es für die Erfüllung des Tatbestands des § 239a Abs. 1 StGB darauf an, ob der Angeklagte die Bankkundin an einer freien Bestimmung über sich selbst gehindert hat und er in der Absicht handelte, seine mit erpresserischen Mitteln begehrte unrechtmäßige Bereicherung durch die Sorge des Kassierers um das Wohl der bedrohten Kundin zu erreichen (vgl. BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 3, 5; BGH NStZ 1986, 166; 2002, 31, 32; BGH, Urt. v. 11.4.2002 - 4 StR 2/02 - NStZ-RR 2002, 213). Hatten der Angeklagte und weitere Mitangeklagte den Nebenkläger unter Androhung von Gewalt gezwungen, sie nachts mit seinem Pkw umherzufahren und zum Teil auch selbst fahren zu lassen, und hatten ihn dann über Stunden hinweg an verschiedenen Orten „schikaniert, terrorisiert, geschlagen, gequält und erheblich verletzt„ - liegt es sehr fern, „noch keine Bemächtigungslage„ für den Zeitpunkt anzunehmen, als der Angeklagte von dem „bereits extrem eingeschüchterten und verängstigten„ Nebenkläger unter Androhung von Schlägen die Herausgabe seines Mobiltelefons erzwang (vgl. BGH, Beschl. v. 21.4.2009 - 1 StR 163/09; Fischer, StGB 56. Aufl. § 239a Rdn. 4). |
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18 |
Der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 Halbsatz 2 StGB (Ausnutzungsvariante) ist bereits dann vollendet, wenn der Täter (während der Bemächtigungslage und unter Ausnutzung derselben) den Versuch einer Erpressung begeht (vgl. BGH, Urt. v. 31.8.2006 - 3 StR 246/06 - NStZ 2007, 32, 33; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 239a Rn. 12, 14), also unmittelbar zur Nötigung einer Person ansetzt, durch welche dem Vermögen der genötigten (oder einer anderen) Person in (rechtswidriger) Bereicherungsabsicht noch während des Andauerns der Bemächtigungslage ein Vermögensnachteil zugefügt werden soll (BGH, Urt. v. 2.2.2012 - 3 StR 385/11). | |
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20 |
Wollten die Täter in der Bank das Geld aus der Kasse an sich bringen, kann fraglich sein, ob sie von vornherein beabsichtigten, das Geld selbst wegzunehmen, ob sie die Herausgabe erzwingen wollten oder ob sie beide Möglichkeiten je nach der sich ergebenden Situation in ihre Tatabsichten einbezogen hatten. Im ersten Fall hätten sie einen schweren Raub beabsichtigt, im zweiten Fall eine schwere räuberische Erpressung und im dritten Fall hätten sie beide Möglichkeiten in ihre Tatplanung einbezogen. In allen Fällen hätten die Täter aber tatbestandlich auch eine Erpressung beabsichtigt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 14, 386, 390 m.w.N.) ist anerkannt, daß der Tatbestand der Erpressung den des Raubs mitumfaßt. Der Raub ist insofern der besondere Tatbestand gegenüber dem allgemeineren des § 255 StGB. Der engere Tatbestand des Raubs schließt zwar die Anwendung des weiteren Tatbestands der räuberischen Erpressung insoweit aus, als seine Voraussetzungen vorliegen. Das ändert aber nichts daran, daß neben dem speziellen Tatbestand des Raubs zugleich auch der allgemeinere Tatbestand der räuberischen Erpressung erfüllt ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.2001 - 2 StR 240/01 - NStZ 2002, 31). | |
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25 |
Bei
der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit
des erstrebten
Vermögensvorteils ein normatives
Tatbestandsmerkmal, auf das sich
der - zumindest bedingte - Vorsatz des Täters erstrecken muß
(vgl. BGHSt 4, 105; BGH NStZ-RR 1999, 6; BGH StV 2000, 79). Stellt sich
deshalb der Täter für die erstrebte Bereicherung eine
Anspruchsgrundlage vor, die in Wirklichkeit nicht besteht oder von der
Rechtsordnung nicht geschützt ist, so handelt er in einem
Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. BGH
StV 2000, 79; BGH,
Beschl. v. 21.2.2002 - 4 StR 578/01 - NStZ 2002,
481). siehe dazu auch: Erpressung, § 253 StGB --> Rdn. 15 ff. u. 30; § 16 StGB, Irrtum über Tatumstände --> Rdn. 50.2 |
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25.5 |
Dass sich die Angeklagten anstatt des Zeugen A. des Zeugen B. bemächtigten, ist nach den Grundsätzen des "error in persona" unbeachtlich (vgl. BGH, Urt. v. 5.8.2010 - 3 StR 210/10; Schönke/Schröder-Cramer/Sternberg-Lieben, StGB 28. Aufl. § 15 Rn. 59; Fischer, StGB 57. Aufl. § 16 Rn. 5). | |
... (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. ... |
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35 |
siehe hierzu: Zusammentreffen
