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§
239 StGB
Freiheitsberaubung
(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter 1. das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder 2. durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht. (4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. (5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Der
Tatbestand der Freiheitsberaubung setzt keine bestimmte Dauer der
Entziehung der persönlichen Bewegungsfreiheit voraus; es reicht
vielmehr grundsätzlich auch eine nur vorübergehende
Einschränkung aus (vgl. BGHSt 14, 314, 315; BGH, Urt. v. 15.5.1975
- 4 StR 147/75; BGH,
Beschl. v. 3.12.2002 - 4 StR 432/02; BGH,
Urt. v.
25.3.2010 - 4 StR 594/09). Eine zeitlich nur unerhebliche
Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit reicht jedoch nicht aus
(vgl. BGH,
Beschl. v. 3.12.2002 - 4 StR 432/02 -
NStZ 2003, 371: betr.
kurzzeitiges Festhalten des Gegners im Verlauf einer körperlichen
Auseinandersetzung; BGH,
Beschl. v. 21.1.2003 - 4 StR 414/02 - NStZ-RR
2003, 168: betr.
kurzzeitiges Verbringen in ein Badezimmer; BGH,
Urt. v.
25.3.2010 - 4 StR 594/09: betr. kurzzeitiges Hindern am
Verlassen
des Fahrzeugs, bei der die Zeugin fliehen konnte; insoweit versuchte
Freiheitsberaubung; BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 2 StR
351/13). Jedenfalls aber kommt dann, wenn die Freiheitsberaubung nur das tatbestandsmäßige Mittel zur Begehung eines anderen Delikts bildet, § 239 StGB als das allgemeine Delikt nicht zur Anwendung (vgl. BGH, Beschl. v. 21.1.2003 - 4 StR 414/02; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 239 Rdn. 18 m.w.N.). |
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7 |
§ 239
StGB bestraft den Eingriff
in die
persönliche
Bewegungsfreiheit, durch den das Opfer des Gebrauchs der
persönlichen Freiheit beraubt wird (BGH, Urt. v. 22.1.2015 - 3 StR
410/14; MüKoStGB/Wieck-Noodt, 2. Aufl., § 239 Rn. 16;
S/S-Eser/Eisele, StGB, 29. Aufl., § 239 Rn. 4). Tatbestandsmäßig im Sinne des § 239 Abs. 1 StGB ist ein Verhalten nur, wenn es die - zunächst vorhandene - Fähigkeit eines Menschen beseitigt, sich nach seinem Willen fortzubewegen, ihn hindert, den gegenwärtigen Aufenthaltsort zu verlassen (BGH, Urt. v. 6.12.1983 - 1 StR 651/83 - BGHSt 32, 183, 188 f.). Dies setzt voraus, dass die Fortbewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird. Denn § 239 StGB schützt lediglich die Fähigkeit, sich überhaupt von einem Ort wegzubewegen, nicht aber auch eine bestimmte Art des Weggehens. Deshalb kommt eine Bestrafung wegen Freiheitsberaubung nicht in Betracht, wenn ein Fortbewegen - wenn auch unter erschwerten Bedingungen - möglich bleibt (BGH, Urt. v. 22.1.2015 - 3 StR 410/14; vgl. BGH, Urt. v. 15.5.1975 - 4 StR 147/75; BGH, Urt. v. 25.2.1993 - 1 StR 652/93 - BGHR StGB § 239 Abs. 1 Freiheitsberaubung 2; MüKoStGB/Wieck-Noodt 2. Aufl., § 239 Rn. 16; SK-StGB/Horn/Wolters, 59. Lfg., § 239 Rn. 5). Beispiel: Der Angeklagte hatte seiner Tochter untersagt hatte, ohne Begleitung eines älteren Familienmitgliedes das Haus zu verlassen. Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte, indem er seiner Tochter untersagte, ohne Begleitung eines älteren Familienmitgliedes das Haus zu verlassen, deren Bewegungsfreiheit nicht vollständig aufgehoben, sondern lediglich erschwert. Schon dies steht einem Schuldspruch wegen Freiheitsberaubung entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2015 - 3 StR 410/14). Beispiel: Wird das Opfer eines Raubüberfalls nur an den Händen gefesselt, liegt darin noch keine Freiheitsberaubung, weil diese Fesselung nicht die Fortbewegungsfreiheit aufhebt. Soweit das Opfer während des Raubüberfalls daran gehindert wird, diesen Ort zu verlassen, tritt der Tatbestand der Freiheitsberaubung im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter den Tatbestand des Raubes zurück, da die Freiheitsberaubung insoweit nur das Mittel zur Begehung des Raubes ist (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2014 - 2 StR 269/14; BGH, Beschl. v. 30.10.2007 - 4 StR 470/07). |
