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§
50 StGB
Zusammentreffen von
Milderungsgründen
Ein Umstand, der allein oder mit anderen Umständen die Annahme eines minder schweren Falles begründet und der zugleich ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 ist, darf nur einmal berücksichtigt werden. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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5 |
Entscheidend
für das Vorliegen eines minder schweren Falles
ist, ob das gesamte
Tatbild einschließlich aller subjektiven
Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt
der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden
Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht,
daß die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint.
Für die Prüfung der Frage ist eine Gesamtbetrachtung
erforderlich,
bei der alle Umstände heranzuziehen und zu
würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des
Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der
Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen
(st. Rsp., vgl. BGH, Urt. v. 19.3.1975 - 2 StR 53/75 - BGHSt 26, 97,
98; BGH, Urt. v. 30.10.1986 - 4 StR 492/86 - BGHR StGB vor §
1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung, fehlerfreie 1; BGHR
StGB
vor § 1/minder
schwerer Fall, Prüfungspflicht; BGH, Urt. v.
26.6.1998 - 5 StR 258/98 - NStZ-RR 1998, 298; BGH,
Urt. v. 12.1.2000 - 3
StR 363/99 - NStZ 2000, 254; BGH,
Beschl. v. 13.2.2001 - 4 StR 23/01; BGH,
Urt. v. 29.8.2001 - 2 StR 276/01 - NStZ-RR 2002, 9; BGH,
Beschl.
v. 6.11.2001 - 4 StR 461/01; BGH,
Beschl. v. 19.7.2002 - 2 StR 255/02; BGH,
Urt. v. 21.8.2002 - 2 StR 111/02; BGH,
Urt. v. 6.11.2003 - 4 StR
296/03 - NStZ-RR 2004, 80; BGH,
Beschl. v. 26.8.2008 - 3 StR 316/08 - NStZ 2009, 37; BGH,
Urt. v. 7.5.2009 - 3 StR 122/09; BGH, Urt. v. 8.4.2010 - 4
StR 53/10;
BGH, Urt. v. 22.6.2011 - 2 StR 135/11; BGH, Urt. v. 10.11.2011 - 4 StR
354/11; BGH, Urt. v. 21.6.2012 - 4 StR 77/12; BGH, Urt. v. 22.1.2015 -
3 StR 412/14; Fischer StGB 58. Aufl.
§ 46 Rdn. 85). Für die Annahme eines minder schweren Falles ist nicht das Vorliegen ganz außergewöhnlicher Milderungsgründe erforderlich; ausreichend ist es, wenn im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände festgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2013 - 2 StR 312/13; BGH, Beschl. v. 19.2.2015 - 2 StR 343/14). |
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5.1 |
Dabei
obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des
Tatrichters, welches Gewicht
er den einzelnen
Milderungsgründen im Verhältnis zu den
Erschwerungsgründen beimißt. Das Revisionsgericht
darf die Gesamtwürdigungnicht
selbst vornehmen, sondern nur
nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein
(durchgreifender) Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGH, Urt. v.
17.9.1980 – 2 StR 355/80 - BGHSt 29, 319, 320; BGH, Urt. v.
14.10.1981- 5 StR 215/81 - NStZ 1982, 26;
BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall
Gesamtwürdigung 8; BGH,
Urt. v. 26.6.2001 - 5 StR 151/01; BGH,
Urt. v. 29.8.2001 - 2 StR 276/01 - NStZ-RR 2002, 9f.; BGH,
Urt. v.
