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§
211 StGB
Mord
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. ... |
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Das
Gesetz sieht als Sanktion für Mord zwingend die lebenslange
Freiheitsstrafe vor. siehe zur Strafzumessung bei Mord unten Strafzumessung Rdn. S. 1 ff. |
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... (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet. |
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15 |
... (2) Mörder ist, wer aus
Mordlust, ... einen Menschen tötet. Das Mordmerkmal ist gegeben, wenn der Täter allein aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens handelt, insbesondere weder in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation ein anderer Anlass für die Tatbegehung vorliegt oder mit der Tötung ein darüber hinausgehender Zweck verbunden war. Die Voraussetzungen des Mordmerkmals der Mordlust werden durch gegebene triebhafte oder gefühlsmäßige Regungen nicht in Frage gestellt (vgl. BGHSt 34, 59, 61; BGH NJW 1994, 2629, 2630; BGH, Urt. v. 19.10.2001 - 2 StR 259/01 - BGHSt 47, 128 ff. - NJW 2002, 382; BGH, Beschl. v. 16.4.2007 - 5 StR 335/06 - NStZ 2007, 522; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Mordlust 1; Schneider in MüKo-StGB § 211 Rdn. 51). |
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... (2) Mörder ist, wer ... zur
Befriedigung des Geschlechtstriebs, ... einen Menschen tötet. Das Gesetz sieht die Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebes als besonders verwerflich an, weil der Täter das Leben eines Menschen der Befriedigung seiner Geschlechtslust unterordnet (BGHSt 19, 101, 105; BGH, Urt. v. 22.4.2005 - 2 StR 310/04 - BGHSt 50, 80 - NJW 2005, 1876). Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs tötet, wer das Töten als ein Mittel zur geschlechtlichen Befriedigung benützt, wer im Augenblick des Entschlusses zur Tötung und der Tötungshandlung von sexuellen Motiven geleitet ist (vgl. BGH NStZ 1982, 464; BGH, Beschl. v. 10.5.2001 - 4 StR 52/01 - NStZ 2001, 598). Ob die erstrebte sexuelle Befriedigung erreicht wird, ist ohne Belang (BGH NStZ 1982, 464; vgl. auch: BGH, Beschl. v. 10.5.2001 - 4 StR 52/01 - NStZ 2001, 598, 599; OGHSt 2, 337, 339). Eine Tötung mit dieser Zielrichtung reicht zur Erfüllung des Mordmerkmals aus. Nach den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fallgestaltungen tötet zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, wer sich durch den Tötungsakt selbst sexuelle Befriedigung verschaffen oder sich nach der Tötung in nekrophiler Weise an der Leiche vergehen will (BGHSt 7, 353, 354; BGH Urt. v. 7.10.1981 - 2 StR 356/81; OGHSt 2, 337, 339). Ebenso ist dieses Mordmerkmal bejaht worden, wenn der Tod des Opfers als Folge einer Vergewaltigung zumindest billigend in Kauf genommen wird (BGHSt 19, 101, 105; BGH NStZ-RR 2004, 8; BGH NStZ 1982, 464; BGH, Urt. v. 22.4.2005 - 2 StR 310/04 - BGHSt 50, 80 - NJW 2005, 1876). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Täter anlässlich einer aus sonstigen Gründen verübten Tötung in sexuelle Erregung gerät (vgl. BGHSt 2, 60, 62; BGH, Beschl. v. 10.5.2001 - 4 StR 52/01 - NStZ 2001, 598; Jähnke in LK, 10. Aufl. § 211 RdNr. 7). Das Mordmerkmal "zur Befriedigung des Geschlechtstriebs" liegt auch dann vor, wenn der Täter diese Befriedigung erst bei der späteren Betrachtung der Bild-Ton-Aufzeichnung (Video) vom Tötungsakt und dem Umgang mit der Leiche finden will ( BGH, Urt. v. 22.4.2005 - 2 StR 310/04 - Ls. - BGHSt 50, 80 - NJW 2005, 1876). Unerheblich ist, daß die sexuelle Befriedigung vermittelt durch die Betrachtung des Videos, womöglich erst erhebliche Zeit nach der Tat, erreicht wird. Das Mordmerkmal ist erfüllt, wenn die im Gesetz enthaltene Zweck-Mittel-Relation vorliegt. Es reicht aus, wenn der Täter die Tötung als Mittel zur Erlangung seiner sexuellen Befriedigung ansieht. Ein darüber hinausgehender unmittelbarer zeitlichräumlicher Zusammenhang zwischen der Tötung eines Menschen und dem Zweck der Triebbefriedigung, wie er in der Literatur teilweise gefordert wird (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 7; Maurach/Schroeder/Maiwald Strafrecht BT 1. Teilband 9. Aufl. S. 42), läßt sich aus dem Gesetz nicht als Voraussetzung herleiten (BGH, Urt. v. 22.4.2005 - 2 StR 310/04 - BGHSt 50, 80 - NJW 2005, 1876). Daß der Angeklagte beim Tötungsakt oder dem nachfolgenden Schlachten womöglich tatsächlich nicht sexuell erregt war (ihm dieser selbst sogar zuwider war), steht dem nicht entgegen; denn das Mordmerkmal setzt ein Erreichen des Ziels der geschlechtlichen Befriedigung nicht voraus. Eine Absicht zur Befriedigung des Geschlechtstriebes ist ebenfalls nicht erforderlich, sondern es reicht, wenn der Täter dies „gegebenenfalls„ will (BGHSt 19, 101, 105; BGH, Urt. v. 22.4.2005 - 2 StR 310/04 - BGHSt 50, 80 - NJW 2005, 1876). |
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25 |
... (2) Mörder ist, wer ... aus
Habgier ... einen Menschen tötet. |
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25.2 |
Ein
Täter handelt aus Habgier, wenn sich die Tat als Folge eines
noch über bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten
abstoßenden Gewinnstrebens darstellt (BGHSt 29, 317, 318;
BGH NJW
1995, 2365, 2366; BGH,
Beschl. v. 7.12.2000 - 1 StR 414/00 - NStZ 2001,
194; BGH,
Urt. v. 15.1.2003 - 5 StR 223/02 - NJW 2003, 2328;
Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 8 m. w. N). Gefordert wird eine Verknüpfung zwischen dem geplanten Tod der Opfer und einer Bereicherung des Täters (vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 252/12; BGH, Beschl. v. 18.11.2004 - 1 StR 457/04 bei Altvater NStZ 2006, 86, 90 in Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 18.2.1993 - 1 StR 49/93 - NJW 1993, 1664). Ließ der Angeklagte etwa seinen Stiefvater und seine Halbschwester töten, um sich seine Mutter als Geldquelle zu erhalten und ihr Alleinerbe zu werden, ist damit die gebotene Verknüpfung zwischen dem geplanten Tod der Opfer und einer Bereicherung des Täters gegeben (vgl. BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 252/12). Eine "unmittelbare Vermehrung des Vermögens des Täters" in dem Sinn, dass durch die Tat direkt ein Vermögenszuwachs beim Täter entsteht, ist nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 27.5.2014 - 3 StR 60/14). Gegenteiliges ist auch der Entscheidung des 1. Strafsenats vom 18. Februar 1993 (1 StR 49/93, NStZ 1993, 385, 386) nicht zu entnehmen. Dort ist die Annahme von Habgier beanstandet worden, weil der Täter das Opfer aus Wut und Verärgerung darüber getötet hatte, dass es keine Zahlungen mehr an ihn geleistet hatte. Damit schloss der Tod des Opfers gerade künftige Leistungen an den Täter aus (BGH, Beschl. v. 27.5.2014 - 3 StR 60/14; so auch BGH, Beschl. v. 18.11.2004 - 1 StR 457/04 bei Altvater NStZ 2006, 86, 90; zur notwendigen Verknüpfung zwischen Tötung und Vermögenszuwachs vgl. auch BGH, Beschl. v. 9.2.1994 - 5 StR 668/93; BGH, Beschl. v. 14.8.2012 - 3 StR 252/12). Wer einen anderen gegen Belohnung tötet, handelt regelmäßig habgierig i. S. d. § 211 StGB (BGHR StGB § 211 Abs. 2 - Habgier 1; BGH NJW 1993, 1664, 1665; BGH, Urt. v. 16.7.2003 - 2 StR 68/03; BGH, Beschl. v. 30.6.2005 - 1 StR 227/05; Schneider in Münch-Komm § 211 Rdn. 62 m. w. N. in Fußn. 170). Aus Habgier begangener Mord liegt ferner vor, wenn der Täter das Opfer getötet hat, um das Darlehen nicht zurückzahlen zu müssen (vgl. BGH NJW 1993, 1664, 1665 m. w. N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 6.2.2002 - 1 StR 513/01 - BGHSt 47, 243 - NJW 2002, 2188). |
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25.3 |
Handelt der Täter aus einem "Motivbündel" heraus, so muß eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen Motive ergeben, dass dieses Gewinnstreben tatbeherrschend und damit bewußtseinsdominant war (BGH StV 1993, 360; 1986, 47; BGH, Beschl. v. 7.12.2000 - 1 StR 414/00 - NStZ 2001, 194). | |
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25.4 |
Lässt sich nicht sicher feststellen, ob ein Täter bereits bei Tötung seines Opfers oder erst anschließend den Entschluss gefasst hat, sich in dessen Eigentum stehende Gegenstände zuzueignen, gebietet es der Grundsatz "in dubio pro reo", davon auszugehen, dass Tötungs- und Zueignungsdelikt durch dieselbe Handlung begangen wurden (BGH, Urt. v. 6.2.2002 - 1 StR 513/01 - BGHSt 47, 243 - NJW 2002, 2188 m.w.N.). Ein Schuldspruch wegen Totschlags in Tateinheit mit Unterschlagung kommt jedoch nicht in Betracht. Vielmehr tritt aufgrund der Subsidiaritätsklausel in § 246 Abs. 1 StGB die Unterschlagung hinter das Tötungsdelikt zurück. Werden Tötungsdelikt und Unterschlagung durch dieselbe Handlung miteinander verknüpft, ist als "Vorschrift, die die Tat mit schwerer Strafe bedroht" im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB auch das gegen fremdes Leben gerichtete Verbrechen anzusehen (BGH, Urt. v. 6.2.2002 - 1 StR 513/01 - BGHSt 47, 243, 244 - NJW 2002, 2188; BGH, Beschl. v. 7.2.2002 - 1 StR 8/02; BGH, Beschl. v. 13.8.2004 - 2 StR 234/04). | |
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25.9 |
Habgier
ist etwa zu bejahen, wenn die Angeklagten die Geschädigte
als Erbin ihres 83jährigen Vaters ausschalten wollten, um sich
selbst als Erben nach ihrem Vater das Vermögen der
Geschädigten und ihres Vaters zu verschaffen. Gleiches gilt, wenn
sie das Opfer als Verwalter ihres Vaters zu beseitigen trachteten, um
damit die Voraussetzungen zu schaffen, damit sie und der Mitangeklagte
wieder die Verwalterstellung bei ihrem Vater würden einnehmen
können, um damit auf dessen Vermögen zugreifen zu
können. Damit ist die gebotene Verknüpfung zwischen dem
geplanten Tod der Opfer und einer Bereicherung der Täter gegeben.
Mit der Senatsentscheidung BGH NJW 1993, 1664 ist die vorliegende
Konstellation nicht vergleichbar. Dort schloß der Tod des Opfers
gerade künftige Leistungen an den Täter aus (vgl. BGH,
Beschl. v. 18.11.2004 - 1 StR 457/04). Waren die Angeklagten von vornherein entschlossen, das Tatopfer zu töten, um sich in den Besitz des von diesem verwahrten Bargelds zu bringen, kommt es für das Merkmal der Habgier nicht darauf an, ob sie dieses Ziel auch ohne anschließende Tötung des Opfers durch (bloßen) Raub hätten erreichen können. Dieses setzt nicht, wie die Absicht der Ermöglichung einer anderen Straftat, einen funktionalen Zusammenhang zwischen Tötung und Erlangung des Vermögensvorteils voraus. Entscheidend ist vielmehr die Motivation des Täters. War nach dem festgestellten Tatplan die Tötung des Opfers als (zur Verdeckung) notwendige Folge der beabsichtigten Beraubung von vornherein vorgesehen, ist ein Mord aus Habgier zu bejahen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.1.2004 - 2 StR 391/03; siehe aber auch die nachstehende Entscheidung des 1. Strafsenats). Zwar liegt Habgier bei einem Raub mit anschließender Tötung des Raubopfers in der Regel nahe, wenn es dem am Tatort befindlichen Täter bei der Tötungshandlung auch um die Sicherung und die ungestörte Verwertung der Beute geht. Der Annahme der Habgier steht es deshalb nicht entgegen, dass die Angeklagten erst mit der Tötungshandlung begonnen hatten, als die Raubhandlung bereits vollendet war, wenn der Raub zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet war. Somit kann die Habgier für die Angeklagten mitbestimmend gewesen sein, sich mit der Tötung des Geschädigten den noch gefährdeten Besitz an der Beute endgültig zu sichern (BGH NStE 1988, Nr. 18; BGH NJW 1991, 1189; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 5). War das Tatopfer aber bereits gefesselt, dann war es gerade nicht zwingend, daß die Angeklagten das Tatopfer zur Sicherung der Beute noch hätten töten müssen. Hatten die Angeklagten dabei von Anfang an geplant, den Geschädigten zur Verdeckung ihres Raubes zu töten, bedarf es angesichts dieser tatberrschenden Motivlage näherer Ausführungen zu weiteren bewußtseinsdominierenden Vorstellungen und Motiven der Angeklagten in Richtung auf Habgier bei der Tötungshandlung (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2000 - 1 StR 414/00 - NStZ 2001, 194; siehe aber auch die vorstehende Entscheidung des 2. Strafsenats). siehe auch nachstehend: Rdn. 55 - Verdeckungsabsicht |
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30 |
... (2) Mörder ist, wer ... sonst aus niedrigen Beweggründen, ... einen Menschen tötet. | |
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30.5 |
Beweggründe
sind im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn
sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und
deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der
Frage, ob
Beweggründe zur Tat „niedrig„ sind und - in deutlich
weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag - als
verachtenswert erscheinen, hat aufgrund einer Gesamtwürdigung
aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des
Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere Vorgeschichte,
Anlaß und Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des
Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (st. Rspr.; vgl.
BGH, Urt. v. 2.12.1987 – 2 StR 559/87 - BGHSt 35, 116, 127; BGHR
StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 11, 22, 39; BGH StV 1996, 211, 212; BGH,
Urt. v.
11.1.2000 - 1 StR 505/99 - NStZ-RR 2000, 333; BGH,
Beschl. v. 2.2.2000
- 2 StR 550/99 - NStZ-RR 2000, 168; BGH,
Beschl. v. 28.6.2000 - 1 StR
199/00; BGH,
Urt. v. 30.8.2000 - 2 StR 204/00 - NStZ 2001, 29; BGH,
Beschl. v. 19.9.2000 - 4 StR 311/00 - NStZ 2001, 88; BGH,
Beschl. v.
21.12.2000 - 4 StR 499/00 - StV 2001, 571; BGH,
Beschl. v. 6.3.2001 - 4
StR 541/00; BGH,
Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 159/01; BGH,
Urt. v. 19.10.2001 - 2
StR 259/01 - BGHSt 47, 128, 130 - NJW
2002, 382; BGH
NStZ-RR 2000, 333; BGH,
Urt. v. 20.2.2002 - 5 StR 538/01; BGH,
Urt. v.
20.2.2002 - 5 StR 545/01; BGH,
Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ
2003, 146; BGH,
Urt. v. 5.11.2002 - 1 StR 247/02; BGH,
Urt. v.
15.6.2004 - 1 StR 39/04; BGH,
Urt. v. 24.6.2004 - 5 StR 306/03 - NStZ
2005, 153; BGH,
Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 94/04; BGH,
Urt. v.
11.11.2004 - 4 StR 349/04 - NStZ 2005, 331; BGH,
Urt. v. 11.10.2005 - 1
StR 195/05; BGH,
Urt. v. 24.1.2006 - 5 StR 410/05 - NStZ-RR 2006,
140; BGH,
Urt. v.
10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338; BGH,
Beschl. v. 21.6.2007 -
3 StR 180/07 - NStZ 2008, 29; BGH,
Urt. v. 25.7.2006 - 5 StR 97/06;
BGH,
Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 419/06; BGH,
Urt. v. 13.2.2007 - 5 StR
508/06 - NStZ 2007, 330; BGH,
Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 - wistra
2007, 475; BGH,
Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 425/07 - NStZ 2008, 273;
BGH,
Urt. v. 19.6.2008 - 4 StR 105/08 - StV 2009, 529; BGH,
Urt. v.
29.10.2008 - 2 StR 349/08 - BGHSt 53, 31 - NJW 2009, 305;
BGH, Beschl.
v. 25.10.2010 - 1 StR 57/10 - NJW 2011, 1014; BGH, Urt. v. 19.10.2011 -
1 StR 273/11; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11; BGH, Urt. v.
1.3.2012 - 3 StR 425/11 - NStZ 2012, 691; BGH, Urt. v. 24.5.2012 - 4
StR 62/12; BGH,
Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR 84/12; BGH, Urt. v. 12.6.2013 - 5 StR 129/13;
BGH, Urt. v. 13.5.2015 - 3 StR 460/14; Fischer, StGB, 59. Aufl., §
211
Rn. 15). Die Voraussetzungen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe sind dann gegeben, wenn die Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen, wenn die tatmotivierende Gefühlsregung jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehrt oder wenn die Motive in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag verachtenswert erscheinen (BGH, Beschl. v. 20.8.1996 – 4 StR 361/96 - BGHSt 42, 226, 228; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11; Fischer, StGB, 59. Aufl. § 211 Rn. 14). Die Beurteilung von Beweggründen als niedrig im Sinne des § 211 StGB setzt eine Gesamtwürdigung voraus, bei der dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zukommt, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (BGH, Urt. v. 2.12.1987 – 2 StR 559/87 - BGHSt 35, 116, 121 f.; BGH, Urt. v. 19.6.2008 – 4 StR 105/08 - NStZ-RR 2008, 308; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11). Rechtsfehlerhaft ist es bei der Annahme niedriger Beweggründe etwa allein auf das objektiv äußerst brutale Tatgeschehen abzustellen, ohne die für die einzelnen Angeklagten maßgeblichen subjektiven Beweggründe zu erörtern. Die Beurteilung, ob ein Beweggrund "niedrig" ist, setzt aber regelmäßig zunächst die Feststellung der Tatmotive voraus (vgl. BGH, Beschl. v. 21.2.2013 - 3 StR 496/12). Die Beurteilung niedriger Beweggründe bedarf einer Gesamtwürdigung, die alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren einschließt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 2.12.1987 - 2 StR 559/87 - BGHSt 35, 116, 127; BGH, Urt. v. 1.3.2012 - 3 StR 425/11 - NStZ 2012, 691, 692; BGH, Beschl. v. 21.2.2013 - 3 StR 496/12). |
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30.10 |
Maßgeblich ist auf die Motivation des Angeklagten zum Zeitpunkt der mit Tötungsvorsatz begangenen Handlungen abzustellen (vgl. BGH NStZ 1981, 100, 101; BGH, Urt. v. 19.10.2001 - 2 StR 259/01 - BGHSt 47, 128 - NJW 2002, 382). | |
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30.15 |
Beim
Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche
Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die
vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr
Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster
Stufe stehen und besonders verwerflich sind (BGHR StGB § 211 Abs.
2 niedrige Beweggründe 20, 25; BGH StV 2000, 76; 2004, 205; BGH,
Urt. v. 9.9.2003 - 5 StR 126/03 - StV 2004, 205: verneint bei
Hauptmotiv der Enttäuschung des Angeklagten darüber, dass
seine Ehefrau ihn nach seiner Krebserkrankung und den folgenden
Depressionen verlassen („weggeworfen„) hat; BGH,
Urt. v.
9.10.2003 - 4 StR 127/03: "wutbedingte Kurzschlußhandlung";
NStZ-RR 2004, 34; BGH,
Urt. v. 22.1.2004 - 4 StR 319/03 - NStZ-RR 2004,
234; BGH NStZ 2004, 234; 2006, 338, 340 m.w.N.; BGH,
Urt. v. 15.2.2007
- 4 StR 467/06 - NStZ-RR 2007, 174; vgl. hierzu auch BGH,
Urt. v.
23.8.2006 - 1 StR 266/06; BGH,
Urt. v. 12.2.2009 - 4 StR 529/08 - NStZ
2009, 264; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11). Hat der Angeklagte
aus "Wut, Verzweiflung, endgültiger
Verlustangst, Ärger und Enttäuschung über das Scheitern
der Beziehung" getötet und kann nicht festgestellt werden, welches
dieser Motive für die Tötung ausschlaggebend gewesen ist, ist
es nicht rechtsfehlerhaft, die Motivation des Angeklagten insgesamt
nicht als auf niedrigster Stufe stehend anzusehen (vgl. BGH,
Urt. v. 15.2.2007
- 4 StR 467/06 - NStZ-RR 2007, 174;
vgl. auch BGH,
Urt. v.
20.2.2002 - 5 StR 545/01: betr. Tötung aus Verzweiflung,
Wut
über die Trennungsandrohung und die beleidigende Bemerkung
über seine Potenz; siehe dazu auch nachstehend unter
"Gefühlsregungen"). Schwerwiegende Kränkungen durch das
Opfer, die das Gemüt des Betroffenen immer wieder heftig bewegen,
können sogar im Fall heimtückischer Tötung die
Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unangebracht sein lassen
(vgl. Großer Senat BGHSt 30, 105, 119; BGHR StGB § 211 Abs.
1 Strafmilderung 7; BGH,
Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Merkmale wie "Verantwortungslosigkeit" oder allgemeine Bedürfnislagen wie der "Wunsch nach Nichtstun" stehen der Annahme sittlich niedriger Beweggründe nicht ohne Weiteres entgegen, sondern können gerade auch deren Hintergrund darstellen (vgl. BGH, Urt. v. 3.9.2008 - 2 StR 305/08 - NStZ-RR 2009, 173 betr. gravierende Mangelversorgung eines Kindes). |
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30.20 |
Ein
Mord aus niedrigen Beweggründen kann vorliegen, wenn der
Täter einen anderen Menschen zum Objekt seiner Wut und Gereiztheit
macht, an deren Entstehung der andere nicht den geringsten Anteil hat
(BGH NStZ 1981, 100, 101; BGH,
Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ
2006, 167), wenn er in dem Bewusstsein handelt, keinen Grund für
eine Tötung zu haben oder zu brauchen, oder wenn er bewusst seine
frustrationsbedingten Aggressionen an einem unbeteiligten Opfer
abreagiert (vgl. BGH,
Urt. v. 19.10.2001 - 2
StR 259/01 - BGHSt 47, 128
ff. - NJW 2002, 382; BGH,
Urt. v. 13.7.2005 - 2 StR 236/05; BGH,
Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 -
NStZ 2006, 167; BGH,
Urt. v. 19.9.2007 -
2 StR 248/07; BGH, Urt. v. 19.10.2011 - 1 StR 273/11). Eine
solche
Einstellung, bei der der Täter meint,
nach eigenem Gutdünken über das Leben des Opfers
verfügen zu können, steht auf sittlich tiefster Stufe und ist
besonders verachtenswert (BGH,
Urt. v. 19.10.2001 - 2
StR 259/01 -
BGHSt 47, 128, 132 - NJW 2002, 382 m.w.N.; vgl. auch BGH NStZ 1981,
100, 101; BGH, Urt. v. 26.7.1979 - 4 StR 298/79; BGH,
Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 94/04; BGH,
Urt. v. 13.7.2005 - 2 StR 236/05; BGH,
Urt. v. 19.10.2011 - 1 StR 273/11). Eine
Prüfung und Auseinandersetzung ist insbesondere dann erforderlich,
wenn kein Motiv für die Tötung festgestellt werden kann (vgl. BGH,
Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 94/04). Die
subjektive Bereitschaft zum
absolut grundlosen Töten muss hierbei definitiv festgestellt
werden (vgl. BGH,
Urt. v. 19.10.2001 - 2
StR 259/01 - BGHSt 47, 128 ff.
- NJW 2002, 382; BGH,
Urt. v. 9.11.2005 - 1 StR 234/05). Beispiel: Die Angeklagten verletzten zunächst ihren Gastgeber - gegen den Widerstand eines Nothelfers - ohne jeden Grund. Sie setzten ihre Verletzungshandlungen nach einer provisorischen Wundbehandlung des Opfers fort und führten ihren Tötungsentschluß unter offensichtlich menschenverachtenden Begleitumständen - Urinieren auf das blutende Opfer und Abrasieren eines Teiles der Kopfhaare - aus, wobei sie durch den Ausruf: „ Mal sehen, wie widerstandsfähig er ist!„ auch eine Lust an körperlicher Mißhandlung offenbarten (vgl. BGH, Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 94/04). Da § 211 Abs. 2 StGB einen niedrigen Beweggrund des Täters gerade voraussetzt, kann der Umstand bloßer (vermeintlicher) Motivlosigkeit für sich allein die Tötung nicht zum Mord machen. Dies kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Täter gerade in dem Bewusstsein handelt, einen nachvollziehbaren Grund für eine Tötung gar nicht zu brauchen (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2001 - 2 StR 259/01 - BGHSt 47, 128, 132 - NJW 2002, 382; BGH, Urt. v. 28.11.2007 - 2 StR 477/07 - wistra 2008, 195). Die Tötung eines anderen allein deshalb, weil er in der Wertvorstellung des Täters als geringer eingeordnet wird, steht nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe und ist besonders verachtenswert (vgl. BGH NJW 1971, 571, 574; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 23; BGH, Urt. v. 19.10.2001 - 2 StR 259/01 - BGHSt 47, 128 f. - NJW 2002, 382). |
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30.25 |
Bei
einer Tötung aus Wut,
Ärger, Hass oder Rache kommt es
darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen
Gesinnung beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern
Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (st. Rspr.;
vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16, 22,
23, 28, 30, 36; BGH NStZ 1995, 181; BGH NJW 1995, 3196; BGH StV 2001,
228, 229; BGH,
Beschl. v.
21.12.2000 - 4 StR 499/00 - StV 2001,
571; BGH,
Beschl. v. 6.3.2001 - 4
StR 541/00 betr. Eifersucht; BGH,
Urt. v.
8.8.2001 - 2 StR 504/00; BGH,
Urt. v. 19.10.2001 - 2
StR 259/01 - BGHSt
47, 128 f. - NJW 2002, 382; BGH,
Urt. v. 6.2.2002 - 2 StR 489/01 - StV
2002, 540; BGH,
Urt. v.
20.2.2002 - 5 StR 545/01 betr.
verständliche Wut; BGH,
Urt. v. 5.11.2002 - 1 StR 247/02 betr.
menschenverachtender Vernichtungswille; BGH,
Urt. v. 28.1.2003 - 5 StR
310/02 - NStZ-RR 2003, 147: betr. Rache für einen Hinauswurf
aus
dem Lokal; BGH,
Urt. v. 11.10.2005 - 1
StR 195/05; BGH,
Urt. v. 24.1.2006 - 5 StR 410/05; BGH,
Urt. v. 25.7.2006 - 5 StR 97/06; BGH,
Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 419/06; BGH,
Urt. v. 13.2.2007 - 5 StR
508/06 - NStZ 2007, 330; BGH,
Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 -
wistra
2007, 475; BGH,
Urt. v. 4.12.2008 - 1 StR 327/08 - NStZ 2009, 226: Hass
auf die getötete Tochter, weil sie nicht vom Täter stammt;
BGH,
Urt. v. 8.4.2009 - 5 StR 65/09: Rachemotiv nach als ungerecht
empfundenen Kündigungsvorbereitungen und tief empfundene
Kränkung; BGH, Beschl. v. 25.10.2010 - 1 StR 57/10 - NJW
2011,
1014 betr.
rachemotivierte Tötungen Unbeteiligter als
Vergeltungsmaßnahme; BGH, Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR 84/12:
Wut
über das Verlassenwerden). Das ist am ehesten der Fall,
wenn diese
Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren
(BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8, 16, 22; BGH,
Urt. v. 3.2.1993 - 2 StR 389/92; BGH,
Beschl. v.
21.12.2000 - 4 StR 499/00 - StV 2001,
571; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11: Wut
über vermeintliche Untreue der Ehefrau; BGH, Urt.
v. 1.3.2012
- 3 StR 425/11: Trennung
der Ehefrau, die sich neuem Partner zuwandte).
Bei Motiven wie Wut und Erregung kommt es darauf an, ob diese
Gefühlsregung jedes nachvollziehbaren Grundes entbehrt und das
Handlungsmotiv in deutlich weiter reichendem Maß als bei einem
Totschlag verachtenswert erscheint (vgl. BGH, Beschl. v. 30.7.2013 - 2
StR 5/13; BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13; Fischer, StGB 60.
Aufl. § 211 Rn. 14a). Der Bundesgerichtshof nimmt bei Tötungen aus nichtigem, nicht nachvollziehbarem Anlass – etwa aus Wut und Verärgerung – besonders verwerfliche Tötungsmotive im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB an, wenn die zugrunde liegenden Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2005 – 1 StR 195/05 - NStZ 2006, 284, 285 mwN; BGH, Urt. v. 19.10.2011 – 1 StR 273/11). Erst recht muss diese Wertung regelmäßig gelten, wenn der Täter den äußeren Impuls, der sein zur Tötung des Opfers führendes Handeln ausgelöst hat, durch vorangegangenes Verhalten selbst herbeigeführt hat (BGH, Urt. v. 24.5.2012 - 4 StR 62/12). Dies kann insbesondere auch deshalb gelten, weil der Angeklagte über das Schütteln des Kindes hinaus weitere massive Gewalthandlungen begangen hat (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.2012 - 4 StR 62/12: starke Schläge gegen den Bauchraum, so dass Milz und Leber einrissen). Beispiel: Selbst wenn der Angeklagte das Kind allein deshalb getötet haben sollte, weil es nicht aufhörte zu schreien und er es durch sein Handeln „nur“ zum Schweigen bringen bzw. ruhig stellen wollte, kann dies vor dem Hintergrund, dass er selbst durch den sexuellen Missbrauch für die Schmerzensschreie die Ursache gesetzt hatte, auf einen nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehenden und deshalb besonders verachtenswerten Handlungsantrieb hindeuten. Insoweit ist ein solcher Sachverhalt nicht mit Fällen des zum Tode führenden Schüttelns von Kleinkindern vergleichbar, in denen der Täter handelt, weil er sich mit der Versorgung des Säuglings nervlich überfordert fühlt (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.2012 - 4 StR 62/12; BGH, Urt. v. 14.12.2006 – 4 StR 419/06 - NStZ-RR 2007, 111). Motive, denen "jedermann je nach Anlaß mehr oder weniger stark erliegen kann, tragen nicht von vorneherein den Stempel der Niedrigkeit" (BGH NJW 1996, 471, 472 für eine aus "Wut, Enttäuschung und Rachsucht" begangene Tat m. w. Nachw.). Dies gilt auch, wenn die Tat aus Angst vor der Zukunft begangen wurde. Eine Bewertung derartiger Motive als niedrig setzt vielmehr eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände voraus (BGH NJW 1996, 471; BGH, Beschl. v. 26.9.2001 - 1 StR 321/01 - StV 2003, 26). Bei diesen Abwägungen steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 21; BGH, Urt. v. 10.5.2005 - 1 StR 30/05; BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 195/05; BGH, Urt. v. 24.1.2006 - 5 StR 410/05; Maatz/Wahl, FS aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens des BGH S. 531, 552). Beruhen diese tatauslösenden und tatbestimmenden Gefühlsregungen auf dem (berechtigten) Gefühl, schweres Unrecht erlitten zu haben, spricht dies gegen eine Bewertung als "niedrig" im Sinne der Mordqualifikation (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 18, 30, 32; BGH NStZ 2006, 286 f. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05; BGH, Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 - wistra 2007, 475). Wut und Haß hingegen, weil die Tatopfer die Durchsetzung seiner finanziellen Interessen teilweise verhindert hatten, beruhen auf niedrigen Beweggründen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8, 16; BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146). Spielen bei der Tat gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen eine Rolle, so muss sich der Tatrichter in aller Regel damit auseinandersetzen, ob der Angeklagte in der Lage war, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (st. Rspr.; u. a. BGHSt 28, 210, 212; BGH NStZ 2004, 34). Ausdrücklicher Prüfung bedarf diese Frage insbesondere bei Taten, die sich spontan aus der Situation heraus entwickelt haben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 10; BGH, Urt. v. 29.10.2008 - 2 StR 349/08 - BGHSt 53, 31 - NJW 2009, 305). Ein Beweggrund, bei dem das Tatopfer zum Objekt der Rache an einem Dritten für eine zudem vom Täter selbst verschuldete Situation gemacht wird, muss als auf sittlich niedrigster Stufe stehend angesehen werden (BGH, Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 - wistra 2007, 475). Ebenso zu bewerten ist die Beendigung des Lebens eines Menschen als Mittel zur Verdeckung eigenen Fehlverhaltens (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 35, 37, 39; BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146). Das bewusste Abreagieren von frustrationsbedingten Aggressionen an einem Opfer, das mit der Entstehung der Unzufriedenheit und Angespanntheit des Täters verantwortlich weder personell noch tatsituativ etwas zu tun hat, lässt auf das Vorliegen niedriger Beweggründe schließen (BGH, Urt. v. 12.11.1980 – 3 StR 385/80 - NStZ 1981, 100 f.; BGH, Urt. v. 23.8.1990 – 4 StR 306/90 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 19): Derjenige, der einen anderen Menschen zum Objekt seiner Wut, Gereiztheit, Enttäuschung oder Verbitterung macht, obschon dieser an der Entstehung solcher Stimmungen nicht den geringsten Anteil hat, bringt mit der Tat eine Gesinnung zum Ausdruck, die Lust an körperlicher Misshandlung zum Inhalt hat (MünchKomm-Schneider, StGB, 2. Aufl., § 211 Rn. 86 mwN). Insbesondere der Aspekt der willkürlichen Opferauswahl rechtfertigt die Einstufung solcher Tötungsakte als Mord; denn eine derartige Degradierung des Opfers zum bloßen Objekt belegt die totale Missachtung des Anspruchs eines jeden Menschen auf Anerkennung seines personalen Eigenwerts (BGH, Urt. v. 17.8.2004 – 5 StR 94/04 - NStZ-RR 2004, 332, 333; BGH, Urt. v. 5.11.2002 – 1 StR 247/02 - NStZ-RR 2003, 78 f.; BGH, Urt. v. 19.10.2001 – 2 StR 259/01 - BGHSt 47, 128 ff.; Schneider, aaO) (BGH, Urt. v. 15.9.2015 - 5 StR 222/15). |
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30.30 |
Wer aus terroristischen Motiven gezielt an der politischen Auseinandersetzung unbeteiligte Dritte durch einen Sprengstoffanschlag tötet, handelt aus niedrigen Beweggründen (Sprengstoffanschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" im Jahre 1986) (BGH, Urt. v. 24.6.2004 - 5 StR 306/03 - Ls. - NStZ 2005, 153). Die zufällige, unterschiedslose und deshalb willkürliche Auswahl von unbeteiligten Menschen als Opfer rechtfertigt die Einstufung der Motivation als „niedrig„ (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2001 - 2 StR 259/01 - BGHSt 47, 128, 132 - NJW 2002, 382 m.w.N.; BGH, Urt. v. 24.6.2004 - 5 StR 306/03 - NStZ 2005, 153; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 27; Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 79, 85). Zudem ist der regelmäßig verheerend wirkende unkontrollierbare Einsatz von Bomben oder Minen von vornherein eklatant menschenverachtend (vgl. BGHSt 40, 218, 232; 44, 204, 209; BGH, Urt. v. 24.6.2004 - 5 StR 306/03 - NStZ 2005, 153; v. Selle NJW 2000, 992, 996). | |
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30.35 |
Auch
"politische" Motive
können niedrige Beweggründe im Sinne
des § 211 Abs. 2 StGB sein (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 51.