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7.5 |
Zwar erfasst der Schutzzweck des § 239
StGB
auch
Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit, durch die
das Opfer gehindert wird, ein größeres Areal wie etwa das
Gelände eines Krankenhauses oder einer geschlossenen Anstalt zu
verlassen (Fischer, StGB, 62. Aufl., § 239 Rn. 2; Amelung/Brauer
JR 1985, 474, 475; Schumacher, Festschrift für Stree/Wessels, 1993
S. 431, 440 ff.). Das Gebiet, aus dem sich das Opfer aufgrund der
Tathandlung nicht entfernen kann, darf aber nicht beliebig
weiträumig sein; ansonsten würde der Tatbestand in einer dem
Schutzzweck der Norm widerstreitenden Weise überdehnt. Danach ist
eine vollständige Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit jedenfalls
dann nicht mehr anzunehmen, wenn sich der verbleibende räumliche
Entfaltungsbereich der betroffenen Person auf ein mehrere tausend - im
Falle Syriens zur Tatzeit rund 185.000 - Quadratkilometer umfassendes
Staatsgebiet erstreckt (aA MüKoStGB/Wieck-Noodt, 2. Aufl., § 239 Rn.
20; SK-StGB/Horn/Wolters, 59. Lfg., § 239 Rn. 4a). Beispiel: Eine Freiheitsberaubung kann - unabhängig davon, ob dies überhaupt als Tathandlung im Sinne des § 239 Abs. 1 StGB einzustufen ist - auch nicht in der Verweigerung der (nach den Landesgesetzen Syriens für eine Ausreise Minderjähriger notwendigen) Zustimmung des Angeklagten zur Ausreise seiner Tochter aus Syrien gesehen werden (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2015 - 3 StR 410/14). |
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10 |
Eine Einsperrung im Sinne des § 239 Abs. 1 StGB muß nicht unüberwindlich sein. Es genügt, daß die Benutzung der zum regelmäßigen Ausgang bestimmten Vorrichtungen für den Zurückgehaltenen ausgeschlossen erscheint. Dazu kann es ausreichen, daß für ihn unter den gegebenen Umständen die Entfernung auf außergewöhnlichem Wege oder mit ungewöhnlichen Mitteln nicht in Betracht kommt (vgl. RGSt 8, 210, 211; BGH, Beschl. v. 8.3.2001 - 1 StR 590/00 - NStZ 2001, 420: betr. psychischer Barriere vor der technisch möglichen Flucht; Eser in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 239 Rdn. 6; Horn in SK-StGB § 239 Rdn. 5). Dazu kann es ausreichen, dass eine unüberwindliche psychische Schranke vor einer Flucht besteht, etwa aus Angst vor weiteren Sanktionen oder Gewalthandlungen des Einsperrenden (BGH, Beschl. v. 8.3.2016 - 3 StR 417/15 Rn. 12; BGH, Beschl. v. 8.3.2001 - 1 StR 590/00 - NStZ 2001, 420 mwN). | |
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15 |
Diese
Tatbestandsalternative kennt hinsichtlich des Tatmittels keine
Begrenzung. Es reicht vielmehr jedes Mittel aus, das geeignet ist,
einem anderen die Fortbewegungsfreiheit zu nehmen, insbesondere ihm,
sei es auch nur vorübergehend, die Möglichkeit zu nehmen,
einen Raum zu verlassen (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.1975 - 4 StR 147/75;
BGHR StGB § 239 Abs. 1 Freiheitsberaubung 2; BGH,
Urt. v.
20.1.2005 - 4 StR 366/04 - NStZ 2005, 507; BGH, Urt. v.