19.2.2004 - 4 StR 524/03; BGH, Urt. v. 13.10.2016 –
4 StR
239/16 Rn. 56). Es ist Sache des Tatgerichts, die Erschwerungs- und Milderungsgründe nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen; denn das Tatgericht ist am ehesten in der Lage, sich auf Grund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Seine Wertung ist deshalb in der Revisionsinstanz nur begrenzt nachprüfbar. Das Revisionsgericht kann daher - wie bei der Strafhöhenbemessung - nur eingreifen, wenn die durch das Tatgericht vorgenommene Beurteilung Rechtsfehler erkennen lässt, etwa weil die maßgeblichen Erwägungen rechtlich anerkannten Strafzumessungsgrundsätzen zuwider laufen, in sich widersprüchlich oder in dem Sinne lückenhaft sind, dass naheliegende, sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht erkennbar bedacht sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 26.6.1991 - 3 StR 145/91 - NStZ 1991, 529; BGH, Beschl. v. 1.3.2011 - 3 StR 28/11). Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann zu respektieren, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall Gesamtwürdigung, fehlerfreie 1 m.w.N.; BGH, Urt. v. 6.11.2003 - 4 StR 296/03 - NStZ-RR 2004, 80; BGH, Urt. v. 7.12.2006 - 4 StR 355/06; BGH, Urt. v. 23.6.2009 - 5 StR 189/09 - NStZ-RR 2009, 307; BGH, Urt. v. 8.4.2010 - 4 StR 53/10). Ein Rechtsfehler kann etwa darin liegen, dass das Tatgericht einen minder schweren Fall u. a. mit der Erwägung abgelehnt hat, der Angeklagte habe seine Tatbeteiligung bestritten (vgl. BGH, Beschl. v. 20.1.2009 - 3 StR 513/08; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 50 a m. w. N.). Gleiches gilt, wenn nicht erkennbar geprüft wurde, ob wegen der zu Gunsten des Angeklagten angeführten Strafzumessungserwägungen und der verminderten Steuerungsfähigkeit infolge der Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit der Alkoholisierung ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 86; § 50 Rdn. 4) und lediglich darauf abgestellt wird, dass die Alkoholisierung nicht ohne weiteres die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigt, und zwar selbst dann nicht, wenn infolge der Alkoholisierung die Voraussetzungen des § 21 StGB vorliegen sollten. Damit ist weder die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten noch der vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB (der wegen der Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit dem Alkoholkonsum als gegeben angenommen wurde), in die Abwägung einbezogen (vgl. BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 376/09 - NStZ-RR 2010, 42). Anderseits können die strafschärfenden Faktoren in einer Weise überwiegen, dass die Annahme eines minder schweren Falles unvertretbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.2009 - 3 StR 122/09). Wird vom Tatgericht zwar einerseits ausgeführt, dass für die Prüfung der Frage, ob der Ausnahmetatbestand anzuwenden ist, alle für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen sind, dann allerdings unter Hinweis auf die erhebliche kriminelle Energie, die der Angeklagte bei der Tatplanung und -durchführung aufgewendet hat, ein minder schweren Fall verneint, ohne in diesem Zusammenhang die erlittene Untersuchungshaft und die stabilen persönlichen Lebensverhältnisse des Angeklagten sowie den Umstand zu erörtern, daß der Angeklagte nicht vorbestraft ist (vgl. BGH, Beschl. v. 9.12.1982- 4 StR 653/82B -NStZ 1983, 119; BGH, Beschl. v. 10.2.1993- 5 StR 710/92 -StV 1993, 245), läßt dies besorgen, daß das Tatgericht dem Gebot der Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung, unvollständige 1 bis 3; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 42 mit weiteren Nachweisen) nicht gerecht geworden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - 4 StR 460/00). Wenn vom Tatrichter nicht jeder zu Gunsten oder zu Lasten eines Angeklagten sprechende Umstand ausdrücklich angesprochen wird, so läßt das noch nicht ohne weiteres annehmen, er habe ihn übersehen. Ein Rechtsfehler liegt erst vor, wenn ein wesentlicher, die Tat prägender, Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (vgl. BGH StV 1994, 17). Das ist etwa dann zu besorgen, wenn der Tatrichter nur die Tatumstände, nicht aber wesentliche Umstände, die die Täterpersönlichkeit betreffen, in die Abwägung einbezogen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 19.7.2002 - 2 StR 255/02). Der Tatrichter hat unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Regelbeispiels vorliegen oder nicht, stets darüber hinaus zu prüfen, ob auf Grund mildernder Umstände die Regelwirkung