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§
78 StGB
Verjährungsfrist
(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist 1. dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, 2. zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, 3. zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, 4. fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, 5. drei Jahre bei den übrigen Taten. (4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt. ... |
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3 |
Die Vorschriften über die
Verfolgungsverjährung
betreffen ausschließlich die Verfolgbarkeit der Tat (BVerfG,
Beschl. v. 31.1.2000 - 2 BvR 104/00 - NStZ 2000, 251; BGH, Beschl. v.
29.10.2015 - 3 StR 342/15); nach
Ablauf der Verjährungsfrist ist
die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen nicht mehr
möglich, § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB. Das Rechtsinstitut der
Verjährung soll dem Rechtsfrieden dienen und einer etwaigen
Untätigkeit der Behörden in jedem Abschnitt des Verfahrens
entgegenwirken (BGH, Urt. v. 26.6.1958 - 4 StR 145/58 - BGHSt 11, 393,
396; BGH, Beschl. v. 23.1.1959 - 4 StR 428/58 - BGHSt 12, 335, 337 f.;
BGH, Beschl. v. 29.10.2015 - 3 StR 342/15). Zur Erreichung dieser Ziele
hat der Gesetzgeber in den §§ 78 ff. StGB ein differenziert
ausgestaltetes System normiert, innerhalb dessen die Dauer der
Verjährungsfrist im Ausgangspunkt unabhängig von den
konkreten Umständen des Einzelfalles maßgeblich vom
Höchstmaß der durch die betreffende Strafvorschrift
allgemein angedrohten Strafe bestimmt wird, vgl. § 78 Abs. 3 StGB
(BGH, Beschl. v. 29.10.2015 - 3 StR 342/15). Aus den unterschiedlichen Zwecken und Ausgestaltungen der Strafzumessung und der Verfolgungsverjährung folgt einerseits, dass für die Frage der Verjährung nicht von Bedeutung ist, ob mit Blick auf die Strafzumessungsmaximen Schuld und Spezialprävention eine staatliche Reaktion auf die Begehung einer Straftat in Form einer Sanktionierung des Täters (noch) notwendig und gegebenenfalls welche angemessen erschiene. Andererseits spielt die Dauer der Verjährungsfrist für die Strafzumessung und die dort zu bewertenden Umstände keine Rolle. Das Gewicht, mit dem der zeitliche Abstand zwischen einer noch verfolgbaren Tat und dem Urteil in die Bemessung der Strafe einzustellen ist, hängt nicht von der Länge der zunächst nach §§ 78, 78a StGB zu bestimmenden Verjährungsfrist ab. Es wird auch nicht dadurch beeinflusst, dass die Tat gegebenenfalls länger verfolgbar ist, weil die Voraussetzungen eines der Tatbestände gegeben sind, bei deren Erfüllung die Verjährung nach § 78b StGB ruht oder gemäß § 78c StGB unterbrochen wird. Dies gilt etwa auch für die Ruhensregelung des § 78b Abs. 4 StGB, die an die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht und das Bestehen besonders schwerer Fälle anknüpft, die bei bestimmten Delikten als strafschärfende Umstände gesetzlich normiert sind (BGH, Beschl. v. 29.10.2015 - 3 StR 342/15). |
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5 |
Der
Eintritt der Verjährung begründet ein Verfolgungshindernis
hinsichtlich des betreffenden Tatvorwurfs, das von Amts wegen
zu
beachten ist (vgl. BGH, Beschl. v. 2.3.2016 - 1 StR 619/15). Ob
Verjährung eingetreten ist, ist in jeder Lage des
Verfahrens unter Verwendung aller verfügbaren und
zulässigen Erkenntnisquellen von Amts wegen zu
prüfen, da dann ein Verfahrenshindernis bestünde (vgl. BGH,
Beschl. v. 20.3.2001 - 4 StR 533/00; BGH,
Beschl. v.