von Milderungsgründen, § 50 StGB Hat das Tatgericht bei der Bemessung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten einen minder schweren Fall nach § 239a Abs. 2, § 239b Abs. 2 StGB mit der Begründung abgelehnt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nach einer - nicht näher ausgeführten - Gesamtwürdigung nicht "unangemessen hart" sei und sodann den Strafrahmen des § 239b Abs. 1 StGB nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemildert, ist dies rechtsfehlerhaft, weil zunächst hätte geprüft werden müssen, ob die allgemeinen Milderungsgründe gegebenenfalls unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes zur Annahme eines minder schweren Falles führen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.9.2012 - 3 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 26.10.2011 - 2 StR 218/11 - NStZ 2012, 271, 272 mwN). siehe zur Strafbemessung im Zshg. mit § 239a Abs. 2 StGB auch: BGH, Urt. v. 12.6.2013 - 5 StR 93/13 |
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... (3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. ... |
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45 |
Soweit
der Gesetzgeber die leichtfertige
Todesverursachung unter Strafe
gestellt hat, umschreibt das Gesetz nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dem Begriff der
Leichtfertigkeit ein Verhalten, das - bezogen auf den Todeseintritt -
einen hohen Grad von Fahrlässigkeit aufweist. Leichtfertig handelt
hiernach, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines
tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer
Gleichgültigkeit außer Acht lässt (BGHSt 33, 66, 67;
BGH,
Urt. v. 4.2.2010 - 4 StR 394/09). siehe auch: Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln, § 15 StGB --> Rdn. 65 |
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45.5 |
Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs kann im Hinblick auf die
deutlich erhöhte Strafdrohung in § 239a
Abs. 3 bzw. § 251
StGB von
einer leichtfertigen Todesverursachung „durch die Tat“ nur
dann
ausgegangen werden, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne
der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers
tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit
dem Grundtatbestand einhergehen (BGH, Urt. v. 14.1.2016 - 4 StR 72/15
zu § 239a
Abs. 3 und § 251 StGB; BGH, Urt. v. 15.5.1992 – 3 StR 535/91
- BGHSt 38, 295, 298 zu § 251 StGB; BGH, Urt. v. 18.9.1985 – 2 StR
378/85 - BGHSt 33, 322 zum Tatbestand der Geiselnahme). Beispiel: Aus einer sich über eine längere Dauer erstreckenden Bemächtigungslage können psychische Belastungen nicht nur für das Opfer, sondern auch für den Täter folgen, insbesondere wegen der Befürchtung entdeckt zu werden. Die nahe liegende Möglichkeit, dass ein nichtiger Anlass oder ein Missverständnis auf Grund anspannungsbedingter Fehleinschätzung zu einem Gewaltausbruch gegenüber dem Opfer führt, kann daher eine tatbestandstypische Gefahr im Sinne von § 239a Abs. 3 StGB darstellen (BGH, Urt. v. 14.1.2016 - 4 StR 72/15). |
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§ 239a Abs. 4 StGB |
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... (4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen. |
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50 |
Diese
ist eröffnet, wenn der Täter die Geisel unter "Verzicht
auf die erstrebte Leistung" in seinen Lebensbereich
zurückgelangen
läßt. Für ein Zurückgelangenlassen des Opfers in
dessen Lebensbereich genügte es hier, daß der Angeklagte
sein Opfer am Tatort freigab und dieses seinen Aufenthaltsort wieder
frei bestimmen konnte (BGH NJW 2001, 2895 = NStZ 2001, 532). Die
entsprechende Geltung des Merkmals des Verzichts auf die erstrebte
Leistung aus § 239a
Abs. 4 StGB für den Tatbestand der
Geiselnahme (§ 239b
Abs. 2 StGB) erfordert ein
tatbestandsgerechtes Verständnis: Der Täter muß von der
Weiterverfolgung seines Nötigungszieles Abstand nehmen, also auf
die nach seinem ursprünglichen Tatplan abzunötigende
Handlung, Duldung oder Unterlassung verzichten (vgl.
Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 239b Rdn. 14). Die in
Rede stehende Regelung kann auch nach der Vollendung der Geiselnahme
eingreifen. Der kriminalpolitische Sinn der Bestimmung liegt gerade
darin, durch die Zulassung der Strafmilderung trotz vollendeter Tat die
Möglichkeiten zu verbessern, das Opfer zu retten und die
Geiselnahme ohne eine in vielfacher Hinsicht risikobehaftete
polizeiliche Befreiungsaktion zu beenden (Dies. aaO § 239a Rdn.
34). Die Vorschrift soll "dem Täter den Entschluß, das Opfer
lebendig freizulassen, in jedem Fall erleichtern" (vgl.