22.1.2015 - 3
StR 410/14; Wieck-Noodt in
MünchKomm StGB § 239 Rdn. 21 und 22). In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine Freiheitsberaubung "auf andere Weise" auch durch schnelles Fahren mit einem Fahrzeug begangen werden kann, um hierdurch einen Fahrzeuginsassen am Verlassen des Wagens zu hindern (vgl. BGH NStZ 1992, 33, 34; RGSt 25, 147, 148; OLG Koblenz VRS 49, 347, 350). Dabei kommt es für die Erheblichkeit der Tathandlung allerdings nicht allein auf deren Dauer, sondern auch auf das Gewicht der Einwirkung auf das geschützte Rechtsgut an (vgl. BGHSt 14, 314, 315; RGSt 2, 292, 297; RGSt 7, 259, 260, 261; BGH, Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 366/04 - NStZ 2005, 507). Zwar ist der Tatbestand der Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB in der Begehungsform "auf sonstige Weise" nicht bereits dann erfüllt, wenn ein Fahrzeugführer entgegen der ausdrücklichen Aufforderung eines Fahrzeuginsassen, die Fahrweise zu ändern, unverändert gefährdend weiterfährt. Vielmehr muß für die Annahme des Widerrufs eines ursprünglich erteilten Einverständnisses in die Beförderung mit dem Fahrzeug und zur Verwirklichung des Tatbestands der Freiheitsberaubung in einem solchen Fall hinzukommen, daß der Mitfahrer den eindeutigen und unmißverständlichen Wunsch zum Ausdruck bringt, das Fahrzeug unter den gegebenen Umständen verlassen zu wollen (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 366/04 - NStZ 2005, 507). Auch eine Drohung mit einem Übel kann den Tatbestand der Freiheitsberaubung "auf andere Weise" jedenfalls dann verwirklichen, wenn sie den Grad einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erreicht. Die Drohung mit einem sonst empfindlichen Übel reicht hingegen regelmäßig nicht aus (BGH, Urt. v. 25.2.1993 - 1 StR 652/93 - BGHR StGB § 239 Abs. 1 Freiheitsberaubung 2; BGH, Urt. v. 22.1.2015 - 3 StR 410/14; S/S-Eser/Eisele, StGB, 29. Aufl., § 239 Rn. 6; SK-StGB/Horn/Wolters, 59. Lfg., § 239 Rn. 8; LK/Schluckebier aaO, § 239 Rn. 16). Der 3. Strafsenat konnte dahinstehen lassen, ob die Androhung von Schlägen, die keine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben begründet (vgl. BGH, Beschl. v. 8.3.2001 - 1 StR 590/00 - BGHR StGB § 239 Abs. 1 Freiheitsberaubung 8), grundsätzlich den Tatbestand des § 239 StGB erfüllen könnte (BGH, Urt. v. 22.1.2015 - 3 StR 410/14). |
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20 |
Pflichtwidriges
Vorverhalten führt nur dann zu einer
Garantenstellung, wenn es die nahe liegende Gefahr des Eintritts des
konkret zu untersuchenden tatbestandsmäßigen Erfolgs
begründet (vgl. BGH NStZ 2000, 583; NStZ 1998, 83 jew. m.w.N.).
Wenn ausdrücklich abgemacht ist, dass der Einbruch sofort
abgebrochen wird, wenn der Wohnungsinhaber anwesend ist, begründet
dies nicht die nahe liegende Gefahr, dass der Wohnungsinhaber (beraubt
und) gefesselt zurückbleibt, so dass - unbeschadet einer etwaigen
Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung - die unterbliebene
Befreiung des Opfers von dem nicht am Tatort Beteiligten, der nach der
Tatbegehung von der Fesselung des Opfers erfährt, nicht zu einer
Garantenstellung führt (vgl. BGH,
Beschl. v. 18.8.2009 - 1 StR
107/09 - NStZ-RR 2009, 366). siehe auch: § 13 StGB, Begehen durch Unterlassen --> Rdn. 1.4.1 |
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... (4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. ... |
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75 |
Tötet der Täter einer Freiheitsberaubung sein Opfer vorsätzlich, so ist dies eine "während der Tat begangene Handlung" im Sinne des § 239 Abs. 4 StGB (BGH, Beschl. v. 23.5.2000 - 4 StR 135/00; so bei innerem Zusammenhang zwischen der Freiheitsberaubung und der Tötungshandlung - bereits zu § 239 Abs. 3 Satz 1 StGB a.F. BGHSt 28, 18 f.; BGHR StGB § 239 Abs. 3 Behandlung 1; vgl. auch Tröndle/ Fischer StGB 49. Aufl. § 239 Rdn. 13 m.w.N.). | |
... (5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. |
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95 |
siehe hierzu: Zusammentreffen von Milderungsgründen, § 50 StGB | |
Konkurrenzen |
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K.1 |
Bildet
die Freiheitsberaubung nur das tatbestandsmäßige
Mittel zur Begehung eines anderen Delikts, kommt § 239
StGB als
das allgemeine Delikt nicht zur Anwendung (vgl. BGH,
Beschl. v.