entfällt und deshalb der Normalstrafrahmen anzuwenden ist, und ob im Falle des Nichtvorliegens eines Regelbeispiels etwa im Blick auf besondere erschwerende Gesichtspunkte ein unbenannter besonders schwerer Fall anzunehmen ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.10.2003 - 1 StR 274/03 - BGHSt 48, 360 - NJW 2004, 169 - wistra 2004, 22). Bejaht der Tatrichter einen besonders schweren Fall trotz des Vorliegens eines vertypten Strafmilderungsgrunds, so müssen seine Darlegungen dem Revisionsgericht grundsätzlich erkennbar machen, dass er sich bewusst ist, trotz Verwirklichung des Regelbeispieles wegen dieses Milderungsgrundes - allein oder in Zusammenhang mit anderen Umständen - entweder den besonders schweren Fall verneinen oder aber den Strafrahmen des besonders schweren Falls gemäß § 49 StGB mildern zu können (BGH, Beschl. v. 12.9.1990- 3 StR 270/90 - NStZ 1990, 595; BGH, Beschl. v. 26.5.1999- 2 StR 188/99 - StV 1999, 490; BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 224/09). Rechtsfehlerhaft ist die Wertung, schon der Umstand, daß der Angeklagte bei der Ausführung der Tat maskiert gewesen sei, schließe in der Regel die Annahme eines minder schweren Falles aus (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.1997- 5 StR 504/97 - NStZ 1998, 188 f.; BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - 4 StR 460/00). Ist die Strafe einem Strafrahmen entnommen, der sich infolge zweifacher Milderung des Regelstrafrahmens ergeben hatte, kann in diesen Fällen das Gewicht, das den Milderungsgründen zukommt, schon durch die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens so weit relativiert sein, dass es innerhalb dieses Strafrahmens kaum noch mildernde Wirkung zu entfalten vermag und die gegen den Täter sprechenden Umstände, insbesondere die Schwere der Tat, eine Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1987 - 1 StR 77/87 - BGHSt 34, 355, 359 ff.; BGH, Urt. v. 2.8.2012 - 3 StR 132/12). Die Beurteilung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, der ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände voraussetzt, ist im Wesentlichen dem Tatrichter überlassen (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46 Rdn. 85 m.N.). Seine Entscheidung ist vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn eine andere Entscheidung ebenso möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte. Dies ist ausnahmsweise jedoch nicht der Fall, wenn die mildernden Faktoren so eindeutig überwiegen, dass die Entscheidung des Tatrichters hinsichtlich des Strafrahmens nicht mehr als nachvollziehbar anzusehen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2013 - 2 StR 312/13; BGH NStZ-RR 2006, 140, 141). |
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5.2 |
Der
Grundsatz, dass gegen Mittäter verhängte Strafen
auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten,
darf auch bei der Gesamtabwägung
zur Prüfung eines
minder schweren Falles herangezogen werden (vgl. BGH,
Urt. v. 8.3.2000
- 3 StR 575/99). siehe zu diesem Grundsatz auch: Grundsätze der Strafzumessung, § 46 StGB --> Rdn. 5.10.1 |
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5.3 |
Eine
solche Gesamtwürdigung aller strafzumessungsrelevanten
be- und entlastenden Umstände ist für jeden
Beteiligten gesondert vorzunehmen (vgl. BGHR StGB vor § 1
minder schwerer Fall Gesamtwürdigung, unvollständige
2; BGH,
Beschl. v. 26.8.2008 - 3 StR 316/08 - NStZ 2009, 37). Bei
einem
Gehilfen hängt das Ergebnis dieser Prüfung vor allem
von dem Gewicht der
Beihilfehandlung ab, wenn auch die Schwere der
Haupttat mitzuberücksichtigen ist (st. Rspr., BGHR StGB vor
§ 1/minder schwerer Fall - Gehilfe 1, 2; BGHR StGB §
250 Abs. 2 Beihilfe 1; BGH, Beschl. v. 24.7.1991 – 3 StR
244/91- BGHR StGB § 250 Abs. 2 Gesamtbetrachtung 8; BGH,
Beschl. v. 20.11.2001 - 4 StR 414/01; BGH,
Beschl. v. 14.3.2002 – 3 StR 26/02, BGH,
Beschl. v. 19.3.2003 – 2 StR 530/02
- NStZ-RR 2003, 264;
BGH, Beschl. v. 27.1.2011 - 2 StR 577/10 - StV 2011, 364; BGH, Beschl.
v. 30.3.2011 - 5 StR 12/11; vgl.
auch Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 46 Rdn. 105
m.w.N.). Bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren
Falls des Beihilfedelikts darf hingegen nicht zu Lasten des Angeklagten
gewertet werden, ob sich das Handeln des Haupttäters insgesamt
als
minderschwerer Fall darstellt, weil insoweit nicht nur die die Tat
betreffenden, sondern auch allein die die Person des
Haupttäters
betreffenden Umstände im Rahmen der erforderlichen
Gesamtwürdigung Berücksichtigung finden
müssen (vgl.