Sonderausschußbericht BTDrucks. VI/2722 S. 3). In der Praxis wird
diese Gesetzeslage oft auch ein wichtiger Gesichtspunkt bei den
"Verhandlungen" zwischen Geiselnehmer und Polizei sein, die letztlich
mit dem Ziel der Aufgabe des Täters geführt werden (vgl. BGH,
Beschl. v. 21.5.2003 - 1 StR 152/03). siehe auch: § 239b StGB, Geiselnahme Leitsatz Hat der Täter einer Geiselnahme sich des Opfers in dessen Lebensbereich bemächtigt, kommt die Anwendung des § 239b Abs. 2 i.V.m. § 239a Abs. 4 StGB bereits dann in Betracht, wenn der Täter sein Opfer am Tatort frei gibt und dieses die Möglichkeit hat, seinen Aufenthaltsort wieder frei zu bestimmen (BGH, Beschl. v. 31.5.2001 - 1 StR 182/01 - Ls. - NStZ 2001, 532). Soweit § 239a Abs. 4 StGB verlangt, daß der Täter die Geisel in ihren Lebensbereich zurückgelangen läßt, beinhaltet dies nicht notwendig eine räumliche Komponente. Diese Bestimmung soll "dem Täter die Entscheidung, das Opfer lebendig frei zu lassen, in jedem Fall erleichtern" (BTDrucks. VI/2722 S. 3). Ihre Anwendbarkeit ist daher nicht auf Entführungsfälle beschränkt. Bemächtigt sich der Täter der Geisel in deren Lebensbereich und kommt es auch im weiteren Verlauf nicht zu einer Ortsveränderung, so genügt es, wenn der Täter - unbeschadet möglicher Besonderheiten bei Gebrechlichen oder Kindern - der Geisel ermöglicht, ihren Aufenthaltsort wieder frei und ungehindert zu bestimmen (vgl. nur K. Schäfer in LK, 10. Aufl. § 239 a Rdnr. 26 m.w.N.; Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 239 a Rdnr. 35 ff.), ohne daß es darauf ankäme, ob die Geisel überhaupt eine Ortsveränderung vornehmen will (BGH, Beschl. v. 31.5.2001 - 1 StR 182/01 - NStZ 2001, 532). Das der Angeklagte insgesamt unfreiwillig gehandelt hat, kann bei der Prüfung, ob von der durch § 239a Abs. 4 StGB eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, zwar mitberücksichtigt werden, schließt die Anwendbarkeit dieser Bestimmung aber nicht von vorneherein aus (vgl. BGH, Beschl. v. 31.5.2001 - 1 StR 182/01 - NStZ 2001, 532; Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 239 a Rdnr. Rdnr. 40 m.w.N.). |
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55 |
Leitsatz
- StGB § 239a
Abs. 4 Satz 1 Tätige Reue gemäß § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB liegt erst dann vor, wenn der Täter das Opfer in seinen Lebensbereich zurückgelangen lässt und zudem auf die erstrebte Leistung verzichtet; dazu muss er vollständig von der erhobenen Forderung Abstand nehmen. BGH, Beschluss vom 7. September 2016 – 1 StR 293/16 – LG Hechingen Erst wenn alle Voraussetzungen der tätigen Reue gegeben sind, ist das Ermessen des Tatrichters eröffnet, eine Strafmilderung zu gewähren (vgl. BGH, Beschl. v. 7.9.2016 – 1 StR 293/16 Rn. 7). Entgegen einer in der Strafrechtswissenschaft vertretenen Auffassung (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 239a Rn. 20; MüKo-StGB/Renzikowski, 2. Aufl., § 239a Rn. 96) wird der Anwendungsbereich der tätigen Reue nicht bereits dadurch eröffnet, dass der Täter die Leistung nicht mehr mit den Mitteln des § 239a Abs. 1 StGB anstrebt. Vielmehr liegen die Voraussetzungen der fakultativen Strafmilderung gemäß § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB erst dann vor, wenn der Täter das Opfer in dessen Lebensbereich zurückgelangen lässt und zudem auf die erstrebte Leistung verzichtet. Dazu muss der Täter vollständig von seiner Forderung Abstand nehmen (BGH, Beschl. v. 7.9.2016 – 1 StR 293/16 Rn. 8; so auch LK-StGB/Schluckebier, 12. Aufl., § 239a Rn. 58; vgl. zur parallelen Problematik bei § 239b Abs. 2 i.V.m. § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB auch: BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – 1 StR 152/03 - NStZ 2003, 605; BGH, Beschl. v. 31.5.2001 – 1 StR 182/01 - NJW 2001, 2895; BGH, Beschl. v. 8.12.1999 – 3 StR 516/99 - BGHR StGB § 239a Abs. 3 Verzicht 2). Eine solche Abstandnahme wird allerdings regelmäßig konkludent in der Freilassung des Opfers zu sehen sein (BGH, Beschl. v. 7.9.2016 – 1 StR 293/16 Rn. 8). Die Notwendigkeit eines kumulativen Vorliegens ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der den Verzicht auf die erstrebte Leistung neben der Freilassung des Opfers als Voraussetzung für das Vorliegen einer tätigen Reue gesondert hervorhebt (BGH, Beschl. v. 7.9.2016 – 1 StR 293/16 Rn. 9). Die Gesetzesmaterialien legen ebenfalls nahe, dass es sich bei den typischerweise zusammenfallenden Elementen der Freilassung des Opfers und dem Verzicht auf die erstrebte Leistung um zwei eigenständige Merkmale des § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB handelt. Der Gesetzeswortlaut des ursprünglich nur die Kindesentführung erfassenden § 239a StGB wurde mit dem 12. StrÄndG 1971 geändert und es wurde erstmals eine Regelung der tätigen Reue im damaligen Absatz 3 mit dem Wortlaut des heutigen Absatzes 4 aufgenommen. Während die Gesetzesfassung im Entwurf noch lautete „Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 15), wenn der Täter aus freien Stücken das Kind, ohne es dabei zu gefährden, freiläßt. (…)“ (BT-Drucks. VI/2139, S. 2), entschied sich der Gesetzgeber letztlich bewusst für die Aufnahme der Einschränkung „unter Verzicht auf die erstrebte Leistung“ (BGH, Beschl. v. 7.9.2016 – 1 StR 293/16 Rn. 10). Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des damaligen Absatzes 3 dem Täter im Interesse des Opfers auch nach Vollendung der Tat noch die Möglichkeit geben, Strafmilderung zu erlangen, wenn er das Opfer wieder in seinen Lebenskreis zurückkehren lässt. Die Einschränkung „unter Verzicht auf die erstrebte Leistung“ erschien dem Gesetzgeber jedoch nötig, da andernfalls auch Konstellationen unter den Wortlaut der Vorschrift subsumierbar gewesen wären, bei denen der Täter das Opfer nach Erhalt des Lösegeldes freilässt. Dies dürfe jedoch keinesfalls zu einer Strafmilderung führen. Die gewählte Formulierung gebe der Rechtsprechung die Möglichkeit, auch in Grenzfällen sachgerechte Lösungen zu finden (so BT-Drucks. VI/2722, S. 3). Der Gesetzgeber nahm dabei sowohl den Präventivzweck der Strafe als auch Opferschutzbelange in den Blick, gelangte jedoch zu dem Ergebnis, dass ein Täter, der sich nicht von der Strafdrohung an sich, insbesondere bei der leichtfertigen Tötung nach dem heutigen Absatz 3, abschrecken lasse, sich auch nicht durch die Aussicht auf eine Strafmilderung von seinem Vorhaben abbringen lasse (BGH, Beschl. v. 7.9.2016 – 1 StR 293/16 Rn. 11). Letztlich belegen die Gesetzesgenese und die bewusste Entscheidung, den Entwurf noch um die einschränkende Voraussetzung „unter Verzicht auf die erstrebte Leistung“ zu erweitern, dass der Gesetzgeber dieser Komponente einen eigenständigen Bedeutungsgehalt neben dem Abstandnehmen vom Menschenraub zukommen lassen wollte. Diese klare gesetzgeberische Entscheidung würde umgangen, wenn man „unter Verzicht auf die erstrebte Leistung“ so auslegen würde, dass hiervon bereits jedes Abstandnehmen von einem Verfolgen des Ziels mit den Mitteln des § 239a Abs. 1 StGB erfasst wäre. Diese Auslegung widerspricht auch nicht der Gesetzessystematik. Andere Vorschriften zur tätigen Reue gewähren dem Täter ebenfalls keine uneingeschränkte „goldene Brücke“ zur Strafmilderung. Das bloße Abstand nehmen von der weiteren Tatbestandsverwirklichung genügt in der Regel nicht. So setzt etwa § 306e StGB voraus, dass der Täter den Brand freiwillig löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht (ähnlich die Regelung des § 320 Abs. 2 StGB). Es ist hierbei immer im Blick zu behalten, dass die tätige Reue nur ausnahmsweise zu einer Strafmilderung führen soll, obwohl die Schwelle zur Vollendung bereits überschritten war. Welche Anforderungen an die tätige Reue zu stellen sind, ist daher durchaus auch mit Blick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift zu beurteilen (BGH, Beschl. v. 7.9.2016 – 1 StR 293/16 Rn. 13). Schließlich harmoniert die hier vertretene Gesetzesauslegung auch mit den Anforderungen, die bei der parallelen Problematik des Rücktritts vom unbeendeten Versuch gestellt werden. Für diesen ist anerkannt, dass der Täter die Durchführung seines Entschlusses im Ganzen und endgültig aufgeben muss, um die Voraussetzungen eines Rücktritts i.S.d. § 24 StGB zu erfüllen (vgl. z.B. schon BGH, Urt. v. 14.4.1955 – 4 StR 16/55 - BGHSt 7, 296; BGH, Urt. v. 23.8.1979 – 4 StR 379/79 - NJW 1980, 602). Da es oft vom Zufall abhängt, ob sich eine Tat noch im Versuchsstadium befindet oder bereits vollendet ist, liegt es nahe, bei der tätigen Reue ähnliche Anforderungen zu stellen wie beim Rücktritt vom Versuch (BGH, Beschl. v. 7.9.2016 – 1 StR 293/16 Rn. 14). |
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Konkurrenzen |
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K.1 |
Neben
§ 239a
StGB ist § 239b
StGB grundsätzlich nicht
anwendbar. Zwischen erpresserischem Menschenraub und Geiselnahme
besteht Gesetzeskonkurrenz
(Subsidiarität), wenn die Geiselnahme
allein dem Zweck dient, durch die Bedrohung des Opfers eine
unrechtmäßige Bereicherung zu erlangen (vgl. BGHSt 25, 386; BGH,
Urt. v. 19.9.2001 - 2 StR 240/01 -
NStZ 2002, 31; BGH,
Urt. v.
5.3.2003 - 2 StR 494/02; BGH,
Beschl. v. 2.6.2005 - 3 StR 164/05).
Durch den Tatbestand des § 239a
Abs. 1 StGB wird daher der des
§ 239 StGB verdrängt (vgl. BGH,
Urt. v. 23.11.2006 - 3 StR 366/06).