Aufl. § 211 Rdn. 10 d, 13 m.w.N.). Das gilt namentlich dann, wenn
dem Opfer allein wegen seiner Zugehörigkeit zu einer politischen,
sozialen oder ethnischen Gruppe das Lebensrecht abgesprochen und es in
entpersönlichter Weise quasi als Repräsentant einer Gruppe
getötet werden soll (vgl. BGH,
Beschl. v. 21.2.2001 - 3 StR 244/00 -
NJW 2001,
2732; BGH,
Urt. v. 11.7.2003 - 2 StR 531/02; auch Jähnke in LK 11.
Aufl. § 211 Rdn. 27; von Selle NJW 2000, 892 ff. jeweils m.w.N.). Beweggründe sind niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Anschauung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.5.2015 - 3 StR 460/14 - NStZ-RR 2015, 308, 309). Das ist der Fall, wenn sich der Täter in Verfolgung seiner selbst gesetzten Ziele mit der Tötung über gesellschaftliche Wertentscheidungen bewusst hinwegsetzt, deren Beachtung für das Funktionieren eines demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesens schlechthin konstitutiv ist, insbesondere indem er einen Gegner allein aufgrund von dessen politischer Betätigung oder Überzeugung tötet (BGH, Beschl. v. 6.4.2017 - AK 14/17 Rn. 29; MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 89 f.). Das Verhalten des Täters ist etwa von niedrigen Beweggründen getragen, wenn er versucht hat, den Polizeibeamten zu töten, weil er eine Gesellschaftsordnung repräsentierte, die nicht den von ihm für maßgeblich erachteten religiösen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.2016 - AK 47/16 Rn. 17; dazu BGH, Urt. v. 11.7.2003 - 2 StR 531/02 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 42). Eine Tötung aus “Ausländerhaß“ ist als niederer Beweggrund im Sinne des § 211 StGB zu werten (vgl. BGH, Beschl. v. 12.1.2000 - StB 15/99). |
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30.40 |
Niedrige
Beweggründe liegen in der Regel vor, wenn die
Verhinderung der
Trennung seitens der Partnerin Hauptmotiv der
Tötung ist (vgl. BGH,
Urt. v. 28.1.2004 - 2 StR 452/03; BGH,
Urt. v.
15.6.2004 - 1 StR 39/04; BGH,
Urt. v.
23.8.2006 - 1 StR 266/06).
Aber nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Ehepartner
vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, beruht
zwangsläufig auf niedrigen Beweggründen. Vielmehr können
in einem solchen Fall tatauslösend und tatbestimmend auch
Gefühle der Verzweiflung und der inneren Ausweglosigkeit sein, die
eine Bewertung als „niedrig„ im Sinne der Mordqualifikation
namentlich dann fraglich erscheinen lassen können, wenn die
Trennung von dem Tatopfer ausgegangen ist und der Täter durch die
Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will (vgl.
BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 32; BGH NStZ
2004, 34 m.w.N.; BGH,
Urt. v. 25.7.2006 - 5 StR 97/06; BGH,
Urt. v.
29.10.2008 - 2 StR 349/08 - BGHSt 53,
31 - NJW 2009, 305). Davon geht die Rechtsprechung auch dann aus, wenn der Täter den Grund für die Trennung selbst herbeigeführt hat (BGH StV 2000, 20 f). Um so mehr gilt dies, wenn die Trennung von dem Partner ausgegangen ist, die der Täter nicht "verkraftet". In einem solchen Fall kommt jedoch die Bewertung der Beweggründe als "niedrig" in Betracht, wenn der Täter den Partner oder den "Nebenbuhler" aus krasser, übersteigerter Eifersucht tötet, weil er sie einander nicht gönnt (vgl. BGHSt 22, 12, 13; BGH, Beschl. v. 21.12.2000 - 4 StR 499/00 - StV 2001, 571; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 211 Rdn. 5 a m.w.N.). Es kommt - nicht anders als bei Gefühlsregungen wie Wut, Ärger, Hass und Rache (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.2008 - 2 StR 349/08 - BGHSt 53, 31 - NJW 2009, 305; dazu auch BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16; Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 211 Rdn. 18 m.w.N. sowie vorstehend unter "Gefühlsregungen") - darauf an, ob die Gefühle der Verzweiflung und der inneren Ausweglosigkeit ihrerseits auf einer als niedrig zu bewertenden Motivationsgrundlage beruhen (vgl. BGH, Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 601/08 - NStZ 2009, 571, Fischer StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 28). Ausschlaggebend für die Bewertung kann etwa sein, ob zu Gunsten des Angeklagten angenommen werden kann, dass seine Eifersuchts- und Rachegefühle gegenüber seiner Trauer über die Trennung von seiner Lebensgefährtin vorherrschend waren oder nicht (vgl. BGH, Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 571/08 - NStZ 2009, 501). So kann im Einzelfall etwa die Wertung, es habe sich um einen durch wechselseitige Vorwürfe und Demütigungen geprägten Beziehungskonflikt gehandelt und die Auseinandersetzungen um das Sorgerecht für die Kinder seien „jedenfalls„ nachvollziehbare Gründe des Angeklagten, rechtlich nicht zu beanstanden sein (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05). War es das Motiv des Angeklagten zur Tötung des Kindes, seine Partnerin für die von ihr beabsichtigte Trennung zu bestrafen und sich an der Partnerin zu rächen, ist dieses Motiv nach allgemeiner Wertung sittlich auf tiefster Stufe stehend und besonders verachtenswert (vgl. BGH, Urt. v. 8.8.2001 - 3 StR 162/01; BGH, Beschl. v. 13.10.2005 - 5 StR 401/05). Nichts anderes gilt hinsichtlich einer enttäuschten Beziehungserwartung als Tötungsbeweggrund (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 195/05) oder bei der Tötung einer Frau, um sie keinem anderen Partner zu überlassen (vgl. nur BGH NStZ 2002, 540, 541 m.w.N.; BGH, Urt. v. 15.6.2004 - 1 StR 39/04; BGH, Urt. v. 1.2.2005 - 5 StR 529/04 - NStZ 2005, 384). Der direkte Tötungsvorsatz und die „hinrichtungsgleiche“ Tatausführung kann darauf hindeuten, dass es dem Angeklagten vornehmlich darum ging, seine Wut in einer Bestrafung der Nebenklägerin abzureagieren. Bei dieser Sachlage muss erörtert werden, ob die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten auf einer Grundhaltung beruhte, die durch eine ungehemmte Eigensucht, exklusive Besitzansprüche und eine unduldsame Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Eine solche Grundhaltung steht nach allgemeiner sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe (vgl. BGH, Urt. v. 25.7.1952 – 1 StR 272/52 - BGHSt 3, 132, 133; BGH, Beschl. v. 20.8.1996 – 4 StR 361/96 - BGHSt 42, 226, 227; BGH, Urt. v. 16.2.2012 – 3 StR 346/11, Rn. 11; BGH, Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR 84/12). Wenn der Angeklagte bei der Tötung seiner trennungswilligen Lebensgefährtin (auch) zum Wohle des gemeinsamen Kindes handeln wollte und er begründeten Anlaß zu der Befürchtung hatte, seine Tochter, die an ihm hing und zu der er "eine besonders starke Bindung" hatte, werde ihm bei einer Trennung "entfremdet", so handelte er objektiv nicht aus einer Gesinnung heraus, die wertungsmäßig auf sittlich tiefster Stufe steht (vgl. BGH, Beschl. v. 19.9.2000 - 4 StR 311/00 - NStZ 2001, 88). Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn es dem Angeklagten "allenfalls am Rande" um das Kindeswohl ging (vgl. BGH StV 1984, 72; s. auch BGH NJW 1958, 189), konnte in BGH, Beschl. v. 19.9.2000 - 4 StR 311/00 - NStZ 2001, 88 offen gelassen werden. Auch die Feststellung, der Angeklagte habe die Tat begangen, weil er das gemeinsame neun Monate alte Kind allein besitzen und dafür die Mutter "aus dem Weg räumen" wollte, trägt die Annahme niedriger Beweggründe (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2008 - 4 StR 444/08). Zur Tötung und dem anschließenden "Verschwindenlassen" der Leiche zum Zwecke des Erhalts der Annehmlichkeiten der Zuwendungen der Eltern des trennungswilligen Tatopfers vgl. BGH, Beschl. v. 8.7.2008 - 4 StR 229/08. Schon das Motiv, nicht als "Angsthase" gelten zu wollen, kann einen niedrigen Beweggrund im Sinne des § 211 StGB darstellen (BGH, Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 - wistra 2007, 475). Die Annahme, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt, wird von den Feststellungen nicht getragen, wenn bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung übersehen wird, dass der Angeklagte, der angesichts seines Hin- und Hergerissenseins zwischen zwei Frauen schon in der Vergangenheit mehrere Suizidversuche unternommen hatte, auch von Verzweiflung getrieben war und sich selbst im Anschluss an die Tötung seiner Ehefrau in ernsthaft suizidaler Absicht lebensgefährliche Verletzungen beigebracht hat. Dies durfte nicht unberücksichtigt bleiben, weil es die Bewertung, der tief gekränkte und wütende Angeklagte habe allein aus verletzter Eitelkeit und verletztem Stolz gehandelt und damit krasse Selbstsucht offenbart, unvollständig erscheinen lässt (vgl. BGH, Beschl. v. 25.5.2011 - 2 StR 166/11). |
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30.45 |
Auch
wenn das Verhalten des Angeklagten tatbestandlich nicht als
Verdeckungsmord anzusehen ist, kann das Verdeckungsmotiv,
bei dem in
aller Regel eine besonders verwerfliche Gesinnung zutage tritt,
für sich als niedriger Beweggrund gewertet werden. Dies gilt ganz
allgemein für die Fälle, in denen das Opfer für eine
Verhaltensweise des Täters getötet wird, die er zwar nicht
für strafbar, jedoch für verwerflich oder seinem Ansehen
abträglich hält. Das betrifft also Fälle, in denen sich
der Täter eigensüchtig der Verantwortung für
vorangegangenes Tun oder begangenes Unrecht entziehen will und deshalb
tötet (vgl. BGHSt 35, 116, 121 f.; BGHR StGB § 211 Abs. 2
niedrige Beweggründe 21 m.w.N.; BGH,
Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 159/01). Ein niedriger Beweggrund kann gegeben sein, wenn sich der Täter zur Tötung eines Menschen entschließt, um sich einer berechtigten Festnahme zu entziehen und ungehindert entkommen zu können. Dieser Tatantrieb muss in aller Regel ebenso beurteilt werden, wie die in § 211 Abs. 2 StGB ausdrücklich hervorgehobene Verdeckungsabsicht, weil es dem Täter in beiden Fällen darum geht, sich seiner Verantwortung für begangenes Unrecht unter Inkaufnahme des Todes eines Menschen zu entziehen (BGH, Urt. v. 14.7.1970 – 1 StR 68/70 - MDR 1971, 722 bei Dallinger; BGH, Urt. v. 14.10.1987 – 3 StR 145/87 - BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8; vgl. auch BGH, Urt. v. 23.12.1998 – 3 StR 319/98 - StV 2000, 74, 75; BGH, Urt. v. 14.7.1988 – 4 StR 210/88 - BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11; BGH, Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR 84/12; MüKo-StGB/Schneider, § 211 Rn. 78; LK-StGB/Jähnke, 11. Aufl., § 211 Rn. 25). Niedrige Beweggründe im Sinne des § 211 StGB kommen auch in Betracht, wenn der Angeklagte eigenes, zwar nicht strafbares, aber ehrenrühriges Verhalten hat verdecken wollen (vgl. BGH NStZ 1987, 81; vgl. auch BGH, Urt. v. 6.2.2002 - 1 StR 513/01 - BGHSt 47, 243 - NJW 2002, 2188). siehe auch unten zum Mordmerkmal Verdeckungsabsicht Rdn. 55 |
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30.50 |
Eine
Bestrafungsaktion
ist grundsätzlich geeignet, das Vorliegen
niedriger Beweggründe zu belegen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2
Niedrige Beweggründe 39; BGH,
Beschl. v. 28.6.2000 - 1 StR
199/00;
BGH,
Urt. v. 1.9.2005 - 4 StR 290/05; BGH,
Urt. v. 30.11.2005 - 5 StR
344/05). Es liegt nicht gänzlich fern, die von den
Angeklagten
ausgelebte Rache
für ein ihnen unverständliches, als
undankbar empfundenes Bestehen des betrunkenen Opfers auf seinem
Hausrecht als ebenfalls auf niedrigen Beweggründen beruhend
anzusehen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe
36; BGH NStZ-RR 2003, 147, 149; BGH,
Urt. v. 30.11.2005 - 5 StR
344/05). Vgl. auch BGH,
Beschl. v. 22.4.2004 - 3 StR 115/04
"Hinrichtung"
eines Drogenschuldners durch Steinigung; BGH,
Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 425/07 -
NStZ 2008, 273: "Hinrichtung"
wegen
Nicht-Rückzahlung von Schulden). War Motiv des Angeklagten für die Tötung allein seine Befürchtung, das Tatopfer könne seinen Ruf in seiner Heimatstadt schädigen, so kann dieser Beweggrund "niedrig" im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB sein (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 35: Tötung zur Wahrung des "sozialen Ansehens", 37; BGH, Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04). Ebenso das Motiv "anderen gegenüber ein Exempel zu statuieren, um ein für allemal klarzustellen, daß man ungestraft nicht gegen ihn bei der Polizei vorgehen könne" (vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2004 - 4 StR 42/04). Ist bei dem Täter einer bezahlten Auftragstötung das Handeln aus Habgier neben anderen Motiven nicht bewußtseinsdominant, kommen auch sonstige niedrige Beweggründe als Mordmerkmal in Betracht (BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 - Ls. - BGHSt 50, 1 - NJW 2005, 996). Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe liegt bei einem Akt der Selbstjustiz nicht fern (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2010 – 2 StR 391/09 - NStZ-RR 2010, 175, 176; BGH, Urt. v. 29.1.2015 - 4 StR 433/14; MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 89 mwN). Zum Tötungsversuch als Akt der Selbstjustiz vgl. etwa BGH, Urt. v. 10.2.2010 – 2 StR 391/09; zum Bestrafungsmotiv bei - aus Sicht des Angeklagten - schuldhaften Vorverhalten des Geschädigten und damit - aus Sicht des Angeklagten - gesetztem Tatanlass vgl. auch BGH, Urt. v. 18.5.2010 - 5 StR 115/10. |
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30.55 |
Auch
ein Mißverhältnis
zwischen Tatanlaß und Erfolg
ist von wesentlicher, wenn auch nicht allein entscheidender Bedeutung
für die Annahme eines niedrigen Beweggrunds (vgl. BGH,
Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 159/01: betr. Tötung, um die Aufdeckung
einer
Verkehrsordnungswidrigkeit zu verhindern; vgl. auch BGH
StV 1981, 399,
400; StV 1983, 504; NJW 1967, 1140 und BGH,
Urt. v.
8.8.2001 - 2 StR 504/00 betr.: Anlaß
war Bagatelle, wie sie häufig in
Gaststätten vorkommt; BGH, Urt. v. 19.10.2011 - 1 StR 273/11:
Anzeigeerstattung
als Tötungsmotiv; Tröndle/Fischer, StGB 50.
Aufl. §
211 Rdn. 11; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. §
211 Rdn. 18 jew. m.w.N.). Einem krassen Mißverhältnis
zwischen Tatanlaß und Tötung kommt maßgebliche
Bedeutung zu. Die Feststellung eines solchen
Mißverhältnisses allein genügt aber nicht für die
Annahme eines niedrigen Beweggrundes. Faßte der Täter den
Tötungsentschluß ohne Plan und Vorbereitung "spontan" aus
der Situation heraus, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob
er sich bei der Tat der Umstände bewußt war, die seine
Beweggründe als niedrig erscheinen lassen (BGH StV 1982, 566 =
NStZ 1983, 19; StV 1984, 72; 1984, 465; Urt. v. 25.5.1983 - 3 StR
112/83; BGH,
Urt. v.
11.1.2000 - 1 StR 505/99 - NStZ-RR
2000, 333;
siehe auch nachstehend --> Rdn. 30.14). Ohne Kenntnis des konkreten Anlasses, der den Angeklagten zur Tötung bewogen hat, lässt sich ein "eklatantes Missverhältnis zwischen Anlass und Tat", wie es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Annahme niedriger Beweggründe führen kann, nicht belegen. Dass ein Angeklagter etwa aus Verärgerung über seine Kündigung willkürlich eine unbeteiligte (und darüber hinaus wehrlose) Person zum Opfer macht und deshalb tötet, kann zwar grundsätzlich Grundlage für die Annahme niedriger Beweggründe sein. Bezieht sich die entsprechende Feststellung zur Motivation und zum Vorgehen des Angeklagten auf einen der Tötung vorangehenden Zeitpunkt, zu dem er noch ohne Tötungsvorsatz handelte, kann sie zur Begründung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nicht herangezogen werden. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände, die den Angeklagten nach vorangegangenem, lediglich mit Körperverletzungsvorsatz getragenem ersten Übergriff auf das Tatopfer bewogen haben, sein Handeln nunmehr mit billigender Inkaufnahme des Todes fortzusetzen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.3.2012 - 2 StR 476/11). vgl. zur Tötung aus nichtigem Anlass auch BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 53/15 |
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30.60 |
Herkunftsbedingte
Anschauungen sind für die Beurteilung des
Mordmerkmals grundsätzlich unbeachtlich (vgl. BGH,
Beschl. v.
27.4.2006 - 5 StR 79/06). Der Maßstab für die Bewertung
eines Beweggrundes ist den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der
Bundesrepublik Deutschland und nicht den Anschauungen einer
Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser
Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt, zu entnehmen (vgl. BGHR StGB §
211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 29 - NJW 1995, 602; BGH,
Beschl. v. 28.6.2000 - 1 StR
199/00; BGH,
Beschl. v. 24.4.2001 - 1 StR 122/01; BGH,
Urt. v. 20.2.2002 - 5 StR 538/01 -
BGHR StGB § 211 Abs. 2
niedrige Beweggründe 41 - NStZ 2002, 369 - StV 2003, 21 mit
Anmerkung Saliger StV 2003, 21; BGH,
Urt. v. 28.1.2004 - 2 StR 452/03;
BGH NStZ 2006, 286, 287, 288; BGH,
Urt. v. 24.6.2004 - 5 StR 306/03 -
NStZ 2005, 153; BGH NStZ 2004, 332; BGH,
Urt. v. 11.10.2005 - 1
StR 195/05; BGH,
Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05; BGH,
Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 -
wistra 2007, 475; Tröndle/Fischer, StGB
53. Aufl. § 211 Rdn. 14 ff.; zustimmend Otto Jura 2003, 617;
Jähnke in LK-StGB 11. Aufl. § 211 Rdn. 37; Schneider in
MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 93). Dass der Angeklagte aus einem anderen Kulturkreis stammt, in dem der Stellenwert der Ehre in besonderem Maße betont wird ist im Rahmen der objektiven Bewertung daher regelmäßig nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 - wistra 2007, 475). Unabhängig davon ist die Annahme, einfache Beleidigungen würden die Tötung von Menschen zu einer Ehrensache machen, auch in fremden Kulturkreisen durchaus fern liegend ist, zumal wenn zwischen dem Anlass und den Taten ein eklatantes Missverhältnis besteht. Dass der Angeklagte durch diese Beleidigungen zu seinen Taten "provoziert" wurde, kann ihn nicht entlasten, denn auch in diesem Fall bestünde ein eklatantes Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tötung (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 195/05). |
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30.60.5 |
Eine
Tötung aus dem Motiv der
„Blutrache„ ist in aller
Regel deshalb als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos
anzusehen, weil sich der Täter dabei seiner persönlichen Ehre
und der Familienehre wegen gleichsam als Vollstrecker eines von ihm und
seiner Familie gefällten Todesurteils über die Rechtsordnung
und einen anderen Menschen erhebt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 29; Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S.
419, 422 ff.; vgl. zu Tötungen aus „Blutrache„ auch
BGH, Urt. v. 28.8.1979 - 1 StR 282/79; BGH, StV 1998, 130; BGH,
Urt. v. 24.6.1998 - 3 StR 219/98; BGH, Beschl. v. 23.3.2004 - 4 StR
466/03 und 9/04). Ein niedriger Beweggrund wird in aller
Regel in denjenigen Fällen von „Blutrache„ ohne
weiteres anzunehmen sein, in denen allein die Verletzung eines
Ehrenkodex als todeswürdig angesehen wird oder in denen ein
Angehöriger einer Sippe als Vergeltung für das Verhalten
eines anderen Sippenangehörigen, an dem ihn keine persönliche
Schuld trifft, getötet wird. Auch die Tötung als Vergeltung
für ein als ehrenwidrig bewertetes Verhalten, das indes
seinerseits nicht in der Tötung oder zumindest schweren Verletzung
einer anderen Person bestand, wird regelmäßig als niedrig zu
bewerten sein (vgl. BGH,
Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Eine differenzierte Betrachtung ist hingegen insbesondere dann geboten, wenn mit der „Blutrache„ Vergeltung an jemandem geübt wird, der seinerseits nachvollziehbar als schuldig an der Tötung eines anderen Menschen erachtet wird. Allgemein darf die Bezeichnung eines Motivs als „Blutrache„ nämlich nicht die notwendige differenzierte Betrachtung des tatsächlichen Geschehens ersetzen (vgl. Nehm in Festschrift für Albin Eser 2005 S. 419, 424). Bei allgemein motivierten Tötungsantrieben wie Wut, Zorn, Hass oder Verzweiflung kann die Gefahr bestehen, dass sie fälschlich einer mit Selbstverständlichkeit als niedrig zu bewertenden Blutrache zugeordnet werden, obgleich die Niedrigkeit am Maßstab der inländischen Werteordnung zu verneinen wäre (vgl. Nehm aaO). Gerade bei dem Verlust naher Angehöriger durch eine Gewalttat sind rachemotivierte Tötungen nicht ohne weiteres als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten (BGH, Urt. v. 28.8.1979 - 1 StR 282/79; BGH StV 1998, 130; vgl. aber auch Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 86 f.). Hat der Täter aus persönlichen Motiven aufgrund schwerer Kränkung durch Tötung eines ihm besonders nahe stehenden Angehörigen gehandelt, ist diese Form von „Selbstjustiz„ zwar keineswegs billigenswert (vgl. BGH StV 1998, 130; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 28; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7). Die Tat kann aber auch nicht nur deshalb als besonders verwerflich eingestuft werden, weil der Täter aus einem Kulturkreis stammt, in dem der Gesichtspunkt der „Blutrache„ bis heute relevant ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 211 Rdn. 14b). Es ist also danach zu differenzieren, ob der Angeklagte tatsächlich allein aus einem ersichtlich nicht billigenswerten Motiv der „Blutrache„, und damit aus niedrigen Beweggründen, oder aus einer besonderen Belastungssituation infolge des Verlustes seiner wesentlichen Bezugsperson bzw. aus ähnlichen, nicht per se niedrigen Motiven heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1998 - 3 StR 219/98; BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Ob ein durch Tötung naher Angehöriger zugefügtes Leid auch jenseits von Spontantaten (hierzu Schneider aaO Rdn. 87) derart erheblich ist, dass der Beweggrund insgesamt nicht mehr als besonders verwerflich und verachtenswert erscheint, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Maßstab sind insbesondere Gewicht und nähere Umstände der Vortat (vgl. BGH StV 1998, 130), u. U. deren strafjustizelle Aufarbeitung, Näheverhältnis zum Getöteten (vgl. § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO), Grad fortdauernder persönlicher Betroffenheit (vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 23.3.2004 - 4 StR 466/03 und 9/04) und konkrete objektive Umstände der Tötung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7; BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bei ausländischen Tätern (BGH, Urt. v. 28.1.2004 - 2 StR 452/03 - Ls.) Auch das tatauslösende Motiv, unbeteiligte Dritte, die eine von der Rechtsordnung verbotene Vergeltung nicht fördern wollen oder auch nur der Behinderung verdächtig sind, zu töten, zeigt eine Gesinnung, die wertungsmäßig auf sittlich tiefster Stufe steht. In ihr kommt eine Eigensucht zum Ausdruck, welche zur Durchsetzung selbstgesteckter, von der Rechtsordnung mißbilligter Ziele Menschenleben für gering achtet und deshalb unter keinen Umständen Verständnis durch die Allgemeinheit erwarten kann (vgl. BGH, Beschl. v. 2.2.2000 - 2 StR 550/99 - NStZ-RR 2000, 168). |
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30.65 |
Auch bei einer spontanen Tötung ist die Annahme sonstiger niedriger Beweggründe nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11; BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87; BGH NStZ 2006, 166 f.; BGH, Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 - wistra 2007, 475; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 211 Rdn. 9b m.w.N.). Faßte der Täter den Tatentschluß ohne Plan und Vorbereitung "spontan" aus der Situation heraus, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob sich der Täter der Umstände bewußt war, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11, 16 und 31; BGH NStZ 1983, 19; BGH, Urt. v. 11.1.2000 - 1 StR 505/99; BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87; BGH NStZ-RR 2000, 333; BGH, Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 159/01; BGH, Urt. v. 11.11.2004 - 4 StR 349/04 - NStZ 2005, 331). Besonders sorgfältiger Prüfung bedarf es, wenn sich eine Tat plötzlich aus einer Situation heraus entwickelt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 6.3.2001 - 4 StR 541/00). | |
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30.70 |
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30.70.5 |
Bei
dem Merkmal der niedrigen Beweggründe handelt es sich um ein
persönliches Mordmerkmal; deswegen kann nur derjenige als
Mittäter eines Mordes aus niedrigen Beweggründen verurteilt
werden, der selbst aus derartigen Beweggründen handelt. Fehlt es
an diesem Merkmal, so kommt nur eine Verurteilung wegen in
Mittäterschaft begangenen Totschlags in Betracht (vgl. BGHSt 36,
231 ff.; BGH,
Beschl. v. 10.6.2009 - 4 StR 645/08 - NStZ 2009, 627;
Cramer/Heine in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 25
Rdn. 87 m.w.N.; siehe hierzu unten Rdn. 70.2 u. 70.4). Mittäter einer vorsätzlichen Tötung können wegen Totschlags oder Mordes unterschiedlich beurteilt werden (vgl. BGH, Urt. v. 25.7.1989 - 1 StR 479/88 - BGHSt 36, 231, 233; BGH, Beschl. v. 26.3.2014 - 2 StR 505/13). Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen ist für jeden Mittäter der vorsätzlichen Tötung gesondert zu prüfen (BGH, Beschl. v. 26.3.2014 - 2 StR 505/13). |
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30.70.10 |
Aus niedrigen Beweggründen handelt auch derjenige, der sich die entsprechenden Beweggründe anderer zu eigen macht (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 7.9.1993 - 5 StR 455/93; BGH, Urt. v. 19.10.2001 - 2 StR 259/01 - BGHSt 47, 128 f. - NJW 2002, 382). Allein die Tatsache, dass der Angeklagte in Kenntnis der Beweggründe des anderen an der Verwirklichung des Tatplans mitwirkte, reicht hierfür nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 10.6.2009 - 4 StR 645/08 - NStZ 2009, 627). | |
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30.75 |
Dass
der Täter auch eigene Interessen verfolgt, ist zwar der
Regelfall der vorsätzlichen Tötung eines Anderen und
rechtfertigt deshalb noch nicht ohne Weiteres die Qualifikation der Tat
als Mord. Deshalb wird auch nach Aufhebung des § 217 StGB a.F.
durch das 6. StrRG (vgl. dazu BTDrucks 13/8587 S. 34) in den
Fällen der Kindstötung
die Annahme von Mord nur ausnahmsweise
in Betracht kommen (vgl. BGH,
Urt. v. 19.6.2008 - 4 StR 105/08 - StV
2009, 529). Anders verhält es sich jedoch, wenn die Tat von
besonders krasser Selbstsucht geprägt ist (vgl. BGH,
Urt. v.
30.10.2008 - 4 StR 352/08 - NStZ 2009, 210: die Angeklagte
wollte
"entscheidungslenkend" das Kind als "Störfaktor" beseitigen, um
ihr bisheriges Leben in gewohnter Form fortsetzten zu
können). . siehe auch: Minder schwerer Fall des Totschlags, § 213 StGB --> Alt. 2 --> Rdn. 50.2 (Kindstötungen) |
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30.80 |
Leitsätze
- StGB §§ 21,
63,
211 Abs.
2 1. Niedrige Beweggründe bei außergewöhnlich brutalem, eklatant menschenverachtendem Tatbild. 2. Prüfung verminderter Steuerungsfähigkeit und Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus in Fällen dieser Art BGH, Urt. v. 22.10.2014 - 5 StR 380/14 In dem äußerst brutalen Vorgehen des psychisch weitgehend unauffälligen Angeklagten kann ein den personalen Eigenwert des Opfers negierender Vernichtungswille zum Ausdruck kommen, der nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und daher der Motivgeneralklausel des § 211 Abs. 2 StGB unterfällt (BGH, Urt. v. 22.10.2014 - 5 StR 380/14; siehe dazu auch BGH, Urt. v. 5.11.2002 – 1 StR 247/02 - NStZ-RR 2003, 78, 79). Neben ungehemmter Eigensucht und krasser Rücksichtslosigkeit ist ein weiteres Leitprinzip die in der Tötung motivational zu Tage tretende Missachtung des personellen Eigenwerts des Opfers (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2014 - 5 StR 380/14; BGH, Urt. v. 22.8.1995 – 1 StR 393/95 - NStZ-RR 1996, 98 f.; LK-Jähnke, StGB, 11. Aufl., § 211 Rn. 26-28; Müko-Schneider, § 211 Rn. 75). Eine solchermaßen antisoziale Einstellung kann darin erblickt werden, dass der Täter das Opfer in menschenverachtender Weise tötet (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.2002 - 1 StR 247/02 - NStZ-RR 2003, 78, 79; BGH, Urt. v. 22.10.2014 - 5 StR 380/14). Hierzu rechnen Sachverhalte, in denen der Täter das Opfer vor oder während der Tat in besonders herabsetzender Weise quält und damit eine gesellschaftlichen Grundwerten kategorial zuwider laufende Einstellung dergestalt manifestiert, dass der Adressat des Angriffs nicht einmal mehr ansatzweise als Person, sondern nur noch wie ein beliebiges Objekt, mit dem man nach hemmungslosem Gutdünken verfahren kann, behandelt wird (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.2002 - 1 StR 247/02 - NStZ-RR 2003, 78, 79; BGH, Urt. v. 22.10.2014 - 5 StR 380/14). Angesichts des Tatbildes kann in derartigen Fällen auch das Merkmal der Mordlust zu prüfen sein (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2014 - 5 StR 380/14; zu den Voraussetzungen LK/Jähnke, 11. Aufl., § 211 Rn. 6 mwN). |
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30.85 |
In
subjektiver Hinsicht muß hinzukommen, daß sich der
Täter bei der Tat der Umstände bewußt ist, die seine
Beweggründe als niedrig erscheinen lassen, und daß er die
Bedeutung seiner Beweggründe und Ziele für die Bewertung der
Tat erfaßt hat (st. Rspr., vgl. BGHSt 6, 329, 331; BGHR
StGB
§ 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 15, 16, 26; BGH,
Beschl. v.
6.2.2001 - 4 StR 4/01; BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR
605/13). Soweit
gefühlsmäßige oder
triebhafte Regungen (wie Wut, Haß oder Zorn) als Handlungsantrieb
in Betracht kommen, muß der Täter diese zudem gedanklich
beherrschen und willensmäßig steuern können (st. Rspr.;
vgl. BGHSt 28, 210, 212; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 15, 16, 26; BGH StV 1984, 72; BGH,
Beschl. v. 2.2.2000
- 2 StR 550/99 - NStZ-RR 2000,
168; BGH,
Beschl. v.
6.2.2001 - 4 StR 4/01; BGH,
Urt. v. 19.10.2001 - 2
StR 259/01 - BGHSt 47, 128, NJW 2002,
382; BGH,
Urt. v. 5.11.2002 - 1 StR 247/02; BGH,
Urt. v. 15.1.2003 - 5 StR 223/02 - NJW
2003, 2328; BGH,
Urt. v. 28.1.2004 - 2 StR 452/03; BGH,
Beschl. v. 21.6.2007 -
3 StR 180/07 - NStZ 2008, 29; BGH,
Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 -
wistra 2007, 475; BGH, Urt. v. 1.3.2012 - 3
StR 425/11; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11; BGH, Urt. v.