BGH, Beschl. v. 27.1.2011 - 2 StR 577/10 - StV 2011, 364). Ist die
Haupttat nicht als minder schwerer Fall einzustufen, folgt hieraus
nicht ohne weiteres, dass dies auch für die Tat des Gehilfen
gilt
(BGH, Beschl. v. 30.3.2011 - 5 StR 12/11). Im übrigen kann ein minder schwerer Fall auch gerade deshalb in Betracht kommen, weil der vertypte Milderungsgrund des § 27 StGB vorliegt (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall - Strafrahmenwahl 3; BGH, Beschl. v. 20.11.2001 - 4 StR 414/01; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 50 Rdn. 2 m.w.N.). Bei Verurteilung wegen Beihilfe drängt sich regelmäßig die ausdrückliche Prüfung auf, ob dieser vertypte Strafmilderungsgrund geeignet ist, im Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen einen minder schweren Fall zu begründen (BGH, Beschl. v. 10.1.2012 - 3 StR 400/11). siehe auch: Grundsätze der Strafzumessung, § 46 StGB Rdn. 40.2 |
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5.4 |
Erschöpft
sich der Unrechtsgehalt des Tuns im Handeln
ohne die
erforderliche Genehmigung, so ist die Annahme minder
schwerer
Fälle in Betracht zu ziehen (vgl. BGH, Urt. v.
11.9.02- 1 StR 73/02 - NStZ-RR 2003, 55; BGH,
Urt. v. 6.7.2004 - 1 StR 129/04 - wistra 2004, 463). |
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10 |
Nach
ständiger
Rechtsprechung ist in den Fällen, in denen das Gesetz bei
einer
Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein
gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49 StGB gegeben ist, bei
der
Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen, ob ein minder
schwerer
Fall vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 10.9.1986 - 3 StR 287/86 - NStZ 1987,
72; BGH, Beschl. v. 14.3.1990 - 2 StR 457/89 - BGHR StGB vor §
1
minderschwerer Fall Strafrahmenwahl 7; BGH,
Beschl. v. 21.11.2007 - 2 StR 449/07 - NStZ-RR 2008,
105; BGH,
Beschl. v. 27.4.2010 - 3 StR 106/10
- NStZ-RR 2010, 336; BGH,
Beschl. v. 26.10.2011 - 2 StR 218/11; BGH, Beschl. v. 8.8.2012 - 2 StR
290/12; BGH, Beschl. v. 5.8.2014 - 3 StR 138/14; BGH, Beschl. v.
11.2.2015 - 1 StR 629/14; Fischer, StGB 58.
Aufl.,
§ 50 Rn. 3 f. mwN). Trifft ein besonderer Milderungsgrund mit allgemeinen Milderungsgründen zusammen, so ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Strafzumessungstatsachen zunächst - unter Ausklammerung des besonderen Grundes - allein auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen, da die vertypten Milderungsgründe dann für eine Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB nicht verbraucht sind (st. Rspr., vgl. BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Strafrahmenwahl 7; BGHR StGB vor § 1/minderschwerer Fall Gesamtwürdigung, unvollständige 11; BGH, Beschl. v. 30.1.1992- 1 StR 768/91 - StV 1992, 371, 372; BGH, Beschl. v. 8.11.2006 - 2 StR 450/06; BGH, Beschl. v. 5.12.2007 - 5 StR 471/07 - NStZ 2008, 338; vgl. auch BGH, Beschl. v. 25.6.2008 - 5 StR 273/08; BGH, Beschl. v. 26.1.2010 - 5 StR 507/09; BGH, Urt. v. 9.4.2009 - 3 StR 376/08; BGH, Beschl. v. 9.6.2011 - 2 StR 143/11; BGH, Beschl. v. 26.10.2011 - 2 StR 218/11; BGH, Beschl. v. 8.8.2012 - 2 StR 279/12; BGH, Urt. v. 28.2.2013 - 4 StR 430/12; BGH, Beschl. v. 24.6.2014 - 3 StR 168/14; BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 521/14; BGH, Beschl. v. 4.4.2017 - 3 StR 516/16 Rn. 6; BGH, Urt. v. 20.6.2017 - 1 StR 125/17 Rn. 14). Erst nach Ablehnung des Vorliegens eines minder schweren Falles auf der Grundlage einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände sind bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, eventuell gegebene gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 27.4.2010 - 5 StR 117/10; BGH, Beschl. v. 29.4.2010 - 3 StR 64/10; BGH, Beschl. v. 30.3.2011 - 5 StR 12/11; BGH, Beschl. v. 26.10.2011 - 2 StR 218/11; BGH, Beschl. v. 23.5.2012 - 5 StR 185/12; BGH, Beschl. v. 