Keine Gesetzeskonkurrenz besteht hingegen, wenn die
Geiselnahme nicht allein dem Zweck diente, durch Bedrohung des
Tatopfers eine unrechtmäßige Bereicherung zu erlangen,
sondern etwa auch dazu, sexuelle Handlungen zu erreichen (vgl. BGHSt
25, 386; BGH,
Urt. v. 19.9.2001 - 2 StR 240/01 -
NStZ 2002, 31; BGH,
Beschl. v. 21.11.2001 - 2 StR 400/01 - NStZ-RR 2002, 108). siehe auch: Geiselnahme, § 239b StGB |
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K.2 |
Tateinheit
mit Freiheitsberaubung (§ 239
StGB) kann vorliegen,
wenn die Freiheitsentziehung zeitlich über die in § 239a
StGB
vorausgesetzte Einschränkung der persönlichen
Fortbewegungsfreiheit des Opfers erheblich hinausgeht und daher einen
eigenständigen Unrechtsgehalt aufweist (vgl. BGH,
Urt. v. 18.9.2002 - 2 StR 266/02; BGH,
Beschl. v. 28.5.2009 - 3 StR 172/09 -
NStZ 2009, 632). Ansonsten wird § 239
StGB von dem
Verbrechenstatbestand des erpresserischen Menschenraubes nach
§ 239a
StGB verdrängt (vgl. BGH,
Beschl. v. 13.12.2001 - 1 StR
499/01; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 239a Rn. 21 m.w.Nw.). siehe auch: Freiheitsberaubung, § 239 StGB |
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K.3 |
Tateinheitlich
kann neben dem erpresserischen Menschenraub nach § 239a
Abs. 1 StGB der Tatbestand der (schweren) räuberischen
Erpressung erfüllt sein (vgl. BGH,
Urt. v. 18.9.2002 - 2 StR 266/02; BGH,
Beschl. v. 18.5.2010 - 3 StR 115/10). siehe auch: Schwere räuberische Erpressung, §§ 255, 250 StGB |
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K.4 |
Während
der fortdauernden Bedrohung kann der Täter nicht nur
tateinheitlich eine schwere räuberische Erpressung (geladene
Schreckschusswaffe), deren Gegenstand die Fahrt als solche sein kann,
sondern auch eine erpresserischen Menschenraub gemäß § 239a
Abs. 1 2. Alternative StGB begehen, wenn sich der Täter des
Taxifahrers bemächtigt hatte und während der Fahrt die von
ihm geschaffene Bemächtigungslage zu weiteren
Erpressungshandlungen ausnutzte, indem er beispielsweise von dem
Taxifahrer verlangte, ihm für ca. 10 € etwas zu essen zu
kaufen, ihn mit seinem Handy telefonieren zu lassen und ihm
schließlich 10 € auszuhändigen (vgl. BGH,
Urt. v.
21.8.2002 - 2 StR 152/02). siehe auch: Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, § 316a StGB |
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K.5 |
Ein erpresserischer Menschenraub steht mit dem Diebstahl mit Waffen nur dann in Tateinheit, wenn eine natürliche Handlungseinheit vorliegt. Sofern der Diebstahl mit Waffen nur bei Gelegenheit der Bemächtigungslage ohne inneren Zusammenhang mit ihr erfolgt, ist von Tatmehrheit auszugehen (vgl. BGH, Urt. v. 5.8.2010 - 3 StR 210/10). | |
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K.6 |
Einen erpresserischen Menschenraub nach § 239a Abs. 1 StGB begeht nicht nur ein Täter, der einen Menschen entführt oder sich seiner bemächtigt, um von Anfang an die Sorge des Opfers um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen, sondern auch derjenige, der die durch eine solche Handlung geschaffene Lage zu einer Erpressung ausnutzt. Raub ist dabei ein speziellerer Tatbestand als (räuberische) Erpressung, der auch die Möglichkeit eines hierauf bezogenen erpresserischen Menschenraubs eröffnet (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2003 – 2 StR 494/02 - NStZ 2003, 604 f.; BGH, Urt. v. 8.5.2013 - 2 StR 558/12). | |
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K.10 |
Eine rechtliche
Bewertungseinheit kann etwa
vorliegen, wenn
die Angeklagten ihre ursprüngliche Geldforderung über das
mehraktige Tatgeschehen hinweg unter Bekräftigung der
ursprünglichen Drohungen und durch Anwendung weiterer Gewalt im
Sinne eines sukzessiven Geschehens lediglich weiter verfolgt haben
(vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.2013 - 4 StR 340/13; siehe zur rechtlichen
Bewertungseinheit näher: § 52 StGB -
Bewertungseinheit).
Beendet waren das Tatgeschehen und damit die rechtliche
Bewertungseinheit daher erst mit dem Eintritt des vollständigen,
von Anfang an erstrebten Taterfolgs (vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.2013 - 4
StR 340/13; vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 22.11.2011 - 4 StR 480/11 -
NStZ-RR 2012, 79; BGH,
Urt. v. 24.5.2000 – 3 StR 551/99 - BGHR
StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; SSW-StGB/Eschelbach, § 52
Rn. 37). Beispiel: Beide Einwirkungen auf die Willensfreiheit des Geschädigten in der Wohnung der Angeklagten dienten ersichtlich der Erzeugung und weiteren Aufrechterhaltung des Drucks zur Erlangung des geforderten Geldbetrages. Die zweite Bemächtigungssituation stellte sich dabei gerade nicht als vollständig neuer Anlauf zur Erreichung des ursprünglich angestrebten Erfolges dar, sondern als eine aus Sicht der Angeklagten den konkreten Umständen geschuldete Anpassung und Aktualisierung der anfänglichen Drohung, was insbesondere durch die Erhöhung der geforderten Summe wegen angeblichen Zahlungsverzugs zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.2013 - 4 StR 340/13). |
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Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen § 239a Abs.