20.8.2014 - 2 StR 605/13). Das kann bei einer affektiven Anspannung
auch aufgrund einer Persönlichkeitsstörung ausgeschlossen
sein (vgl. BGH,
Beschl. v. 17.4.2007 - 5 StR 548/06 - NStZ 2007, 525),
erst recht, wenn weitere Faktoren, wie eine Alkoholisierung,
hinzukommen (vgl. BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13). Ob dies der Fall ist, bedarf insbesondere bei plötzlichen, ohne Plan und Vorbereitung sich entwickelnden Situationstaten genauerer Prüfung (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 10; BGH StV 2000, 20, 21, BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87; BGH, Urt. v. 5.11.2002 - 1 StR 247/02; BGH, Urt. v. 15.1.2003 - 5 StR 223/02 - NJW 2003, 2328; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 12 m. w. N.). Dies ist nicht der Fall, wenn der Täter außerstande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizumachen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26; BGH, Urt. v. 25.7.2006 - 5 StR 97/06). Nur ausnahmsweise, wenn dem Täter bei der Tat die Umstände nicht bewußt waren, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, oder wenn es ihm nicht möglich war, seine gefühlsmäßigen Regungen, die sein Handeln bestimmen, gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 2, 4, 10, 12, 15, 24, 28), kann anstatt einer Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen lediglich eine Verurteilung wegen Totschlages in Betracht kommen (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2002 - 5 StR 538/01). Für die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die ein Motiv zu einem niedrigen Beweggrund im Sinne von § 211 StGB machen, kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte selbst seinen Beweggrund als niedrig bewertet; er muss dazu nur fähig sein (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 39; BGH, Urt. v. 8.8.2001 - 2 StR 504/00; BGH NStZ 2004, 332 f.; BGH, Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 - wistra 2007, 475). Die Schwelle für die Annahme, der Täter habe seine Antriebe gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern können, ist umso niedriger, je schwerwiegender die Tötungstat ist (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 26 und 39; BGH, Urt. v. 19.10.2001 - 2 StR 259/01 - BGHSt 47, 128 f., NJW 2002, 382). Beispiel: Dass der Angeklagte imstande war, seine Gefühle der Verärgerung und Wut gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern, kann angesichts seines längeren Zuwartens auf das Erscheinen des späteren Tatopfers so naheliegen, dass es keiner Erörterung bedarf (vgl. BGH, Urt. v. 8.8.2001 - 2 StR 504/00). Unerläßlich für die subjektiven Komponente des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe ist, daß dem Täter die Einsicht in die Niedrigkeit seiner Beweggründe aufgrund seiner geistig-seelischen Verfassung nicht versperrt ist (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 32; BGH, Beschl. v. 6.2.2001 - 4 StR 4/01: "psychische Disposition durch Neigung zu einem paranoiden Cognitionsmodus"; BGH, Urt. v. 6.2.2002 - 2 StR 489/01 - StV 2002, 540; BGH, Beschl. v. 10.9.2003 - 5 StR 373/03: "emotional aufgewühlte Gemütsverfassung"; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 10b, 11 bis 12 m. w. N.). Bei einem ausländischen, noch intensiv den Wertvorstellungen seiner Heimat verhafteten Täter kann allerdings die Fähigkeit fehlen, die in Deutschland gültigen abweichenden sozialethischen Bewertungen seiner Motive zu erfassen (vgl. BGH, Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07 - wistra 2007, 475). Unabhängig von der Frage, in welchem Umfang eigentümliche Wertvorstellungen des heimatlichen Kulturkreises eines Täters für das etwaige Vorliegen niedriger Beweggründe von Bedeutung sind (vgl. Jähnke LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 37; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 211 Rdn. 14), ist auszuschließen, dass die Zivilisation oder die Religion, die den aus Algerien stammenden Angeklagten geprägt haben, dessen Motiv für die Tötung des Kindes etwa billigen würden (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2005 - 5 StR 401/05: Motiv war die Bestrafung und Rache, dass sich die Partnerin von ihm trennen wollte). Der Täter muß die Mordmerkmale subjektiv in ihren tatsächlichen Voraussetzungen erfassen. Bei der Prüfung der niedrigen Beweggründe gehört dazu, daß er die Umstände kennt und mit seinem Bewußtsein erfaßt, welche die Bewertung seines Handlungsantriebes als niedrig begründen (ständige Rechtsprechung, u. a. BGHR aaO Niedrige Beweggründe 6, 13, 15, 23). Die als niedrig zu bewertenden Handlungsantriebe dürfen nicht lediglich unbewußte Handlungsantriebe gewesen sein (BGH StV 1984, 72), denn das Schuldprinzip setzt voraus, daß die die Tat charakterisierenden Motive und Absichten als Merkmale des subjektiven Tatbestandes nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie in das Bewußtsein des Täters getreten sind. Die - rechtliche - Bewertung der Handlungsantriebe als niedrig braucht der Täter nicht vorzunehmen oder nachzuvollziehen, auf seine eigene Einschätzung oder rechtsethische Wertung kommt es nicht an (BGHR aaO Niedrige Beweggründe 13, 23). Er muß aber zu einer zutreffenden Wertung in der Lage sein; die Fähigkeit dazu kann etwa bei einem Persönlichkeitsmangel oder bei einem ausländischen Täter, der den in seiner Heimat gelebten Anschauungen derart intensiv verhaftet ist, daß er deswegen die in Deutschland gültigen abweichenden sozialethischen Bewertungen seines Motivs nicht in sich aufnehmen und daher auch nicht nachvollziehen kann, fehlen (BGH GA 1967, 244; BGH bei Dallinger MDR 69, 723; BGH bei Holtz MDR 77, 809; BGH NStZ 1981, 258; BGHR aaO Niedrige Beweggründe 24; BGH, Urt. v. 28.1.2004 - 2 StR 452/03; Jähnke in LK-StGB aaO Rdn. 33, 37). Eine festgestellte Persönlichkeitsstörung und weitere psychischen Beeinträchtigungen können der Annahme der subjektiven Voraussetzungen von niedrigen Beweggründen entgegenstehen, falls der Angeklagte aufgrund seines geistig-seelischen Zustandes nicht in der Lage gewesen ist, die Umstände, welche die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in sein Bewusstsein aufzunehmen und seine gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen entsprechend zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (vgl. BGH, Beschl. v. 17.4.2007 - 5 StR 548/06 - NStZ 2007, 525; BGH, Urt. v. 25.1.2006 - 2 StR 348/05; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 211 Rdn. 9b). Dies ist ggfls. im Rahmen einer erforderlichen Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Entwicklung wie auch der Tat selbst und des Nachtatgeschehens zu erörtern (vgl. BGH, Beschl. v. 17.4.2007 - 5 StR 548/06 - NStZ 2007, 525; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 9c). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe unerläßlich, daß dem Täter bei der Tat die Einsicht in die Niedrigkeit seiner Beweggründe aufgrund seiner geistig- seelischen Verfassung nicht versperrt ist (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 15, 26; BGH StV 2004, 205 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 14.4.2004 - 4 StR 577/03). Die Frage, ob ein Täter sich der Umstände bewusst war, die den Tatantrieb als besonders verwerflich erscheinen lassen, kann grundsätzlich erst dann beantwortet werden, wenn die Motivation der Tat aufgeklärt ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87; BGH NStZ 1996, 384, 385; BGH, Urt. v. 25.1.2006 - 2 StR 348/05; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 34). Ob der Täter seine Motive selbst als niedrig bewertet, ist unerheblich (BGH NStZ 1989, 363; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 27; BGH, Urt. v. 19.7.2000 - 2 StR 96/00 - NStZ 2001, 87; BGH, Urt. v. 19.10.2011 - 1 StR 273/11). Zwar können grundsätzlich aus dem äußeren Ablauf der Geschehnisse und den näheren Umständen der Tatbegehung Schlüsse auch auf das subjektive Vorstellungsbild des Täters gezogen werden. Mangelt es aber an indiziellen äußeren Tatsachen, so können, wie der Bundesgerichtshof schon im Beschluss vom 9.10.2002 - 2 StR 297/02 (NStZ-RR 2003, 49, 50 f.) ausgeführt hat, den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen nicht allein auf eine besonders nachdrückliche Darlegung des Tatrichters gestützt werden, er sei "überzeugt". Wenn der Tatrichter aus einer Mehrzahl möglicher Tatmotivationen und subjektiver Vorstellungen solche feststellen will, deren Annahme den Angeklagten belastet, so darf diese Feststellung nicht nur auf Vermutungen beruhen; ihre Begründung darf sich nicht in der bloßen Behauptung von Plausibilität erschöpfen (BGH, Urt. v. 30.11.2005 - 2 StR 557/04). Auch wenn der Angeklagte den Tötungsentschluss erst am Tatort gefasst hat, kann es sich im Einzelfall nicht um eine kurze Spontantat im Sinne einer wutbedingten "Kurzschlusshandlung", sondern um ein länger andauerndes, mehraktiges Vorgehen gegenüber mehreren Opfern in unterschiedlichen Positionen handeln (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 195/05). Selbst wenn der Angeklagte bei den Taten in immer größere Erregung geraten ist, kann ihn dies nicht entlasten, wenn er sich bewusst von beherrschbaren Gefühlen zu den Taten hat treiben lassen (vgl. BGH NStZ 2004, 332; BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 195/05). Subjektiv muss der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie – auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie Wut und Eifersucht – in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urt. v. 12.6.2013 - 5 StR 129/13; BGH, Urt. v. 1.3.2012 – 3 StR 425/11 - NStZ 2012, 691). Gerade bei einer Tötung, die geschieht, weil sich die Intimpartnerin vom Täter abwendet, können tatauslösend und -bestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation fraglich erscheinen lassen (– 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691; BGH, Urt. v. 14.12.2000 – 4 StR 375/00 - StV 2001, 228; BGH, Urt. v. 2.5.1990 – 3 StR 11/90 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 18). |
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30.90 |
Zwar hat der Tatrichter bei der Prüfung dieses Mordmerkmals einen Beurteilungsspielraum, den das Revisionsgericht nicht durch eigene Erwägungen ausfüllen kann (st. Rspr., siehe die Nachweise oben Rdn. 30.6; vgl. Maatz/Wahl FS 50 Jahre BGH, 531, 552; Fischer StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 15 m. zahlr. Nachw.). Rechtsfehlerhaft ist es jedoch, wenn die Prüfung dieses Mordmerkmals unterblieben ist, obwohl es nach den Umständen nahe lag (BGH, Urt. v. 4.12.2008 - 1 StR 327/08 - NStZ 2009, 226). | |
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35 |
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35.1 |
Heimtückisch
handelt, wer eine zur Tatzeit beim Opfer bestehende Arg- und
Wehrlosigkeit bewusst zur Tat ausnutzt. Arglos ist, wer
sich eines
Angriffs nicht versieht; wehrlos ist derjenige, dessen
Verteidigungsfähigkeit aufgehoben oder erheblich
eingeschränkt ist. Die Wehrlosigkeit muss sich als Folge der
Arglosigkeit darstellen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urt. v. 3.9.2015 -
3 StR 242/15 Rn. 10 mwN; BGH, Beschl. v. 28.6.2016 - 3 StR 120/16 Rn.
7). Heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Das Opfer muss gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist (st. Rspr.; vgl. (BGH, Beschl. v. 2.12.1957 – GSSt 3/57 - BGHSt 11, 139, 144; BGH, Urt. v. 4.7.1984 - 3 StR 199/84 - BGHSt 32, 382, 384; BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2; BGH NStZ 2005, 688, 689; 2006, 502, 503; BGH, Urt. v. 21.9.2000 - 1 StR 236/00 - NStZ 2001, 86; BGH, Urt. v. 17.1.2001 - 2 StR 438/00; BGH, Urt. v. 25.9.2001 -1 StR 264/01; BGH, Urt. v. 20.2.2002 - 5 StR 545/01; BGH, Beschl. v. 14.1.2003 - 5 StR 478/02; BGH, Urt. v. 20.7.2004 - 1 StR 145/04 - NStZ 2005, 526; BGH, Urt. v. 10.11.2004 - 2 StR 248/04; BGH, Urt. v. 2.2.2005 - 1 StR 473/04; BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; BGH, Urt. v. 15.2.2007 - 4 StR 467/06 - NStZ-RR 2007, 174; BGH, Beschl. v. 11.9.2007 - 1 StR 273/07 - NJW 2007, 3587 - wistra 2008, 30; BGH, Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 425/07 - NStZ 2008, 273; BGH, Beschl. v. 19.6.2008 - 1 StR 217/08 - NStZ 2009, 208; BGH, Urt. v. 17.9.2008 - 5 StR 189/08 - NStZ 2009, 30, 31; BGH, Urt. v. 29.4.2009 - 2 StR 470/08 - NStZ 2009, 569; BGH, Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 503/09; BGH, Beschl. v. 31.3.2011 - 5 StR 66/11; BGH, Beschl. v. 4.5.2011 - 5 StR 65/11; BGH, Beschl. v. 15.9.2011 - 3 StR 223/11; BGH, Urt. v. 19.10.2011 - 1 StR 273/11; BGH, Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 326/11; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11; BGH, Urt. v. 1.3.2012 - 3 StR 425/11; BGH, Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR 84/12; BGH, Urt. v. 6.9.2012 - 3 StR 171/12; BGH, Urt. v. 11.12.2012 - 5 StR 438/12; BGH, Beschl. v. 4.6.2013 - 4 StR 180/13; BGH, Urt. v. 11.6.2013 - 1 StR 86/13; BGH, Beschl. v. 30.7.2013 - 2 StR 5/13; BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 53/15; BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13; BGH, Urt. v. 24.9.2014 - 2 StR 160/14; BGH, Beschl. v. 6.11.2014 - 4 StR 416/14; BGH, Beschl. v. 16.12.2014 - 1 StR 496/14; BGH, Urt. v. 3.9.2015 - 3 StR 242/15; BGH, Urt. v. 16.2.2016 - 5 StR 465/15; BGH, Urt. v. 14.6.2017 - 2 StR 10/17 Rn. 10). Der in diesem Mordmerkmal zum Ausdruck kommende höhere Unrechtsgehalt des Täterverhaltens liegt darin, daß der Mörder sein Opfer in einer infolge der Arglosigkeit hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, sich zu verteidigen, zu fliehen, Hilfe herbeizurufen, ihn umzustimmen oder dem Anschlag in sonstiger Weise zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (vgl. BGHSt 11, 139, 143, 32, 382, 384; 39, 353, 368 jeweils m. w. N.; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH, Beschl. v. 14.1.2003 - 5 StR 478/02). |
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35.2 |
Arglos
ist ein Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit
Tötungsvorsatz geführten Angriffs weder mit einem
lebensbedrohlichen noch mit einem gegen seine körperliche
Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff
rechnet (vgl. BGHSt 20, 301, 302; 39, 353, 368; 48, 207,
210; BGH, Urt.
v. 26.11.1986 – 3 StR 372/86 - BGHR StGB § 211 Abs. 2
Heimtücke 2; BGHR StGB
§ 211 Abs. 2 Heimtücke 13, 17, 27; BGH,
Urt. v. 17.1.2001 - 2 StR 438/00; BGH,
Urt. v.
20.2.2002 - 5 StR 545/01;- NStZ 2002,
368; BGH,
Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05; BGH,
Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04; BGH,
Beschl. v. 4.5.2011 - 5 StR 65/11; BGH, Urt. v.
8.3.2012 - 4 StR 498/11; BGH, Urt. v. 6.9.2012 - 3 StR 171/12; BGH,
Beschl. v. 4.6.2013 - 4 StR 180/13; BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR
21/14; BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13; BGH, Urt. v.
13.5.2015 - 3 StR 460/14). Wehrlos ist, wer keine oder nur eine
reduzierte Möglichkeit zur Verteidigung besitzt (st. Rspr.; vgl.
z.B. BGH, Beschl. v. 16.12.2014 - 1 StR 496/14 Rn. 8; BGH, Urt. v.
16.2.2012 - 3 StR 346/11; BGH, Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR
84/12 -
NStZ 2013, 337, 338). Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2007 - 4 StR 467/06; BGH, Urt. v. 13.5.2015 - 3 StR 460/14). Die Arglosigkeit des Geschädigten wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Polizeibeamte generell ein gewisses Misstrauen gegenüber zu kontrollierenden Personen hegen und dies etwa darin zum Ausdruck gekommen war, dass der Polizeibeamte eine Schutzweste trug. Denn es kommt insoweit nicht auf ein allgemein begründetes Misstrauen, sondern allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnete (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.2016 - AK 47/16 Rn. 16; BGH, Urt. v. 20.10.1993 - 5 StR 473/93 - NStZ 1994, 125, 127; BGH, Urt. v. 10.3.1995 - 5 StR 434/94 - BGHSt 41, 72, 79). Ein berufs- bzw. rollenbedingtes "generelles Misstrauen" führt als solches noch nicht zum dauerhaften Ausschluss der Arglosigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 19.4.2017 - StB 9/17 Rn. 22; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 211 Rn. 37a mwN). Das Opfer muss gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384; BGH, Urt. v. 21.9.2000 - 1 StR 236/00 - NStZ 2001, 86; BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338; BGH, Urt. v. 25.11.2015 - 1 StR 349/15). Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGH, Urt. v. 4.7.1984 - 3 StR 199/84 - BGHSt 32, 382, 383 f.; BGH, Urt. v. 20.10.1993 - 5 StR 473/93 - BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 m.w.N.; BGH, Urt. v. 13.7.2005 - 2 StR 236/05; BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338; BGH, Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 571/08 - NStZ 2009, 501; BGH, Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 503/09; BGH, Urt. v. 19.10.2011 - 1 StR 273/11; BGH, Urt. v. 3.9.2015 - 3 StR 242/15; BGH, Urt. v. 25.11.2015 - 1 StR 349/15). Das Opfer kann daher auch dann arglos im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, also etwa von vorne angreift, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, um dem Angriff noch irgendwie zu begegnen (BGH, Beschl. v. 4.6.2013 - 4 StR 180/13; BGH, Urt. v. 16.2.2012 – 3 StR 346/11 - NStZ-RR 2012, 245; BGH, Urt. v. 20.7.2004 – 1 StR 145/04; BGH, Urt. v. 5.2.1997 – 2 StR 509/96 - NStZ-RR 1997, 168; BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR 21/14 betr. verbale Einwirkungsmöglichkeit; BGH, Urt. v. 3.9.2015 - 3 StR 242/15; BGH, Urt. v. 25.11.2015 - 1 StR 349/15; BGH, Beschl. v. 28.6.2016 - 3 StR 120/16 Rn. 9). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Abwehrversuche, die das durch einen überraschenden Angriff in seinen Verteidigungsmöglichkeiten behinderte Opfer im letzten Moment unternommen hat, stehen der Heimtücke daher nicht entgegen (BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146, 147; BGH, Urt. v. 22.8.1995 - 1 StR 393/95 - NJW 1996, 471; BGH, Urt. v. 21.1.1970 - 3 StR 182/69 Rn. 6; BGH, Urt. v. 3.9.2015 - 3 StR 242/15). Die Rechtsprechung hat den Grundsatz, dass Heimtücke Arglosigkeit des Angegriffenen bei Tatbeginn voraussetzt, für einzelne typische Ausnahmefälle modifiziert (vgl. BGHSt 22, 77, 79 f.; 32, 382, 385 f.; Schneider in MüKo StGB § 211 Rdn. 131 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt etwa vor, wenn der Täter das Opfer mit Tötungsvorsatz planmäßig in einen Hinterhalt lockt, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, und die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen bei Ausführung der Tat noch fortwirken (BGHSt 22, 77, 79 f.; BGH NStZ 1989, 364; BGH, Urt. v. 14.6.1960 - 1 StR 73/60; BGH, Urt. v. 9.12.1980 - 1 StR 620/80; BGH, Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 503/09). Ob die Arglosigkeit auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Kontrahenten ausdrücklich oder zumindest konkludent einen Faustkampf ohne Waffen verabredet haben, aber der Täter abredewidrig und überraschend mit Tötungsvorsatz eine Waffe einsetzt, hat der 2. Strafsenat offen gelassen (vgl. BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13; vgl. auch Hofmann NStZ 2011, 66 f.; NK/Neumann, StGB, 4. Aufl., § 211 Rn. 60; Matt/Renzikowski/ Safferling, StGB, 2013, § 211 Rn. 42). Für die Feststellungen von Arglosigkeit im Zeitpunkt der ersten Angriffshandlung gilt der Zweifelsgrundsatz (BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 53/15; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 211 Rn. 38). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1984 – 3 StR 199/84 - BGHSt 32, 382, 383 f.; BGH, Urt. v. 9.1.1991 – 3 StR 205/90 - NJW 1991, 1963; BGH, Urt. v. 29.4.2009 – 2 StR 470/08 - NStZ 2009, 569). Kann das Opfer in diesem Moment dem Täter nichts Wirkungsvolles entgegensetzen, ist von dessen Wehrlosigkeit selbst dann auszugehen, wenn es im weiteren Verlauf des Kampfgeschehens Abwehrmaßnahmen zu entfalten vermag (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2016 - 5 StR 465/15; BGH, Urt. v. 11.10.2005 – 1 StR 250/05 - NStZ 2006, 96; MüKo-StGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 174 mwN). Beim versuchten Delikt ist zu prüfen, ob der Täter die genannten Kriterien des Heimtückemerkmals in seinen Vorsatz aufgenommen hat (BGH, Urt. v. 16.2.2016 - 5 StR 465/15). Die Arglosigkeit entfällt, wenn das Opfer mit einem jedenfalls erheblichen körperlichen Angriff rechnet (BGH, Urt. v. 5.6.2013 - 1 StR 457/12 Rn. 26; BGH, Urt. v. 26.2.1993 - 3 StR 207/92 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 17 mwN; BGH, Urt. v. 15.4.1987 - 2 StR 32/87 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 4 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem der Täter den ersten Angriff mit Tötungsvorsatz führt (BGH aaO). Jedoch entfällt die Arglosigkeit dann nicht, wenn die Spanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem Angriff zu kurz war, um dem Opfer noch zu ermöglichen, dem Angriff zu begegnen (BGH, Urt. v. 5.6.2013 - 1 StR 457/12 Rn. 26; BGH, Urt. v. 15.9.2011 - 3 StR 223/11 mwN; zusammenfassend Schneider in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 211 Rn. 151 mwN in Fn. 615). |
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35.3 |
Dass
das Tatopfer allgemein mit einem tätlichen Angriff des
Angeklagten rechnete, schließt seine Arglosigkeit in der - worauf
es ankommt - konkreten Tatsituation bei Beginn des ersten mit
Tötungsvorsatz geführten Angriffs noch nicht aus (st. Rspr.;
vgl. BGH,
Urt. v. 23.8.2000 - 3 StR 234/00; BGH,
Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ
2003, 146; BGH,
Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04; BGH,
Urt. v. 1.9.2005 - 4 StR 290/05). Eine
auf früheren
Aggressionen und einer feindseligen Atmosphäre beruhende latente
Angst des Opfers vermag dessen Arglosigkeit jedenfalls nicht zu
beseitigen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH,
Urt. v. 23.8.2000 - 3 StR 234/00 -
NStZ-RR 2001, 14; BGH,
Urt. v. 9.9.2003 - 5 StR 126/03 - StV
2004, 205; BGH,
Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 503/09; BGH,
Urt. v. 11.11.2015 - 5 StR 259/15). Es
kommt insofern vielmehr allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt
mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1993 –
5 StR 473/93 - BGHSt 39, 353, 368; BGH,
Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 503/09; BGH,
Urt. v. 11.11.2015 - 5 StR
259/15). Kann sich das spätere Opfer auf
eine in Kürze zu erwartende Konfrontation einstellen, liegt es
fern, dass der Täter das Ausnutzungsbewusstsein hat (vgl. BGH,
Urt. v. 12.2.2009 - 4 StR 529/08 -
NStZ 2009, 264). Lauert der Täter seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht mehr darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenübertretenden Täter ausgehende Gefahr erkennt (BGH, Urt. v. 12.2.2009 - 4 StR 529/08 - NStZ 2009, 264; BGH, Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR 84/12). Eine auf früheren Aggressionen beruhende latente Angst des Opfers hebt seine Arglosigkeit erst dann auf, wenn es deshalb im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGH, Urt. v. 9.9.2003 – 5 StR 126/03 - NStZ-RR 2004, 14, 16; BGH, Urt. v. 20.10.1993 – 5 StR 473/93 - BGHSt 39, 353, 368). Die Rechtsprechung hat daher auch bei Opfern, die aufgrund von bestehenden Konfliktsituationen oder früheren Bedrohungen dauerhaft Angst um ihr Leben haben, einen Wegfall der Arglosigkeit erst dann in Betracht gezogen, wenn für sie ein akuter Anlass für die Annahme bestand, dass der ständig befürchtete schwerwiegende Angriff auf ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit nun unmittelbar bevorsteht (vgl. BGH, Urt. v. 9.9.2003 – 5 StR 126/03 - NStZ-RR 2004, 14, 15; BGH, Urt. v. 10.2.2010 – 2 StR 503/09 - NStZ 2010, 450, 451; BGH, Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR 84/12). Arg- und Wehrlosigkeit können auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber nicht (mehr) mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234, 235; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; BGH, Urt. v. 30.5.1996 – 4 StR 150/96 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH, Urt. v. 17.9.2008 - 5 StR 189/08 - NStZ 2009, 30; BGH, Beschl. v. 4.5.2011 - 5 StR 65/11 - NStZ 2011, 634; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11; BGH, Urt. v. 6.9.2012 - 3 StR 171/12; BGH, Urt. v. 11.12.2012 - 5 StR 438/12; BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR 21/14; Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 126 f.) oder wenn der Tat eine feindselige verbale Auseinandersetzung vorausgeht, das Opfer die drohende Gefahr aber erst im letzten Augenblick erkennt, so dass ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3 und 15; BGH, Urt. v. 20.2.2002 - 5 StR 545/01; BGH, Urt. v. 19.10.2011 - 1 StR 273/11; näheres dazu unten; vgl. auch BGH, Beschl. v. 5.5.2009 - 5 StR 50/09). Es reicht aus, wenn der Täter sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003, 535; BGH, Urt. v. 19.10.2011 - 1 StR 273/11). Ein der Tat vorangegangener bloßer Wortwechsel oder eine nur feindselige Atmosphäre schließt Heimtücke jedenfalls dann nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH, Urt. v. 23.8.2000 - 3 StR 234/00 - NStZ-RR 2001, 14; BGH, Urt. v. 1.3.2012 - 3 StR 425/11). Das gilt ebenso für längere Zeit zurückliegende Aggressionen und Tätlichkeiten. Auch ein generelles Mißtrauen schließt die Arglosigkeit nicht aus (vgl. BGHSt 39, 353, 368; BGH, Urt. v. 23.8.2000 - 3 StR 234/00 - NStZ-RR 2001, 14). Es kommt vielmehr allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGHSt 39, 353, 368; BGH, Urt. v. 23.8.2000 - 3 StR 234/00 - NStZ-RR 2004, 14, 15 f.; BGH, Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 571/08 - NStZ 2009, 501). Allerdings kann sich aus dem eigenen vorausgegangenen Verhalten des Opfers ergeben, daß es einen (erheblichen) tätlichen Angriff in Rechnung gestellt hat und daher nicht mehr arglos war (vgl. BGHSt 48, 207, 210; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; BGH, Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04). Die Wehrlosigkeit kann dadurch entfallen, dass sich das Opfer dem Angriff durch Flucht entzieht (vgl. BGH, Beschl. v. 28.6.2016 - 3 StR 120/16 Rn. 9; MüKo-StGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 Rn. 176). Die Arglosigkeit kann auch bei einer unmittelbar vorausgegangenen Auseinandersetzung wieder eintreten. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung hierfür indessen, dass das Opfer den Streit für beigelegt hält und sich deshalb keines tätlichen Angriffs mehr versieht. Danach kann die Beendigung einer Auseinandersetzung, bei der das Opfer zunächst mit einem Angriff rechnete, vor allem dann angenommen werden, wenn der Täter sich so verhält, dass daraus auf ein Ende der Feindseligkeiten geschlossen werden kann, und das Opfer daraufhin eine Haltung einnimmt, aus der sich ergibt, dass es keinen weiteren Angriff befürchtet (BGH, Urt. v. 30.5.1996 - 4 StR 150/96 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21 mwN; BGH, Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 326/11). Die Tatsache, dass im Rahmen der Obduktion keine Abwehrverletzungen festgestellt wurden, ist kein zwingender Anhaltspunkt dafür, dass der Angriff für das Opfer völlig überraschend kam. Einen entsprechenden Erfahrungssatz gibt es nicht (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2008 - 5 StR 189/08 - NStZ 2009, 30). Abwehrversuche, die das durch einen überraschenden Angriff in seinen Verteidungsmöglichkeiten behinderte Opfer im letzten Moment unternommen hat, stehen der Annahme dieses Mordmerkmals nicht entgegen (BGH NStZ 1999, 506; BGH, Urt. v. 20.2.2002 - 5 StR 545/01). Zwar schließt ein bloßer der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Mißtrauen Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorausgegangenen Streit, daß das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGHSt 33, 363; 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ 2003, 146; BGH, Urt. v. 22.1.2004 - 4 StR 319/03 - NStZ-RR 2004, 234; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11). Der Anwendung des Mordmerkmals steht nicht entgegen, daß es in der Vergangenheit zu verbalen Auseinandersetzungen gekommen war, in deren Verlauf der Angeklagte das spätere Tatopfer unter anderem bei einem Telefonanruf mit den Worten "Ich töte Dich" bedroht hatte. Erforderlich für die Beseitigung der Arglosigkeit ist auch bei einem vorhergehenden Streit, daß das Opfer im Tatzeitpunkt mit einem tätlichen Angriff rechnet (BGHSt 32, 382, 384; 33, 363, 365; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 7, 13 und 27; BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146). Dem steht nicht entgegen, dass das Tatopfer bis zuletzt nicht bemerkt hatte, dass der Angeklagte ein Messer mit sich führte, und sich somit in der Gefährlichkeit des zu erwartenden Angriffs verschätzt haben kann (vgl. insoweit BGHR StGB § 211 Heimtücke 13; BGH, Beschl. v. 8.9.2010 - 2 StR 274/10). Arglosigkeit des Tatopfers ist aber dann nicht gegeben, wenn es in der konkreten Tatsituation mit ernsthaften Angriffen auf seine körperliche Unversehrtheit rechnet (BGHSt 48, 207, 210; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13, 17, 27; BGH, Beschl. v. 9.4.2002 - 5 StR 5/02; BGH, Beschl. v. 16.8.2006 - 2 StR 303/06; BGH, Beschl. v. 11.1.2011 - 1 StR 517/10; siehe hierzu auch nachstehend unter "Ausnutzung des Überraschungsmoments"). An dieser Ursächlichkeit der Arglosigkeit für die Wehrlosigkeit fehlt es auch, wenn sich das Opfer vom Täter verteidigungsunfähig machen ließ, bevor dieser den Entschluss zu dem Angriff fasste (vgl. BGHSt 32, 382; BGH, Beschl. v. 11.9.2007 - 1 StR 273/07 - NJW 2007, 3587 - wistra 2008, 30; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 211 Rdn. 24a; Schneider in MüKo-StGB § 211 Rdn. 139). Leitsatz Der Erpresser ist in einer von ihm gesuchten Konfrontation mit dem Erpreßten gegenüber einem wehrenden Gegenangriff des Erpreßten auf sein Leben regelmäßig nicht arglos im Sinne des Mordmerkmals der Heimtücke, wenn er in dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden und zu beenden und damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des Erpreßten zu bewirken (BGH, Urt. v. 12.2.2003 - 1 StR 403/02 - Ls. - BGHSt 48, 207 - StV 2003, 557). Das sich wehrende Erpressungsopfer handelt in einem solchen Falle mithin in aller Regel nicht heimtückisch. Die Frage, ob ein Mensch arglos ist, beurteilt sich grundsätzlich nach seiner tatsächlich vorhandenen Einsicht in das Vorhandensein einer Gefahr. Daß er einen tätlichen Angriff (in diesem Zusammenhang: Gegenangriff) in Rechnung gestellt hat, kann sich allein schon aus seinem eigenen vorausgegangenen Verhalten ergeben (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; vgl. weiter BGHSt 20, 301, 302; 33, 363, 365; BGH NJW 1980, 792; StV 1985, 235; BGH, Urt. v. 12.2.2003 - 1 StR 403/02 - BGHSt 48, 207 - StV 2003, 557). In den Fällen der Erpressung, in denen eine Drohung als sog. Dauergefahr zwischen einzelnen Angriffsakten des Täters auf die Willensentschließungsfreiheit des Opfers als gegenwärtig im Sinne des Tatbestandes fortwirkt (vgl. dazu BGHR StGB § 255 Drohung 9; BGH NStZ-RR 1998, 135), kann eine Tötung des Erpressers durch sein Opfer in einer von diesem, also dem Opfer gesuchten, vorbereiteten Situation sehr wohl heimtückisch sein (siehe etwa BGH NStZ 1995, 231) und ist dann auch nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Sie wäre als Verteidigung jedenfalls nicht geboten (im Sinne des § 32 Abs.1 StGB). Dem Opfer wäre regelmäßig die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zuzumuten (vgl. § 154c StPO) (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.2003 - 1 StR 403/02 - BGHSt 48, 207 - StV 2003, 557). |
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35.4 |
Voraussetzung
heimtückischer Begehungsweise ist zudem, dass der
Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers
bewusst zur
Tatbegehung ausnutzt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschl. v.
2.12.1957 - GSSt 3/57 - BGHSt 11, 139, 144; BGH,
Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04 -
NStZ 2005, 691, 692; BGH,
Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 425/07 -
NStZ 2008, 273; BGH, Beschl. v.
29.11.2011 - 3 StR 326/11 - NStZ 2012, 270 jeweils mwN; BGH, Urt. v.