5.7.2012 - 5 StR 252/12; BGH, Beschl. v. 8.8.2012 - 2 StR 279/12; BGH, Urt. v. 28.2.2013 - 4 StR 430/12; BGH, Beschl. v. 11.2.2015 - 1 StR 629/14; BGH, Beschl. v. 24.6.2014 - 3 StR 168/14; BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 521/14; BGH, Beschl. v. 2.3.2016 - 5 StR 61/16; BGH, Beschl. v. 4.4.2017 - 3 StR 516/16 Rn. 6; BGH, Urt. v. 20.6.2017 - 1 StR 125/17 Rn. 14; Fischer, StGB 58. Aufl. § 50 Rdn. 4; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. Rdn. 588 ff.). Erst wenn das Tatgericht auch nach dieser erneuten Abwägung weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf es seiner Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – 2 StR 218/11 - NStZ 2012, 271; BGH, Beschl. v. 23.5.2012 - 5 StR 185/12; BGH, Beschl. v. 5.7.2012 - 5 StR 252/12; BGH, Beschl. v. 8.8.2012 - 2 StR 290/12; BGH, Beschl. v. 8.8.2012 - 2 StR 279/12; BGH, Urt. v. 28.2.2013 - 4 StR 430/12; BGH, Beschl. v. 19.11.2013 - 2 StR 494/13; BGH, Beschl. v. 24.6.2014 - 3 StR 168/14; BGH, Beschl. v. 8.7.2014 - 3 StR 287/14; BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 521/14; BGH, Beschl. v. 22.1.2015 - 3 StR 520/14; BGH, Beschl. v. 22.1.2015 - 3 StR 535/14; BGH, Beschl. v. 9.4.2015 - 2 StR 39/15; BGH, Beschl. v. 10.6.2015 - 2 StR 454/14; BGH, Beschl. v. 4.4.2017 - 3 StR 516/16 Rn. 6; BGH, Urt. v. 20.6.2017 - 1 StR 125/17 Rn. 14). Das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrundes - etwa erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit - kann nach ständiger Rechtsprechung schon für sich allein oder im Zusammenhang mit anderen Milderungsgründen die Annahme eines minder schweren Falls begründen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.8.2003 - 2 StR 287/03; BGH, Beschl. v. 27.4.2010 - 5 StR 117/10; BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 292/12; dazu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 50 Rdn. 3 ff. m.w.N.). Wird das Vorliegen eines minder schweren Falles wegen der verminderten Steuerungsfähigkeit angenommen, kommt danach eine nochmalige Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht, weil § 50 StGB dem entgegen steht (vgl. BGH, Urt. v. 22.8.2001 - 5 StR 260/01 - NStZ 2001, 642; auch BGHR StGB § 50 - Mehrfachmilderung 2). Eine weitere, etwa wegen Versuchs und erheblich verminderter Schuldfähigkeit in Betracht kommende Strafrahmenmilderung (§ 49 StGB) kann nur dann ausscheiden, wenn sich erst durch ihre Einbeziehung die Bewertung des Falles als minder schwer rechtfertigt (st. Rspr., BGHR StGB § 50 Mehrfachmilderung 1; zur Prüfungsreihenfolge: BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung, unvollständige 11 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 2.2.2000 - 2 StR 4/00). Die erheblich verminderte Schuldfähigkeit verringert grundsätzlich den Schuldgehalt und damit die Strafwürdigkeit der Tat (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 23). Zwar können schulderhöhende Momente diese Verringerung des Schuldgehalts ausgleichen, so daß eine Milderung des Strafrahmens unterbleiben kann. Dies muß der Tatrichter aber ausdrücklich darlegen. Es reicht nicht aus, den sich aus § 21 StGB ergebenden Milderungsgrund ausschließlich bei der Strafzumessung im engeren Sinn zu berücksichtigen (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 11; BGH, Beschl. v. 21.11.2002 - 4 StR 448/02). siehe hierzu auch: Minder schwerer Fall des Totschlags, § 213 StGB |
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15 |
Das
Verbot der Doppelverwertung gemäß § 50 StGB
gilt nur
für die Strafrahmenbestimmung. Für die konkrete
Strafzumessung ist hingegen eine Gesamtbetrachtung aller
Umstände
geboten, darunter auch derjenigen, die eine Strafrahmenmilderung
bewirkt haben; diese sind mit ihrem verbleibenden Gewicht in die
Gesamtwürdigung einzustellen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH,
Beschl. v.