15.11.2006 - 2 StR 447/06; BGHR StGB § 239 Abs. 1
Konkurrenzen 5,
7; Tröndle/Fischer StGB 53. Auflage § 239 Rdn. 18 m.w.N.).
Eine tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung scheidet
daher aus, wenn sie nur das tatbestandsmäßige Mittel zur
Begehung des Raubes darstellt (vgl. BGHR StGB § 239 Abs. 1
Konkurrenzen 8; BGH NStZ-RR 2003, 168; BGH,
Beschl. v. 28.3.2007 - 5
StR 32/07). So etwa, wenn die Fesselung von den Angeklagten
dazu
benutzt wurde, den zur Vollendung des Raubtatbestandes gehörenden
Gewahrsamsbruch weiter zu fördern (vgl. BGH, a.a.O.; siehe auch
oben Rdn. 7 -
Fortbewegungsfreiheit). Ging etwa die Freiheitsberaubung über das zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 177 StGB Erforderliche hinaus, steht die sexuelle Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (vgl. BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - 4 StR 440/00). Ist die Freiheitsberaubung hingegen nur tatbestandsmäßiges Mittel zur Begehung der sexuellen Nötigung / Vergewaltigung, kommt § 239 StGB als das allgemeinere Delikt nicht zur Anwendung (vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2006 - 2 StR 447/06; Fischer, StGB 56. Aufl. § 239 Rdn. 18). |
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K.2 |
Die Freiheitsberaubung und die währenddessen erfolgte Bedrohung des Geschädigten stehen zu unmittelbar zuvor begangenen Nötigungshandlungen des Angeklagten in Tateinheit, wenn das Entführen des Geschädigten auf einem einheitlichen Tatentschluss des Angeklagten beruhte und auf Grund des zeitlichen, räumlichen und situativen Zusammenhangs so eng mit den zuvor begangenen Nötigungen verbunden war, dass sich das gesamte Tätigwerden des Angeklagten als einheitliches Tun im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2007 - 4 StR 220/07; BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit; Entschluss, einheitlicher 12 m.w.N.). | |
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K.2.1 |
§ 239
StGB kommt aufgrund seiner im Vergleich zu §§ 239a
und 239b
StGB geringeren Strafandrohung keine Klammerwirkung für
die während der Bemächtigungslage begangenen weiteren
Straftaten (mehrere gefährliche Körperverletzungen,
Beleidigungen, Sachbeschädigung) zu (vgl. BGH,
Beschl. v.
27.11.2008 - 2 StR 421/08 - NStZ-RR 2009, 106; vgl. auch BGH,
Beschl.
v. 4.3.2009 - 2 StR 578/08). § 239 Abs. 4 StGB kann mit dem (Verdeckungs-)Mord und der Vergewaltigung (als zu verdeckende Straftat) tateinheitlich zusammentreffen. Mit seiner Strafandrohung von drei bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe wiegt es schwerer als die Vergewaltigung und verklammert daher den Mord mit dem Sexualdelikt zur Tateinheit (BGHSt 31, 29; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 4, 6 und 7; BGH, Beschl. v. 23.5.2000 - 4 StR 135/00). siehe auch: Mord, § 211 StGB; Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, § 177 StGB |
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K.2.2 |
Das
vollendete Grunddelikt wird durch die versuchte qualifizierte
Freiheitsberaubung nach § 239
Abs. 3 Nr. 1 StGB nicht
verdrängt. Durch die Annahme von Tateinheit ist, um den
Unrechtsgehalt der Tat erschöpfend zu erfassen, vielmehr auch im
Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, daß der Versuch der
Qualifikation bereits zu einer vollendeten Freiheitsberaubung
gemäß § 239
Abs. 1 StGB geführt hat (BGH,
Beschl.