6.9.2012 - 3 StR 171/12; BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR 21/14; BGH,
Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13; BGH, Urt. v. 14.6.2017 - 2 StR 10/17 Rn. 10). Für das bewußte Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, daß der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfaßt, daß er sich bewußt ist, einen durch seine Arglosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1, 25 und 26; BGH NStZ 1984, 506, 507; BGH, Urt. v. 13.8.1997 - 3 StR 189/97 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26; BGH NStZ 1999, 506 f.; BGH, Urt. v. 9.2.2000 - 3 StR 392/99 - NStZ-RR 2000, 166 f.; BGH, Urt. v. 23.8.2000 - 3 StR 234/00 - NStZ-RR 2001, 14; BGH, Urt. v. 30.4.2003 - 3 StR 386/02 - wistra 2003, 351; BGH, Urt. v. 9.9.2003 - 1 StR 153/03: "Schnappfalle"; BGH, Urt. v. 20.7.2004 - 1 StR 145/04 - NStZ 2005, 526; BGH, Urt. v. 10.11.2004 - 2 StR 248/04; BGH, Urt. v. 17.9.2008 - 5 StR 189/08 - NStZ 2009, 30; BGH, Urt. v. 12.2.2009 - 4 StR 529/08 - NStZ 2009, 264; BGH, Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 601/08 - NStZ 2009, 571; BGH, Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 571/08 - NStZ 2009, 501; BGH, Urt. v. 29.4.2009 - 2 StR 470/08 - NStZ 2009, 569; BGH, Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 391/09; BGH, Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 503/09; BGH, Beschl. v. 25.5.2011 - 2 StR 166/11: "Messerangriff von hinten"; BGH, Beschl. v. 4.5.2011 - 5 StR 65/11; BGH, Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 326/11; BGH, Urt. v. 11.12.2012 - 5 StR 438/12; BGH, Urt. v. 24.9.2014 - 2 StR 160/14; BGH, Beschl. v. 6.11.2014 - 4 StR 416/14; BGH, Urt. v. 29.1.2015 - 4 StR 433/14; BGH, Urt. v. 14.6.2017 - 2 StR 10/17 Rn. 10; Fischer StGB 58. Aufl. § 211 Rn. 14). Er muss die Lage nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst haben und ihm muss bewusst gewesen sein, einen durch Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2009 - 2 StR 470/08 - NStZ 2009, 569, 570; BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13); das kann allerdings "mit einem Blick" geschehen (BGH, Urt. v. 8.10.1969 - 3 StR 90/69 - BGHSt 23, 119, 121; BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13). Dabei ist für die Beurteilung einer bewussten Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers grundsätzlich auf die Lage zu Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit den Eintritt der Tat in das Versuchsstadium abzustellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1984 - 3 StR 199/84 - BGHSt 32, 382, 384; BGH, Urt. v. 9.1.1991 - 3 StR 205/90 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR 21/14). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (BGH, Urt. v. 31.7.2014 – 4 StR 147/14 - NStZ 2015, 30, 31 mwN; BGH, Urt. v. 29.1.2015 - 4 StR 433/14). Anders kann es jedoch bei „Augenblickstaten“, insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein (BGH, Urt. v. 31.7.2014, aaO; BGH, Urt. v. 17.9.2008 – 5 StR 189/08 - NStZ 2009, 30, 31); auch kann die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein gefehlt hat (BGH, Urt. v. 31.7.2014, aaO; BGH, Urt. v. 11.12.2012 – 5 StR 438/12 - NStZ 2013, 232, 233 mwN; BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13; BGH, Urt. v. 29.1.2015 - 4 StR 433/14). Regelmäßig erfordert Heimtücke nicht, dass sich im bewussten Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit noch eine besondere Tücke und Verschlagenheit, ein verwerflicher Vertrauensbruch, zeigt (vgl. schon BGHSt <GS> 11, 13a, 144 f.; BGHSt <GS> 30, 105, 115 f.; vgl. auch eingehend Schneider in MK § 211 Rn. 152 ff., 159 mwN). Von besonderen Fallgestaltungen abgesehen, bei denen die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit nicht notwendig zur Annahme von Heimtücke führt (vgl. z.B. BGHSt 30, 105, 119; Fischer, StGB, 57. Aufl. § 211 Rn. 48 jew. mwN), kann daher schon allein die Ausnutzung eines Überraschungseffekts die Annahme von Heimtücke tragen (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 10; BGH, Beschl. v. 25.8.2010 - 1 StR 393/10). Das Ausnutzungsbewusstsein bedarf in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter auch bei Taten aus rascher Eingebung keiner näheren Darlegung (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2008 - 5 StR 189/08 - NStZ 2009, 30). Das Ausnutzungsbewußtsein kann bei einer offen zutage liegenden Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers nicht zweifelhaft sein (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 25; BGH, Urt. v. 23.8.2000 - 3 StR 234/00 - NStZ-RR 2001, 14). Wenn das Tatgericht meint, Zweifel nicht überwinden zu können, obwohl die subjektiven Merkmale der Heimtücke auf Grund des äußeren Tathergangs nahe liegen, müssen bei der Beweiswürdigung alle wesentlichen Tatumstände in die Betrachtung einbezogen werden, die gegen diese Zweifel sprechen können (vgl. u. a. BGH, Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 159/01; NStZ 2005, 688, 689; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11; BGH, Urt. v. 29.4.2009 - 2 StR 470/08 - NStZ 2009, 569). Dass der Angeklagte – wie erforderlich – die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzte (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2012 – 5 StR 438/12 - NStZ 2013, 232 Rn. 12 mwN), kann angesichts der festgestellten Tatumstände auf der Hand liegen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.10.2014 - 5 StR 451/14: Übergabe der Glühbirne als Vorwand, um in die Wohnung des Opfers eingelassen zu werden; Verbergen des mitgebrachten Messers im Anorak; belangloses Gespräch mit dem Opfer, das dieses in Ahnungslosigkeit halten sollte; scheinbares Abwenden zum Gehen, um das Messer unbemerkt zu ziehen), etwa weil die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers offen zutage liegt und es sich gleichsam von selbst versteht, dass der Täter diese Situation ausnutzt, wenn er das Opfer tötet (BGH, Urt. v. 20.10.1993 – 5 StR 473/93 - BGHSt 39, 353, 369 f.; BGH, Urt. v. 14.6.2017 - 2 StR 10/17 Rn. 11). Zweifel können etwa bei „Augenblickstaten" auftreten, insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen. Dann kann je nach den Umständen eine nähere Darlegung geboten sein, warum der spontan agierende Täter trotz seiner Erregung die für die Heimtücke maßgebenden Aspekte in sein Bewusstsein aufgenommen hat (BGH NStZ-RR 2005, 264 - 266; BGH, Urt. v. 17.9.2008 - 5 StR 189/08 - NStZ 2009, 30; vgl. Schneider in MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 140 m.w.N.). Allein auf Grund eines relevanten Affekts vom Schweregrad des § 21 StGB darf nicht ohne Weiteres auf das Fehlen des Ausnutzungsbewusstseins geschlossen werden (BGH NStZ 2008, 510, 511; BGH, Urt. v. 14.1.2010 - 4 StR 399/09). Die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters kann ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (BGH, Urt. v. 13.8.1997 – 3 StR 189/97 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26 mwN; BGH, Beschl. v. 4.5.2011 - 5 StR 65/11; BGH, Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 326/11; BGH, Urt. v. 11.12.2012 - 5 StR 438/12). Dasselbe gilt für eine - zumal erhebliche - Alkoholisierung des Täters. Deshalb bedarf es in solchen Fällen in aller Regel der Darlegung der Beweisanzeichen, aus denen der Tatrichter folgert, dass der Täter trotz seiner Alkoholisierung und Erregung die für die Heimtücke maßgebenden Gesichtspunkte in sein Bewusstsein aufgenommen hat (BGH, Urt. v. 9.2.2000 - 3 StR 392/99 - NStZ-RR 2000, 166, 167; BGH, Beschl. v. 29.11.2011 - 3 StR 326/11). Psychische Ausnahmezustände können auch unterhalb der Schwelle des § 21 StGB der Annahme des Bewusstseins des Ausnutzens entgegenstehen (BGH, Urt. v. 13.2.2007 – 5 StR 508/06 - NStZ 2007, 330; BGH, Beschl. v. 4.5.2011 - 5 StR 65/11; BGH, Urt. v. 20.8.2014 - 2 StR 605/13). Zwar kann die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlt (BGH, Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 594/05 - NStZ 2006, 503, 504 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 95/12). Andererseits hindert aber nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167, 169; BGH, Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 601/08 - NStZ 2009, 571, 572; BGH, Urt. v. 11.12.2012 - 5 StR 438/12: vom Tatgericht zu bewertende Tatfrage, jew. m.w.N.; BGH, Urt. v. 14.6.2017 - 2 StR 10/17 Rn. 11). Vielmehr ist bei erhaltener Einsichtsfähigkeit auch die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urt. v. 27.2.2008 - 2 StR 603/07 - NStZ 2008, 510, 511 f.; BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 1 StR 520/09 - StV 2010, 287). Kommt der Tatrichter zu dem Ergebnis, daß der Täter die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände aufgrund seiner Erregung (nicht) in sein Bewußtsein aufgenommen hat, so muß er die Beweisanzeichen dafür darlegen und würdigen (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2003 - 3 StR 386/02 - wistra 2003, 351; BGH, Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 391/09; BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 95/12; BGH, Urt. v. 14.6.2017 - 2 StR 10/17 Rn. 11). Für die Annahme der subjektiven Seite des Heimtückemords kommt es nicht auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der rechtlichen Voraussetzungen des § 21 StGB an, sondern darauf, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Auswirkungen die affektive Erregung auf die Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten in der Tatsituation und auf sein Bewußtsein hatte (BGH, Urt. v. 9.2.2000 - 3 StR 392/99 - NStZ-RR 2000, 166 f.; BGH, Urt. v. 30.4.2003 - 3 StR 386/02 - wistra 2003, 351; BGH, Urt. v. 1.4.2009 - 2 StR 601/08 - NStZ 2009, 571). siehe zum Ausnutzungsbewusstsein auch unten Rdn. 35.7 - Ausnutzungsbewusstsein - Innere Tatseite Nach der Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist Heimtücke objektiv zu verneinen, wenn ein Geschädigter wegen eines vorausgegangenen Verhaltens des Täters misstrauisch war und mit einem Angriff gegen sich rechnete. Glaubt der Täter bei dem Angriff gegen das Leben seines Opfers indessen, dieses sei arglos, und will er seine Tat unter Ausnutzung der daher von ihm angenommenen Wehrlosigkeit des Opfers begehen, so verübt er einen heimtückisch begangenen Mordversuch. Bleibt das Opfer am Leben, sodass ein vollendetes Tötungsdelikt nicht vorliegt, kann die objektiv fehlende Heimtücke nichts daran ändern, dass die Tat versuchter Mord ist, wenn nach den Vorstellungen des Täters Heimtücke vorgelegen hat. Letztlich beruht dieses Ergebnis auf den allgemeinen Grundsätzen zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs (so BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 19 = BGH NStZ 1994, 583; BGH, Urt. v. 8.2.2006 - 1 StR 523/05). Heimtücke hat der BGH auch in einem Fall verneint, in dem das Opfer seit geraumer Zeit ernsthaft und begründet mit einem Anschlag auf sein Leben rechnete. Es hatte seine Firma mit Verlust verkauft und war in ein anderes Bundesland umgezogen. Auch noch kurz vor der Tat war es stets misstrauisch und besorgt, wenn ihm in seiner Wohnumgebung fremde Fahrzeuge auffielen. Vor diesem ganz besonderen Hintergrund - einer wesentliche Teile des Lebens bestimmenden jahrelangen Angst vor einem tödlichen Anschlag war eine Arglosigkeit des Opfers nicht anzunehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Heimtückisches Handeln erfordert kein "heimliches" Vorgehen Wesentlich ist, dass der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2; BGH NStZ-RR 1997, 168; BGH, Urt. v. 17.1.2001 - 2 StR 438/00; BGH, Urt. v. 13.7.2005 - 2 StR 236/05; BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; BGH, Urt. v. 3.9.2015 - 3 StR 242/15). Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384). Dafür genügt es, wenn er die Umstände, die die Tötung zu einer heimtückischen machen, nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfaßt hat, daß ihm bewußt geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2, 9, 17, 25, 26; BGH, Urteil v. 10.11.2004 - 2 StR 248/04; BGH, Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04). Auch ein offener Angriff kann die Voraussetzungen erfüllen, wenn er so überraschend erfolgt, daß eine Gegenwehr unmöglich gemacht wird (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3 und 16). Eine nur feindselige Atmosphäre schließt Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16; BGH NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ 1999, 506, 507; BGH, Urt. v. 17.1.2001 - 2 StR 438/00). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (st. Rspr.; vgl. BGH GA 1971, 113, 114; BGH NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ 1999, 506; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16; BGH, Beschl. v. 3.8.2000 - 4 StR 259/00; BGH, Urt. v. 20.2.2002 - 5 StR 545/01; BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146; BGH, Urt. v. 9.9.2003 - 5 StR 126/03 - StV 2004, 205; BGH, Urt. v. 22.1.2004 - 4 StR 319/03 - NStZ-RR 2004, 234; BGH, Urt. v. 20.7.2004 - 1 StR 145/04 - NStZ 2005, 526; BGH, Urt. v. 13.7.2005 - 2 StR 236/05 - NStZ-RR 2005, 309; BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; BGH, Urt. v. 1.9.2005 - 4 StR 290/05; BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 250/05; BGH, Urt. v. 8.2.2006 - 1 StR 523/05; BGH, Urt. v. 27.2.2008 - 2 StR 603/07 - NStZ 2008, 510; BGH, Beschl. v. 15.9.2011 - 3 StR 223/11; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11; BGH, Urt. v. 24.9.2014 - 2 StR 160/14). Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine in gewisser Weise erweiternde Auslegung des Begriffs "Angriff". Er liegt nicht erst dann vor, wenn der Stich, Schlag oder Schuss selbst geführt oder gelöst wird, sondern umfasst die unmittelbar davor liegende Phase (vgl. BGH, Beschl. v. 15.9.2011 - 3 StR 223/11). Beispiel: Verneint wurde dies in einem Fall, in dem der Angeklagte seine Pistole nach einem Streit zog, um seinen Gegner einzuschüchtern. Auf die Gegenwehr des Angegriffenen gab der Angeklagte zwei Schüsse ab, die das Opfer verletzten. Erst nach dessen weiterer Drohung faßte der Angeklagte den Tötungsvorsatz und erschoß das Tatopfer. Die tödlichen Schüsse erfolgten unter diesen Umständen in einer durch die Abwehr, die Verletzung und die Drohung des Opfers geänderten Situation. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, es sei von Beginn an keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen geblieben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16; BGH NStZ-RR 1999, 234; BGH, Urt. v. 6.4.2005 - 5 StR 22/05). Soweit der Angeklagte nicht auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, begegnet dies keinen Bedenken. Das Tatgericht hat unter Anwendung des Zweifelssatzes angenommen, daß der Angeklagte die beiden ersten Schüsse noch nicht mit Tötungsvorsatz abgegeben hat. In einer solchen Fallgestaltung ist der Zweifelssatz, der zur Verneinung eines versuchten Totschlags führte, bei der Beurteilung der Konkurrenzen nochmals heranzuziehen (vgl. BGH, Urt. v. 6.2.2002 - 1 StR 513/01 - BGHSt 47, 243 - NJW 2002, 2188 m.w.N.). Danach würden die Verbrechen des versuchten und vollendeten Totschlags zum Nachteil des gleichen Opfers in Tateinheit stehen. Dabei tritt der Versuch als materiell subsidiär zurück (vgl. BGH GA 19, 56, 26, 28; BGH, Urt. v. 6.4.2005 - 5 StR 22/05; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. vor § 52 Rdn. 26). |
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35.5 |
Arglosigkeit
des Tatopfers ist auch dann anzunehmen, wenn der
überraschende Angriff zunächst nicht mit Tötungsvorsatz,
sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt wird, jedoch der
ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in
Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt
bis zu dem Zeitpunkt andauert, in dem der Täter zu dem auf
Tötung gerichteten Angriff übergeht, sodass die Situation
völlig unverändert ist und dem Opfer keine Zeit zu irgendwie
gearteten Gegenmaßnahmen bleibt. Die Tat muss vielmehr vom ersten
Angriff an ihren ganz ungehemmten und nicht zu hemmenden Fortgang
nehmen (BGH, Urt. v. 9.12.1986 - 1 StR 596/86 - BGHR StGB § 211
Abs. 2 Heimtücke 3; BGH, Urt. v. 15.12.1992 - 1 StR 699/92 -
BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16; BGH, Urt.
v. 24.2.1999 - 3 StR 520/98 - BGHR StGB § 211 Abs. 2
Heimtücke 27; BGH,
Urt. v. 22.1.2004 - 4 StR 319/03 - BGH
NStZ-RR 2004, 234; BGH,
Urt. v. 27.6.2006 - 1 StR 113/06 -
NStZ
2006, 502, 503; BGH,
Beschl. v. 19.6.2008 - 1 StR 217/08 -
NStZ
2009, 208; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11; BGH, Urt. v. 1.3.2012
- 3 StR 425/11; BGH, Urt. v. 30.8.2012 - 4 StR 84/12; BGH, Urt. v.
13.5.2015 - 3 StR 460/14). Bei einem zunächst in
Körperverletzungsabsicht geführten Angriff kann
Arglosigkeit bejaht werden, wenn der ursprüngliche
Verletzungswille des Täters so schnell in einen
Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt
bei Beginn der eigentlichen Tötungshandlung noch andauert (st.
Rspr., vgl. etwa BGH,
Urt. v. 27.6.2006 - 1 StR 113/06
- NStZ
2006, 502, 503; BGH, Urt. v. 11.11.2015 - 5 StR 259/15; BGH, Urt. v.
25.11.2015 - 1 StR 349/15). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (vgl. BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 4, 13, 22; BGH, Urt. v. 9.9.2003 - 5 StR 126/03 - StV 2004, 205; BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 250/05; vgl. auch BGH, Urt. v. 30.3.2004 - 5 StR 428/03 "Ertappter Einbrecher"). Abwehrversuche, die das durch einen überraschenden Angriff in seinen Verteidigungsmöglichkeiten behinderte Opfer im letzten Moment unternommen hat, stehen der Heimtücke daher nicht entgegen (BGH NJW 1996, 471; NStZ 1999, 506 m. w. N.; BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146). Dass die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers nachfolgend durch den Angriff beseitigt werden und das Opfer sich (noch) gegen den Täter wehrt, ändert nichts daran, dass zu Beginn des Angriffs Heimtücke gegeben sein kann, weil effektive Abwehrmittel zunächst nicht zur Verfügung standen (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 250/05; Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 211 Rdn. 8). Dabei macht es aber keinen Unterschied, ob der überraschende Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; BGH, Urt. v. 22.1.2004 - 4 StR 319/03 - NStZ-RR 2004, 234; BGH, Urt. v. 27.6.2006 - 1 StR 113/06 - NStZ 2006, 502, 503; BGH, Urt. v. 2.4.2008 - 2 StR 621/07 - NStZ-RR 2008, 238; Fischer, StGB 55. Aufl., § 211 Rdn. 37). Beispiel: Jedenfalls letztere Konstellation ist gegeben, wenn der Angeklagte das Opfer 20 bis 30 Sekunden im Unterarmwürgegriff hielt, den er von hinten ausgeführt hatte, bevor er sich entschloss, es zu töten. Das Opfer hatte in dieser Lage nach Erkennen der Gefahr keine Möglichkeit mehr, sich gegen den Tötungsangriff zur Wehr zu setzen, was die fehlenden Abwehrverletzungen bestätigen. Dann war das Opfer - an den aufgezeigten Maßstäben gemessen - aber auch zu diesem Zeitpunkt infolge Arglosigkeit wehrlos (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2006 - 1 StR 113/06 - NStZ 2006, 502). Heimtückisches Handeln auch, wenn er sich so verhält, dass er nach seiner Vorstellung das Opfer bis zur Annäherung und plötzlichen Ausführung des wuchtigen Hiebes im Unklaren über seine Absicht lassen wollte (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.2006 - 1 StR 523/05). Ein Ausspruch des Täters, z.B. "Jetzt ist es soweit" kann an alledem nichts ändern, wenn er ersichtlich unmittelbar mit dem Erstangriff zusammenfiel und daher keine Warnwirkung entfalten konnte (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2005 - 1 StR 250/05). Die Spontaneität des Tatentschlusses kann im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand der Angeklagten ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihr das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Andererseits hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (vgl. BGH StV 1981, 523, 524; BGH, Urt. v. 9.2.2000 - 3 StR 392/99 - NStZ-RR 2000, 166, 167; BGH, Beschl. v. 7.2.2008 - 5 StR 402/07). |
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35.6 |
In
feindlicher Willensrichtung nutzt der Täter die Arg- und
Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung aus, wenn er
sich bei Abgabe des tödlichen Schusses bewusst war, einen durch
seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen
zu überraschen (vgl. BGH NStZ 2003, 535; BGH,
Beschl. v.
11.12.2006 - 5 StR 468/06 - NStZ 2007, 268). Hat der
Angeklagte den
gewalttätigen Übergriff unmittelbar angekündigt und
dementsprechend ausgeführt, bedarf die Annahme des notwendigen
Ausnutzungsbewusstseins ganz besonderer Umstände (vgl. BGH,
Beschl. v.
11.12.2006 - 5 StR 468/06 - NStZ 2007,
268; Mosbacher, NStZ
2005, 688, 690). An der erforderlichen feindlichen Willensrichtung
kann
es etwa fehlen, wenn ein zur Selbsttötung entschlossener
Täter Angehörige seiner Familie, die er sehr liebt, aus Sorge
um deren ungewisse Zukunft mit sich in den Tod nehmen will, weil er -
möglicherweise in krankhafter Verblendung - meint, zum Besten
seiner Familie zu handeln (BGHSt 9, 385; 37, 376; BGHR StGB § 211
Abs. 2 Heimtücke 10; BGH NStZ 1995, 230; BGH,
Urt. v.
10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006,
338). Handelte der Angeklagte jedoch nicht
ausschließlich aus Sorge um das künftige Wohlergehen seiner
- von ihm getöteten Kinder -, sondern auch, um seine Ehefrau
anzuklagen und sie zu bestrafen, mithin in feindlicher Willensrichtung
gegenüber seinen Kindern, die er für seine Rachegelüste
opferte (vgl. MünchKomm-Schneider § 211 Rdn. 145), so ist ein
Handeln in feindlicher Willensrichtung gegeben (vgl. BGH,
Urt. v.
10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006,
338). Für die Feststellung der die Wehrlosigkeit des Mordopfers begründenden Arglosigkeit kommt es auf den Zeitpunkt der ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Tathandlung (st. Rspr. vgl. BGHSt 32, 382, 384; BGH NJW 1996, 471; NStZ 2006, 96; 2006, 503 f.; NStZ-RR 2005, 201 f.; BGH, Beschl. v. 10.1.2007 - 2 StR 555/06; BGH, Beschl. v. 22.8.2007 - 1 StR 403/07 - NStZ-RR 2007, 374; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 211 Rdn. 17 m.w.N.) und damit auf den Eintritt der Tat in das Versuchsstadium an (vgl. BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; BGH, Urt. v. 23.8.2000 - 3 StR 234/00 - NStZ-RR 2001, 14). Abwehrversuche, die das durch einen überraschenden Angriff in seinen Verteidigungsmöglichkeiten behinderte Opfer im letzten Moment unternommen hat, stehen der Heimtücke daher nicht entgegen (BGH, Urt. v. 22.8.1995 - 1 StR 393/95 - NStZ-RR 1996, 98; BGH, Urt. v. 16.6.1999 - 2 StR 68/99 - NStZ 1999, 506 m.w.N.). Erforderlich ist allein, dass das Opfer von Anfang an bis zuletzt in seiner Verteidigung unterlegen war. Das ist etwa der Fall, wenn der Geschädigte auch dem Würgegriff des Angeklagten hilflos ausgeliefert war (vgl. BGH, Beschl. v. 22.8.2007 - 1 StR 403/07 - NStZ-RR 2007, 374). Die Wehrlosigkeit des Opfers kann selbst dann entfallen, wenn ihm die nicht von vorneherein gänzlich aussichtslose Möglichkeit bleibt, auf den Täter verbal einzuwirken, um den Angriff zu beenden. Von einer Wehrlosigkeit des Opfers im Sinne eines Ausschlusses jedes nicht gänzlich sinnlosen Versuchs, den Täter von der Tötungshandlung abzubringen, kann nur dann ausgegangen werden, wenn festgestellt ist, dass der Entschluss des Täters zur Tötung so unumstößlich war, dass jeder Versuch, ihn davon abzubringen, mit Sicherheit zum Scheitern verurteilt war (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 8; BGH, Beschl. v. 19.6.2008 - 1 StR 217/08 - NStZ 2009, 208). Lauert der Täter seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenüber tretenden Täter ausgehende Gefahr erkennt (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1983 - 3 StR 367/83 - NStZ 1984, 261; BGH, Urt. v. 22.8.1995 - 1 StR 393/95 - NStZ-RR 1996, 98; BGH, Urt. v. 12.2.2009 - 4 StR 529/08 - NStZ 2009, 264). Die bloße Ausnutzung von Wehrlosigkeit, die nicht auf Arglosigkeit beruht, reicht für die Annahme von Heimtücke nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 10.1.2007 - 2 StR 555/06; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 18 a m.w.N.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann namentlich dann gegeben sein, wenn das Opfer bei Beginn der Tötungshandlung zwar nicht mehr arglos ist, ihm nach Erkenntnis der Gefahr aber aufgrund der kurzen bis zum Angriff verbleibenden Zeitspanne und der örtlichen Gegebenheiten eine Möglichkeit der Abwehr nicht mehr gegeben ist (vgl. BGH NStZ 2002, 368 f.; 2006, 502, 503; BGH, Beschl. v. 10.1.2007 - 2 StR 555/06). Bei einem mehrgliedrigen Tatgeschehen kommt es nicht auf das Vorliegen von Arglosigkeit bei einem späteren Handlungsabschnitt an, sondern darauf, ob das Opfer bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs arglos war (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 27.2.2007 - 3 StR 61/07; vgl. Nachweise bei Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 211 Rdn. 17). Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGHSt 33, 363; 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ 2003, 146; BGH, Urt. v. 15.2.2007 - 4 StR 467/06 - NStZ-RR 2007, 174). Arg- und Wehrlosigkeit können auch dann gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber nicht mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet (BGH StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27; BGH NStZ-RR 2004, 234, 235; NStZ 2005, 691, 692; BGH, Urt. v. 5.4.2006 - 2 StR 41/06). Verbale Streitigkeiten stehen, selbst wenn sie der Tötungshandlung unmittelbar vorausgehen, der Heimtücke nicht entgegen. Es kommt auch in einem solchen Fall auf die Arglosigkeit des Opfers gegenüber einem Angriff auf Leben oder körperliche Unversehrtheit an. Eine tatsächlich vorhandene Arglosigkeit in diesem Sinne wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Opfer nach den Umständen mit einem tätlichen Angriff hätte rechnen müssen. Erkennt der im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer von ihm ausgehenden bloß verbalen Attacke zur Tötung seines Opfers ansetzende Täter dessen dennoch erhalten gebliebene Arglosigkeit gegenüber der Möglichkeit eines tätlichen Angriffs und nutzt er diese bewusst zur Tat aus, so handelt er heimtückisch (BGH, Urt. v. 13.11.1985 - 3 StR 273/85 - BGHSt 33, 363, 365; BGH, Urt. v. 9.1.1991 - 3 StR 205/90 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; BGH, Urt. v. 30.5.1996 - 4 StR 150/96 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH, Urt. v. 15.2.2007 - 4 StR 467/06 - NStZ-RR 2007, 174 nur LS; BGH, Urt. v. 6.9.2012 - 3 StR 171/12). Das Mordmerkmal der Heimtücke ist nicht deshalb zwangsläufig zu verneinen, weil der Angeklagte den Tod möglicherweise aus Mitleid herbeiführen wollte. Zwar kann es entfallen, wenn der Täter nicht aus einer feindseligen Haltung gegenüber dem Opfer heraus, sondern aus Mitleid gehandelt hat, um einem Todkranken schwerstes Leid zu ersparen. Es reicht jedoch nicht jede Mitleidsmotivation aus, um eine die Heimtücke prägende Gesinnung auszuschließen. Gerade in einer oberflächlich vorhandenen Mitleidsmotivation kann sich Feindseligkeit gegenüber dem Lebensrecht eines Schwerkranken äußern (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 14), zumal wenn dieser im Koma liegt, deshalb seinen Zustand nicht realisiert sowie keine Schmerzen erleidet und seine Angehörigen um sein Leben kämpfen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - StV 2008, 353). |
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35.7 |
Für
das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt
es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung
für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung
der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch
seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen
Menschen zu überraschen (BGHR StGB § 211 Abs. 2
Heimtücke 1, 25; BGH, Urt. v. 20.4.1989 - 4 StR 87/89 - BGHR
StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 9; BGH NStZ 1984, 506; 1999, 506,
507; BGH,
Urt. v.
17.5.2001 - 4 StR 520/00 - NStZ-RR 2001, 296; BGH,
Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 159/01; BGH,
Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 530/01; BGH,
Urt. v. 2.2.2005 - 1 StR 473/04; BGH,
Urt. v. 27.6.2006 - 1 StR 113/06
- NStZ
2006, 502; BGH,
Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 425/07 -
NStZ 2008, 273; BGH,
Urt.
v. 27.2.2008 - 2 StR 603/07 - NStZ
2008, 510; BGH, Urt. v.
4.12.2012 - 1 StR 336/12). Dabei kommt es nicht darauf an, ob
der
Täter die Arglosigkeit herbeiführt oder bestärkt (vgl.
BGH, Urt. v. 11.6.2014 - 2 StR 117/14; BGH,
Urt. v.
10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006,
338, 339); worauf die Arglosigkeit des
Angegriffenen beruht, ist ohne Belang (vgl. BGH,
Urt.
v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - NStZ
2008, 93, 94). Ausnutzungsbewusstsein kann bereits aus dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt (BGH, Beschl. v. 30.7.2013 - 2 StR 5/13 - NStZ 2013, 709, 710; BGH, Urt. v. 31.7.2014 - 4 StR 147/14). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2008 - 5 StR 189/08 - NStZ 2009, 30, 31). Denn bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urt. v. 27.2.2008 - 2 StR 603/07 - NStZ 2008, 510, 511 f.; BGH, Urt. v. 10.2.2010 - 2 StR 391/09 - NStZ-RR 2010, 175, 176; BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 1 StR 520/09 - StV 2010, 287, 289 jeweils mwN). Ausnutzungsbewusstsein kann zwar im Einzelfall ohne Weiteres aus dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt. Auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände und auf die nähere Erläuterung der Feststellung eines Ausnutzungsbewusstseins kann aber dann nicht verzichtet werden, wenn gewichtige Umstände dagegen sprechen (vgl. BGH, Beschl. v. 30.7.2013 - 2 StR 5/13). Eines darüber hinausgehenden, voluntativen Elements in dem Sinne, dass der Täter die Arglosigkeit des Opfers für seine Tat instrumentalisieren oder anstreben muss, bedarf es nicht (BGH, Urt. v. 20.4.1989 - 4 StR 87/89 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 9 mwN; BGH, Urt. v. 4.12.2012 - 1 StR 336/12). Wenn es schon grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob der Täter die Arglosigkeit seines Opfers anstrebt, ist auch ein entgegengesetzter Wille unbeachtlich; der Täter muss nur erkennen, dass das Opfer arglos ist und sich deshalb des Angriffs auf sein Leben nicht oder nur in geringerem Umfang erwehren kann (vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2012 - 1 StR 336/12). So ist es beispielsweise nicht erforderlich, dass der Täter die Angriffsmöglichkeit von hinten durch eigenes Veranlassen gezielt herbeiführt. Wenn der Angeklagte seinem Opfer von hinten den Unterarm um den Hals legte und es würgte, so liegt die Annahme nahe, dass er sich des überraschenden Angriffs bewusst war; eines bewussten Herbeiführens eines Hinterhaltes bedarf es nicht (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2006 - 1 StR 113/06 - NStZ 2006, 502). Wenn der Angeklagte mit seinem PKW von hinten auf den Roller seines vor der roten Ampel stehenden Opfers absichtlich auffuhr, so liegt die Annahme nahe, daß er sich des überraschenden Angriffs bewußt war (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.2005 - 1 StR 473/04). Zum subjektiven Tatbestand einer „heimtückisch„ begangenen Tötung gehört, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt (vgl. BGHSt 50, 16, 28; BGH, Urt. v. 17.10.2000 - 1 StR 406/00; BGH NStZ 2005, 688, 689; BGH, Urt. v. 10.5.2007 - 4 StR 11/07 - NStZ 2007, 523; BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Der Täter muss sich bewusst sein, einen ahnungs- und schutzlosen Menschen zu überraschen, und dass er diese Situation in ihrer Bedeutung für die Tatausführung erkennt und nutzt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11; BGH, Urt. v. 20.7.2004 - 1 StR 145/04 - NStZ 2005, 526; BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Der Täter muss die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wahrgenommen und sie bewusst zur Tatbegehung instrumentalisiert haben (st. Rspr., BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; vgl. auch die Zusammenfassung bei Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 140 m.N.). Dabei genügt es nicht, daß er die Umstände, auf die sich die Würdigung der Tötung als heimtückisch stützt, in einer äußerlichen, nicht ins Bewußtsein dringenden Weise wahrnimmt. Er muß vielmehr, was allerdings oft mit „einem Blick“ geschehen wird, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit für seine Tat erfaßt haben (BGHSt 6, 120, 121; 6, 329, 331; BGH, Urt. v. 17.5.2001 - 4 StR 520/00 - NStZ-RR 2001, 296). Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand des Täters können ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte; psychische Ausnahmezustände können auch unterhalb der Schwelle des § 21 StGB der Annahme des Bewusstseins des Ausnutzens entgegenstehen (vgl. BGH, Beschl. v. 4.5.2011 - 5 StR 65/11 - NStZ 2011, 634; BGH, Urt. v. 12.6.2014 - 3 StR 154/14; BGH NJW 1983, 2456; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26; BGH, Urt. v. 25.11.2004 - 5 StR 401/04; BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; BGH, Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04). Andererseits hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (vgl. BGH StV 1981, 523, 524; BGH, Urt. v. 9.2.2000 - 3 StR 392/99 - NStZ-RR 2000, 166, 167; BGH, Urt. v. 25.11.2004 - 5 StR 401/04; BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; BGH, Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04; BGH, Beschl. v. 7.2.2008 - 5 StR 402/07). Daß der Täter die Tat in einer anderen Situation ebenfalls begangen hätte, schließt Heimtücke nicht aus (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 139, 140; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 25, 31; BGH, Urt. v. 20.1.2005 - 4 StR 491/04). Maßgeblich sind aber die in der Tatsituation bestehenden tatsächlichen Auswirkungen des psychischen Zustands des Täters auf seine Erkenntnisfähigkeit (BGH, Urt. v. 11.6.2014 - 2 StR 117/14). Zur Feststellung des Ausnutzungsbewusstseins als subjektivem Merkmal der Heimtücke bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles (BGH, Urt. v. 12.6.2014 - 3 StR 154/14). Eine affektive Erregung, selbst wenn sie zu einer im Sinne von § 21 StGB erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit führt, steht einem Ausnutzungsbewußtsein nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.2004 - 2 StR 248/04; BGH, Urt. v. 27.2.2008 - 2 StR 603/07 - NStZ 2008, 510; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 211 Rdn. 34 a m.w.N.). Bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, regelmäßig nicht beeinträchtigt (BGH, Urt. v. 27.2.2008 - 2 StR 603/07; aus forensisch-psychiatrischer Sicht ebenso Dannhorn NStZ 2007, 297, 299). Selbst die Annahme einer affektbedingt erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann für sich genommen die Verneinung des Ausnutzungsbewusstseins nicht tragen (BGH aaO; NStZ 2003, 535; vgl. auch BGH NStZ-RR 2000, 166). Unter welchen - jedenfalls besonderen - konkreten Umständen des Einzelfalles die Möglichkeit affektbedingt fehlenden Ausnutzungsbewusstseins bei voll erhaltener Schuldfähigkeit (vgl. BGHSt 6, 329, 332) in Betracht kommen kann, konnte in BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 1 StR 520/09 - StV 2010, 287 offen bleiben. Kommt der Tatrichter zu dem Ergebnis, dass der Täter die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände aufgrund seiner Erregung nicht in sein Bewusstsein aufgenommen hat, so muss er die Beweisanzeichen dafür darlegen und würdigen. Für die Annahme der subjektiven Seite des Heimtückemords kommt es nicht auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der rechtlichen Voraussetzungen des § 21 StGB an, sondern darauf, ob und gegebenenfalls welche tatsächlichen Auswirkungen die affektive Erregung auf die Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten in der Tatsituation und auf sein Bewusstsein hatte (BGH NStZ 2003, 535; BGH, Urt. v. 9.2.2000 - 3 StR 392/99 - NStZ-RR 2000, 166 f.). Bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.2008 - 2 StR 603/07 - NStZ 2008, 510; Dannhorn NStZ 2007, 297, 299). siehe zum Ausnutzungsbewusstsein auch oben Rdn. 35.4 - Ausnutzung des Überraschungsmoments Welche Folgen sich ergeben, wenn der Täter erst während der Tathandlung in einen Zustand nach §§ 20, 21 StGB gerät, hat die Rechtssprechung bisher insbesondere für den Eintritt eines völligen Ausschlusses der Schuldfähigkeit nach Tatbeginn entschieden (BGHSt 7, 325, 328, 329; 23, 133, 135, 136; siehe auch BGHR StGB § 21 Vorverschulden 3; BGH, Urt. v. 14.12.1976 - 1 StR 568/76). Danach sind einem Täter Handlungen auch dann zuzurechnen, wenn sie vom Vorsatz erfaßt waren und der Tatablauf der Vorstellung entsprach, die der Täter noch vor Eintritt der Schuldunfähigkeit sich von dem Tatgeschehen gemacht hatte. Der Eintritt der Schuldunfähigkeit während der Tatbegehung stellt sich dann als unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf dar. Dabei genügt es, daß der Zustand der Schuldunfähigkeit sich aus dem vorausgehenden Handeln entwickelt hat und nicht durch äußere Einflüsse ausgelöst worden ist. In einem solchen Fall ist der Täter wegen vollendeter Tat, begangen im schuldfähigen Zustand, zu bestrafen. Nichts anderes kann für den Eintritt der erheblich verminderten Schuldfähigkeit erst während der Tatausführung gelten (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.2003 - 3 StR 386/02 - wistra 2003, 351; auch Jähnke in LK, 11. Aufl. § 21 Rdn. 23). Zur Heimtücke bei durch von langer Hand geplantes, wohl durchdachtes Locken in einen Hinterhalt bzw. raffiniertes Stellen einer Falle als Ausnahme von der Regel, dass bei Beginn des Tötungsversuchs die Arglosigkeit vorliegen muss (BGHSt 22, 77, 79 f.; BGH NStZ 1989, 364, 365; BGH, Urt. v. 14.6.1960 - 1 StR 73/60; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 425/07 - NStZ 2008, 273). Will der Täter lediglich die durch den Schlaf bewirkte Wehrlosigkeit des Tatopfers ausnutzen, reicht dies zur Verurteilung wegen Heimtücke-Mordes nicht aus (vgl. BGHSt 19, 321; 32, 382, 388; BGH, Urt. v. 10.5.2007 - 4 StR 11/07 - NStZ 2007, 523). Die Annahme von Heimtücke scheitert grundsätzlich nicht an dem Umstand, dass der Angriff zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz erfolgte, wenn er unmittelbar darauf unter Ausnutzung des Überraschungseffekts mit Tötungsvorsatz fortgesetzt wurde (vgl. BGH NStZ 2006, 502; BGH, Urt. v. 28.6.2007 - 3 StR 185/07 - NStZ 2008, 32). Zur "normativen Restriktion" des Begriffs der Arglosigkeit vgl. BGHSt 30, 105, 114 [GS] [Kritik an einer „normativen Restriktion„ des Begriffs der Arglosigkeit]; 33, 363, 364 f. [3. Strafsenat] [Arglosigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Opfer mit einem Angriff hätte rechnen müssen]; BGH GA 1967, 244, 245 [4. Strafsenat] [Arglosigkeit auch, wenn das Opfer mit einem Angriff hätte rechnen müssen]); BGHSt 48, 207, 209, 211; kritisch auch BGH, NStZ 2005, 688, 689 [2. Strafsenat]). Die Annahme eines Heimtückemordes setzt Feststellungen des Landgerichts voraus, die tragfähig belegen, dass der Angeklagte in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausgenutzt hat, sich also bei Beginn des tödlichen Angriffs bewusst war, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH NStZ 2003, 535; BGH, Beschl. v. 11.12.2006 - 5 StR 468/06 - NStZ 2007, 268; BGH, Urt. v. 13.2.2007 - 5 StR 508/06 - NStZ 2007, 330). Zu den Voraussetzungen des Tötungsvorsatzes im Zusammenhang mit Manipulationen am Fahrzeug vgl. etwa BGH, Beschl. v. 7.3.2006 - 4 StR 25/06: Durchtrennen der Bremsschläuche und Gefällstrecke; Zum Mordmerkmal der Heimtücke im Zusammenhang mit Steinwürfen von einer Brücke vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2002 - 4 StR 103/02 - BGHSt 48, 119, 120; BGH, Urt. v. 15.5.1997 - 4 StR 118/97 - NStZ-RR 1997, 294, 295; BGH, Urt. v. 14.1.2010 - 4 StR 450/09). Das für die Annahme der Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein setzt voraus, dass der Täter die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wahrgenommen und sie bewusst zur Tatbegehung instrumentalisiert hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2005 - 1 StR 290/04 und die Zusammenfassung bei Schneider in Münch-Komm StGB § 211 Rdn. 140 m.N.). Bei "Augenblickstaten" kann je nach den Umständen eine nähere Darlegung geboten sein, warum der spontan agierende Täter trotz seiner Erregung die für die Heimtücke maßgebenden Aspekte in sein Bewußtsein aufgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2005 - 1 StR 290/04). Dabei kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlt (vgl. BGH NJW 1983, 2456; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26; BGH, Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 594/05 - NStZ 2006, 503). Andererseits hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.; BGH, Urt. v. 27.2.2008 - 2 StR 603/07 - NStZ 2008, 510). Wird das Ausnutzungsbewusstsein bejaht, bedarf es allerdings besonders dann, wenn der Täter durch die Tat zugleich seinem eigenen Leben ein Ende setzen will, einer Darlegung der Erwägungen, die das Gericht zu der Annahme des Ausnutzungsbewusstseins geführt haben, weil in einem derartigen Fall in der Regel die Möglichkeit nicht fern liegen wird, dass der Täter sich der Bedeutung der von ihm erkannten Arg- und Wehrlosigkeit für die Ausführung der Tat nicht bewusst gewesen ist (vgl. BGH GA 1979, 337, 338; BGH, Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 594/05 - NStZ 2006, 503). Daß der Angeklagte den Tötungsentschluß möglicherweise auch in die Tat umgesetzt hätte, wenn er das Opfer nicht im Zustand der Ahnungs- und Schutzlosigkeit angetroffen hätte, stellt die Erfüllung des Mordmerkmals nicht in Frage (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 4.12.2003 - 5 StR 457/03 = NStZ-RR 2004, 139; BGH, Urt. v. 10.11.2004 - 2 StR 248/04). |
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35.8 |
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35.8.1 |
In
der Regel handelt „heimtückisch„, wer einen
Schlafenden tötet; denn der
Schlafende ist regelmäßig
arg- und wehrlos. Er überlässt sich dem Schlaf im
Vertrauen
darauf, dass ihm nichts geschehen werde, und in diesem Vertrauen
überliefert er sich der Wehrlosigkeit (BGHSt 23, 119, 120; 32,
382, 386; BGH NStZ 2006, 338, 339; BGH,
Urt. v. 10.5.2007 - 4 StR 11/07
- NStZ 2007, 523; BGH,
Urt. v.