12.5.2005 - 1 StR 147/05; BGH,
Beschl. v. 29.9.2006 - 2 StR 348/06;
Pfeiffer in KK 5. Aufl. Einl. Rdn. 133, 135 m.N.). Beispiel: (Verjährung Untreue): Tatzeitpunkt war der 23. März 1999. Die von Amts wegen vorzunehmende Nachprüfung hat nicht ergeben, dass die Tat später beendet war, so dass die Verjährung an diesem Tag begann (§ 78a Satz 1 StGB). Die fünfjährige (§ 266 i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) Verjährungsfrist war daher bei der ersten Unterbrechungshandlung, der Durchsuchungsanordnung vom 26. März 2004 (§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB), verstrichen. Insoweit war das Verfahren einzustellen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.9.2006 - 2 StR 348/06). |
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10 |
Wenn
die Änderung der Verjährungsfrist nur Ergebnis
einer Änderung der
materiell-rechtlichen Strafdrohung ist,
ergibt sich auch die maßgebliche Verjährungsfrist
aus § 2
StGB. Das danach anwendbare Strafgesetz (z.B.:
§ 223a StGB aF) bestimmt auch die maßgebende
Verjährungsfrist (vgl. BGHR StGB § 78 Abs. 3
Fristablauf 2; BGH,
Beschl. v. 13.11.2002 - 4 StR 438/02; BGH,
Urt. v.
18.10.2007 - 3 StR 248/07 - NStZ 2009, 34; Jähnke in LK 11.
Aufl. vor § 78 Rdn. 11 m. w. N.). Beispiel: Vor dem 1. April 1998 verjährten Taten der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i. V. m. § 223a StGB aF nach fünf Jahren. Als Folge der Ersetzung von § 223a durch § 224 StGB und der damit verbundenen Anhebung der gesetzlichen Höchststrafe für gefährliche Körperverletzung von fünf Jahren auf zehn Jahre hat sich zwar die Verjährungsfrist von fünf Jahren auf zehn Jahre verlängert; dies hat in diesem Fall aber außer Betracht zu bleiben, weil sich die maßgebende Verjährungsfrist nach § 223a StGB aF bestimmt, die fünf Jahre beträgt (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - 3 StR 248/07 - NStZ 2009, 34; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.11.2002 - 4 StR 438/02 betr. Anhebung des Strafrahmens des § 179 Abs. 1 StGB von fünf auf zehn Jahre im Höchstmaß durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998). Wird zwischen Begehung und Aburteilung der Tat die materielle Strafandrohung geändert und kann dies als Fernwirkung Einfluss auf die Länge der Verjährungsfrist haben oder das Ruhen der Verjährung nach sich ziehen, so beurteilt sich trotz der grundsätzlichen Zuordnung der Verjährungsvorschriften zum Verfahrensrecht (BGHSt 50, 138, 139 f.; BGH NJW 2004, 693, 696) die Frage, welches Strafgesetz im Hinblick auf die Verfolgungsverjährung auf den festgestellten deliktischen Sachverhalt Anwendung findet, nach § 2 StGB (BGHSt 50, 138, 140; BGH NJW 2004, 693, 696; BGH, Beschl. v. 28.1.2010 - 3 StR 274/09 - NJW 2010, 2365; Schmid in LK 12. Aufl. vor § 78 Rdn. 11; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 78 Rdn. 11). Daher berechnet sich die Verjährungsfrist gemäß § 2 Abs. 3 StGB nach der Bestimmung, die bei einem Gesamtvergleich im konkreten Einzelfall nach dessen besonderen Umständen die dem Täter günstigste Beurteilung zulässt. Ergibt dieser Gesamtvergleich, dass ein Gesetz den Eintritt der Verjährung zur Folge hat, die Tat also bei Anwendung dieser gesetzlichen Regelung nicht mehr verfolgbar ist, so ist dieses Gesetz für den Täter günstiger und damit milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB (BGHSt 50, 138, 141; BGH, Beschl. v. 28.1.2010 - 3 StR 274/09 - NJW 2010, 2365). Deshalb hat eine nachträgliche Verschärfung der Höchststrafe für die Berechnung der Verjährungsfrist außer Betracht zu bleiben (BGHSt 50, 138, 140). Ebenso kann sich aber auch die Umwandlung eines