1 StGB: 5 Jahre bis 15
Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 2 Jahre bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 6 Monate bis 8 Jahre 5 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 6 Jahre 3 Monate 4 Wochen Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 15 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe Strafrahmen § 239a Abs. 2 StGB: 1 Jahr bis 15 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 3 Monate bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 8 Jahre 5 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 6 Jahre 3 Monate 4 Wochen Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 15 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe Strafrahmen § 239a Abs. 3 StGB: Lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren 1) Lebenslange Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 3 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 6 Monate bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 8 Jahre 5 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis lebenslange Freiheitsstrafe oder Geldstrafe 2) Freiheisstrafe nicht unter 10 Jahren Strafrahmen: 10 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 2 Jahre bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 6 Monate bis 8 Jahre 5 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 6 Jahre 3 Monate 4 Wochen Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 15 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe |
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S.1.1 |
Beispiel: Im Hinblick auf den vertypten Milderungsgrund gemäß § 21 StGB hat die Strafkammer einen minder schweren Fall gemäß § 239b Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 239a Abs. 2 StGB angenommen. Sie geht davon aus, die Strafe sei daher einem Strafrahmen zwischen einem Jahr (Mindeststrafe gemäß § 239a Abs. 2 StGB) und elf Jahren und drei Monaten (gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Höchststrafe gemäß § 239b Abs. 1 StGB) zu entnehmen. Eine solche Kombination unterschiedlicher Strafrahmen ist jedoch nicht möglich (vgl. BGH, Beschl. v. 31.5.2001 - 1 StR 182/01 - NStZ 2001, 532; hierzu im einzelnen Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdnr. 263). | |
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S.3 |
siehe zur lebenslangen Freiheitsstrafe bei leichtfertiger Verursachung der Todesfolge: Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge, § 178 StGB | |
Urteil |
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U.1 |
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U.1.1 |
Die
Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel als minder schwerer Fall
entfällt, weil allein für die Strafzumessung von Bedeutung.
Der minder schwere Fall wird insoweit nur in der Normenkette der
angewendeten Vorschriften zum Ausdruck gebracht (vgl. BGHSt 27, 287,
289; 23, 254, 256; BGH,
Beschl. v. 11.3.2008 - 3 StR 36/08; BGH,
Beschl. v. 4.9.2002 - 3 StR 192/02; BGH,
Beschl. v. 22.7.2003 - 3 StR
243/03; BGH,
Beschl. v. 13.8.2008 - 2 StR 332/08). siehe zur Urteilsformel auch: Urteil, § 260 StPO |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die
Verjährungsfrist beträgt für § 239a
Abs. 1 StGB
zwanzig Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 2 StGB) und für § 239a
Abs. 3 StGB dreißig Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 1 StGB). Die (weiteren) Strafrahmen der § 239a Abs. 2 und 4 StGB betreffen minder schwere Fälle (§ 239a Abs. 2 StGB) oder eine Milderungsmöglichkeit nach dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches (§ 239a Abs. 4 StGB i.V.m. § 49 StGB) und sind daher für die Bestimmung der Verjährungsfrist ohne Bedeutung (§ 78 Abs. 4 StGB). |
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Z.2 |
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Z.2.1 |
Das
Verbrechen nach § 239a
StGB stellt ferner eine Katalogtat nach
§ 100a
Abs. 2 Nr. 1 StPO dar, bei der unter den weiteren
Voraussetzungen der Vorschrift auch ohne Wissen der Betroffenen die
Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden darf. siehe auch: Überwachung der Telekommunikation, § 100a StPO |
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Z.2.2 |
Begründen
bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder Teilnehmer 1. eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Abs. 2 StPO bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO) oder 2. eine Straftat mittels Telekommunikation begangen hat (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO), so dürfen nach § 100g Abs. 1 StPO auch ohne Wissen des Betroffenen Verkehrsdaten (§ 96 Abs. 1 TKG, § 113a TKG) erhoben werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist. Im Falle des (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO) ist die Maßnahme nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. Die Erhebung von Standortdaten in Echtzeit ist nur im Falle des (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO) zulässig. siehe auch: § 100g StPO, Auskunft über Verbindungsdaten der Telekommunikation |
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Z.2.3 |
Nach
§ 100f
Abs. 1 StPO darf auch ohne Wissen der Betroffenen
außerhalb von Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort
mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als
Täter oder Teilnehmer eine in § 100a
Abs. 2 StPO bezeichnete,
auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in
Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht
hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des
Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder
wesentlich erschwert wäre. Dabei darf sich gemäß § 100f Abs. 2 StPO die Maßnahme nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Maßnahme darf nach § 100f Abs. 3 StPO auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Für das Verfahren gelten nach § 100f Abs. 4 StPO die §§ 100b Abs. 1, 4 Satz 1; 100d Abs. 2 StPO entsprechend. siehe auch: § 100f StPO, Einsatz technischer Mittel |
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Z.2.3.1 |
Den
Einsatz weiterer technischer Mittel (Herstellung von Bildaufnahmen,
Einsatz technischer Observationsmittel) sieht die Strafprozessordnung
in § 100h
StPO unter den dort genannten Voraussetzungen vor. siehe auch: § 100h StPO, Einsatz weiterer technischer Mittel |
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Z.2.4 |
Begründen
bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als
Täter oder Teilnehmer eine Straftat von auch im Einzelfall
erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a
Abs. 2 StPO
bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der
Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat
vorbereitet hat, so dürfen durch technische Mittel 1. die Gerätenummer eines Mobilfunkendgerätes und die Kartennummer der darin verwendeten Karte sowie 2. der Standort eines Mobilfunkendgerätes ermittelt werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist (§ 100i Abs. 1 StPO). siehe auch: § 100i StPO, Ermittlung von Mobilfunkendgeräten |
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Z.2.5 |
Verbrechen
nach § 239a
StGB gehören zu den in § 100c
Abs. 2 StPO genannten besonders schweren Straftaten (Katalogtaten), bei
denen unter den Voraussetzungen des § 100c
Abs. 1 StPO die
akustische Wohnraumüberwachung angeordnet werden darf. siehe auch: Akustische Wohnraumüberwachung, § 100c StPO |
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Z.2.6 |
Gemäß
§ 103
Abs. 1 Satz 2 StPO ist zum Zwecke der
Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine
Straftat nach § 129a
StGB, auch in Verbindung mit § 129b
Abs.