9.12.1992 - 2 StR 535/92 - BGHR StGB § 50
Strafhöhenbemessung 5; BGH, Beschl. v. 4.2.2014 - 3 StR
452/13). Wird unter Bejahung der Voraussetzungen der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und unter Berücksichtigung dieses Umstandes ein minder schweren Fall - etwa nach § 227 Abs. 2 StGB - angenommen, ist es unzulässig, der Strafzumessung sodann den Höchstmaßstrafrahmen des minder schweren Fall - z.B. den des § 227 Abs. 2 StGB (1 Jahr bis 10 Jahre), und im Mindestmaß hingegen den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB (6 Monate bis 11 Jahre drei Monate) zugrundezulegen (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2008 - 3 StR 150/08; Fischer, StGB 55. Aufl. § 46 Rdn. 84 a). siehe hierzu auch: Besondere gesetzliche Milderungsgründe, § 49 StGB m.w.N. Liegen die Voraussetzungen vertypter Strafmilderungsgründe nicht vor oder lehnt der Tatrichter deren Anwendung in Ausübung ihm eingeräumten Ermessens ab, so ist es unzulässig, die dort vorgesehene (fakultative) Strafrahmenverschiebung dennoch zumindest einmal vorzunehmen, weil nach den Umständen die tatbestandlichen Voraussetzungen der in Betracht kommenden Vorschriften zumindest teilweise vorliegen oder das Tatgericht sein Ermessen ablehnend ausgeübt hat. Zwar ist ein Angeklagter durch eine derartige fehlerhafte Rechtsanwendung in der Regel nicht beschwert. Dies liegt indes anders, wenn jedenfalls die Ablehnung der Strafrahmenverschiebung (etwa nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB) mit der vom Tatgericht gegebenen Begründung nicht haltbar ist und nicht auszuschließen ist, dass sich dies letztlich nachteilig für den Angeklagten ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 2.8.2012 - 3 StR 216/12). Das Tatgericht ist zwar bei der Strafrahmenwahl verpflichtet, in einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den nach § 49 StGB gemilderten Regelstrafrahmen oder denjenigen eines minder schweren Falls anwendet (vgl. BGH, Beschl. v. 11.8.1987 – 3 StR 341/87 - BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall Strafrahmenwahl 4). Es ist indes nicht verpflichtet, den jeweils für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde zu legen; es unterliegt vielmehr seiner pflichtgemäßen Entscheidung, welchen Strafrahmen es wählt (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.1966 – 5 StR 173/66 - BGHSt 21, 57, 59; BGH, Urt. v. 19.1.1982 – 1 StR 734/81 - NStZ 1982, 200; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 50 Rn. 2; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 933; aA Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 50 Rn. 15 f.; Horn/Wolters, SK-StGB, 8. Aufl., § 50 Rn. 5; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 50 Rn. 5). Der Zweifelssatz findet insofern keine Anwendung (BGH, Beschl. v. 4.6.2015 - 5 StR 201/15). |
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15.5 |
Hat
das
Tatgericht für beide Taten das Vorliegen eines minder
schweren Falles vor allem aufgrund der strafrechtlichen Vorbelastungen
des Angeklagten verneint und ist es damit innerhalb des ihm zukommenden
Beurteilungsspielraums geblieben, kann sich die Bemessung der konkreten
Strafhöhen
jedoch als rechtsfehlerhaft erweisen. Zwar darf das Tatgericht die
Vorstrafen auch hierbei als strafschärfend heranziehen, aber
– da sie bereits für die Strafrahmenwahl bestimmend,
hier
sogar ausschlaggebend gewesen sind – nur noch mit geringerem
Gewicht (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.1987 – 2 StR 91/87 - BGHR
StGB
§ 50 Strafhöhenbemessung 2 doppelte Verwertung; BGH,
Beschl.