Verbrechenstatbestands in einen Vergehenstatbestand oder die Umwandlung eines Qualifikationstatbestands in ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall - selbst bei unverändertem Strafrahmen - auf die Dauer der Verjährung auswirken und ist deshalb eine im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB für die Verjährungsfrage zu beachtende Gesetzesänderung (BGHSt 50, 138, 140 f.; BGH NStZ 1999, 556; BGH, Beschl. v. 28.1.2010 - 3 StR 274/09 - NJW 2010, 2365). Nichts anderes gilt, wenn nach Beendigung der Tat ein Regelbeispiel in einen Qualifikationstatbestand umgewandelt wird und diese Gesetzesänderung zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Verjährungsfrage für den Grundtatbestand führen kann, der im konkreten Fall die Grundlage für die Strafbarkeit bildet. Auch in einem solchen Fall ist durch einen Gesamtvergleich zu ermitteln, welches Gesetz sich unter Beachtung des Grundsatzes der strikten Alternativität (BGH NStZ 1997, 188) nach den festgestellten Umständen für die Beurteilung der Verjährungsfrage als günstiger für den Angeklagten erweist (BGH, Beschl. v. 28.1.2010 - 3 StR 274/09 - NJW 2010, 2365). |
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10.1 |
Die
Beurteilung der Verfolgungsverjährung
von DDR-Alttaten
richtet sich nach Art. 315a EGStGB i.d.F. des Einigungsvertrages (BGHSt
40, 48, 56). Soweit die Strafverfolgungsverjährung nach dem
Recht der DDR bis zum Wirksamwerden des Beitritts - also bis zum 3.
Oktober 1990 - nicht eingetreten war, bleibt es danach dabei (Art. 315a
Abs. 1 Satz 1 EGStGB). An diesem Tag wurde gemäß
Art. 315a Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz EGStGB der Lauf der
Verjährung kraft Gesetzes unterbrochen; ab diesem Zeitpunkt
gelten die §§ 78 ff. StGB (vgl. BGH NStZ 1998, 36;
BGH NJ 2001, 493; BGH, Beschl. v. 18.3.1998 - 5 StR 65/98; BGH,
Beschl.
v. 7.2.2001 - 3 StR 3/01; BGH,
Beschl. v. 6.2.2002 - 5 StR 476/01 -
BGHSt 47, 245 - NJW 2002, 1732). vgl. hierzu auch BGH NStZ 2003, 84; BGH, Beschl. v. 9.2.2000 - 5 StR 645/99; BGH, Beschl. v. 1.7.2003 - 4 StR 75/03 und BGH, Beschl. v. 2.4.2008 - 5 StR 529/07 betr. § 148 Abs. 1 StGB-DDR - sexueller Mißbrauch von Kindern; BGH, Beschl. v. 8.8.2001 - 2 StR 242/01 u. BGH, Beschl. v. 16.2.2005 - 2 StR 492/04: § 121 Abs. 2 Nr. 1 StGB-DDR - Vergewaltigung; BGH, Urt. v. 9.10.2001 - 5 StR 367/01 - Diebstahl (Berlin); vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.1.2001 - 5 StR 435/00 - wistra 2001, 178 betr. Vergehen gegen das Militärregierungsgesetz Nr. 53 („COCOM-Liste”) |
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15 |
Schärfere
Verjährungsregeln unterfallen als
bloße verfahrensrechtliche Regeln nicht dem
Rückwirkungsverbot
und sind daher grundsätzlich auch
auf zurückliegende Taten anzuwenden, sofern
diesbezüglich noch keine Verjährung eingetreten war
(vgl. BGHSt 2, 300, 307; 4, 379, 384; 26, 288, 289; 46, 310, 318; BGH
NStZ 2005, 89; BGH,
Beschl. v. 8.3.2006 - 1 StR 60/06). Anderes gilt
jedoch dann, wenn eine Verlängerung der
Verjährungsfrist auf einer nachträglichen
Verschärfung der bei der Berechnung zu Grunde zu legenden
Höchststrafen beruht. Insoweit verbleibt es
gemäß § 2
Abs. 3 StGB auch hinsichtlich der
Verjährung bei der Anknüpfung an die mildere
Strafdrohung mit der Folge, daß sich die Verjährung
nach dem für den Angeklagten günstigeren Recht der
Tatzeit richtet (vgl. BGH GA 1954, 22; BGH bei Dallinger MDR 1954, 335;
BGH,
Urt. v. 14.11.2003 - 2 StR 164/03 - wistra 2004, 99; BGH NStZ
2006, 32; BGH,
Beschl. v. 8.3.2006 - 1 StR 60/06;
LK-Jähnke,
StGB, 11. Aufl., vor § 78 Rdnr. 11; Stree/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 78 Rdn.