10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006,
338). Arglos ist er hingegen nicht nur, ehe er einschläft. Wer sich zum Schlafen niederlegt, nimmt die Arglosigkeit mit in den Schlaf; sie begleitet ihn, auch wenn er sich ihrer nicht mehr bewusst ist. Das besonders Gefährliche und Tückische, das den Täter lebenslanger Freiheitsstrafe aussetzt, liegt darin, dass er sein Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und es dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 23, 119, 120 f.; BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338). Ein Täter handelt gegenüber seinem Opfer auch schon dann heimtückisch, wenn er dessen Arglosigkeit nur bewusst ausnutzt, ohne dass es darauf ankommt, ob er sie bewusst herbeigeführt oder bestärkt hat (BGHSt 8, 216, 219; BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338). Beispiel: Dass der Angeklagte seine Kinder nicht in der Absicht, sie anschließend zu töten, schlafen gelegt, sondern seinen Tatentschluss erst später gefasst hat, steht einer Verurteilung wegen Heimtückemordes nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338). Wer ein Opfer tötet, das, wie er bemerkt oder auch nur für möglich hält, schläft, weiß selbstverständlich um die aus dem wahrgenommenen Zustand folgende Arglosigkeit und die hierdurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers, die er mit Vornahme der konkreten Tötungshandlung in der erkannten Situation seines Opfers bewußt ausnutzt. Anders als bei anderen Fallkonstellationen der Heimtücke ist dieser klare Befund durch eine noch so heftige Gemütsbewegung des Täters nicht in Frage zu stellen. Daß dieser seinen Tötungsentschluß in gleicher Weise in die Tat umgesetzt hätte, wenn er das Opfer nicht im Zustand der Ahnungs- und Schutzlosigkeit angetroffen hätte, stellt die Erfüllung des Mordmerkmals nicht in Frage (vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2003 - 5 StR 457/03; zum Vorstehenden Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 34 mit Rechtsprechungsnachweisen). Allerdings macht die Rechtsprechung seit jeher von diesem Grundsatz Ausnahmen: So wird es etwa als zweifelhaft angesehen, ob Heimtücke vorliegt, wenn das Opfer gegen seinen Willen vom Schlaf übermannt wurde (vgl. BGHSt 23, 119, 121; BGH, Urt. v. 21.6.1967 - 4 StR 199/67) oder wenn es auf Grund sonstiger Umstände - und nicht wegen seiner Arglosigkeit - nicht in der Lage war, die (Angriffs-) Absicht des Täters zu erkennen und dessen Angriff wirksam entgegenzutreten (vgl. BGH NStZ 1997, 490, 491: auf Grund seiner „gesundheitlichen Konstitution„; MünchKomm-Schneider § 211 Rdn. 133 m.w.N.). Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles (BGHSt 48, 207, 210). Bei Besinnungs- oder Bewusstlosigkeit steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Annahme von Arglosigkeit in der Regel entgegen, dass der Bewusstlose den Eintritt seines Zustands nicht abwenden kann, er dem Angriff nicht entgegenzutreten vermag und auch nicht in seiner Erwartung getäuscht werden kann, ihm werde nichts geschehen (vgl. BGH NJW 1966, 1823, 1824; BGHSt 23, 119, 120; 32, 382, 386; BGH bei Holtz MDR 1977, 282; BGH, Beschl. v. 19.3.1997 - 3 StR 68/97 - StV 1998, 543, 545 betr. "Benommenheit"; BGH, Urt. v. 17.12.1998 - 4 StR 563/98 - NStZ-RR 1999, 101; BGH, Beschl. v. 6.5.2008 - 5 StR 92/08 - NStZ 2008, 569; BGH, Urt. v. 16.2.2012 - 3 StR 346/11 "Benommenheit"; a.A. Fischer, StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 42 m.w.N.). Hat der Täter diesen Zustand indes durch eine von Tötungsvorsatz getragene Handlung - etwa einem sogar todestauglichen Schuss - bereits unter Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers selbst herbeigeführt, stellt die unmittelbare Herbeiführung des Todes durch eine weitere Tötungshandlung im Zustand der Bewusstlosigkeit des Opfers immer noch ein Ausnutzen der vom Täter zuvor hervorgerufenen und noch fortwirkenden Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers dar. Eine Aufspaltung des vom einheitlichen Tötungsvorsatz getragenen Geschehens in einen versuchten Heimtückemord in Tateinheit mit Totschlag wegen Wegfalls des Mordmerkmals während der weiteren Tatausführung (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.1963 - 5 StR 128/63; Fischer, StGB 55. Aufl. § 211 Rdn. 106) kommt demnach nicht in Frage (vgl. BGH, Beschl. v. 6.5.2008 - 5 StR 92/08 - NStZ 2008, 569). Anders als eine schlafende Person (vgl. BGHSt 23, 119, 120 f.) ist ein ins Koma gefallener Patient zu keinerlei Argwohn und Gegenwehr fähig (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - StV 2008, 353). Jedoch kann beim Angriff auf das Leben eines bewusstlosen Erwachsenen Heimtücke vorliegen, wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit eines schutzbereiten Dritten, etwa Pflegekräften wie einer Krankenschwester, zur Tatbegehung ausnutzt (vgl. BGHSt 8, 216, 218; 18, 37, 38; 32, 382, 387 f.; BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - StV 2008, 353). Schutzbereiter Dritter ist jede Person, die den Schutz eines Besinnungslosen vor Leib- und Lebensgefahr dauernd oder vorübergehend übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut (vgl. BGHSt 8, 216, 219; BGH NStZ 2006, 338, 339 f.). Sie muss aufgrund der Umstände des Einzelfalls allerdings den Schutz wirksam erbringen können, wofür eine gewisse räumliche Nähe und eine überschaubare Anzahl der ihrem Schutz anvertrauten Menschen erforderlich sind (BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - StV 2008, 353; BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - 5 StR 525/07 - StV 2009, 524). Der Ehemann einer Patientin kann in diesem Sinne schutzbereiter Dritter sein, etwa wenn er sich um seine Frau kümmert, offen geführte Angriffe auf ihr Leben bemerkt und diesen entgegengetreten wäre, jedoch den Angriff auf das Leben seiner Frau nicht abwehren konnte, da er wegen seines Vertrauens auf Hilfe nicht mit einem Angriff durch die Angeklagte (Krankenschwester) rechnete (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - 5 StR 525/07 - StV 2009, 524). Ein Ausnutzen scheitert nicht daran, dass der Angeklagte die Arg- und Wehrlosigkeit der schutzbereiten Pflegekräfte nicht gezielt herbeiführte, sie also weder von ihren pflegerischen Aufgaben gegenüber dem Tatopfer ablenkte noch sonst in Sicherheit wog (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 211 Rdn. 25 m. w. N.). Er muss die schutzbereiten Dritten nicht ausschalten, um die Tötung des nicht mehr behüteten Tatopfers ungehindert durchführen zu können (BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - StV 2008, 353 so aber missverständlich BGH NStZ 2006, 338, 339; Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 135). Für das Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit ist es - wie bei der Heimtücke gegenüber dem Tatopfer selbst, bei der es nicht darauf ankommt, ob der Täter die Arglosigkeit herbeiführte oder bestärkte - ausreichend, dass der Täter die von ihm erkannte Arglosigkeit eines schutzbereiten Dritten bewusst zur Tatbegehung ausnutzt, und zwar unabhängig davon, worauf diese beruht (vgl. BGHSt 8, 216, 219). Auch steht der Annahme von Heimtücke nicht entgegen, dass dem Angeklagten selbst eine besondere Schutzpflicht gegenüber dem Tatopfer oblag (vgl. BGHSt 8, 216, 219). Hat der Angeklagte etwa als Pflegekraft auf der Intensivstation eines Krankenhauses seine Kenntnisse und seine Stellung zu einem Angriff auf das Leben einer auch seinem Schutz unterliegenden Person mißbraucht, handelte er vielmehr in besonderer Weise hinterhältig (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - StV 2008, 353). Hatte etwa der Angeklagte, bevor er den Tötungsvorsatz fasste, mit der späteren Tatwaffe einen Warnschuss abgegeben, darf nach den Urteilsfeststellungen nicht offen bleiben, warum das Opfer nach dem Schuss möglicherweise nur „kurz„ aufwachte und er sofort wieder einschlief. Beruhte dies darauf, dass er infolge Übermüdung und Alkoholisierung vom Schlaf übermannt worden war, so könnte das seiner Arglosigkeit entgegenstehen; denn dann hätte er möglicherweise nur sein körperliches Unvermögen zur Abwehr eines Angriffs, nicht aber seine Arglosigkeit mit in den Schlaf genommen (vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2007 - 4 StR 11/07 - NStZ 2007, 523). |
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35.8.2 |
Einem Kleinstkind gegenüber ist heimtückisches Handeln in der Regel nicht möglich, weil es nicht fähig ist, anderen Vertrauen entgegenzubringen. Der Bundesgerichtshof hat es in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, die Tötung eines sehr kleinen Kindes, das infolge seiner natürlichen Arg- und Wehrlosigkeit gegen einen Angriff auf sein Leben nichts unternehmen kann, als heimtückisch anzusehen, weil seine Wahrnehmungsfähigkeit noch nicht ausgebildet ist. Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass der Begriff der Heimtücke auf etwas Heimliches hindeutet, man eine böse Absicht aber nur vor jemanden verheimlichen kann, der an sich in der Lage ist, sie wahrzunehmen (BGHSt 4, 11; 8, 216, 218; BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338). Dies gilt daher nicht, wenn das Opfer bereits in einem Alter, in dem ein normal entwickeltes Kind einen auf sein Leben zielenden Angriff erkennen und danach versuchen kann, Hilfe herbeizurufen, den Täter umzustimmen oder in sonstiger Weise dem Anschlag zu begegnen bzw. die Durchführung zu erschweren (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2005 - 1 StR 234/05: zweieinhalbjährig; BGH NJW 1978, 705; NStZ 1995, 230 jeweils für ein ca. dreijähriges Kind; BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338 für ein fünfjähriges Kind; verneint hingegen bei einem Kind im Alter von einem Jahr und neun Monaten in BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es bei der Tötung eines wenige Wochen oder Monate alten Kleinkindes für die Frage der Heimtücke nicht auf dessen Arg- und Wehrlosigkeit ankommt, da es aufgrund seines Alters noch zu keinerlei Argwohn oder Gegenwehr fähig ist, sondern auf die Arg- und Wehrlosigkeit eines im Hinblick auf das Kind schutzbereiten Dritten (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2012 – 2 StR 309/12 - NStZ 2013, 158 mwN; BGH, Beschl. v. 5.8.2014 - 1 StR 340/14). | |
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35.8.2.5 |
Nach
der Rechtsprechung ist eine Ausnahme der prinzipiellen
Ausklammerung kleiner Kinder aus dem Anwendungsbereich des Mordmerkmals
der Heimtücke dann zu machen, wenn der Täter schutzbereite
Dritte ausschaltet, um dann die Tötung des nicht mehr
behüteten Kindes ungehindert begehen zu können (vgl. BGHSt 3,
330, 332; BGHSt 8, 216, 219; BGH NStZ-RR 2006, 43; BGH,
Beschl. v. 13.10.2005 - 5
StR 401/05: Schlagen der Mutter und
anschließender
Wurf des Kindes vom Balkon; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn.
42). Allerdings ist schützender Dritter auf der Grundlage der
bisherigen Rechtsprechung nur derjenige, der den Schutz des Kindes
übernommen hat und ihn im Augenblick der Tat entweder
tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil er dem
Täter vertraut (vgl. BGHSt 8, 216, 219; BGH,
Urt. v.
10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006,
338; MünchKomm-Schneider § 211 Rdn.
42). Schutzbereiter Dritter ist jede Person, die den Schutz eines Kleinkindes vor Leib- und Lebensgefahr dauernd oder vorübergehend übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.1955 - 5 StR 104/55 - BGHSt 8, 216, 219; BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338, 339 f.; BGH, Urt. v. 21.11.2012 - 2 StR 309/12) oder vom Täter ausgeschaltet wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2005 – 5 StR 401/05 - NStZ-RR 2006, 43). Nicht erforderlich ist, dass der potentiell schutzbereite Dritte "zugegen" ist; er muss auf Grund der Umstände des Einzelfalls den Schutz allerdings auch wirksam erbringen können, wofür eine gewisse räumliche Nähe erforderlich ist (BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - NStZ 2008, 93, 94; BGH, Urt. v. 21.11.2012 - 2 StR 309/12; BGH, Beschl. v. 5.8.2014 - 1 StR 340/14). Wer den räumlichen Bereich des Kleinkindes für eine nicht nur unerhebliche Dauer verlässt und sich über einen Kilometer davon entfernt, ist mangels tatsächlicher Einwirkungsmöglichkeit auf das Geschehen nicht mehr in der Lage, seinen Schutz wirksam zu erbringen und kann deshalb nicht mehr als „schutzbereiter Dritter“ im oben genannten Sinne angesehen werden. Eine gleichsam stellvertretende Zurechnung der Arg- und Wehrlosigkeit eines schutzbereiten Dritten zu Gunsten eines strukturell zu Argwohn und Gegenwehr unfähigen Menschen ist nur gerechtfertigt, wenn beide derart räumlich verbunden sind, dass der Dritte dem Täter bei dem tödlichen Angriff grundsätzlich etwas entgegensetzen könnte. Dies ist nicht der Fall, wenn aufgrund der räumlichen Entfernung des Dritten der tödliche Angriff schon überhaupt nicht wahrgenommen werden kann und eine Gegenwehr auch deshalb zu spät käme, weil hierfür erst eine erhebliche räumliche Distanz überwunden werden muss (BGH, Beschl. v. 5.8.2014 - 1 StR 340/14: Ursache für die Abwesenheit des Kindesvaters war auch nicht etwa eine Aufforderung oder Täuschung durch die Angeklagte mit dem Ziel, während seiner Abwesenheit einen ungehinderten Angriff auf das gemeinsame Kind vorzunehmen. Vielmehr hat sich der Vater aus freien Stücken aus der Wohnung zum Arzt begeben und damit den zuvor ausgeübten Schutz des gemeinsamen Kindes ohne Einwirkung durch die Angeklagte aufgegeben). Für das Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit eines schutzbereiten Dritten ist es - wie bei der Heimtücke gegenüber dem Tatopfer selbst, bei der es nicht darauf ankommt, ob der Täter die Arglosigkeit herbeiführte oder bestärkte (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2006 - 2 StR 561/05 - NStZ 2006, 338, 339) - vielmehr ausreichend, dass der Täter die von ihm erkannte Arglosigkeit des Dritten bewusst zur Tatbegehung ausnutzt, und zwar unabhängig davon, worauf diese beruht (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2012 - 2 StR 309/12; BGH, Beschl. v. 13.10.2005 - 5 StR 401/05 - NStZ-RR 2006, 43; BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 226/07 - NStZ 2008, 93, 94). |
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35.8.3 |
Dass der Angeklagte unmittelbar vor der Kollision die Scheinwerfer einschaltete, steht der Annahme der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen des ihm entgegenkommenden PKW nicht entgegen, denn hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs abzustellen (vgl. BGHSt 19, 321, 322; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Der Angeklagte hatte zur Ausführung seines mit bedingtem Tötungsvorsatz geführten Angriffs aber bereits mit dem gezielten Zufahren mit seinem unbeleuchteten PKW auf das entgegenkommende Fahrzeug angesetzt. Die zu diesem Zeitpunkt gegebene Arg- und Wehrlosigkeit der Fahrzeuginsassen bestand auch nach dem Erkennen der Gefahrensituation fort, denn die danach bis zur Kollision verbliebene Zeitspanne ließ, auch für den Führer des PKW, keine Möglichkeit, dem Angriff auszuweichen (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.; BGH, Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 594/05 - NStZ 2006, 503). Hinsichtlich der Überlebenden hat der Bundesgerichtshof einen vom Tatgericht angenommenen strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Mord bestätigt, weil es - unter Anwendung des Zweifelssatzes - infolge des Einschaltens der Scheinwerfer nicht zu einem Frontalzusammenstoß kam, sondern die Fahrzeuge im Beifahrerbereich überlappend zusammenstießen (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 594/05 - NStZ 2006, 503). | |
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35.8.5 |
Die Rechtsprechung hat den Grundsatz, dass Heimtücke Arglosigkeit des Angegriffenen bei Tatbeginn voraussetzt, für einzelne typische Ausnahmefälle modifiziert (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.1968 – 2 StR 523/67 - BGHSt 22, 77, 79 f.; BGH, Urt. v. 4.7.1984 – 3 StR 199/84 - BGHSt 32, 382, 385 f.; BGH, Beschl. v. 4.6.2013 – 4 StR 180/13; so zusammenfassend BGH, Beschl. v. 6.11.2014 - 4 StR 416/14). Ein solcher Ausnahmefall liegt etwa vor, wenn der Täter das Opfer mit Tötungsvorsatz planmäßig in einen Hinterhalt lockt, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, und die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen bei Ausführung der Tat noch fortwirken (BGH, Urt. v. 17.1.1968 – 2 StR 523/67 - BGHSt 22, 77, 79 f.; BGH, Beschl. v. 7.4.1989 – 3 StR 83/89 - NStZ 1989, 364; BGH, Urt. v. 14.6.1960 – 1 StR 73/60; BGH, Urt. v. 9.12.1980 – 1 StR 620/80). Auch in den Fällen, in denen der Täter das Opfer in eine Falle lockt, hat die Rechtsprechung stets daran festgehalten, dass der Täter bereits in diesem Moment mit Tötungsvorsatz handelt (BGH, Beschl. v. 6.11.2014 - 4 StR 416/14; BGH, Urt. v. 4.7.1984 – 3 StR 199/84 - BGHSt 32, 382, 384; BGH, Urt. v. 11.3.2003 – 1 StR 507/02 Rn. 32; BGH, Urt. v. 10.2.2010 – 2 StR 503/09 - NStZ 2010, 450). | |
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35.9 |
Beispiel: Hat der
Angeklagte dem lediglich Kokain erwartenden Opfer
vorsätzlich reines Heroin zum Konsumieren ausgehändigt, ohne
ihn darüber aufzuklären, ist er wegen eines in mittelbarer
Täterschaft (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB) begangenen
vorsätzlichen Tötungsdelikts zu verurteilen, wobei die
Annahme eines Heimtückemordes nahe liegt. Das sog.
Teilnahmeargument (Straflosigkeit der Teilnahme an
eigenverantwortlichem Handeln des Opfers) geht fehl, weil das Opfer
irrtumsbedingt das tatsächliche Risiko verkannt hat (vgl. BGH,
Urt. v. 29.4.2009 - 1 StR 518/08 - BGHSt 53, 288 - NStZ 2009,
504). siehe auch: Täterschaft, § 25 StGB - Rdn. 10 ff. - Mittelbare Täterschaft; Fahrlässige Tötung, § 222 StGB |
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40 |
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40.1 |
Grausam
tötet, wer seinem Opfer in gefühlloser,
unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder
seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über
das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen (st.
Rspr., vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Grausam 1 m.w.N.; BGH,
Urt. v.
8.9.2005 - 1 StR 159/05; BGH,
Beschl. v. 21.6.2007 -
3 StR 180/07 -
NStZ 2008, 29). Die besonderen Leiden müssen sich aus der
Tatausführung ergeben (BGH,
Beschl. v. 21.6.2007 -
3 StR 180/07 -
NStZ 2008, 29). Die Grausamkeit muss nicht notwendig in der eigentlichen Ausführungshandlung im engeren Sinne und den durch diese verursachten Leiden liegen; sie kann sich auch aus den Umständen ergeben, unter denen die Tötung eingeleitet und vollzogen wird. Das grausame Verhalten muss vor Abschluss der den tödlichen Erfolg herbeiführenden Handlung auftreten und vom Tötungsvorsatz umfasst sein (vgl. BGHSt 37, 40 m.w.N.; BGH, Urt. v. 8.9.2005 - 1 StR 159/05). Das Mordmerkmal „grausam„ wird durch eine gefühllose und unbarmherzige Gesinnung des Täters und die Billigung von Tatumständen gekennzeichnet, welche es bedingen, dass dem Opfer durch die Tötungshandlung besondere Schmerzen oder Qualen zugefügt werden (vgl. BGHSt 3, 180, 181; BGH NJW 1986, 265, 266; BGH, Beschl. v. 13.3.2007 - 5 StR 320/06 - NStZ 2007, 402 "Fall Dennis"; vgl. auch BGH, Urt. v. 23.1.2002 - 5 StR 391/01). Zur Erfüllung des Merkmals „grausam„ ist erforderlich, dass das Opfer die besonderen Schmerzen oder Qualen während des tatbestandsmäßigen Geschehens - Handeln mit Tötungsvorsatz - erlitten hat (BGH NJW 1986, 265, 266; BGH, Beschl. v. 13.3.2007 - 5 StR 320/06 - NStZ 2007, 402 "Fall Dennis"). Allein das äußere Erscheinungsbild der Tat läßt nicht ohne weiteres den Schluß auf die grausame und unbarmherzige Gesinnung des Täters zu. Die Tat kann ihres grausamen Charakters auch dadurch entkleidet werden, daß der Täter zu den entsprechenden Handlungsteilen infolge heftiger Gemütsbewegung oder durch hochgradige Erregung hingerissen worden ist (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Grausam 1 m.w.N.; BGH, Urt. v. 7.8.2001 - 1 StR 174/01 - NStZ 2001, 647 im Zshg. mit Erörterungen zu § 212 Abs. 2 StGB). |
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40.9 |
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40.9.1 |
Verhungern
verursacht regelmäßig besonders starke
körperliche und seelische Schmerzen (vgl. BGH MDR bei Dallinger
1974, 14; BGH,
Beschl. v. 6.9.2000 - 3 StR 200/00; BGH, Beschl. v.
10.10.2006 - 5 StR 212/06 [Fall Jessica, Presseerklärung des BGH
Nr. 139/2006]; BGH,
Beschl. v. 13.3.2007 - 5 StR 320/06 -
NStZ 2007,
402 "Fall Dennis";
vgl. auch BGH,
Beschl. v. 19.2.2001 - 5 StR 6/01:
betr. der Tötungen
durch Verdursten und Verhungern von zwei
Kindern im Alter von zwei und drei Jahren, die zwei Wochen von der
Mutter unversorgt und unbeaufsichtigt in der Wohnung zurück
gelassen wurden, während sie sich selbst bei einem Freund
aufhielt; ferner BGH,
Beschl. v. 31.3.2004 - 5 StR 351/03:
"nur
noch Wecheln der Windeln"; BGH,
Urt. v. 3.9.2008 - 2 StR 305/08 -
NStZ-RR 2009, 173 betr.
gravierende Mangelversorgung durch Verweigerung
von Nahrung). Dass die Tat aus gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung der Angeklagten heraus erfolgt ist, kann sich etwa aus dem Umstand ergeben, dass die Angeklagte im Verlauf der Wochen auf Fragen nach ihrer Tochter wiederholt mit unzutreffenden, den Aufenthalt des Kindes verschleiernden Antworten reagiert und unrichtige Angaben gemacht hat, um zu erklären, warum sie nicht in ihre Wohnung gehen konnte. Sie hat sich deshalb mehrfach gedanklich mit der Situation ihrer Tochter auseinandergesetzt und sich dabei immer wieder gegen ihre Tochter entschieden (vgl. BGH, Beschl. v. 6.9.2000 - 3 StR 200/00). Kann nach dem Zweifelssatz angenommen werden, dass die zur Bewusstlosigkeit des Tatopfers führende Verletzung gleich zu Beginn der Verletzungshandlungen erfolgte und das Kind deshalb keine starken Schmerzen verspürt hat, liegt die Annahme des Mordmerkmals "grausam" nicht nahe. Wenn die Angeklagte von Anfang an Tötungsvorsatz hatte und das Tatopfer bereits beim ersten Tötungsakt der Angeklagten bewusstlos wurde, kann das Tatgericht rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass die Angeklagte nicht grausam töten wollte; denn das Tatopfer konnte wegen Bewusstlosigkeit keine Schmerzen empfinden. Es liegt hierbei auch auf der Hand und bedurfte deshalb keiner ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen, dass die Angeklagte die Bewusstlosigkeit des Kindes bemerkte, so dass auch ein versuchter Mord (Merkmal Grausamkeit) nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.2007 - 2 StR 248/07). |
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45 |
Das
Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist
erfüllt, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt,
das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib
und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht
in seiner Gewalt hat (BGHSt 38, 353, 354 m.w.N.; BGH,
Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 -
NStZ 2006, 167; BGH,
Urt. v. 14.1.2010 - 4 StR 450/09).
Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit
eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der
konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen
Fähigkeiten und Absichten des Täters (BGHSt 38, 353, 354; BGH,
Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 -
BGHR StGB § 211 Abs. 2
Gemeingefährliche Mittel 2, BGH,
Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 594/05
- NStZ 2006, 503, 504; BGH,
Urt. v. 14.1.2010 - 4 StR 450/09). Die Qualifikation hat ihren Grund in der besonderen Rücksichtslosigkeit des Täters, der sein Ziel durch die Schaffung unberechenbarer Gefahren für andere durchzusetzen sucht (BGHSt 34, 13, 14). Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (vgl. BGHSt 38, 353, 354; BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 57). Dieses Mordmerkmal kann auch dann erfüllt sein, wenn ein Tötungsmittel eingesetzt wird, das seiner Natur nach, wie etwa ein Pkw, nicht gemeingefährlich ist, sofern das Mittel in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH VRS 63, 119: Steinwurf in dichtem Verkehr; BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.; BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167: Amokfahrt eines Betrunkenen in Menschenmassen; BGH, Urt. v. 16.3.2006 - 4 StR 594/05 - NStZ 2006, 503: Fahrt in Suizidabsicht auf der Autobahn in Gegenrichtung ohne Beleuchtung; BGH, Urt. v. 25.3.2010 - 4 StR 594/09: Zielgerichtete Kollision in Suizidabsicht in einer Baustelleneinfahrt). Maßgeblich ist dann jedoch die Eignung des Mittels zur Gefährdung Dritter in der konkreten Situation (vgl. BGHSt 38, 353, 354; BGHR StGB § 211 Abs. 2, gemeingefährliches Mittel 2; BGH, Beschl. v. 16.1.2007 - 4 StR 598/06 - NStZ-RR 2007, 174; vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.12.2000 - 5 StR 294/00 betr. Bombenanschläge; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 57; Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 104; a.A. Horn in SK StGB § 211 Rdn. 50). Es hängt vom konkreten Einzelfall ab, ob Steinwürfe von einer Autobahnbrücke bei Vorliegen eines entsprechenden Vorsatzes als Tötung bzw. Tötungsversuche mit gemeingefährlichen Mitteln zu bewerten sind. Trifft der Täter bei einem solchen Steinwurf ein bestimmtes Fahrzeug, so schließt ein solcher Angriff gegen dessen Insassen, also bereits individualisierte Opfer, zwar die Annahme, er habe ein gemeingefährliches Mittel eingesetzt, nicht vor vorneherein aus. Eine tödliche Gefahr für eine Vielzahl von Menschen wird jedoch zumeist nur dann bestehen, wenn dichter Verkehr herrscht und in der Folge des durch den Steinwurf unmittelbar verursachten Unfalls eine unbestimmte Anzahl weiterer Personen - also regelmäßig die Insassen anderer Fahrzeuge - tödliche Verletzungen erleiden können (vgl. BGHSt 38, 353, 355; BGH, Urt. v. 14.1.2010 - 4 StR 450/09; Schneider in Münchner-Kommentar StGB § 211 Rdn. 104 m.w.N.). Nichts anderes gilt in den Fällen, in denen der Täter bei dem Steinwurf noch kein bestimmtes Fahrzeug im Auge hat, sondern sich die Tat auf ein beliebiges, sich möglicherweise noch außerhalb seines Sichtbereichs befindliches Fahrzeug und dessen Insassen bezieht. Auch hier fehlt es bezogen auf die Kollision zwischen diesem Fahrzeug und dem auf der Fahrbahn liegenden Stein regelmäßig daran, dass allein hierdurch eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährdet werden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Daher wird auch in solchen Fällen eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln - von Ausnahmefällen wie etwa einer Kollision eines voll besetzten Omnibusses mit dem Stein abgesehen - nur dann in Betracht kommen, wenn Folgeunfälle mit tödlichen Verletzungen drohen (BGH, Urt. v. 14.1.2010 - 4 StR 450/09). Ein Fall einer von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfassten versuchten "schlichten" Mehrfachtötung liegt dann nicht vor, wenn sich etwa in Fällen der Amokfahrten die Tat des Angeklagten nicht gegen eine Mehrzahl von ihm individualisierter Opfer richtete (vgl. BGH, Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05 - NStZ 2006, 167; Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 103; Rengier StV 1986, 405, S. 406). |
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45.5 |
Nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie der herrschenden
Meinung in der Literatur ist eine mit gemeingefährlichen Mitteln
begangene Tötung durch Unterlassen grundsätzlich nicht
möglich (BGHSt 34, 13 f.; BGH,
Beschl. v. 7.7.2009 - 3 StR 204/09
- NStZ 2010, 87; Schneider in MK StGB § 211 Rdnr. 13; Eser in
Schönke/Schröder 27. Aufl. § 211 Rdnr. 29;
Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 211 Rdnr. 11; Arzt in FS Roxin
S. 855, 858; a. A. Fischer StGB 56. Aufl. § 211 Rdn. 61;
Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdnr. 58; offen gelassen in BGH,
Beschl. v. 20.12.2002 - 2 StR 251/02 - BGHSt 48, 147, 149 -
NStZ 2003,
308: dort keine
Entscheidungsrelevanz, da strafbefreiender
Rücktritt angenommen wurde). Danach muss der Täter das gemeingefährliche Mittel einsetzen, es reicht nicht, wenn er eine bereits vorhandene gemeingefährliche Situation nutzt, unabhängig davon, ob die Gefahr zufällig entstanden, von einer dritten Person verursacht oder von ihm selbst ohne Tötungsvorsatz herbeigeführt worden ist (vgl. BGHSt 34, 13, 14). Es kommt somit eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln durch Unterlassung dann in Betracht, wenn der Täter bei der Gefahrsetzung mit Tötungsvorsatz handelt (BGH, Beschl. v. 7.7.2009 - 3 StR 204/09 - NStZ 2010, 87). |
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50 |
Zur
Ermöglichung einer anderen Straftat im Sinne des § 211
Abs. 2 StGB tötet, wer einen Menschen zur Erreichung eines
weiteren kriminellen Ziels tötet. Der Tod des Opfers muss
nicht
notwendiges Mittel zur Ermöglichung der Tat sein (BGH, Urt. v.
9.3.1993 - 1 StR 870/92 - BGHSt 39, 159, 161); es genügt, wenn der
Täter sich deshalb zur Tötung entschließt, weil er
annimmt, auf diese Weise die andere Straftat rascher oder leichter
begehen zu können (vgl. BGH, Urt. v. 3.6.2015 - 2 StR 422/14 zu
§ 211 StGB; BGH, Urt. v. 23.9.1999 - 4 StR 700/98 - BGHSt 45, 211,
217 zu § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und ihm zwar nicht der Tod des
Opfers, wohl aber die Tötungshandlung als Tatmittel geeignet
erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 9.3.1993 - 1 StR 870/92 - BGHSt 39, 159,
161). Die "andere Tat" muss dabei nicht prozessual selbstständig
im Sinne des § 264 StPO sein; es genügt vielmehr die
tateinheitliche Verwirklichung eines gegen ein anderes Rechtsgut
desselben oder eines anderen Tatopfers gerichteten weiteren
Straftatbestandes (vgl. BGH, Urt. v. 3.6.2015 - 2 StR 422/14; Fischer,
StGB, 62. Aufl. § 211 Rdn. 65; MüKo/Schneider, StGB 2. Aufl.
§ 211 Rn. 253). Ermöglichungsabsicht im Sinne des § 211
Abs. 2 StGB setzt jedoch voraus, dass der Täter in der Absicht
tötet, zusätzliches kriminelles Unrecht verwirklichen zu
können; die besondere Verwerflichkeit der Tötung eines
anderen zu diesem Zweck liegt darin, dass der Täter bereit ist,
das Leben eines anderen als Mittel zur Begehung einer weiteren Tat
einzusetzen, zur Verwirklichung seiner kriminellen Ziele also notfalls
über "Leichen zu gehen" (BGH, Urt. v. 9.3.1993 - 1 StR 870/92 -
BGHSt 39, 159, 161; Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 211
Rn. 63). Die Ermöglichung einer anderen Straftat muss dabei das
handlungsleitende Motiv des Täters sein (BGH, Urt. v. 3.6.2015 - 2
StR 422/14). Beispiel: Zwar tötete der Angeklagte sein Tatopfer, damit diese das von ihm gezeugte Kind nicht zur Welt bringen konnte, ein Handlungsziel, das er - wie er wusste - auf andere Weise nicht erreichen konnte. Jenseits der Lebensvernichtung seines Tatopfers verfolgte der Angeklagte jedoch keinen darüber hinausreichenden, eigenständigen und weiteren kriminellen Zweck. Das vom Angeklagten durch die Beendigung der Schwangerschaft verwirklichte weitere Unrecht - die Tötung des noch ungeborenen Lebens - wird bei dieser Sachlage vollständig vom tateinheitlich verwirklichten Vergehen des Schwangerschaftsabbruchs erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 3.6.2015 - 2 StR 422/14). In einer späteren Entscheidung hat der 2. Senat ergänzend angemerkt: Das Urteil ist auch rechtsfehlerfrei, soweit das Landgericht von Mord zur Ermöglichung einer anderen Tat - in Form des tateinheitlich begangenen Schwangerschaftsabbruchs - ausgegangen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14.1.2015 - 4 StR 532/14; Fischer, StGB 63. Aufl., § 211 Rn. 65). Soweit der Senat in seinem Urteil vom 3. Juni 2015 - 2 StR 422/14 (NStZ 2015, 693 f. mit Anm. Berster) in Unkenntnis der dadurch hervorgerufenen Divergenz abweichend entschieden hat, hält er daran nicht fest (BGH, Beschl. v. 17.12.2015 - 2 StR 275/15). Erforderlich ist hinsichtlich der anderen Straftat Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens. Der besondere Unwert der Tötung, um eine andere Straftat zu ermöglichen liegt darin, daß sie der Begehung kriminellen Unrechts dienen soll (vgl. BGH, Urt. v. 18.5.2000 - 4 StR 647/99 - BGHSt 46, 73 - NJW 2000, 2517; Horn SK § 211 Rdn. 54, 56; Jähnke LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 11); Eser in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 211 Rdn. 33). Die erhöhte Verwerflichkeit (vgl. zu der verfassungsrechtlich notwendig restriktiven Auslegung des § 211 StGB: BVerfGE 45, 187, Leitsatz 4) ergibt sich aus der Bereitschaft, zur Durchsetzung krimineller Ziele "notfalls über Leichen zu gehen" (vgl. BGHSt 39, 159, 161 = BGHR StGB § 211 Abs. 2 Ermöglichen), aus der Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter (vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.1995 - 3 StR 360/95 - BGHR StGB § 211 Abs. 2 - Ermöglichen 4 - NStZ 1996, 81; so zum Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht BGH, Urt. v. 31.1.1995 - 1 StR 780/94). Die Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, muss das leitende, die Tat beherrschende Motiv des Angeklagten und die Triebfeder seines Handelns gewesen sein (vgl. BGH NStZ 2005, 332, 333 m.w.N.; BGH, Urt. v. 2.4.2008 - 2 StR 621/07 - NStZ-RR 2008, 238). siehe hierzu auch nachstehend Rdn. 55.5 - Motivation |
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50.2 |
Der
beabsichtigte Betrug zum Nachteil der Lebensversicherer ist als
eine "andere Straftat" im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB anzusehen
(vgl. BGH,
Urt. v. 18.5.2000
- 4 StR 647/99 - BGHSt 46, 73 ff. -
NJW
2000, 2517; so auch Geilen in FS für Lackner [1987] S. 571, 583;
Mitsch JuS 1996, 213, 216; Schlothauer StV 2000, 138, 140 Fn. 14;
ähnlich BGH, Urt. v. 12.3.1998 - 1 StR 708/97 [Unterschlagung]).