v. 25.6.2013 - 5 StR 256/13). Hatten die allgemeinen Milderungsgründe insgesamt zur Annahme eines minder schweren Falls geführt, durften diese bei der konkreten Strafbestimmung zwar erneut berücksichtigt werden (vgl. § 50 StGB), aber nur noch mit eingeschränktem Gewicht (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2013 - 5 StR 375/13; BGH, Beschl. v. 8.4.1987 – 2 StR 91/87 - BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 2 doppelte Verwertung, sowie BGH, Beschl. v. 25.6.2013 – 5 StR 256/13). |
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U.2 |
Angesichts
aller für die Wertung der Taten und des
Täters bedeutsamen Umstände kann auf der Hand liegen,
dass minder schwere Fälle nicht gegeben sind und auch ein
Abweichen von der Wirkung des Regelbeispieles nicht in Betracht kommt,
so dass es einer Erörterung der Ablehnung der entsprechenden
Ausnahmestrafrahmen im Urteil nicht bedarf (vgl. BGH,
Beschl. v.
7.5.2009 - 3 StR 153/09; BGH,
Urt. v. 24.9.2009 - 3 StR 188/09 -
NStZ-RR 2010, 57; BGH,
Beschl. v. 4.9.2012 - 2 StR 248/12; BGHR StPO, § 267 Abs. 3
Satz 2
Strafrahmenwahl 1; Fischer, StGB 59. Aufl.,
§ 46 Rn. 86; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. §
267
Rdn. 21). Dies gilt bei den Betäubungsmitteldelikten trotz der
Annahme des vertypten Milderungsgrundes des § 31
Nr. 1 BtMG
(vgl. BGH,
Urt. v. 24.9.2009 - 3 StR 188/09 - NStZ-RR 2010,
57). Die Ablehnung eines minder schweren Falles bedarf der ausdrücklichen Prüfung in den Urteilsgründen, wenn sich dessen Annahme nach den Feststellungen aufdrängt oder zumindest nicht fern liegt und deshalb eine Erörterung auch als Grundlage für die revisionsrechtliche Nachprüfung geboten ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 292/12; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 86; KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 267 Rn. 29). Schon das Vorliegen eines gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes (etwa: § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB) - für sich allein oder zusammen mit anderen allgemeinen Strafmilderungsumständen - kann zur Annahme eines minder schweren Falles führen. Daher bedarf die Ablehnung dieses Sonderstrafrahmens in solchen Fällen in der Regel der Erörterung in den Urteilsgründen (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.1991 - 3 StR 244/91 - BGHR StGB § 250 Abs. 2 Gesamtbetrachtung 8; BGH, Beschl. v. 18.2.1992 - 1 StR 35/92 - StV 1992, 372, 373; BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 292/12). Zur Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, sind - für jeden Tatbestand und Angeklagten gesondert - alle Gesichtspunkte in einer Gesamtwürdigung zu erörtern (vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 292/12; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 85; KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 267 Rn. 29). Nur wenn alle für die Wertung von Tat und Täter bedeutsamen Umstände von vornherein die Annahme eines minder schweren Falles als so fern liegend erscheinen lassen, dass dessen Verneinung auf der Hand liegt, bedarf es hierzu, weil selbstverständlich, auch aus sachlichrechtlichen Gründen keiner Erörterung im Urteil (vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 292/12; KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 267 Rn. 29). Nach diesen Maßstäben bedarf es etwa einer Erörterung des minder schweren Falles letztlich nicht, wenn dieser Sonderstrafrahmen insbesondere angesichts des Gewichts der Tat, der zahleichen Vorstrafen des Angeklagten, seiner raschen Rückfälligkeit und seines Bewährungsversagens ersichtlich fern lag (vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 292/12). In Fällen, in denen ein minder schwerer Fall trotz einiger gewichtiger mildernder Umstände letztlich rechtsfehlerfrei verneint wird, bedarf eine deutliche Erhöhung der Mindeststrafe eingehender Begründung (vgl. BGH, Beschl. v. 20.6.2012 - 5 StR 221/12). Dies gilt besonders dann, wenn das dem Angeklagten aus anderweitigen Vollstreckungen drohende Gesamtstrafübel zu berücksichtigen ist (BGH, Beschl. v. 10.11.2010 – 5 StR 456/10 - StV 2011, 225; BGH, Beschl. v. 20.6.2012 - 5 StR 221/12). |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In
§ 50 StGB wird auf § 49
StGB verwiesen. Besondere gesetzliche Milderungsgründe, § 49 StGB |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 2. Titel (Strafbemessung) |
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