1 StGB, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift
bezeichneten Straftaten begangen zu haben, eine Durchsuchung von
Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich
in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen
anzunehmen ist, daß sich der Beschuldigte in ihm aufhält. Da § 239a StGB eine in § 129a Abs. 1 Nr. 2 StGB bezeichnete Katalogtat darstellt, gilt § 103 Abs. 1 Satz 2 StPO somit auch, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist, ein Verbrechen des erpresserischen Menschenraubes begangen zu haben. siehe auch: Durchsuchung bei anderen Personen, § 103 StPO; Bildung terroristischer Vereinigungen, § 129a StGB |
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Z.2.7 |
Begründen
bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß eine
Straftat nach § 239a
StGB begangen worden ist, so können
gemäß § 111
Abs. 1 Satz 1 StPO auf öffentlichen
Straßen und Plätzen und an anderen öffentlich
zugänglichen Orten Kontrollstellen eingerichtet werden, wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Maßnahme zur
Ergreifung des Täters oder zur Sicherstellung von Beweismitteln
führen kann, die der Aufklärung der Straftat dienen
können. An einer Kontrollstelle ist gemäß § 111
Abs. 1 Satz 2 StPO jedermann verpflichtet, seine Identität
feststellen und sich sowie mitgeführte Sachen durchsuchen zu
lassen. siehe auch: Kontrollstellen, § 111 StPO |
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Z.4 |
§
239c StGB sieht bei Straftaten nach § 239a
StGB die
Möglichkeit der Anordnung der Führungsaufsicht vor. Danach
kann, wenn der Angeklagte eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens
sechs Monaten verwirkt hat und die Gefahr besteht, daß er weitere
Straftaten begehen wird, - unbeschadet der Vorschriften über die
Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 67b,
67c,
67d
Abs. 2
bis 6 und 68f)
- neben der Strafe Führungsaufsicht angeordnet
werden (§ 68
StGB). Die Anordnung von Führungsaufsicht setzt die Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit des Angeklagten voraus (vgl. hierzu Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 68 Rdn. 6) und ist bei der Verhängung mehrjähriger Freiheitsstrafen in der Regel entbehrlich, weil in diesen Fällen entweder § 57 StGB oder § 68f StGB eingreift (vgl. BGHR StGB § 256 Führungsaufsicht 1; BGH, Beschl. v. 8.2.2000 - 4 StR 488/99; Fischer StGB 56. Aufl. § 68 Rdn. 6). siehe auch: § 68 StGB, Voraussetzungen der Führungsaufsicht |
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Z.5 |
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Z.5.1 |
Der
durch eine rechtswidrige Tat nach § 239a
StGB Verletzte kann
sich der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im
Sicherungsverfahren mit der Nebenklage anschließen (§ 395
Abs. 1 Nr. 4 StPO). siehe auch: § 395 StPO, Befugnis zum Anschluss |
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Z.5.2 |
Dem
Nebenkläger ist nach § 397a
Abs. 1 Nr. 3 StPO auf seinen
Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er durch ein
Verbrechen nach § 239a
StGB verletzt ist, das bei ihm zu schweren
körperlichen oder seelischen Schäden geführt hat oder
voraussichtlich führen wird, oder (§ 397a
Abs. 1 Nr. 4 StPO)
wenn er durch eine rechtswidrige Tat nach § 239a
StGB verletzt ist
und er bei Antragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat
oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann. siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand |
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Z.6 |
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Z.6.1 |
Für Verbrechen des erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge ist (erstinstanzlich) grundsätzlich das Schwurgericht zuständig (§ 74 Abs. 2 Nr. 11 GVG). | |
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Z.6.1.1 |
Seine
Zuständigkeit prüft das Schwurgericht als besondere
Strafkammer nach § 74
Abs. 2 GVG bis zur Eröffnung des
Hauptverfahrens gemäß § 6a
Satz 1 StPO von Amts wegen.