Auf die schwere der "anderen Straftat" kommt es nicht an (vgl. BGH,
Urt. v. 18.5.2000
- 4 StR 647/99 - BGHSt 46, 73 ff. -
NJW 2000, 2517;
Fischer, StGB 56. Aufl. § 211 Rnr.67). Tateinheit zwischen § 211 und § 218 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.1957 – 2 StR 330/57 - BGHSt 11, 15, 16 f.; BGH, Beschl. v. 3.1.1996 – 3 StR 588/95 - NStZ 1996, 276) stellt die Absicht zur Ermöglichung einer „anderen Straftat“ nicht in Frage (vgl. BGH, Beschl. v. 14.1.2015 - 4 StR 532/14; BGH, Urt. v. 11.12.1990 – 5 StR 500/90 - BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 22; BGH, Beschl. v. 27.6.2002 – 4 StR 158/02 - NStZ 2003, 371). |
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50.5 |
Bedingter Tötungsvorsatz steht der Annahme des Mordmerkmals "Töten zur Ermöglichung einer anderen Straftat" nicht entgegen. Die "Tötung" muß nicht "notwendiges" Mittel zur Begehung der anderen Straftat sein (Aufgabe der Senatsentscheidung vom 26. Februar 1980, mitgeteilt bei Holtz MDR 1980, 629); vielmehr genügt es, daß sich der Täter deshalb für die zum Tode führende Handlung entscheidet, weil er glaubt, auf diese Weise die andere Straftat schneller oder leichter begehen zu können. Es genügt, daß nicht der Tod des Opfers, sondern die zur Tötung geeignete Handlung vom Täter als Mittel zur Begehung der weiteren Straftat angesehen wird (BGH, Urt. v. 9.3.1993 - 1 StR 870/92 (Ls.) - BGHSt 39, 159 - NJW 1993, 1724). | |
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50.7 |
Waren die Angeklagten von vornherein entschlossen, das Tatopfer zu töten, um sich in den Besitz des von diesem verwahrten Bargelds zu bringen, kommt es für das Merkmal der Habgier nicht darauf an, ob sie dieses Ziel auch ohne anschließende Tötung des Opfers durch (bloßen) Raub hätten erreichen können. Dieses setzt nicht, wie die Absicht der Ermöglichung einer anderen Straftat, einen funktionalen Zusammenhang zwischen Tötung und Erlangung des Vermögensvorteils voraus. Entscheidend ist vielmehr die Motivation des Täters. War nach dem festgestellten Tatplan die Tötung des Opfers als (zur Verdeckung) notwendige Folge der beabsichtigten Beraubung von vornherein vorgesehen, ist ein Mord aus Habgier zu bejahen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.1.2004 - 2 StR 391/03). | |
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55 |
... (2) Mörder
ist, wer ... aus
Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder
sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam
oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere
Straftat zu
ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet. Die Annahme dieses Mordmerkmals setzt gemäß § 211 Abs. 2 StGB voraus, daß der Täter die Tötungshandlung vornimmt, um eine andere Straftat (Bezugstat) zu verdecken. In Verdeckungsabsicht handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluß über bedeutsame Tatumstände geben könnten (BGHSt 15, 291, 295 ff.; BGH NJW 1999, 1039, 1041; BGHSt 41, 358, 360; BGH, Urt. v. 1.2.2005 - 1 StR 327/04 - BGHSt 50, 11 - NJW 2005, 1203 mit Anm. u.a. Steinberg JR 2007, 291; Kudlich JuS 2005, 659; Fischinger JA 2005, 490; BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1 StR 50/11 - NJW 2011, 2223; Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 71). In Verdeckungsabsicht handelt, wer verhindern will, daß eine andere Straftat oder ihr Täter bekannt wird oder wer die Aufdeckung erschweren will. Die andere Straftat muß sich objektiv und im subjektiven Tatbestand als ein Verbrechen oder Vergehen darstellen. Ob sie überhaupt verfolgbar ist, ist hingegen ohne Bedeutung (BGH, Beschl. v. 2.7.2004 - 2 StR 174/04; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 14, 19). So hindert auch eine vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen der Vortat gemäß § 154 StPO nicht eine Verurteilung wegen eines Verdeckungsmordes (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1983, 622). Nicht ausreichend ist, wenn als zu verdeckende Tat nur eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 159/01). Zur Verdeckung einer Straftat im Sinne des § 211 StGB kann auch derjenige handeln, der zwar keine eigene Straftat, wohl aber eine fremde Straftat verdecken will (BGHSt 9, 180, 182; BGH, Urt. v. 26.1.2000 - 3 StR 410/99 - NStZ 2000, 267). Leitsatz: Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert einen gerichtlichen Hinweis (BGH, Beschl. v. 12.1.2011 - 1 StR 582/10 (Ls.) - NJW 2011, 1301). |
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55.2 |
Begrifflich
scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat
dann aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist (vgl. BGH, Urt. v.
1.8.1978 - 5 StR 302/78 - GA 1979, 108; BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1 StR
50/11 - NJW 2011, 2223). Das kann etwa in Betracht kommen, wenn eine
Überführung des
Täters durch die Beseitigung eines Belastungszeugen nur erschwert
wird (BGH, Urt. v. 1.8.1978 - 5 StR 302/78 - GA 1979, 108; BGHR StGB
§ 211 Abs. 2 Verdeckung 6:
für den Sachverhalt, daß wegen der "zu verdeckenden
Straftat" bereits Anklage erhoben worden war). Es kommt nicht darauf
an, ob die vorangegangene Straftat oder seine Tatbeteiligung daran
schon objektiv aufgedeckt waren oder ob objektiv von dem Opfer eine
Aufdeckung zu befürchten war, solange der Täter nur subjektiv
meint, zur Verdeckung dieser Straftat über die Leiche dieses
möglichen Zeugen zu müssen (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1
StR 50/11 - NJW 2011, 2223; Geppert JK 10/05, StGB § 211/45).
Jedoch kann auch nach
Bekanntwerden einer Straftat ein Täter dann noch in
Verdeckungsabsicht handeln, wenn er zwar weiß, daß er als
Täter dieser Straftat verdächtigt wird, die genaue Kenntnis
über den strafrechtlich bedeutsamen Sachverhalt jedoch allein er
und das Opfer haben und die Tatumstände deshalb noch nicht in
einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt sind
(BGHSt 15, 291, 296; BGH, Urt. v. 27.4.1978 - 4 StR 143/78, insoweit
nicht abgedruckt in BGHSt 28, 18 ff.; BGH,
Urt. v. 1.2.2005 - 1 StR 327/04 -
BGHSt 50, 11 - NJW 2005, 1203; BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1 StR
50/11 - NJW 2011, 2223). Der Täter handelt schon
deshalb in Verdeckungsabsicht, wenn er einen Menschen töten
wollte, von dem er die Aufdeckung seiner Tat befürchtete, die nach
seiner Vorstellung den Strafverfolgungsbehörden noch nicht in
einem für eine Verurteilung ausreichenden Umfang bekannt war (BGH
StV 1998, 24; BGH,
Urt. v. 1.2.2005 - 1 StR 327/04 -
BGHSt 50, 11 - NJW
2005, 1203). Beispiel: Der Angeklagte konnte, als er sich im Schlafzimmer versteckt hatte, das Gespräch zwischen der Zeugin und ihrer Betreuerin mithören und vernahm dabei, daß die Zeugin erzählte, daß sie von ihm geschlagen und vergewaltigt worden sei und daß deshalb die Polizei verständigt werden sollte. Darüber erzürnt entschloß sich der Angeklagte, die Zeugin zu töten und dadurch eine belastende Aussage von ihr bei den Ermittlungsbehörden zu verhindern. Hierbei ging der Angeklagte - zutreffenderweise - subjektiv (vgl. hierzu BGH NStZ 1994, 583) davon aus, daß ohne die Aussage der Geschädigten bei der Polizei die Tatumstände noch nicht für eine Strafverfolgung zureichend aufgedeckt sind (BGHSt 15, 291, 296; BGH, Urt. v. 1.2.2005 - 1 StR 327/04 - BGHSt 50, 11 - NJW 2005, 1203). Verdeckungsabsicht ist aus der Sicht des Täters zu beurteilen. Glaubt er mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrecht erhalten oder seine Lage verbessern zu können, so reicht das für die Annahme der Verdeckungsabsicht aus, selbst wenn er bereits als Täter der Vortat verdächtigt wird (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1 StR 50/11 - NJW 2011, 2223; LK-Jähnke, StGB, 11. Aufl., § 211 Rn. 16 mit Hinweis auf BGH, Urt. v. 27.4.1978 - 4 StR 143/78 insoweit in BGHSt 28, 18 nicht abgedruckt), da die Tatumstände - nach seinem Wissen - noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt waren (vgl. BGHSt 15, 291, 296). Verdeckungsabsicht ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Tat als solche bereits entdeckt ist, dem Täter es jedoch noch darauf ankommt, seine eigene Täterschaft zu verbergen; Voraussetzung ist jedoch, dass er sich oder seine Tat noch nicht voll erkannt bzw. nicht voll überführungsfähig glaubt und daher mit der Vorstellung von Entdeckungsvereitelung handelt (BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1 StR 50/11 - NJW 2011, 2223; Schönke/Schröder-Eser, StGB, 28. Aufl., § 211 Rn. 34 mwN). |
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55.3 |
Hatten
die Angeklagten schon vor Begehung der zu verdeckenden Straftat
die Tötung des Opfers beabsichtigt und von Anfang an ein
zweiaktiges Geschehen geplant, wonach zunächst das Opfer mit
Gewalt zur Preisgabe der Aufbewahrungsorte der Wertsachen gezwungen und
beraubt werden sollte und sodann zur Verdeckung dieses Raubes - der
eine andere Tat im Sinne des § 211 StGB war - getötet werden
sollte, begingen die Angeklagten nach diesem Tatplan einen
wohlüberlegten - die besondere Verwerflichkeit begründenden -
Verdeckungsmord (BGHSt 35, 116 ff. m.w.Nachw.; BGH,
Beschl. v. 7.12.2000 - 1 StR 414/00 -
NStZ 2001, 194). Beispiel: Das Opfer sollte zunächst unter Einsatz der mitgeführten Gaspistolen, von denen eine mit einer Schreckschußpatrone und die andere mit einer Gaspatrone geladen war, gezwungen werden, mit seinem Pkw zu einem abgelegenen Ort zu fahren, wo ihm sein Geld und sonstige Wertgegenstände abgenommen werden sollten. Sodann sollte das Opfer zur Verdeckung dieser in Tateinheit mit einem räuberischen Angriff auf einen Kraftfahrer begangenen schweren räuberischen Erpressung, also einer anderen Tat im Sinne des § 211 StGB (vgl. BGH aaO), getötet werden (vgl. BGH, Besch. v. 7.12.2000 - 1 StR 414/00 - NStZ 2001, 194; BGH, Beschl. v. 27.6.2002 - 4 StR 158/02). Der von den Angeklagten in Ausführung dieses Planes zur Verdeckung der Vortat zum Nachteil des Opfers begangene Mordversuch sowie die als räuberischer Angriff auf einen Kraftfahrer in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu wertende Vortat sind keine rechtlich selbständige Taten, sondern eine Tat im Rechtssinne (§ 52 StGB; vgl. BGH NStZ 2001, 194; StraFo 1999, 100), was der Verurteilung wegen versuchten Verdeckungsmordes nicht entgegensteht (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 22; BGH, Beschl. v. 27.6.2002 - 4 StR 158/02). Anders kann es liegen bei der Annahme, der zweifach mit Tötungsvorsatz vorgenommene Einsatz des Messers innerhalb weniger Minuten sei als natürliche Handlungseinheit und damit der zweite Stich als Teil einer einheitlichen Tat anzusehen (vgl. hierzu BGH NStZ 1990, 385; 1992, 127, 128; 2000, 498 f.; BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253: keine Verdeckung; BGH, Urt. v. 31.1.2002 - 4 StR 417/01). Der Tatrichter muß in prozeßordnungsmäßiger Weise aufklären, ob die Voraussetzungen des Mordmerkmals vorliegen. Daß die Vortat angeklagt ist und zu einer Verurteilung führt, ist hingegen nicht Voraussetzung der Verurteilung wegen Verdeckungsmordes (vgl. BGH, Beschl. v. 2.7.2004 - 2 StR 174/04). |
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55.5 |
Beim
Verdeckungsmord ist eine Verknüpfung zwischen der -
möglicherweise nur bedingt vorsätzlichen - Tötung und
der Verdeckungsabsicht erforderlich. Danach muß das Mittel der
Verdeckung, also der vom Täter in Gang gesetzte Ursachenverlauf,
der dazu dienen soll, die vorangegangene Straftat nicht offenbar werden
zu lassen, zugleich (vorsätzlich) zum Tod eines Menschen
führen (BGHSt 41, 358, 360). Nach diesem aus dem Gesetzestext
abgeleiteten Verständnis kommt es also darauf an, welches Motiv
den Täter bei seinem als Tötung eines Menschen eingestuften
Handeln bestimmt hat (vgl. BGH,
Beschl. v. 10.3.2000 - 1 StR 675/99 -
NJW 2000, 1730). Die Verdeckungsabsicht braucht nicht die einzige Triebfeder für den Tötungsentschluß zu sein, sie kann mit anderen Beweggründen zusammenfallen (BGH, Urt. v. 8.7.1975 - 5 StR 257/75, mitgeteilt bei Dallinger MDR 1976, 15; BGH, Urt. v. 8.11.1983 - 5 StR 517/83, mitgeteilt bei Holtz 1984, 276; BGH, Beschl. v. 10.3.2000 - 1 StR 675/99 - NJW 2000, 1730). Ihr steht auch nicht entgegen, daß der Täter schon aus anderen Gründen zur Tötung des Opfers entschlossen war. Er kann seine anfänglichen Tatmotive später um das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ergänzen, bevor er mit der Tötungshandlung beginnt (BGH, Beschl. v. 18.9.2002 - 2 StR 346/02). Zwar kommt die Annahme von Verdeckungsabsicht im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Tod des Opfers nicht mit direktem Vorsatz angestrebt, sondern nur bedingt vorsätzlich in Kauf genommen wird (vgl. BGHSt 41, 358, 359 ff.; BGH NJW 1992, 583 f.; 1999, 1039 f.; 2000, 1730 f.; NStZ 2004, 495, 496), wenn nicht im Einzelfall der Tod des Opfers sich als zwingend notwendige Voraussetzung einer Verdeckung darstellt (vgl. Fischer, StGB, 57 Aufl., § 211 Rn. 79). Voraussetzung ist aber stets, dass die Verdeckungshandlung selbst nach der Vorstellung des Täters Mittel der Verdeckung sein soll (vgl. BGH, Beschl. v. 4.8.2010 - 2 StR 239/10 - NStZ 2010, 372; Schneider in Müko, StGB, § 211 Rn. 196). Wenn der Täter annimmt, eine Aufdeckung der anderen Straftat werde unabhängig von der Verdeckungshandlung und von deren Tötungserfolg nicht eintreten, fehlt es an der erforderlichen (vorgestellten) Kausalität einer möglicherweise objektiv "verdeckenden" Handlung für den subjektiv angestrebten Erfolg (BGH, Beschl. v. 4.8.2010 - 2 StR 239/10 - NStZ 2010, 372). Beispiel: Der für möglich gehaltene - bereits eingetretene oder noch eintretende - Tod des Tatopfers war den Tätern gerade deshalb völlig egal, weil dieser Erfolg für die Frage einer möglichen Aufdeckung ihrer Beteiligung an der Raubtat ohne Bedeutung war. Sie gingen davon aus, das Opfer habe sie nicht erkannt und werde sie auch im Fall seines Überlebens nicht identifizieren können. Es fehlt daher an den subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht (vgl. BGH, Beschl. v. 4.8.2010 - 2 StR 239/10 - NStZ 2010, 372). In Verdeckungsabsicht tötet, wer die Vortat überhaupt als auch, wer lediglich die eigene Täterschaft verbergen will, die den Strafverfolgungsbehörden nach seiner Vorstellung bisher nicht bekannt ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.1988 - 3 StR 89/88 - NJW 1988, 2682 mwN; hierzu auch BGH, Urt. v. 20.9.1996 - 2 StR 278/96 - NStZ-RR 1997, 132 mwN). Ein Täter, der sich jedoch "nur" der Festnahme entziehen will, will "weder Tat noch Täter" zudecken (vgl. BGH, Beschl. v. 26.11.1990 - 5 StR 480/90 - NJW 1991, 1189 mwN; BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1 StR 50/11 - NJW 2011, 2223). Dass der Angeklagte wegen des Streits in Wut geraten ist, steht der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht ohne weiteres entgegen (vgl. auch BGH, Urt. v. 23.12.1998 - 3 StR 319/98 - NJW 1999, 1039 mit Anm. Momsen in JR 2000, 26, 30 f. und Schroth NStZ 1999, 554; vgl. hierzu auch Altvater NStZ 2000, 18 f.; LK-Jähnke aaO, § 211 Rn. 15). Reagiert der Täter allerdings allein auf wuterregende Vorhaltungen des Opfers, so kann es bei einer dadurch ausgelösten Tötung an der Verdeckungsabsicht fehlen (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1 StR 50/11 - NJW 2011, 2223; Eser NStZ 1983, 440 mit Hinweis auf BGH, Beschl. v. 2.9.1981 - 3 StR 314/81). siehe zum Verdeckungsmotiv als niedrigen Beweggrund oben Rdn. 30.45 - Verdeckungsmotiv |
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55.6 |
Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblickssituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele (BGH, Urt. v. 3.7.2007 - 1 StR 3/07 - BGHSt 51, 367 - wistra 2007, 433; BGH, Urt. v. 17.5.2011 - 1 StR 50/11 - NJW 2011, 2223). Vielmehr genügt es, dass er die "Verdeckungslage" gleichsam "auf einen Blick" erfasst (vgl. BGHSt 35, 116; BGH NJW 1999, 1039, 1041; Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 184 ff.; zu dem insoweit gleich zu behandelnden Ausnutzungsbewusstsein beim Mordmerkmal der Heimtücke vgl. Senat NStZ-RR 2005, 264, 265), wobei in der Regel ein vorhandenes gedankliches Mitbewusstsein ausreicht (BGH NJW aaO; BGH, Urt. v. 3.7.2007 - 1 StR 3/07 - BGHSt 51, 367 - wistra 2007, 433). Hinsichtlich der Auswirkung einer affektiven Erregung auf das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ist - zumal bei uneingeschränkter Schuldfähigkeit - zu berücksichtigen, dass eine affektive Erregung ohnehin bei den meisten Tötungsdelikten den Normalfall darstellt (BGH NStZ-RR 2003, 8) und für Verdeckungstötungen sogar typisch ist (vgl. BGH NJW 1999, 1039, 1041; BGH, Urt. v. 3.7.2007 - 1 StR 3/07 - BGHSt 51, 367 - wistra 2007, 433). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein solcher Erregungszustand dementsprechend im Regelfall keinen Einfluss auf die Verdeckungsabsicht (vgl. BGH NJW aaO; BGH, Urt. v. 15.1.2004 - 3 StR 382/03; BGH, Urt. v. 3.7.2007 - 1 StR 3/07 - BGHSt 51, 367 - wistra 2007, 433; zusammenfassend Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 187; vgl. insoweit auch BGH, Beschl. v. 15.1.2004 - 3 StR 481/03). | |
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55.7 |
Die
Tötungshandlung kann sich unmittelbar an die zu verdeckende
Straftat anschließen (vgl. BGHSt 35, 116; BGHR StGB § 211
Abs. 2 - niedrige Beweggründe 37; BGH,
Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR
432/00 - NStZ 2002, 253). Ein
Verdeckungsmord kann auch dann gegeben
sein, wenn das zu verdeckende Delikt mit der vorsätzlichen
Tötung in Tateinheit steht (vgl. BGHSt 35, 116, 125 f.; BGHR StGB
§ 211 Abs. 2 Verdeckung 11; BGH,
Beschl. v. 14.12.2001 - 3 StR
458/01 - NStZ 2002, 313). Der Annahme eines Verdeckungsmordes
steht nicht entgegen, wenn sich bereits die zu verdeckende
Vortat
gegen Leib und Leben des Opfers richtet und unmittelbar in die
Tötung zur Verdeckung des vorausgegangenen Geschehens
übergeht. Um eine andere - zu verdeckende - Straftat i.S.d. §
211 Abs. 2 StGB handelt es sich jedoch dann nicht, wenn der Täter
nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht. Dies ist dann
der Fall, wenn während einer einheitlichen Tötungshandlung
die Verdeckungsabsicht nur noch als weiteres Motiv für die
Tötung hinzutritt (vgl. u.a. BGH,
Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR
432/00
- NStZ 2002, 253, 254; BGH,
Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR 617/99 - NStZ
2000, 498, 499; BGH, Beschl. v. 12.1.2011 - 1 StR 582/10 - NJW 2011,
1301). Beispiel: Die Angeklagten A und B gerieten nach einem gemeinsamen Lokalbesuch mit dem später getöteten X in Streit. Dabei schlugen die Angeklagten mit einer Eisenstange auf den Kopf des Opfers ein. Im Zuge der Gewalttätigkeiten - ein genauer Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden - entschlossen sich die Angeklagten, den X zu töten, weil sie befürchteten, dass er sie wegen der Mißhandlungen bei der Polizei anzeigen würde. Sie schlugen und traten in der Folge dem schon am Boden liegenden Opfer ins Gesicht und drosselten es mit einem Gürtel. In der Annahme, X sei bereits tot oder werde alsbald versterben, ließen sie ihn in einer Grünanlage zurück. In seiner Wohnung angekommen, erzählte B seiner Freundin, er habe zusammen mit A jemanden umgebracht. Als diese das nicht glauben wollte, fuhr B mit ihr zum Tatort zurück. Dort bemerkte B, dass das Opfer noch röchelte. Um es endgültig zu töten und eine Strafanzeige zu verhindern, trat und sprang er sodann mit großer Wucht mehrfach auf den Kopf des am Boden liegenden Opfers. Dieses verstarb kurze Zeit später (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253). Für die Annahme eines Verdeckungsmordes ist dann kein Raum, wenn der Täter mit einem durchgängigen (sei es auch zunächst nur bedingtem) Tötungsvorsatz gehandelt hat (BGHR StGB § 211 Abs. 2 - Verdeckung 5; BGH NStZ-RR 1998, 67; BGH, Beschl. v. 11.5.2000 - 5 StR 114/00 - StV 2001, 553). Handelt der Angeklagte von vornherein mit direktem Tötungsvorsatz, so will er keine andere Straftat verdecken, sondern nur die begonnene Tötung vollenden. Auch ein zäsurloser Übergang vom bedingten zum unbedingten Tötungsvorsatz würde dann die zeitlich davorliegenden Teile einer einheitlichen Tötungshandlung nicht als eine andere Straftat erscheinen lassen (vgl. BGH NStZ 1990, 385; 1992, 127, 128; BGH, Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR 617/99 - NStZ 2000, 498: insoweit auch zur Anwendung des Zweifelssatzes; BGH, Beschl. v. 3.2.2015 - 3 StR 541/14 ebenfalls auch zur Anwendung des Zweifelssatze; siehe auch BGHSt 35, 116). Der Annahme eines Verdeckungsmordes steht nicht grundsätzlich entgegen, daß sich bereits die zu verdeckende Vortat gegen das Leben des Opfers richtet. Um eine andere - zu verdeckende - Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB handelt es sich jedoch dann nicht, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht (vgl. BGH, Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR 617/99 - NStZ 2000, 498). Will der Täter im Zuge der Tatausführung den Tötungserfolg zusätzlich herbeiführen, um seine vorherigen Tathandlungen zu verdecken, ist daher für die Annahme eines Verdeckungsmordes dann kein Raum, wenn der Täter bereits von Anfang an mit Tötungsvorsatz gegen das Opfer gehandelt hat. Dabei ist auch unerheblich, ob er zunächst mit bedingtem und erst später mit direktem Tötungsvorsatz auf das Opfer eingewirkt hat (BGHR StGB § 211 Abs. 2 - Verdeckung 5; BGH, Beschl. v. 11.5.2000 - 5 StR 114/00 - StV 2001, 553; BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253; BGH, Beschl. v. 3.2.2015 - 3 StR 541/14). Allein das Hinzutreten der Verdeckungsabsicht macht die davor begangenen Einzelakte nicht zu einer anderen Tat (st. Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR 617/99 - NStZ 2000, 498, 499; BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253, BGH, Urt. v. 10.10.2002 - 4 StR 185/02). Hat der mit jedenfalls bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter bereits den Versuch eines Tötungsdelikts begangen, dann verdeckt er, wenn er auch aus Angst vor Strafverfolgung die Gewalteinwirkung fortsetzt, lediglich die Tat, die er gerade begeht. Dies ist aber keine andere Tat, sondern das nämliche Tötungsdelikt (BGH, Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR 617/99 - NStZ 2000, 498; BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253; vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 3.2.2015 - 3 StR 541/14). Anders ist die Rechtslage nur zu beurteilen, wenn zwischen einer (erfolglosen) Tötungshandlung und der erneuten mit Verdeckungsabsicht vorgenommenen zweiten Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt. Faßt der Täter dann den Entschluß, das (zumindest aus seiner Sicht zunächst überlebende) Opfer auch deshalb zu töten, um die Aufdeckung des versuchten Tötungsdelikts zu verhindern, ist das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erfüllt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 - Verdeckung 11; BGH, Beschl. v. 11.5.2000 - 5 StR 114/00 - StV 2001, 553). Die spätere Tötungshandlung bezieht sich dann auf eine zunächst abgeschlossene Tat, mithin also auf eine andere Tat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253; BGH, Urt. v. 10.10.2002 - 4 StR 185/02). Voraussetzung der Annahme eines Verdeckungsmordes ist in diesen Fällen deshalb in aller Regel, dass zwischen einem (erfolglosen) ersten, mit Tötungsvorsatz vorgenommen Angriff und einer erneuten, nunmehr mit Verdeckungsabsicht begangenen Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2015 - 3 StR 541/14; BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253; BGH, Urt. v. 12.12.2002 - 4 StR 297/02 - NJW 2003, 1060; MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl., § 211 n. 229 mwN). In Fällen, in denen ein äußerlich ununterbrochenes Handeln (bzw. Unterlassen) zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz beginnt und dann mit Tötungsvorsatz weitergeführt wird, liegt die erforderliche Zäsur in diesem Vorsatzwechsel selbst (BGH, Urt. v. 20.5.2015 - 2 StR 464/14). siehe auch nachstehend Rdn. 55.9 - Verdeckungsmord durch Unterlassen Wenn wegen des Zweifelssatzes zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden muß, daß er schon bei den zunächst begangenen Gewalttätigkeiten mit Tötungsvorsatz handelte, scheidet das Merkmal der Verdeckungsabsicht mangels "anderer Straftat" aus (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253; BGH, Beschl. v. 14.12.2001 - 3 StR 458/01 - NStZ 2002, 313). siehe auch: In dubio pro reo |
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55.8 |
Die
Tötung und die
andere Straftat müssen nicht im Verhältnis der Tat-mehrheit
stehen; verdeckt oder ermöglicht werden kann auch eine in
Tateinheit stehende Tat (BGH, Urt. v. 2.12.1987 – 2 StR 559/87 -
BGHSt 35, 116, 120 f.; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11; vgl.
SSW-StGB/Momsen, § 211 Rn. 69; Fischer StGB, 59. Aufl., § 211
Rn. 70 m.w.N.). Beispiel: Der Angeklagte tötete das Opfer, weil er sonst die Entdeckung der Vergewaltigung befürchtete. Dass die Tötung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Durchführung des Geschlechtsverkehrs stand, hindert die Annahme eines Verdeckungsmordes nicht (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11). |
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55.9 |
Nach
der Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs fehlt
es an einer für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht
erforderlichen „anderen„ Straftat, wenn der Täter das
Tatopfer zunächst mit (bedingtem) Tötungsvorsatz misshandelt
und es anschließend unterlässt, zur Verdeckung dieses
Geschehens Maßnahmen zur Rettung des überlebenden Opfers
einzuleiten, selbst wenn zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil
eine zeitliche Zäsur liegt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung
15; BGH StraFo 2007, 123, 124). Der 1. Strafsenat sieht keinen Anlass,
von dieser Rechtsprechung des 4. Strafsenats abzuweichen, auch wenn
beachtliche Gründe dagegen sprechen (BGH,
Beschl. v. 21.4.2009 - 1
StR 73/09 - NStZ-RR 2009, 239; vgl. hierzu Freund in NStZ
2004, 123,
124). Hat der Täter das Tatopfer mit (bedingtem) Tötungsvorsatz misshandelt und unterlässt er es anschließend, zur Verdeckung dieses Geschehens Maßnahmen zur Rettung des zunächst überlebenden Opfers einzuleiten, so ist eine Strafbarkeit wegen Verdeckungsmordes durch Unterlassen schon deshalb nicht gegeben, weil es an einer für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht "anderen" Straftat fehlt (vgl. BGH, NStZ 2003, 312). Dies gilt selbst dann, wenn zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil eine zeitliche Zäsur liegt (BGH NStZ 2003, 312; BGH, Urt. v. 14.12.2006 - 4 StR 419/06). Wer es lediglich unterläßt, eine durch vorausgegangenes positives Tun in Gang gesetzte Kausalkette zu unterbrechen, "begeht" keine andere Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB, sondern verfolgt lediglich sein ursprüngliches Ziel weiter. Hat der Täter das Tatopfer mit (bedingtem) Tötungsvorsatz mißhandelt und unterläßt er es anschließend, zur Verdeckung dieses Geschehens Maßnahmen zur Rettung des (zunächst) überlebenden Opfers einzuleiten, so ist eine Strafbarkeit wegen Verdeckungsmordes durch Unterlassen auch dann nicht gegeben, wenn zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil eine zeitliche Zäsur liegt (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2002 - 4 StR 297/02 - NStZ 2003, 312). Zwar kann der Tatbestand des Verdeckungsmordes auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden (vgl. BGH, Beschl. v. 10.3.2000 - 1 StR 675/99 - NJW 2000, 1730, 1732 m.w.N.). Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht setzt jedoch gemäß § 211 Abs. 2 StGB voraus, daß der Täter die Tötungshandlung vornimmt oder - im Falle des Unterlassens - die ihm zur Abwendung des Todeseintritts gebotene Handlung unterläßt, um dadurch eine andere Straftat zu verdecken. Dabei steht der Annahme eines Verdeckungsmordes nicht bereits entgegen, daß sich schon die zu verdeckende Vortat gegen die körperliche Unversehrtheit des Opfers richtet und im unmittelbaren Anschluß in die Tötung zur Verdeckung des vorausgegangenen Geschehens übergeht (BGHSt 35, 116; BGH NStZ-RR 1999, 234; NStZ 2000, 498; 2002, 253). Handelt der Täter jedoch von Anfang an mit - sei es auch nur bedingtem - Tötungsvorsatz, so liegt auch dann keine zu verdeckende Vortat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB vor, wenn er im Zuge der Tatausführung die Tötung zusätzlich auch deshalb herbeiführen will, um seine vorherigen Tathandlungen zu verdecken. Allein das Hinzutreten der Verdeckungsabsicht als (weiteres) Tötungsmotiv macht die davor begangenen Einzelakte nicht zu einer "anderen" Tat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2000, 498, 499; 2002, 253; BGH, Urt. v. 10.10.2002 - 4 StR 185/02; BGH, Urt. v. 12.12.2002 - 4 StR 297/02 - NStZ 2003, 312). Nach diesen Grundsätzen wäre eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines durch Unterlassen verwirklichten Verdeckungsmordes nicht gegeben, wenn er nach das Tatopfer bereits im vorausgegangenen Handlungsabschnitt mit (bedingtem) Tötungsvorsatz mißhandelt hat. Allerdings ist nach der Rechtsprechung die Rechtslage anders zu beurteilen, wenn zwischen einer (zunächst erfolglosen) Tötungshandlung und der erneuten mit Verdeckungsabsicht vorgenommenen zweiten Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt. Faßt der Täter dann den Entschluß, das (zumindest aus seiner Sicht zunächst überlebende) Opfer nunmehr auch deshalb zu töten, um die Aufdeckung des versuchten Tötungsdelikts zu verhindern, wird das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht als erfüllt angesehen, da sich die Tötungshandlung auf eine zunächst abgeschlossene, mithin "andere" Tat bezieht (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 11; BGH StV 2001, 553; BGH, Urt. v. 12.6.2001 - 5 StR 432/00 - NStZ 2002, 253). Gegenstand dieser Rechtsprechung waren jedoch ausschließlich Fälle, in denen das nachfolgende Tötungsgeschehen durch positives Tun verwirklicht worden war (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2002 - 4 StR 297/02 - NStZ 2003, 312). vgl. zur Fallkonstellation, bei der der Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, mit einem Pritschenwagen nach einer Kollision mit einem Fahrradfahrer, den er wegen Unaufmerksamkeit nicht bemerkt und deshalb mit seinem etwa 70 km/h schnellen Fahrzeug erfasst und zu Fall gebracht hatte, den Unfallort verließ, ohne ärztliche Hilfe zu holen oder sonstige Rettungsmaßnahmen zu ergreifen, um nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft zu werden BGH, Beschl. v. 30.6.2011 - 4 StR 241/11 mwN. Leitsatz Zur Verknüpfung von Verdeckungsabsicht und Tötungsvorsatz sowie zum Rücktritt beim Verdeckungsmord durch Unterlassen (BGH, Beschl. v. 10.3.2000 - 1 StR 675/99 - Ls. - NJW 2000, 1730). siehe auch: § 13 StGB, Begehen durch Unterlassen; § 24 StGB, Rücktritt |
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55.10 |
Zwar
kommt die Annahme von Verdeckungsabsicht im Sinne von § 211 Abs. 2
StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich
auch dann in Betracht, wenn der Tod des Opfers nicht mit direktem
Vorsatz angestrebt, sondern lediglich bedingt vorsätzlich in Kauf
genommen wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.1995 – 1 StR 475/95 -
BGHSt 41, 358, 360; BGH,
Urt. v. 30.3.2004 – 5 StR 428/03 - NStZ
2004, 495, 496). Das ist nach den zitierten Entscheidungen aber nur
dann der Fall, wenn der Täter von der getöteten Person keine
Straftataufdeckung zu befürchten hat (vgl. BGH, Beschl. v.