v. 1.12.2000 - 2 StR 379/00 - NStZ 2001, 247; zur
Klarstellungsfunktion
der Idealkonkurrenz vgl. BGHSt 44, 196; 39, 100, 109; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 52 Rdn. 2). Beispiel: Die Angeklagten X. und Y. sind der versuchten Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer in Tateinheit mit Freiheitsberaubung schuldig (vgl. BGH, Beschl. v. 1.12.2000 - 2 StR 379/00 - NStZ 2001, 247). |
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K.3 |
§ 239 StGB wird von dem Verbrechenstatbestand des erpresserischen Menschenraubes nach § 239a StGB verdrängt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.2001 - 1 StR 499/01; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 239a Rn. 21 m.w.Nw.). Tateinheit mit Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) kann vorliegen, wenn die Freiheitsentziehung zeitlich über die in § 239a StGB vorausgesetzte Einschränkung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit des Opfers erheblich hinausgeht und daher einen eigenständigen Unrechtsgehalt aufweist (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2002 - 2 StR 266/02). | |
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K.4 |
Die Freiheitsberaubung mit Todesfolge verdrängt die fahrlässige Tötung sowie die fahrlässige Körperverletzung (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2005 - 4 StR 531/05; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 222 Rdn. 34). | |
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K.5 |
Wurde der Mord während der andauernden Freiheitsberaubung begangen, dann wurde mit der Tötung des Opfers die Freiheitsberaubung zur Beendigung geführt und zugleich ein qualifizierter Fall der Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 4 StGB verwirklicht. Da sich die Ausführungshandlungen des Mordes teilweise mit denen der Freiheitsberaubung decken, ist nach § 52 StGB Tateinheit gegeben (BGHR StGB § 239 Abs. 1 Konkurrenzen 6), zumal zwischen der Freiheitsberaubung und der Tötungshandlung ein unmittelbarer innerer Zusammenhang besteht (BGHR StGB § 239 Abs. 3 Behandlung 1; BGH, Beschl. v. 14.7.2005 - 4 StR 134/05). | |
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K.6 |
Das Verbrechen der Geiselnahme verdrängt auf der Konkurrenzebene die Freiheitsberaubung und steht zu der zum Nachteil der Geschädigten verwirklichten Vergewaltigung in Tateinheit, mit versuchter Vergewaltigung seinerseits in Idealkonkurrenz (BGHR StGB § 239b Entführen 3; BGH, Beschl. v. 1.12.2000 - 2 StR 379/00 - NStZ 2001, 247). | |
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K.7 |
Wird das Opfer während des Raubüberfalls
daran
gehindert wird, den Ort zu verlassen, tritt der Tatbestand der
Freiheitsberaubung im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter den Tatbestand
des Raubes zurück, da die Freiheitsberaubung insoweit nur das
Mittel zur Begehung des Raubes ist (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2014 - 2
StR 269/14; BGH,
Beschl. v. 30.10.2007 - 4 StR
470/07; siehe auch oben
Rdn. K.1 und. Rdn. 7). Zwar tritt § 239 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter den Tatbestand des Raubes (§ 249 StGB) zurück, wenn die Freiheitsberaubung nur das tatbestandliche Gewaltmittel zur Begehung des Raubes ist (BGH, Urt. v. 11.9.2014 – 2 StR 269/14 - StV 2015, 113; BGH, Beschl. v. 9.7.2004 – 2 StR 150/04; BGH, Beschl. v. 30.10.2007 - 4 StR 470/07 Rn. 1). So liegt es jedoch nicht, wenn der Angeklagte sein Tatopfer vielmehr während des mehraktigen Raubgeschehens über einen Zeitraum von 15 bis 20 Minuten an Händen und Füßen fesselte, nachdem er es mit einer Pistole bedroht, massiv körperlich misshandelt und ihm mit einem Elektroschockgerät Stromstöße versetzt hatte. Bei dieser Sachlage begegnet die Annahme von Tateinheit keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2017 - 2 StR 92/17 Rn. 18). siehe auch: Raub und Freiheitsberaubung (Konkurrenzen), § 249 StGB |
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S.1 |
Strafrahmen
§ 239 Abs. 1 StGB:
1 Monat bis 5 Jahre
Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 2 Jahre 1 Monat 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen Strafrahmen § 239 Abs. 3 StGB: 1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 3 Monate bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 5 Jahre 7 Monate 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 4 Jahre 2 Monate 2 Wochen 4 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 10 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe Strafrahmen § 239 Abs. 4 StGB: 3 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 6 Monate bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 8 Jahre 5 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 6 Jahre 3 Monate 4 Wochen Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 15 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe Strafrahmen § 239 Abs. 5 StGB: minder schwere Fälle des Absatzes 3 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 1 Monate 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe minder schwere Fälle des Absatzes 4 1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 3 Monate bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 5 Jahre 7 Monate 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 4 Jahre 2 Monate 2 Wochen 4 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 10 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe |
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Urteil |
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U.1 |
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U.1.1 |
Das
Vorliegen der Voraussetzungen des § 239
Abs. 3 Nr. 1 StGB ist
im Schuldspruch kenntlich zu machen (vgl. BGH,
Beschl.