Danach darf es seine Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten beachten. Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen (§ 6a Satz 2 und 3 StPO). siehe auch: Zuständigkeit besonderer Strafkammern, § 6a StPO Besteht ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht nur im Inland bestehenden Vereinigung, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat und übernimmt der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung, ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug (§ 120 Abs. 2 Nr. 2 GVG, §§ 129a Abs. 1 Nr. 2, 239a StGB). siehe auch: Erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, § 120 GVG |
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Z.6.1.2 |
Nach
§ 169
Abs. 1 StPO können in Sachen, die nach § 120
GVG zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug
gehören, die im vorbereitenden Verfahren dem Richter beim
Amtsgericht obliegenden Geschäfte auch durch Ermittlungsrichter
dieses Oberlandesgerichts wahrgenommen werden. Führt der
Generalbundesanwalt die Ermittlungen, so sind an deren Stelle
Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zuständig. Der für
eine Sache zuständige Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts
kann gemäß § 169
Abs. 2 StPO Untersuchungshandlungen
auch dann anordnen, wenn sie nicht im Bezirk dieses Gerichts vorzunehmen sind. siehe auch: § 169 StPO, Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofes |
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Z.6.2 |
Der
Generalbundesanwalt übt gemäß §
142a Abs.1 GVG in
den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten
Rechtszug
gehörenden Strafsachen (§ 120
Abs. 1 und 2 GVG) das
Amt der
Staatsanwaltschaft auch bei diesen Gerichten aus. Ihm obliegt die
Entscheidungskompetenz für den Fall, dass in den
Fällen des
§ 120
Abs. 1 GVG die Beamten der Staatsanwaltschaft eines
Landes
und der Generalbundesanwalt sich nicht darüber einigen
können, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen
hat
(§ 142a Abs. 1 Satz 2 GVG). Der Generalbundesanwalt gibt das Verfahren gemäß § 142a Abs. 2 GVG vor Einreichung einer Anklageschrift oder einer Antragsschrift (§ 440 StPO) an die Landesstaatsanwaltschaft ab, 1. wenn es folgende Straftaten zum Gegenstand hat: a) Straftaten nach den §§ 82, 83 Abs. 2, §§ 98, 99 oder 102 StGB, b) Straftaten nach den §§ 105 oder 106 StGB, wenn die Tat sich gegen ein Organ eines Landes oder gegen ein Mitglied eines solchen Organs richtet, c) Straftaten nach § 138 StGB in Verbindung mit einer der in Buchstabe a bezeichneten Strafvorschriften oder d) Straftaten nach § 52 Abs. 2 PatG, nach § 9 Abs. 2 GebrMG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 PatG oder nach § 4 Abs. 4 HalblSchG in Verbindung mit § 9 Abs. 2 GebrMG und § 52 Abs. 2 PatG; 2. in Sachen von minderer Bedeutung. Nach § 142a Abs. 3 GVG unterbleibt eine Abgabe an die Landesstaatsanwaltschaft, 1. wenn die Tat die Interessen des Bundes in besonderem Maße berührt oder 2. wenn es im Interesse der Rechtseinheit geboten ist, daß der Generalbundesanwalt die Tat verfolgt. Gemäß § 142a Abs, 4 GVG gibt der Generalbundesanwalt eine Sache, die er nach § 120 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 GVG oder § 74a Abs. 2 GVG übernommen hat, wieder an die Landesstaatsanwaltschaft ab, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht mehr vorliegt. RiStBV Nr. 202 - Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehören: (1) Vorgänge, aus denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Straftat (§ 120 GVG, Art. 7, 8 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes) ergibt, übersendet der Staatsanwalt mit einem Begleitschreiben unverzüglich dem Generalbundesanwalt. (2) Das Begleitschreiben soll eine gedrängte Darstellung und eine kurze rechtliche Würdigung des Sachverhalts enthalten sowie die Umstände angeben, die sonst für das Verfahren von Bedeutung sein können. Erscheinen richterliche Maßnahmen alsbald geboten, so ist hierauf hinzuweisen. Das Schreiben ist dem Generalbundesanwalt über den Generalstaatsanwalt, in dringenden Fällen unmittelbar bei gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an den Generalstaatsanwalt, zuzuleiten. (3) Der Staatsanwalt hat jedoch die Amtshandlungen vorzunehmen, bei denen Gefahr im Verzuge ist; dringende richterliche Handlungen soll er nach Möglichkeit bei dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes (§ 169 StPO) beantragen. Vor solchen Amtshandlungen hat der Staatsanwalt, soweit möglich, mit dem Generalbundesanwalt Fühlung zu nehmen; Nr. 5 findet Anwendung. (4) Die Pflicht der Behörden und Beamten des Polizeidienstes, ihre Verhandlungen in Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehören, unmittelbar dem Generalbundesanwalt zu übersenden (§ 163 Abs. 2 Satz 1 StPO; § 142a Abs. 1 GVG), wird durch Absatz 1 nicht berührt. |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 239a
StGB wird verwiesen auf: § 49 StGB siehe auch: Besondere gesetzliche Milderungsgründe, § 49 StGB § 253 StGB siehe auch: Erpressung, § 253 StGB Auf § 239a StGB wird verwiesen in: § 46b StGB (über § 100a Abs. 2 StPO) siehe auch: § 46b StGB, Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten § 89a StGB siehe auch: § 89a StGB, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat § 126 StGB siehe auch: § 126 StGB, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten § 129a StGB siehe auch: Bildung terroristischer Vereinigungen, § 129a StGB § 138 StGB siehe auch: Nichtanzeige geplanter Straftaten, § 138 StGB § 239b StGB siehe auch: Geiselnahme, § 239b StGB § 100a StPO siehe auch: § 100a StPO, Überwachung der Telekommunikation § 100c StPO siehe auch: Wohnraumüberwachung, § 100c StPO § 111 StPO (über § 129a StGB) siehe auch: § 111 StPO, Kontrollstellen § 395 StPO siehe auch: Befugnis zum Anschluss, § 395 StPO § 397a StPO siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand § 80 JGG siehe auch: § 80 JGG, Privatklage und Nebenklage § 74 GVG siehe auch: Zuständigkeiten, § 74 GVG § 120 GVG siehe auch: Erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, § 120 GVG |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 18. Abschnitt (Straftaten gegen die persönliche Freiheit) |
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