23.6.2016 - 5 StR 152/16 Rn. 2). Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß die Annahme von bedingtem Tötungsvorsatz und von Verdeckungsabsicht sich nicht stets widersprechen (BGHSt 21, 283, 284 f.; 41, 358, 359 ff.; BGH NJW 1988, 2682; 1992, 583, 584; StV 2000, 74, 75). Anders verhält es sich nur dann, wenn die vom Täter erstrebte Verdeckung einer Straftat nach seiner Vorstellung nur durch den Tod des Opfers erreicht werden kann. Dann können widerspruchsfrei nur direkter Tötungsvorsatz und Verdeckungsabsicht miteinander einhergehen. Ist der Tod des Opfers hingegen aus Sicht des Täters nicht unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Verdeckung seiner Täterschaft hinsichtlich einer anderen Straftat, so kann das von Verdeckungsabsicht bestimmte Vorgehen des Täters ohne weiteres mit einer nur möglichen, aber gebilligten Todesfolge zusammentreffen, ohne daß darin ein denkgesetzlicher Widerspruch läge (vgl. BGH, Beschl. v. 10.3.2000 - 1 StR 675/99 - NJW 2000, 1730; Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 24; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.5.2015 - 2 StR 464/14). |
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55.99 |
siehe zur Fluchtabsicht ohne gleichzeitige
Verdeckungsabsicht etwa BGH,
Urt. v. 30.3.2004 - 5 StR
428/03. |
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60 |
Neben
der Anstiftung zum versuchten Mord kommt eine Verurteilung wegen
tateinheitlich verwirklichter Beihilfe nicht in Betracht. Jede
Anstiftung umfaßt als die intensivere Angriffsart auf das
Rechtsgut auch alle nachfolgenden vom Anstifter durchgeführten
Beihilfehandlungen, denn an einer Haupttat kann nur einmal teilgenommen
werden. Dabei geht die Beihilfe in der stärkeren Teilnahmeform der
Anstiftung auf (vgl. BGH,
Beschl. v. 25.10.2000 - 2 StR 313/00). Hinsichtlich der rechtlichen Einordnung einer (geplanten) Tat ist nicht auf den Anstifter (denjenigen, der eine Anstiftung im Wege der Kettenanstiftung versucht) abzustellen; es kommt vielmehr darauf an, ob die Tat des (noch zu findenden) Täters Mord wäre und ob dem Anstifter die hierfür maßgeblichen Umstände bewußt sind (vgl. BGH NJW 2005, 996 f., BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 2 Strafrahmen 1 jew. m. w. N.). Sollte der (noch zu findende) Täter der Tötung vom Angeklagten eine Belohnung bekommen, drängt sich die Annahme auch der subjektiven Voraussetzungen einer versuchten Anstiftung zum Mord beim Angeklagten auf (vgl. BGH, Beschl. v. 30.6.2005 - 1 StR 227/05), denn wer einen anderen gegen Belohnung tötet, handelt regelmäßig habgierig i. S. d. § 211 StGB (BGH NJW 1993, 1664, 1665; Schneider in Münch-Komm § 211 Rdn. 62 m. w. N. in Fußn. 170). Bei Verneinung des Vorliegens von Mordmerkmalen beim Anstifter selbst kommt es hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der (hier: geplanten) Tat für ihn darauf an, ob diese für den Täter ein Mord wäre und ob dem Anstifter die hierfür maßgeblichen Umstände bewusst waren. Hätte der Täter bei Ausführung der Tat einen Mord begangen, weil er einen Menschen gegen eine Belohnung getötet und daher aus Habgier im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hätte, so kommt bei dem Anstifter - bei Vorliegen der erforderlichen subjektiven tatbestandlichen Voraussetzungen - ein Schuldspruch wegen (hier: versuchter) Anstiftung zum Mord in Betracht. Hinsichtlich des für den Anstifter anzuwendenden Strafrahmen ist allerdings zu beachten, dass bei einem solchen Versuch der Beteiligung die in § 211 Abs. 1 StGB bestimmte Strafe nicht nur gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB, sondern weiter im Hinblick auf § 28 Abs. 1 StGB und mithin zweifach gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 30.6.2005 - 1 StR 227/05 - NStZ 2006, 34, 35; BGH, Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05 - NStZ 2006, 288, 290; BGH, Beschl. v. 19.8.2014 - 3 StR 283/14). Der gewichtigere Schuldspruch wegen versuchter Anstiftung zum Mord mit sechs Monaten Freiheitsstrafe eine wesentlich geringere Mindeststrafe nach sich ziehen würde, als die Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe bei einem Schuldspruch wegen versuchter Anstiftung zum Totschlag, von der die Strafkammer ausgeht. Dies beruht darauf, daß der Strafrahmen des § 211 StGB hier zweimal gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern wäre, nicht nur im Hinblick auf § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB, sondern auch im Hinblick auf § 28 Abs. 1 StGB, weil das täterbezogene Mordmerkmal der Habgier beim Angeklagten selbst nicht vorläge (vgl. BGH NStZ 1989, 19; w. N. b. Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 62 Fußn. 241). Der Strafrahmen des § 212 StGB wäre hingegen nur einmal im Hinblick auf § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Es gilt hier dasselbe wie bei einem Gehilfen, bei dem ein beim Täter vorliegendes persönliches Mordmerkmal fehlt (vgl. hierzu BGH NStZ 1981, 299; BGH, Beschl. v. 13.10.2004 - 2 StR 206/04; BGH, Beschl. v. 30.6.2005 - 1 StR 227/05; w. N. b. Jähnke aaO; siehe hierzu auch unten Rdn. 70 ff.). Der 1. Strafsenat neigt hierbei der Auffassung zu, daß in derartigen Fällen die für eine Beteiligung am Totschlag zu verhängende Mindeststrafe eine "Sperrwirkung" für die Mindeststrafe wegen einer Beteiligung am Mord entfaltet, diese also nicht unterschritten werden kann. Dies hat der Bundesgerichtshof auch schon früher erwogen (BGH, Beschl. v. 13.10.2004 - 2 StR 206/04; BGH, Beschl. v. 30.6.2005 - 1 StR 227/05; in vergleichbarem Sinne Arzt/Weber, Strafrecht BT, 2000, § 2 Rdn. 41 <S. 48>; aus systematischen Gründen demgegenüber ablehnend Küper JZ 1991, 910, 914; generell zur Frage der Sperrwirkung vgl. Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. vor § 52 Rdn. 23 m. w. N.). Würde der Haupttäter nach der Vorstellung des Anstiftenden von den Tatumständen bei dem angestrebten Tötungsdelikt ein tatbezogenes Merkmal der zweiten Gruppe des § 211 StGB verwirklichen, ist für eine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB kein Raum (vgl. BGH NJW 2005, 996, 997 m.w.N.). Ist das angestrebte Tötungsdelikt nach der Vorstellung des Anstiftenden ein Heimtückemord, bleibt es bei der streng akzessorischen Bestrafung des Teilnehmers, so dass bei einer versuchten Anstiftung zum Heimtückemord der nur einmal nach § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr.1 StGB gemilderte Ausgangsstrafrahmen von drei Jahren bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe zu Grunde zu legen ist (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05). Sollte der Haupttäter aus der Sicht des Angeklagten bei dessen Anstiftungsversuch (§ 30 StGB) gegen Entgelt töten, so hätte bei diesem Habgier vorgelegen. Daher ist der Beteiligungsversuch als versuchte Anstiftung zum Habgiermord zu bewerten (vgl. BGH, Urt. v. 2.5.2012 - 2 StR 395/11). Für den Anstifter reicht, auch soweit es die Verwirklichung der Mordmerkmale durch die mit der Ausführung der Tat Beauftragten betrifft, bedingter Vorsatz aus (vgl. BGHSt 44, 99; BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 - BGHSt 50, 1 - NJW 2005, 996, 997). Bedingten Vorsatz in diesem Sinne hat ein Straftäter aber auch dann, wenn er aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist (vgl. BGHSt 40, 304, 306 f.; BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 - BGHSt 50, 1 - NJW 2005, 996, 997; BGH, Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05). Der Angeklagte muß daher die tatbezogenen Umstände, die die in Auftrag gegebene Tötung zum Mord machen, nicht positiv kennen, es genügt vielmehr, daß er sie billigend in Kauf nimmt. Bedingten Vorsatz in diesem Sinn hat ein Straftäter aber auch dann, wenn er aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist (vgl. BGHSt 40, 304, 306 f.; BGH, Urt. v. 6.11.2002 - 2 StR 289/02; BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 - BGHSt 50, 1 - NJW 2005, 996 ff.). Fehlt beim Anstifter der Vorsatz hinsichtlich des tatsächlich vorliegenden Mordmerkmals der Heimtücke, stellt sich der Anstifter jedoch vor, der Täter werde aus Habgier handeln, so ist tateinheitlich zur Anstiftung zum Totschlag eine versuchte Anstiftung zum Mord gegeben (BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 - Ls. - BGHSt 50, 1 - NJW 2005, 996). Hatte der Angeklagte hinsichtlich der eigentlichen Durchführung der Tat keine Vorgaben gemacht und lag die Annahme, dass die Tötung in offener Konfrontation ausgeführt werden würde, nach den gesamten Umständen fern (vgl. BGH NJW 2005, 996, 997), liegt, zumal der Anstiftervorsatz die fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren Hauptmerkmalen erfassen muss, die Annahme einer versuchten Anstiftung zur heimtückischen Tötung nahe (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05). |
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70 |
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70.2 |
Nach
der bisherigen Rechtsprechung aller Strafsenate des
Bundesgerichtshofs stehen Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§
212
StGB) nicht im Verhältnis von Grundtatbestand und
Qualifikation zueinander, vielmehr bilden sie danach zwei
selbständige Tatbestände (st. Rspr. seit BGH, Urt. v.
9.11.1951 - 2 StR 296/51 - BGHSt 1, 368; ausführlich BGH
NStZ 2005, 381 m.w.N.; BGH,
Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 -
BGHSt
50, 1 - NJW 2005, 996; BGH, Urt. v. 2.5.2012 - 2 StR 395/11). Weil die Mordmerkmale des § 211 StGB nach dieser Auffassung die Strafbarkeit im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB begründen, scheidet eine Anwendung von § 28 Abs. 2 StGB aus. Für den Schuldspruch des Teilnehmers kommt es demnach nicht auf seinen Tatbeitrag, sondern zunächst darauf an, ob der Haupttäter Mordmerkmale verwirklicht oder nicht. Deshalb kommt es für den Schuldspruch nicht darauf an, wie sich der Tatbeitrag des Teilnehmers in seiner Person darstellt; er ist vielmehr akzessorisch nach der Haupttat zu verurteilen (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 - BGHSt 50, 1 - NJW 2005, 996; BGH, Urt. v. 2.5.2012 - 2 StR 395/11). Die rechtliche Bewertung der Handlung des Teilnehmers ist dagegen nur für die Strafzumessung erheblich. Ist die Haupttat durch ein vom Täter verwirklichtes täterbezogenes Merkmal (Merkmale der ersten Gruppe "Mordlust" "zur Befriedigung des Geschlechtstriebs" Habgier oder sonstige niedrige Beweggründe" und der dritten Gruppe "Ermöglichung" oder "Verdeckung einer Straftat") zum Mord geworden, hat aber der Teilnehmer dieses Merkmal nicht aufzuweisen, kommt es zu einer Strafrahmenmilderung für den Teilnehmer (§§ 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB). Hat der Teilnehmer das täterbezogene Merkmal ebenfalls verwirklicht, trifft ihn die Strafe für Mord, die gegebenenfalls nach § 27 StGB zu mildern ist. Dies hat die Rechtsprechung ausgedehnt auf die Fälle, in denen der Täter und Teilnehmer nicht dasselbe, sondern verschiedene Mordmerkmale verwirklicht haben, sofern diese gleichartig sind (vgl. BGHSt 23, 39; zust. Jakobs NJW 1970, 1089; Jescheck/Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil 5. Aufl. S. 660; krit. u.a. Arzt JZ 1973, 681; zu "gekreuzten Mordmerkmalen" bei Täter und Teilnehmer vgl. auch Eser aaO Rdn. 54; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 43; Engländer JA 2004, 410; Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil § 2 Rdn. 41; Küper JZ 1991, 865 f.). Hat allein der Teilnehmer ein Mordmerkmal verwirklicht, ist er lediglich wegen Teilnahme am Totschlag zu bestrafen; das Mordmerkmal ist dann bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Soweit ein tatbezogenes Merkmal der zweiten Gruppe ("heimtückisch, grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln") vorliegt, bleibt es dagegen bei der streng akzessorischen Bestrafung des Teilnehmers, für eine Akzessorietätslockerung nach § 28 Abs. 1 oder 2 StGB ist hier kein Raum (vgl. Jähnke, Eser und Tröndle/Fischer jeweils aaO). Der Anstifter wird daher nach §§ 211, 26 StGB bestraft, wenn der Täter ein tatbezogenes Merkmal verwirklicht und der Vorsatz des Anstifters sich hierauf erstreckt. Fehlt ihm dieser Vorsatz, kommt nur Teilnahme am Totschlag in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 - BGHSt 50, 1 - NJW 2005, 996). Demgegenüber versteht die Gegenauffassung (soweit ersichtlich ausnahmslos die gesamte Literatur, vgl. nur Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Vor §§ 211 ff. Rdn. 3; Jähnke in LK 11. Aufl. Vor § 211 Rdn. 39; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. Vor § 211 Rdn. 22; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 135 ff.; je m.w.N.) das Verhältnis zwischen den Tatbeständen Mord und Totschlag als Verhältnis von Qualifikation und Grunddelikt. Die täterbezogenen Mordmerkmale sind demnach nicht strafbegründend im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB, sondern strafschärfend gemäß § 28 Abs. 2 StGB. Dies hat zur Folge, dass der Teilnehmer, der selbst kein Mordmerkmal erfüllt, bei einem täterbezogenen Mordmerkmal des Haupttäters wie dem Handeln aus niedrigen Beweggründen nur wegen Teilnahme zum Totschlag schuldig gesprochen werden kann; seine Strafe ist in diesem Fall dem - ggf. nach § 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 212 StGB zu entnehmen (vgl. die Darstellung in BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis von Mord und Totschlag werden gewichtige Argumente entgegengehalten: Sie führe zu schwer überbrückbaren Wertungswidersprüchen und unausgewogenen Ergebnissen, widerspreche der sonst üblichen Systematik und sei unnötig kompliziert (vgl. zuletzt nur Puppe, JZ 2005, 902 ff.; Jäger JR 2005, 477, 479 f.; ausführlich etwa Küper JZ 1991, 761 ff., 862 ff. und 910 ff.; Schneider in MünchKomm Vor §§ 211 ff. Rdn. 138 ff.; je m.w.N.; vgl. aus der Rechtsprechung nur: BGHSt 6, 329 und 36, 231 [Mittäterschaft]; BGHSt 23, 39 [gekreuzte Mordmerkmale]; BGH NStZ 2006, 34, und BGH, Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05 [Sperrwirkung der Strafrahmenuntergrenze für Beihilfe zum Totschlag]; BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05 [verschiedentlich zu bewertendes Tötungsunrecht]). |
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70.4 |
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70.4.1 |
Wegen
Beihilfe zu einem vom Täter begangenen Mord kann der Gehilfe
allenfalls dann verurteilt werden, wenn er als Gehilfe seinen
Tatbeitrag in Kenntnis der niedrigen Beweggründe des Täters
erbracht hat oder wenn der Gehilfe selbst aus niedrigen
Beweggründen gehandelt hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1996, 384,
385 m.w.N.; BGH,
Urt. v. 24.6.2004 - 5 StR 306/03 -
NStZ 2005, 153; BGH,
Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05; BGH,
Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 425/07 -
NStZ 2008, 273). Bei täterbezogenen Mordmerkmalen wie den niedrigen Beweggründen ist nach der bisherigen Rechtsprechung ein Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord auch dann geboten, wenn der Teilnehmer selbst kein derartiges Mordmerkmal verwirklicht, solange er hinsichtlich der niedrigen Beweggründe des anderen Teils vorsätzlich handelt. Dem Teilnehmer kommt in diesen Fällen allerdings die Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zugute (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.2002 - 4 StR 482/01 - NStZ-RR 2002, 139; BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Eine Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB kommt jedoch nicht in Betracht, wenn bei ihm ebenfalls ein niedriger Beweggrund vorliegt. Dabei ist es nicht erforderlich, daß die niedrigen Beweggründe beim Täter und beim Teilnehmer in vollem Umfang übereinstimmen. Es genügt vielmehr, daß die verwirklichten täterbezogenen Mordalternativen gleichartig sind (vgl. BGHSt 23, 39, 40; BGH, Urt. v. 12.1.2005 - 2 StR 229/04 - BGHSt 50, 1 - NJW 2005, 996; Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 62; Eser in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 211 Rdn. 54; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 211 Rdn. 43 jeweils m.w.N.). Die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB ist ausgeschlossen, wenn sowohl Teilnehmer als auch Täter ein täterbezogenes Mordmerkmal verwirklicht haben und diese Merkmale gleichartig sind (vgl. BGHSt 23, 39, 40; BGH NJW 2005, 996, 997; BGH, Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05). vgl. zur Teilnahmeproblematik auch BGH, Urt. v. 16.7.2003 - 2 StR 68/03 betr. Habgier vgl. zur Annahme von niedrigen Beweggründen bei Rachemotiven BGH NStZ-RR 2003, 147, 149 und zur dabei maßgeblichen subjektiven Sicht BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 31, 34). vgl. zum Vorliegen der subjektiven Erfordernisse des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe BGH NJW 2004, 1466 |
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70.6 |
Beihilfe (zum Mord) ist mit bedingtem Vorsatz möglich (vgl. BGHSt 2, 279, 281; 42, 135, 137 m. w. N.; BGH Urt. v. 10.1.2007 - 1 StR 530/06 - NStZ 2007, 464). | |
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70.8 |
Beispiel:
Der Angeklagte A fordert den Mitangeklagten B auf, "dieser
solle dem Geschädigten das Genick brechen, aber schnell und leise,
um die Sache zu Ende zu bringen". Zum Zeitpunkt dieser Aufforderung
hatte der Mitangeklagte B dem Opfer aber schon die Verletzungen
zugefügt, die zu dessen späteren Tod führten. Durch das
auf die Aufforderung des Angeklagten A zurückgehende "in den
Schwitzkastennehmen und Halsumdrehen" hat der Geschädigte zwar
zusätzlich ein HWS-Syndrom erlitten; dieses war aber weder
todesursächlich noch hat es den Todeseintritt in irgendeiner Weise
begünstigt oder beschleunigt. Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann, die vollendete Tötung des Geschädigten dem Angeklagten A nicht zugerechnet werden. Vielmehr war dieser - da er annahm, er könne die Tötung des Opfers noch fördern - nur wegen Beihilfe zum versuchten Mord zu verurteilen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2007 - 2 StR 187/07). |
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Konkurrenzen |
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K.1 |
Für
Tateinheit ausreichend ist die teilweise Identität der
objektiven Ausführungshandlungen (BGHSt 22, 206, 208; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 52 Rdn. 10), selbst
wenn die Überschneidung der Handlungen nur in der Beendigungsphase
stattfindet (BGH NStZ 1995, 588; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl.
§ 52 Rdn. 20). Somit kann auch im Zeitraum zwischen Vollendung und
Beendigung der Tat noch Tateinheit begründet werden (BGH,
Beschl.
v. 19.4.2000 - 3 StR 149/00 - NStZ-RR 2000, 367). Beispiel: Weil die Schüsse des aus der Sparkasse flüchtenden Angeklagten auf den ihm den Weg versperrenden - und hierbei getöteten - Rentner der Beendigung des Überfalls auf die Sparkasse dienten, ist Tateinheit zwischen dem Verdeckungsmord (an dem Rentner) und den in der Sparkasse begangenen Straftaten der schweren räuberischen Erpresung und des erpresserischen Menschenraubs anzunehmen, selbst wenn eine Absicht der Beutesicherung nicht ausdrücklich festgestellt wurde (BGH NJW 1992, 2103, 2104; BGH, Beschl. v. 19.4.2000 - 3 StR 149/00 - NStZ-RR 2000, 367; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 20). Tateinheit kann auch zwischen Mordversuch und gefährlicher Körperverletzung zu bejahen sein, wenn etwa der Angeklagte nach dem mit dem Vorsatz anschließender Ertränkung geführten Angriff mit dem Elektroschockgerät auf die Geschädigte seinen Tötungsvorsatz nicht aufgegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.2009 - 5 StR 164/09). |
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K.1.1 |
Gegen die Annahme tateinheitlichen Zusammentreffens des Mordmerkmals der Ermöglichungsabsicht und des Versuchs eines Raubs mit Todesfolge bestehen Bedenken, weil § 211 Abs. 2 StGB die Absicht der Ermöglichung einer anderen Straftat voraussetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 23.5.2003 - 2 StR 141/03; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 26a). | |
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K.1.5 |
Tateinheit zwischen § 211 und § 218 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.1957 – 2 StR 330/57 - BGHSt 11, 15, 16 f.; BGH, Beschl. v. 3.1.1996 – 3 StR 588/95 - NStZ 1996, 276) stellt die Absicht zur Ermöglichung einer „anderen Straftat“ nicht in Frage (vgl. BGH, Beschl. v. 14.1.2015 - 4 StR 532/14; BGH, Urt. v. 11.12.1990 – 5 StR 500/90 - BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 22; BGH, Beschl. v. 27.6.2002 – 4 StR 158/02 - NStZ 2003, 371). | |
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K.1.10 |
Hatte
der auf frischer Tat betroffene Angeklagte die Möglichkeit,
die Wohnung mit der bereits erbeuteten Geldbörse zu verlassen,
hiervon aber keinen Gebrauch gemacht und stattdessen die
Wohnungsinhaberin niedergestochen, "weil er einerseits seinen Plan,
Geld oder stehlenswertes Gut zu stehlen fortsetzen und andererseits
verhindern wollte, dass der bereits vom Opfer bemerkte Diebstahl
angezeigt wurde", tragen diese Feststellungen die tateinheitliche
Verurteilung wegen Raubes mit Todesfolge (vgl. BGH,
Urt. v. 17.10.2002
- 3 StR 249/02; BGH,
Beschl. v. 30.11.2005 - 2 StR 441/05; vgl. zur tateinheitlichen Verurteilung auch: BGH, Beschl. v. 20.6.2017 - 2 StR 130/17). siehe hierzu auch: Raub mit Todesfolge, § 251 StGB War nur unklar, ob das Opfer bei der Wegnahme bereits tot war oder nicht, ist bei Hinzutreten einer Unterschlagung in beiden Sachverhaltsalternativen Tatmehrheit gegeben. Tateinheit zwischen Mord und Unterschlagung gemäß § 52 Abs. 1 StGB liegt nicht vor, da nicht dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt hat. Die tödlichen Schläge sind nicht dieselbe Handlung wie die Wegnahme der Gegenstände. Dass der Eintritt des Todes möglicherweise mit der Wegnahme zeitlich zusammenfiel, führt nicht zur Annahme derselben Handlung. Es liegt keine - auch keine teilweise - Identität der Ausführungshandlungen vor (vgl. auch BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 25; BGH, Urt. v. 30.11.2005 - 2 StR 393/05). |
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K.2 |
§
239
Abs. 4 StGB kann mit dem (Verdeckungs-)Mord und der
Vergewaltigung (als zu verdeckende Straftat) tateinheitlich
zusammentreffen. Mit seiner Strafandrohung von drei bis fünfzehn
Jahren Freiheitsstrafe wiegt es schwerer als die Vergewaltigung und
verklammert daher den Mord mit dem Sexualdelikt zur Tateinheit (BGHSt
31, 29; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 4, 6 und 7; BGH,
Beschl. v. 23.5.2000 - 4 StR 135/00). siehe auch: Freiheitsberaubung, § 239 StGB; Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, § 177 StGB Eine teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen ist gegeben, wenn die Ausführungshandlungen des Täters in einem für alle Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind und so dazu beitragen, den Tatbestand aller in Betracht kommender Strafgesetze zu erfüllen (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2009 - 3 StR 87/09; BGH, Urt. v. 24.10.2013 - 4 StR 124/13; BGH, Beschl. v. 21.3.1985 – 1 StR 583/84 - BGHSt 33, 163, 165; Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 20 m. w. N.; vgl. etwa für die Tatbestände der Förderung der Prostitution, der Zuhälterei und des Menschenhandels bei Handlungen zum Nachteil mehrerer Frauen BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2004, 358; 2005, 366; BGH, Beschl. v. 6.7.2005 - 2 StR 131/05 - NStZ-RR 2007, 46, 47; BGH, Urt. v. 14.5.1986 - 3 StR 504/85 - StV 1987, 243; BGH, Beschl. v. 15.7.2003 - 4 StR 29/03 - StV 2003, 617, 618; BGH, Beschl. v. 25.8.1999 - 3 StR 290/99; BGH bei Pfister NStZ-RR 2002, 357 f.). Ein Zusammentreffen nur im subjektiven Tatbestand reicht dafür nicht aus (BGH, Urt. v. 17.7.1997 – 1 StR 208/97 - BGHSt 43, 149, 151; BGH, Urt. v. 24.10.2013 - 4 StR 124/13; vgl. auch BGH, Urt. v. 11.1.1955 – 5 StR 290/54 - BGHSt 7, 149, 151). Der Bundesgerichtshof hat daher eine Tateinheit zwischen einem (versuchten) Verdeckungsmord und einer Sexualstraftat in einem Fall bejaht, in dem der Angeklagte noch während der Begehung des Sexualdeliktes mit der Tötungshandlung begann (BGH, Urt. v. 11.12.1990 – 5 StR 500/90 - BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 22; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.6.2002 – 4 StR 158/02 - NStZ 2003, 371, 372), und die Annahme von Tatmehrheit in einem Fall bestätigt, in dem sich aus den Urteilsfeststellungen nicht ergab, dass der Täter noch weitere sexuelle Handlungen an seinem Opfer vornehmen wollte, als er zum Angriff auf dessen Leben ansetzte (BGH, Urt. v. 6.3.1986 – 4 StR 681/85 - MDR 1986, 622 bei Holtz). |
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K.3 |
Zwischen
dem Tötungsdelikt und dem Verbrechen nach § 30a
Abs.
2 Nr. 2 BtMG liegt Tateinheit vor, wenn sich in der
Tötungshandlung die Gefährlichkeit des Mitführens von
Waffen bei Betäubungsmittelgeschäften, die der Grund der
verschärften Strafdrohung des § 30a
Abs. 2 BtMG ist
realisiert hat (vgl. BGH,
Urt. v. 17.1.2001 - 2 StR 437/00 - NStZ 2001,
491; BGH,
Urt. v. 17.1.2001 - 2 StR 438/00; BGH,
Urt. v. 14.3.2001 - 3
StR 446/00 - NStZ 2001, 440). siehe auch: Straftaten, § 30a BtMG |
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K.4 |
Verstarb
die Geschädigte infolge der Kombination aller gegen sie
gerichteten Gewalthandlungen, auch des Brandes, verbindet der
einheitliche Erfolg der Handlungen - der Tod der Geschädigten -
die Straftatbestände des Mordes und der qualifizierten
Brandstiftung zur Tateinheit (vgl. BGH,
Urt. v. 9.12.2009 - 5 StR
403/09). siehe auch: § 306c StGB, Brandstiftung mit Todesfolge |
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Strafzumessung |
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S.1 |
§
211 StGB: Lebenslange Freiheitsstrafe ggfls. i,V.m. § 46b Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB: 10 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 3 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 6 Monate bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 8 Jahre 5 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis lebenslange Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (zur möglichen Sperrwirkung siehe unten Rdn. S.1.4 - Sperrwirkung) |
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S.1.1 |
Nach
Strafrahmenverschiebung gemäß § 23
Abs. 2, § 49
Abs. 1 Nr. 1 StGB beträgt der Strafrahmen drei Jahre bis zu
fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (vgl. BGH,
Beschl. v. 9.1.2008 - 5
StR 554/07). Das Höchstmaß des anzuwendenden Strafrahmens beträgt nach dreifacher Milderung der Strafe aus § 211 Abs. 1 StGB acht Jahre fünf Monate und eine Woche (vgl. BGH, Beschl. v. 12.7.2002 - 2 StR 62/02 betr. §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB, §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und § 28 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB). Das Mindestmaß ist jedoch gemäß § 52 Abs. 2 StGB ggfls. der tateinheitlich verletzten Vorschrift (z.B. des § 251 StGB) zu entnehmen, die insoweit wegen nur zweimaliger Milderung die höhere Strafe androht. Beispiel: Die Mindeststrafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe für den Täter des Raubes mit Todesfolge ist für den Angeklagten lediglich zweimal zu mildern nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB und §§ 21, 49 Abs. 1 StGB. Dies ergibt sodann gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB ein Mindestmaß von sechs Monaten. Dagegen beträgt das Mindestmaß aus § 211 StGB nach dreifacher Milderung einen Monat (§§ 49 Abs. 1 Nr. 3, 38 Abs. 2 StGB; vgl. BGH, Beschl. v. 12.7.2002 - 2 StR 62/02). siehe auch: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB; Besondere gesetzliche Milderungsgründe, § 49 StGB |
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S.1.1.1 |
Hat der Angeklagte subjektiv einen Verdeckungsmord begangen und scheiterte seine Verurteilung wegen vollendeten Mordes allein daran, daß er den Tod des Opfers möglicherweise bereits durch eine vorangegangene gefährliche Körperverletzung fahrlässig verursacht hatte, liegt es fern, den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 23 Abs. 2 i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.2004 - 3 StR 78/04). | |
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S.1.1.2 |
An die Versagung einer gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich möglichen Strafrahmenverschiebung sind, wenn die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes in Frage steht (§ 211 Abs. 1 StGB) besondere Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 93/04 - BGHSt 49, 239 - NJW 2004, 3350; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 4 StR 54/04). Wenn allein die Wahl zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe und einer zeitigen Freiheitsstrafe besteht, müssen besonders erschwerende Gründe vorliegen, um die mit den Voraussetzungen des § 21 StGB verbundene Schuldminderung so auszugleichen, daß von einer Milderung des Strafrahmens abgesehen und die gesetzliche Höchststrafe verhängt werden darf (st. Rspr., vgl. BGH NStZ-RR 2003, 136; BGH NStZ 1994, 183; BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 25; 28; BGH, Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 386/03; BGH. Urt. v. 17.6.2004 - 4 StR 54/04; BGH, Urt. v. 17.8.2004 - 5 StR 93/04 - BGHSt 49, 239 - NJW 2004, 3350). | |
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S.1.3 |
Die
vom Großen Senat des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v.