v. 4.3.2009 - 2 StR 578/08). Beispiel: "Der Angeklagte ist schuldig der über eine Woche dauernden Freiheitsberaubung." (siehe auch obiges Beispiel --> Konkurrenzen --> Tateinheit betr. vollendetes Grunddelikt und Versuch der Qualifikation). |
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U.1.2 |
Die
Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel als minder schwerer Fall
entfällt, weil allein für die Strafzumessung von Bedeutung.
Der minder schwere Fall wird insoweit nur in der Normenkette der
angewendeten Vorschriften zum Ausdruck gebracht (vgl. BGHSt 27, 287,
289; 23, 254, 256; BGH,
Beschl. v. 11.3.2008 - 3 StR 36/08; BGH,
Beschl. v. 4.9.2002 - 3 StR 192/02; BGH,
Beschl. v. 22.7.2003 - 3 StR
243/03; BGH,
Beschl. v. 13.8.2008 - 2 StR 332/08). siehe zur Urteilsformel auch: Urteil, § 260 StPO |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die
Verjährungsfrist beträgt für § 239
Abs. 1 StGB
fünf Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 4 StGB), für § 239
Abs.
3 StGB zehn Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 3 StGB), für § 239
Abs. 4 StGB zwanzig Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 2 StGB). Die Strafrahmen des § 239 Abs. 5 StGB betreffen minder schwere Fälle und bleiben bei der Bestimmung der Verjährungsfrist unberücksichtigt (§ 78 Abs. 4 StGB). |
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Z.5 |
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Z.5.1 |
Der
durch eine rechtswidrige Tat nach § 239
Abs. 3 StGB Verletzte
kann sich der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im
Sicherungsverfahren mit der Nebenklage anschließen (§ 395
Abs. 1 Nr. 4 StPO). siehe auch: § 395 StPO, Befugnis zum Anschluss |
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Z.5.2 |
Dem
Nebenkläger ist nach § 397a
Abs. 1 Nr. 3 StPO auf seinen
Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er durch ein
Verbrechen nach § 239
StGB verletzt ist, das bei ihm zu schweren
körperlichen oder seelischen Schäden geführt hat oder
voraussichtlich führen wird. siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand |
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Z.6 |
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Z.6.1 |
Für Verbrechen der Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 4 StGB) ist (erstinstanzlich) das Schwurgericht zuständig (§ 74 Abs. 2 Nr. 10 GVG). | |
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Z.6.1.2 |
Seine
Zuständigkeit prüft das Schwurgericht als besondere
Strafkammer nach § 74
Abs. 2 GVG bis zur Eröffnung des
Hauptverfahrens gemäß § 6a
Satz 1 StPO von Amts wegen.
Danach darf es seine Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten beachten. Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen (§ 6a Satz 2 und 3 StPO). siehe auch: Zuständigkeit besonderer Strafkammern, § 6a StPO |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
Auf § 239
StGB wird verwiesen in: § 395 StPO siehe auch: Befugnis zum Anschluss, § 395 StPO § 397a StPO siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand § 80 JGG siehe auch: § 80 JGG, Privatklage und Nebenklage § 74 GVG siehe auch: Zuständigkeiten, § 74 GVG |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 18. Abschnitt (Straftaten gegen die persönliche Freiheit) |
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