19.5.1981 - GSSt 1/81 - BGHSt 30, 105) entwickelte Rechtsfolgenlösung
trägt dem Umstand Rechnung, daß das
Mordmerkmal der Heimtücke auch in Fällen erfüllt sein
kann, bei denen die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe
wegen des sonstigen Gepräges der Tat das aus dem Grundgesetz
abzuleitende Verbot unverhältnismäßigen staatlichen
Strafens verletzen würde. Eine abschließende Definition oder
eine Aufzählung der außergewöhnlichen Umstände,
die in Fällen heimtückischer Tötung zur Verdrängung
der lebenslangen Freiheitsstrafe führen können, hat der
Große Senat für Strafsachen für unmöglich
gehalten, jedoch auf beispielhaft in Betracht kommende
Fallkonstellationen hingewiesen. Dazu gehören in großer
Verzweiflung begangene oder aus gerechtem Zorn auf Grund einer schweren
Provokation verübte Taten, ebenso Taten, die in einem vom Opfer
verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden
Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das
Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund
haben. Allerdings reicht nicht jeder Entlastungsfaktor, der nach §
213
StGB Berücksichtigung finden würde, zur Annahme der
Unverhältnismäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe
aus (vgl. BGH,
Urt. v. 21.2.2002 - 1 StR 538/01; BGH,
Urt. v. 1.7.2004
- 3 StR 107/04 - NStZ-RR 2004, 294; BGH,
Urt. v. 23.11.2004 - 1 StR
331/04 - NStZ 2005, 154; BGH,
Urt. v. 10.5.2005 - 1 StR 30/05 -
BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7; vgl. auch BGH,
Beschl. v. 27.5.2014 - 2 StR 428/13: Verkennung des Ausnahmecharakters;
BGH, Beschl. v. 7.11.2013 - 5 StR 437/13). Die Rechtsfolgenlösung eröffnet nicht allgemein einen Sonderstrafrahmen für „minder schwere“ Fälle. Vielmehr müssen „Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben“, vorliegen, so „dass jener ‚Grenzfall‘ (BVerfGE 45, 187, 266, 267) eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich geminderter Schuld unverhältnismäßig wäre“ (BGH, Beschl. v. 19.5.1981 – GSSt 1/81 - BGHSt 30, 105, 118 f.; BGH, Urt. v. 6.4.2016 - 5 StR 504/15). Dies soll etwa bei Taten in Betracht gezogen werden können, die durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motiviert, in großer Verzweiflung begangen, aus tiefem Mitleid oder aus „gerechtem Zorn“ auf Grund einer schweren Provokation verübt worden sind oder in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund haben (BGH, Beschl. v. 19.5.1981 – GSSt 1/81, BGHSt 30, 105, 119; BGH, Urt. v. 6.4.2016 - 5 StR 504/15). Es müssen schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind und im Hinblick auf die überragende Bedeutung des geschützten Rechtsguts nicht voreilig bejaht werden dürfen (BGH, Urt. v. 10.5.2005 – 1 StR 30/05 - BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 7; BGH, Urt. v. 23.11.2004 – 1 StR 331/04 - NStZ 2005, 154, 155; BGH, Urt. v. 6.4.2016 - 5 StR 504/15). In solchen Fallgestaltungen hat der Bundesgerichtshof dann in der Folgezeit eine Strafrahmenverschiebung gebilligt bzw. als rechtlich geboten angenommen (NStZ 1990, 490: Heimtückemord durch die Ehefrau, die vom Ehemann schwer mißhandelt worden war, und die sich in einer ausweglos erscheinenden Situation befand; NStZ 1995, 231: Heimtückemord am gewalttätigen und körperlich überlegenen Erpresser). Hingegen hat der Bundesgerichtshof bei einem Habgiermord (BGHSt 42, 301: ein Arzt hatte eine vermögende Rentnerin getötet) eine Strafrahmenverschiebung abgelehnt: "In den Fällen des Mordes wegen Tötung aus Habgier kann die lebenslange Freiheitsstrafe nicht wegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne von BGHSt 30, 105 durch eine zeitige Freiheitsstrafe nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB ersetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich bei den Mordmerkmalen der Heimtücke und der Verdeckung einer Straftat eine Kollision mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für möglich gehalten ...". Die der Rechtsfolgenlösung zugrundeliegende Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGH, Beschl. v. 19.5.1981 - GSSt 1/81 - BGHSt 30, 105) betraf allein das Mordmerkmal der Heimtücke. Eine Anwendung der insofern aufgestellten Grundsätze auch auf die Mordmerkmale der Befriedigung des Geschlechtstriebes sowie der Ermöglichungsabsicht ist von Verfassungs wegen nicht ohne Weiteres geboten (BVerfG, NJW 2009, 1061, 1062 ff.; BGH, Urt. v. 6.4.2016 - 5 StR 504/15 Rn. 25). Die lange Verfahrensdauer, die lange Zeitspanne zwischen Tat und Aburteilung und die Milderungsgründe aufgrund der Lebensumstände des Angeklagten (Gesundheitszustand, Alter und bisherige Straffreiheit) können bei - politisch motivierten - Morden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht dazu führen, außergewöhnliche Umstände anzunehmen, die das Ausmaß der Täterschuld so erheblich mindern, daß anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe der Strafrahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB treten müßte (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2002 - 1 StR 538/01 - StV 2002, 598). Auf die vom Großen Senat für Strafsachen im Wege verfassungskonformer Rechtsanwendung eröffnete Möglichkeit, anstatt der an sich verwirkten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Strafe aus dem in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmten Strafrahmen zuzumessen, darf nicht voreilig ausgewichen werden (BGH NStZ 2005, 154; NStZ 2003, 482; 484; NStZ 1984, 20). Vielmehr kann das Gewicht des Mordmerkmals der Heimtücke nur durch Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben, so verringert werden, daß jener Grenzfall eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich gemilderter Schuld unverhältnismäßig wäre (vgl. BGH NStZ 1982, 69). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Tat sowie der zu ihr hinführenden Umstände zu prüfen (BGH NStZ 1982, 69; BGH NStZ 1984, 20; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 2 und 3). Es müssen schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind (vgl. BGH NStZ 1984, 20; BGH, Urt. v. 23.11.2004 - 1 StR 331/04 - NStZ 2005, 154; BGH, Urt. v. 10.5.2005 - 1 StR 30/05). Durch die Entscheidung des Großen Senats wurde nicht allgemein ein Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle eingeführt. Die in dem Beschluß entwickelten Grundsätze für die Anwendung des gemilderten Strafrahmens betreffen nur solche Fälle, in denen das Täterverschulden soviel geringer ist, daß die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens mißachten würde. Es müssen schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind (vgl. BGH NStZ 1984, 20; BGH, Urt. v. 23.11.2004 - 1 StR 331/04 - NStZ 2005, 154). Vielmehr muss das Bestehen einer für den Angeklagten zermürbenden, nahezu ausweglosen, notstandsnahen Situation schwerster seelischer Bedrängnis oder Erregung, die der Tat den Stempel des Außergewöhnlichen aufdrückt, anzunehmen sein (vgl. BGH NJW 1983, 54, 55; NStZ 1983, 553, 554; 1984, 20; 1990, 490; 1995, 231; 2003, 146; BGH, Beschl. v. 1.7.2004 - 3 StR 179/04; BGH, Urt. v. 1.7.2004 - 3 StR 107/04 - NStZ-RR 2004, 294). Die absolute Strafdrohung des § 211 StGB läßt eine auf Schuldminderung durch unangemessene Verfahrensdauer gestützte Strafmilderung regelmäßig nicht zu (vgl. BGH NJW 2006, 1529, 1534 f.; BVerfG NStZ 2006, 680, 681; BGH, Beschl. v. 7.2.2007 - 2 StR 518/06). Wird der Angeklagte des Mordes schuldig gesprochen, so kann von der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe in aller Regel nicht deswegen abgesehen werden, weil die Beendigung des Verfahrens von den Strafverfolgungsorganen in einer Weise verzögert wurde, die beim Ausspruch von zeitiger Freiheitsstrafe oder von Geldstrafe eine Kompensation zugunsten des Angeklagten auf der Rechtsfolgenseite gebieten würde (BGH, Urt. v. 7.2.2006 - 3 StR 460/98 - Ls.). Der Umstand, dass der Täter seinem Opfer nach Beginn des Tötungsgeschehens wenige Meter nachsetzt, um im unmittelbaren Fortgang mit demselben Tatmittel die Tat zu vollenden, macht diese nicht zu einem "mehraktigen" Geschehen, dessen Komplexität der Annahme eines Affektdurchbruchs im Sinne einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung entgegenstehen könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 10.1.2007 - 2 StR 555/06). Ausnahmen von der nach § 211 Abs. 1 StGB zwingend auszusprechenden lebenslangen Freiheitsstrafe kommen allein dann in Betracht, wenn die Verhängung dieser Strafe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Übermaßverbot nicht in Einklang stünde (vgl. BVerfGE 45, 187, 267). Dem hat der Gesetzgeber in §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB Rechnung getragen, indem er die Möglichkeit eröffnet hat, statt lebenslanger auf zeitige Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu erkennen, wenn bei Tatbegehung die Fähigkeit des Mörders, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB genannten Gründe erheblich vermindert war. Beim Heimtückemord trägt die Rechtsprechung dem Übermaßverbot durch Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB weiterhin für solche Ausnahmefälle Rechnung, in denen wegen extremer, außergewöhnlicher Umstände das Tatunrecht oder die Schuld des Täters derart abgeschwächt sind, dass die lebenslange Freiheitsstrafe unter keinem Gesichtspunkt mehr verfassungsrechtliche Legitimation finden könnte (vgl. BGHSt 30, 105; BGH, Urt. v. 7.2.2006 - 3 StR 460/98). Hat der Tatrichter die Wahl zwischen lebenslanger und zeitiger Freiheitsstrafe, müssen besonders gravierende Erschwerungsgründe vorliegen, um die Schuldminderung so auszugleichen, dass von einer Milderung des Strafrahmens abgesehen werden darf (BGH NStZ 1994, 183; 2004, 619; NStZ-RR 2003, 136; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 28). Wenn die verminderte Schuldfähigkeit allein auf einem selbstverschuldeten Alkoholrausch beruht, ist schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls dann für eine Strafrahmenmilderung kein Anlass, wenn der Täter die Begehung von Straftaten vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können, insbesondere wenn ihm aus früheren Erfahrungen bekannt ist, dass er unter Alkoholeinfluss zu Straftaten neigt (BGHSt 34, 29, 33; 43, 66, 78; BGH NStZ 1993, 537; StV 1993, 355; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 3, 14; BGH, Urt. v. 15.2.2006 - 2 StR 419/05 - StV 2006, 465; vgl. dazu auch BGH NStZ 2003, 480, 481; 2004, 678, 679 f.; jeweils m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass bei einem Heimtückemord im Regelfall auf eine lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist und eine Abweichung nur bei Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände aufweisen und die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen lassen, und nur auf Grund einer umfassenden Würdigung der Tat möglich ist (vgl. BGH NStZ 2005, 154; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 5 m. w. N.; BGH, Urt. v. 1.12.2005 - 3 StR 243/05). |
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S.1.4 |
Bei
einer doppelten Milderung des Strafrahmens des § 211 StGB
gemäß § 49
StGB im Hinblick auf § 30
Abs.1 und auf
§ 28
Abs. 1 StGB würde die versuchte Anstiftung zum Mord mit
sechs Monaten Freiheitsstrafe eine wesentlich geringere Mindeststrafe
nach sich ziehen, als eine versuchte Anstiftung zum Totschlag, weil der
Strafrahmen des § 212
StGB nur einmal im Hinblick auf § 30
StGB zu mildern wäre. Eine versuchte Anstiftung zum Totschlag
zöge mithin eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren als Mindeststrafe
nach sich. Die Frage, ob in derartigen Fällen der Beteiligung am
Mord zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die für eine
Beteiligung am Totschlag zu verhängende Mindeststrafe eine
„Sperrwirkung„ entfaltet, diese also nicht unterschritten
werden kann, haben der 1. und 2.Strafsenat des Bundesgerichtshofs
bisher offen gelassen (dazu neigend BGH,
Beschl. v. 30.6.2005 - 1 StR 227/05 m.
N.; vgl. auch BGH,
Beschl. v. 13.10.2004 - 2 StR 206/04).
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat dies in BGH, Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05 im Falle des Vorliegens von Gesetzeskonkurrenz bejaht. Bei Gesetzeskonkurrenz entfaltet ebenso wie bei Tateinheit (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StGB) das zurücktretende Delikt eine Sperrwirkung hinsichtlich der Mindeststrafe (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 24.4.1951 - 1 StR 101/51 - BGHSt 1, 152, 156; BGH NStZ 2003, 440 m. w. N.). Für die nach ständiger Rechtsprechung (seit BGH, Urt. v. 9.11.1951 - 2 StR 296/51 - BGHSt 1, 368, 370, vgl. auch BGHSt 36, 231, 233) als eigenständig zu begreifenden Straftatbestände der §§ 211, 212 StGB kann nicht anderes gelten, denn der Unrechtsgehalt des Totschlags ist im Mord enthalten (vgl. BGHSt 36, 231, 235), weil die vorsätzliche Tötung im Sinne des § 212 StGB notwendiges Merkmal auch des § 211 StGB ist (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1951 - 2 StR 296/51 - BGHSt 1, 368, 370; 36, 231, 235). |
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S.1.5 |
§ 213 StGB ist bei Mord nicht anwendbar (BGHSt 30, 105, 118, 120; BGH, Beschl. v. 25.8.2010 - 1 StR 393/10; BGH, Beschl. v. 5.10.2010 - 1 StR 478/10; Fischer, StGB, 57. Aufl. § 211 Rn. 99). | |
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S.3 |
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S.3.1 |
Wird
nicht eine über die eigentliche
Tatbestandsverwirklichung hinausgehende kriminelle Energie, sondern zu
Lasten des Angeklagten gewertet, daß er die Tat überhaupt
ins Werk gesetzt hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen,
verstößt dies gegen das Doppelverwertungsverbot des §
46
Abs. 3 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 106; 2001, 295; BGHR StGB §
46 Abs. 2 Wertungsfehler 14; BGH,
Beschl. v. 18.2.2005 - 2 StR 551/04).
Wird in der Urteilsbegründung des wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vom Landgericht verurteilten Angeklagten strafschärfend gewertet, dass es ihm unbedingt darauf angekommen sei, seine Ehefrau zu töten, und er nicht nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe, verstößt dies gegen § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 11.3.2015 - 1 StR 3/15; BGH, Beschl. v. 3.2.2004 – 4 StR 403/03; BGH, Beschl. v. 19.3.2009 – 4 StR 53/09 - NStZ 2009, 564). Das Mordmerkmal der Heimtücke setzt nicht voraus, dass der Täter durch die Begehung der Tat ein von ihm in Anspruch genommenes oder berechtigtes Vertrauen des Tatopfers bricht (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 211 Rdn. 21 f.). Es unterliegt daher im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Tatgericht den in der Tat liegenden Vertrauensbruch des Angeklagten gegenüber dem Opfer strafschärfend berücksichtigt hat (BGH, Beschl. v. 19.12.2006 - 3 StR 464/06). Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass strafschärfend gewertet wurde, dass der Angeklagte sein Tatopfer über einen längeren Zeitraum massiv gewürgt und dadurch in erhebliche Todesangst versetzt hat. Diese Überlegung läßt einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB nicht besorgen. Denn beide Umstände sind nicht tatbestandliche Voraussetzung für die Annahme eines versuchten Tötungsdeliktes. Daß der Tatrichter sie nicht schon als wesentliche versuchsbezogene Gesichtspunkte (Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie; vgl. BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 12 m.w.N.) bei der Prüfung der von ihm nur unter Hinweis darauf, daß beim Opfer keine erheblichen Verletzungen eingetreten sind, bejahten Milderungsmöglichkeit gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB herangezogen hat, beschwert den Angeklagten nicht. Jedenfalls war ihre Berücksichtigung innerhalb des gewählten Strafrahmens zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.2003 - 2 StR 538/02). Die Erwägung, "die Zweck-Mittel-Relation sei sichtlich nicht gegeben, so daß auch insoweit eine über das Normalmaß hinausgehende Schuld des Angeklagten" vorgelegen habe, berücksichtigt lediglich Umstände, die bereits für die Annahme der niedrigen Beweggründe maßgeblich sind. Darin liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, der auch bei der Schuldschwerebeurteilung Beachtung verlangt (vgl. BGHSt 42, 226; BGH, Beschl. v. 30.3.2004 - 4 StR 42/04; vgl. auch BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 530/01: offengelassen betr. krasses Missverhältnis zwischen Anlass und Tatverhalten bei Heimtückemord). Allein das Mitführen des Messers darf nicht strafschärfend angelastet werden (vgl. BGH StV 1984, 21), wenn der Täter dieses seit Jahren so handhabte, er bislang hiervon auch bei Auseinandersetzungen keinen Gebrauch gemacht hatte und nicht festgestellt ist, dass er dies am Tattage zu anderen Zwecken als zu seiner Verteidigung tat (vgl. BGH, Beschl. v. 6.2.2001 - 4 StR 4/01 betr. einen seit Jahren am Gürtel getragenen Dolch, den die Ehefrau späterhin zur Tötung benutzte). Die Strafzumessungserwägung hinsichtlich einer wegen Mordes verhängten Einzelfreiheitsstrafe, dass der Angeklagte "aus nichtigem Anlass gegenüber seinem Opfer zunächst tätlich geworden ist und dann von einer Rettung dessen Menschenlebens lediglich deshalb abgesehen hat, weil er verhindern wollte, dass sein bisheriges Fehlverhalten offenbar wird" begegnet insoweit Bedenken, als dem Angeklagten damit das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erschwerend anlastet wird (§ 46 Abs.3 StGB) (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.2006 - 2 StR 452/05). Die strafschärfende Berücksichtigung der tateinheitlichen Verwirklichung des § 218 Abs. 1 StGB verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung ist jedenfalls dann ein Grund, die Tat innerhalb des Strafrahmens der insoweit bestimmenden Norm nachteiliger zu bewerten, wenn das tateinheitlich verwirklichte Delikt selbständiges Unrecht verkörpert (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20; BGH NStZ 1993, 434; BGH, Urt. v. 15.9.2005 - 4 StR 216/05: Ermordung der hochschwangeren Schwiegertochter). siehe auch: Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe, § 57a StGB |
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S.3.2 |
vgl. BGH, Beschl. v. 12.2.2013 - 2 StR 596/12 betr. Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses | |
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S.3.2.5 |
Innerhalb
des anzuwendenden Strafrahmens kann bei einem Teilnehmer, bei
dem ein beim Täter vorliegendes Merkmal i. S. d. § 28
Abs. 1
StGB fehlt, das im Hinblick auf dieses Merkmal gesteigerte Unrecht der
Tat strafschärfend berücksichtigt werden (BGH wistra 2005,
177 m. w. N.; BGH,
Beschl. v. 30.6.2005 - 1 StR 227/05). Stehen der sachliche Gehalt und der besondere Unrechtscharakter der beiden Mordmerkmale der Habgier und der Ermöglichungsabsicht weitgehend in inhaltlicher Deckung, hat der Umstand der Verwirklichung zweier Mordmerkmale bei Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord nur geringes Gewicht (vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2001 - 5 StR 493/00). Wird in Bezug auf die versuchte Anstiftung strafschärfend verwertet, der Angeklagte habe „zu der im Strafgesetzbuch mit der höchsten Strafe sanktionierten Tat anstiften„ wollen, begegnet dies unter dem Aspekt des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken (vgl. BGH, Beschl. v. 28.1.2010 - 5 StR 524/09). |
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S.3.5 |
Zur besonderen Schwere der Schuld siehe unter: Aussetzung
des
Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe, § 57a StGB Leitsatz Strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine im Jahre 1944 während der Besetzung Italiens durchgeführte Massenerschießung italienischer Gefangener als Vergeltungsmaßnahme nach einem gegen deutsche Soldaten gerichteten Partisanenangriff (BGH, Beschl. v. 17.6.2004 - 5 StR 115/03 - Ls. - BGHSt 49, 189 - NJW 2004, 2316). Beim Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier ist das Unrecht, das in der Herbeiführung des Todes liegt, bereits Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 StGB (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10; insoweit nicht in BGHSt 39, 208 f. abgedruckt; BGH, Urt. v. 9.10.2008 - 4 StR 354/08 - StraFo 2009, 79). |
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Urteil |
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U.1 |
Der
Tenorierung von Mordmerkmalen bedarf es nicht (vgl. BGH,
Urt. v. 24.6.2004 - 5 StR 306/03 -
NStZ 2005, 153). Der Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld ist in den Urteilstenor aufzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1993 - 4 StR 560/92 - BGHSt 39, 121, 122 - NStZ 1993, 235; BGH, Beschl. v. 28.1.2004 - 2 StR 430/93). Beispiel: "Die Schuld des Angeklagten wiegt besonders schwer". (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1.2009 - 4 StR 573/08). Leitsatz Will das Schwurgericht in Befolgung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 3.6.1992 - 2 BvR 1041/88 - 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 - StV 1992, 470) die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinn von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 57b StGB verneinen, so braucht es diese (negative) Feststellung nicht in den Urteilsspruch aufzunehmen; die Verneinung in den Urteilsgründen genügt (BGH, Beschl. v. 6.5.1993 - 3 StR 131/93 - Ls. - NStZ 1993, 448) Für das zu dem begangenen Mord in Tatmehrheit stehende Delikt muss eine Einzelstrafe festgelegt werden und die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe ist als Gesamtstrafe zu kennzeichnen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.2009 - 5 StR 380/09). |
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U.2 |
Bei
der erschöpfenden Würdigung der erhobenen Beweise
muß sich der Richter in den Urteilsgründen insbesondere mit
solchen Feststellungen auseinandersetzen, die zunächst einmal
(prima facie) gegen die von ihm gezogenen Schlußfolgerungen
sprechen (vgl. BGH,
Urt. v. 21.9.2000 - 1 StR 236/00 -
NStZ 2001, 86;
Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 StPO Rdn. 50 m.w.N.). Dass die subjektiven Voraussetzungen niedriger Beweggründe für die Tat nicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung hinreichend belegt sind, hindert angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei bejahten heimtückischen Tatbegehung nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes zu le-benslanger Freiheitsstrafe (vgl. BGH, Beschl. v. 6.11.2012 - 5 StR 518/12). Zur Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der das Merkmal der Heimtücke betreffenden Frage, ob ein Messerangriff von vorn oder von hinten erfolgt ist vgl. BGH, Urt. v. 8.4.2009 - 5 StR 65/09 |
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U.2.5 |
Eine
Verurteilung auf
wahldeutiger Tatsachengrundlage ist auch im Hinblick auf die
alternative Verwirklichung verschiedener Mordmerkmale rechtlich
möglich (BGH, Urt. v. 1.12.1967 – 4 StR 523/67 - BGHSt 22,
12 f.; BGH, Urt. v. 16.12.1998 – 2 StR 340/98 - NStZ-RR 1999,
106; BGH, Urt. v. 24.2.1999 – 3 StR 520/98 - NStZ-RR 1999, 234;
BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11). Sie setzt voraus, dass bei
sämtlichen Sachverhaltsvarianten, welche der Tatrichter nach
Ausschöpfung aller Beweismittel unter Ausschluss anderweitiger
Geschehensabläufe für möglich erachtet, eines der
Mordmerkmale erfüllt ist (BGH, Urt. v. 16.12.1998 – 2 StR
340/98 - NStZ-RR 1999; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11). Die
Urteilsgründe müssen in einem solchen Fall anstelle der
für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die Merkmale der
strafbaren Handlung gefunden werden, den äußeren und inneren
Sachverhalt der Verhaltensweisen schildern, die nach Überzeugung
des Gerichts allein in Betracht kommen; andere Möglichkeiten
müssen sicher ausgeschlossen sein (BGH, Urt. v. 22.1.1986 –
3 StR 474/85 - StV 1987, 378 m.w.N.; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR
498/11). Beispiel: Der rechtlichen Bewertung der Tat als Mord liegt die Annahme zu Grunde, der Angeklagte habe sein Tatopfer entweder zur Verdeckung einer Straftat (einer Vergewaltigung) oder – im Fall eines einvernehmlichen vorausgegangenen Geschlechtsverkehrs – aus niedrigen Beweggründen getötet (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 498/11). |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Verbrechen
nach § 211 StGB verjähren nicht (§ 78
Abs. 2
StGB). Die Unverjährbarkeit gilt auch für Versuch, Teilnahme
und versuchte Beteiligung (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.3.1988 - 1
Ws 277/87 - NJW 1988, 2900; Fischer StGB 55. Aufl. § 78 Rdn. 4;
Kindhäuser LPK StGB 3. Aufl. § 78 Rdn. 2 m.w.N.). siehe: Verjährungsfrist § 78 StGB |
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Z.2 |
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Z.2.1 |
Das
Verbrechen nach § 211 StGB stellt ferner eine Katalogtat nach
§ 100a
Abs. 2 Nr. 1 h StPO dar, bei der unter den weiteren
Voraussetzungen der Vorschrift auch ohne Wissen der Betroffenen die
Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden darf. siehe auch: Überwachung der Telekommunikation, § 100a StPO |
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Z.2.2 |
Begründen
bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder
Teilnehmer 1. eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere eine in § 100a Abs. 2 StPO bezeichnete Straftat, begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO) oder 2. eine Straftat mittels Telekommunikation begangen hat (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO), so dürfen nach § 100g Abs. 1 StPO auch ohne Wissen des Betroffenen Verkehrsdaten (§ 96 Abs. 1 TKG, § 113a TKG) erhoben werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist. Im Falle des (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO) ist die Maßnahme nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos wäre und die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. Die Erhebung von Standortdaten in Echtzeit ist nur im Falle des (§ 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO) zulässig. siehe auch: § 100g StPO, Auskunft über Verbindungsdaten der Telekommunikation |
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Z.2.3 |
Nach
§ 100f
Abs. 1
StPO darf auch ohne Wissen der Betroffenen außerhalb von
Wohnungen das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen
Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den
Verdacht begründen, dass jemand als
Täter oder Teilnehmer eine in § 100a
Abs. 2 StPO
bezeichnete,
auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat begangen oder in
Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht
hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des
Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder
wesentlich erschwert wäre. Dabei darf sich gemäß § 100f Abs. 2 StPO die Maßnahme nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen darf die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Maßnahme darf nach § 100f Abs. 3 StPO auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Für das Verfahren gelten nach § 100f Abs. 4 StPO die §§ 100b Abs. 1, 4 Satz 1; 100d Abs. 2 StPO entsprechend. siehe auch: § 100f StPO, Einsatz technischer Mittel |
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Z.2.3.1 |
Den
Einsatz weiterer
technischer Mittel (Herstellung von Bildaufnahmen, Einsatz technischer
Observationsmittel) sieht die Strafprozessordnung in § 100h
StPO
unter den dort genannten Voraussetzungen vor. siehe auch: § 100h StPO, Einsatz weiterer technischer Mittel |
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Z.2.4 |
Begründen
bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass jemand als Täter oder
Teilnehmer eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung,
insbesondere eine in § 100a
Abs. 2 StPO bezeichnete Straftat,
begangen hat, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu
begehen versucht hat oder durch eine Straftat vorbereitet hat, so
dürfen durch technische Mittel 1. die Gerätenummer eines Mobilfunkendgerätes und die Kartennummer der darin verwendeten Karte sowie 2. der Standort eines Mobilfunkendgerätes ermittelt werden, soweit dies für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten erforderlich ist (§ 100i Abs. 1 StPO). siehe auch: § 100i StPO, Ermittlung von Mobilfunkendgeräten |
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Z.2.5 |
Verbrechen
des Mordes gehören zu den in § 100c
Abs. 2 StPO
genannten besonders schweren Straftaten (Katalogtaten), bei denen unter
den Voraussetzungen des § 100c
Abs. 1 StPO die akustische
Wohnraumüberwachung angeordnet werden darf. siehe auch: Akustische Wohnraumüberwachung, § 100c StPO |
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Z.2.6 |
Gemäß
§ 103
Abs. 1 Satz 2 StPO ist zum Zwecke der
Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine
Straftat nach § 129a
StGB, auch in Verbindung mit § 129b
Abs.
1 StGB, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift
bezeichneten Straftaten begangen zu haben, eine Durchsuchung von
Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich
in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen
anzunehmen ist, daß sich der Beschuldigte in ihm aufhält. Da § 211 StGB eine in § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB bezeichnete Katalogtat darstellt, gilt § 103 Abs. 1 Satz 2 StPO somit auch, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist, einen Mord begangen zu haben. siehe auch: Durchsuchung bei anderen Personen, § 103 StPO; Bildung terroristischer Vereinigungen, § 129a StGB |
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Z.2.7 |
Begründen
bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß eine
Straftat nach § 211 StGB begangen worden ist, so
können gemäß § 111
Abs.
1 Satz 1 StPO auf öffentlichen Straßen und Plätzen und
an anderen öffentlich zugänglichen Orten Kontrollstellen
eingerichtet werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
daß diese Maßnahme zur Ergreifung des Täters oder zur
Sicherstellung von Beweismitteln führen kann, die der
Aufklärung der Straftat dienen können. An einer
Kontrollstelle ist gemäß § 111
Abs. 1 Satz 2 StPO
jedermann verpflichtet, seine Identität feststellen und sich sowie
mitgeführte Sachen durchsuchen zu lassen. siehe auch: Errichtung von Kontrollstellen an öffentlich zugänglichen Orten, § 111 StPO |
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Z.3 |
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Z.3.1 |
Nach
§ 112 Abs. 3 StPO darf gegen den Beschuldigten, der einer
Straftat § 211 StGB dringend verdächtig ist, die
Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach
§ 112
Abs. 2 StPO (Flucht / Fluchtgefahr / Verdunkelungsgefahr)
nicht besteht. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragend hat das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift verfassungskonform dahin ausgelegt, dass Umstände vorliegen müssen, die die Gefahr begründen, dass ohne Verhaftung des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat in Frage gestellt sein könnte (BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 - NJW 1966, 243; BVerfG, Beschl. v. 16.3.1966 - 1 BvR 675/65; 1 BvR 55/66 - NJW 1966, 772). Der zwar nicht mit "bestimmten Tatsachen" belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsverdacht kann unter Umständen bereits ausreichen. Ebenso kann die ernstliche Befürchtung, daß der Beschuldigte weitere Verbrechen ähnlicher Art begeht, für den Erlaß eines Haftbefehls genügen. § 112 Abs. 3 StPO ist in engem Zusammenhang mit Absatz 2 zu sehen; er läßt sich dann damit rechtfertigen, daß mit Rücksicht auf die Schwere der hier bezeichneten Straftaten die strengen Voraussetzungen der Haftgründe des Absatzes 2 gelockert werden sollen, um die Gefahr auszuschließen, daß gerade besonders gefährliche Täter sich der Bestrafung entziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.12.1965 - 1 BvR 513/65 - BVerfGE 19, 342 - NJW 1966, 243; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 112 Rdnr. 37; Graf in KK-StPO, 6. Aufl. § 112 Rdnr. 42 jeweils m.w.N.). siehe auch: Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe, § 112 StPO |
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Z.4 |
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Z.4.1 |
Rechtlich
ist es nur möglich, einzelne abtrennbare Teile einer Tat
oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat
begangen worden sind, nach § 154a
StPO von der Strafverfolgung
auszuscheiden. Bei einer Tat, für die der Tatbestand des Mordes
gemäß § 211 StGB in Betracht kommt, kann daher die
Strafverfolgung gemäß § 154a
StPO nicht auf den
Tatbestand des Totschlags gemäß § 212
StGB beschränkt werden;
denn diese beiden Delikte sind nach der Rechtsprechung
selbständige Straftatbestände mit verschiedenem
Unrechtsgehalt (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1951 - 2 StR 296/51 - BGHSt 1,
368, 370; 22, 375, 377; 36, 231, 233), von denen nur entweder der eine
oder der andere erfüllt sein kann (vgl. BGH,
Urt. v.
26.1.2000 - 3 StR 410/99 - NStZ 2000,
267; siehe dazu oben --> Rdn. 70.2). siehe auch: § 154a StPO, Beschränkung der Strafverfolgung |
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Z.5 |
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Z.5.1 |
Der
durch eine rechtswidrige - versuchte - Tat nach § 211 StGB
Verletzte kann sich der erhobenen öffentlichen Klage oder dem
Antrag im Sicherungsverfahren mit der Nebenklage anschließen
(§ 395
Abs. 1 Nr. 2 StPO). Die gleiche Befugnis steht Personen zu,
deren Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch
eine rechtswidrige Tat getötet wurden (§ 395
Abs. 2 Nr. 1
StPO). siehe auch: § 395 StPO, Befugnis zum Anschluss |
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Z.5.2 |
Dem
Nebenkläger ist nach § 397a
Abs. 1 Nr. 2 StPO auf seinen
Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er durch eine
versuchte rechtswidrige Tat nach den §§ 211 und 212
StGB
verletzt oder Angehöriger eines durch eine rechtswidrige Tat
Getöteten im Sinne des § 395
Abs. 2 Nr. 1 StPO ist. siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand |
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Z.6 |
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Z.6.1 |
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Z.6.1.1 |
Für Verbrechen des Mordes ist (erstinstanzlich) grundsätzlich das Schwurgericht zuständig (§ 74 Abs. 2 Nr. 4 GVG). | |
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Z.6.1.2 |
Seine
Zuständigkeit prüft das Schwurgericht als besondere
Strafkammer nach § 74
Abs. 2 GVG bis zur Eröffnung des
Hauptverfahrens gemäß § 6a
Satz 1 StPO von Amts wegen.
Danach darf es seine Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten
beachten. Der
Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen (§ 6a Satz 2 und 3 StPO). siehe auch: Zuständigkeit besonderer Strafkammern, § 6a StPO |
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Z.6.1.3 |
Besteht
ein Zusammenhang mit der Tätigkeit einer nicht oder nicht
nur im Inland bestehenden Vereinigung, deren Zweck oder Tätigkeit
die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat und
übernimmt der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung
des Falles die Verfolgung, ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk
die Landesregierung ihren Sitz hat, für das Gebiet des Landes
zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten
Rechtszug (§ 120
Abs. 2 Nr. 2 GVG). Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ist ferner gegeben, wenn die Tat nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, a) den Bestand oder die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, b) Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder c) die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen des Nordatlantik-Pakts oder seiner nichtdeutschen Vertragsstaaten zu beeinträchtigen, und der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Verfolgung übernimmt (§ 120 Abs. 2 Nr. 3 GVG). siehe auch: Erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, § 120 GVG |
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Z.6.1.4 |
Nach
§ 169
Abs. 1 StPO können in Sachen, die nach § 120
GVG zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug
gehören, die im vorbereitenden Verfahren dem Richter beim
Amtsgericht obliegenden Geschäfte auch durch Ermittlungsrichter
dieses Oberlandesgerichts wahrgenommen werden. Führt der
Generalbundesanwalt die Ermittlungen, so sind an deren Stelle
Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zuständig. Der für
eine Sache zuständige Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts
kann gemäß § 169
Abs. 2 StPO Untersuchungshandlungen
auch dann anordnen, wenn sie nicht im Bezirk dieses Gerichts vorzunehmen sind. siehe auch: § 169 StPO, Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofes |
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Z.6.2 |
Der
Generalbundesanwalt übt gemäß §
142a Abs.1 GVG in
den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im ersten
Rechtszug
gehörenden Strafsachen (§ 120
Abs. 1 und 2 GVG) das
Amt der
Staatsanwaltschaft auch bei diesen Gerichten aus. Ihm obliegt die
Entscheidungskompetenz für den Fall, dass in den
Fällen des
§ 120
Abs. 1 GVG die Beamten der Staatsanwaltschaft eines
Landes
und der Generalbundesanwalt sich nicht darüber einigen
können, wer von ihnen die Verfolgung zu übernehmen
hat
(§ 142a Abs. 1 Satz 2 GVG). Der Generalbundesanwalt gibt das Verfahren gemäß § 142a Abs. 2 GVG vor Einreichung einer Anklageschrift oder einer Antragsschrift (§ 440 StPO) an die Landesstaatsanwaltschaft ab, 1. wenn es folgende Straftaten zum Gegenstand hat: a) Straftaten nach den §§ 82, 83 Abs. 2, §§ 98, 99 oder 102 StGB, b) Straftaten nach den §§ 105 oder 106 StGB, wenn die Tat sich gegen ein Organ eines Landes oder gegen ein Mitglied eines solchen Organs richtet, c) Straftaten nach § 138 StGB in Verbindung mit einer der in Buchstabe a bezeichneten Strafvorschriften oder d) Straftaten nach § 52 Abs. 2 PatG, nach § 9 Abs. 2 GebrMG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 PatG oder nach § 4 Abs. 4 HalblSchG in Verbindung mit § 9 Abs. 2 GebrMG und § 52 Abs. 2 PatG; 2. in Sachen von minderer Bedeutung. Nach § 142a Abs. 3 GVG unterbleibt eine Abgabe an die Landesstaatsanwaltschaft, 1. wenn die Tat die Interessen des Bundes in besonderem Maße berührt oder 2. wenn es im Interesse der Rechtseinheit geboten ist, daß der Generalbundesanwalt die Tat verfolgt. Gemäß § 142a Abs, 4 GVG gibt der Generalbundesanwalt eine Sache, die er nach § 120 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 GVG oder § 74a Abs. 2 GVG übernommen hat, wieder an die Landesstaatsanwaltschaft ab, wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht mehr vorliegt. RiStBV Nr. 202 - Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehören: (1) Vorgänge, aus denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Straftat (§ 120 GVG, Art. 7, 8 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes) ergibt, übersendet der Staatsanwalt mit einem Begleitschreiben unverzüglich dem Generalbundesanwalt. (2) Das Begleitschreiben soll eine gedrängte Darstellung und eine kurze rechtliche Würdigung des Sachverhalts enthalten sowie die Umstände angeben, die sonst für das Verfahren von Bedeutung sein können. Erscheinen richterliche Maßnahmen alsbald geboten, so ist hierauf hinzuweisen. Das Schreiben ist dem Generalbundesanwalt über den Generalstaatsanwalt, in dringenden Fällen unmittelbar bei gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an den Generalstaatsanwalt, zuzuleiten. (3) Der Staatsanwalt hat jedoch die Amtshandlungen vorzunehmen, bei denen Gefahr im Verzuge ist; dringende richterliche Handlungen soll er nach Möglichkeit bei dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes (§ 169 StPO) beantragen. Vor solchen Amtshandlungen hat der Staatsanwalt, soweit möglich, mit dem Generalbundesanwalt Fühlung zu nehmen; Nr. 5 findet Anwendung. (4) Die Pflicht der Behörden und Beamten des Polizeidienstes, ihre Verhandlungen in Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehören, unmittelbar dem Generalbundesanwalt zu übersenden (§ 163 Abs. 2 Satz 1 StPO; § 142a Abs. 1 GVG), wird durch Absatz 1 nicht berührt. |
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Z.7 |
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Z.7.1 |
Nach
§ 255a
Abs. 2 StPO kann in Verfahren wegen Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174
bis 184j
StGB) oder
gegen das Leben (§§ 211 bis 222
StGB), wegen Misshandlung von
Schutzbefohlenen (§ 225
StGB) oder wegen Straftaten gegen die
persönliche Freiheit nach den §§ 232
bis 233a
StGB die
Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der
Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung
ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit
hatten, an dieser mitzuwirken. Eine ergänzende Vernehmung des
Zeugen ist zulässig. siehe auch: § 255a StPO, Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung |
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Z.7.2 |
Leitsatz: Der Austausch der Bezugstat bei Verdeckungsmord erfordert einen gerichtlichen Hinweis (BGH, Beschl. v. 12.1.2011 - 1 StR 582/10 - (Ls.)- NJW 2011, 1301). Wird die "andere Straftat" (Bezugstat) in § 211 Abs. 2 StGB bei der Verdeckungsabsicht ausgetauscht, bedarf dies eines Hinweises nach § 265 StPO. Die Abweichung in der Beschreibung des Tatverhaltens, das zur Ausfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes gedient hat, war bei der der vorgenannten Leisatzentscheidung wesentlich. Das Verhalten des Angeklagten, in dem die "andere Straftat" i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB gesehen wurde, unterschied sich schon zeitlich erheblich von demjenigen, das die Anklage für tatbestandsmäßig hielt, und inhaltlich wurde ein Vermögensdelikt durch ein Körperverletzungsdelikt ersetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 12.1.2011 - 1 StR 582/10 - (Ls.)- NJW 2011, 1301). Der 1. Strafsenat hat bereits in seiner Entscheidung vom 17. Juli 1962 - 1 StR 266/62 bei einem Hinweis auf das Mordmerkmal zur Verdeckung einer anderen Straftat die Klarstellung gefordert, "welche andere Straftat der Angeklagte nach der Meinung des Gerichts hätte verdecken können". |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
Auf § 211 StGB wird verwiesen in: § 46b StGB (über § 100a Abs. 2 StPO) siehe auch: § 46b StGB, Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten § 78 StGB siehe auch: Verjährungsfrist § 78 StGB § 89a StGB siehe auch: § 89a StGB, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat § 126 StGB siehe auch: § 126 StGB, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten § 129a StGB siehe auch: Bildung terroristischer Vereinigungen, § 129a StGB § 138 StGB siehe auch: Nichtanzeige geplanter Straftaten, § 138 StGB § 100a StPO siehe auch: § 100a StPO, Überwachung der Telekommunikation § 100c StPO siehe auch: Wohnraumüberwachung, § 100c StPO § 111 StPO (über § 129a StGB) siehe auch: § 111 StPO, Kontrollstellen § 112 StPO siehe auch: Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe, § 112 StPO § 255a StPO siehe auch: § 255a StPO, Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung § 395 StPO siehe auch: Befugnis zum Anschluss, § 395 StPO § 397a StPO siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand § 74 GVG siehe auch: Zuständigkeiten, § 74 GVG § 120 GVG siehe auch: Erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, § 120 GVG |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 16. Abschnitt (Straftaten gegen das Leben) |
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