11). Wird die Verjährungsfrist geändert, gilt das neue Recht mangels einer besonderen Übergangsregelung auch für bereits begangene Taten (Jähnke in LK 11. Aufl. vor § 78 Rdn. 11). Der Eintritt der Verjährung führt lediglich zu einem Verfahrenshindernis, weil er nicht die Strafdrohung an sich, sondern lediglich das "Ob" der Verfolgung berührt (vgl. auch BGH, Urt. v. 15.3.2001 - 5 StR 454/00 - BGHSt 46, 310, 317 - NJW 2001, 2102 für das Strafantragserfordernis). Insoweit betreffen die Verjährungsregeln lediglich die Verfolgbarkeit einer Tat; sie haben damit in erster Linie einen verfahrensrechtlichen Bezug (vgl. BVerfG 31.1.2000 - 2 BvR 104/00 - NStZ 2000, 251). Verjährungsrechtliche Fragen sind daher grundsätzlich nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen zu behandeln und deshalb anhand der gesetzlichen Regelungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Entscheidung gelten. Der Tatrichter hat stets das für ihn am Gerichtsort aktuell geltende Verfahrensrecht anzuwenden. Bereits aufgehobene oder abgeänderte Verfahrensregelungen finden grundsätzlich nur Anwendung, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich regelt (vgl. BGH, Beschl. v. 22.2.2005 - KRB 28/04; BGH, Beschl. v. 7.6.2005 - 2 StR 122/05 - wistra 2005, 375). siehe auch: Keine Strafe ohne Gesetz, § 1 StGB - Rdn. 15.3 - Verfahrensvorschriften Anders sieht die Rechtslage jedoch aus, wenn eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf einer nachträglichen Verschärfung der bei der Berechnung zugrundezulegenden Höchststrafen beruht (§ 78 Abs. 3 StGB). Eine Verschärfung der Strafdrohung muß nach § 2 Abs. 3 StGB außer Betracht bleiben, entsprechend bleibt es auch hinsichtlich der Verjährung bei der Anknüpfung an die mildere Strafdrohung (vgl. BGHR StGB § 78 Abs. 3 Fristablauf 2 m.w.N.; BGH GA 1954, 22; BGH bei Dallinger MDR 1954, 335; BGH, Beschl. v. 13.11.2002 - 4 StR 438/02; Dreher NJW 1962, 2209, 2210; Jähnke in LK 11. Aufl. vor § 78 Rdn. 11; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 2 Rdn. 8; Rudolphi in SKStGB [Oktober 1998] § 78 Rdn. 6; Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben StGB 26. Aufl. § 78 Rdn. 11; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 2 Rdn. 7 und § 78 Rdn. 5 a; vgl. auch BGHR StGB § 78 b Abs. 4 Strafdrohung 2; StGB § 129 a Verjährung 1; OLG Saarbrücken NJW 1974, 1009, 1010; anders RGSt 75, 52, 54; Jagusch in LK 8. Aufl. § 67 Anm. 3; Herlan GA 1955, 255). Die Verjährung richtet sich nach dem günstigeren Recht der Tatzeit, wenn bei Zugrundelegung des zur Tatzeit geltenden sachlichen Rechts die Strafverfolgung auch nach den zur Zeit der Aburteilung geltenden Verjährungsregeln verjährt ist. Dies gilt entsprechend auch dann, wenn die Strafdrohung nur durch ein Zwischengesetz gemildert worden ist (BGHSt 39, 353, 370; BGH, Beschl. v. 7.6.2005 - 2 StR 122/05 - wistra 2005, 375). Leitsatz Bei der Prüfung des milderen Rechts ist die Frage der Verjährung jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn ein Gesetz infolge der Umwandlung eines Qualifikationstatbestandes in ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall bei gleichem Strafrahmen den Eintritt der Verjährung zur Folge hat (BGH, Beschl. v. 7.6.2005 - 2 StR 122/05 - Ls. - wistra 2005, 375) siehe hierzu auch unten Rdn. 75 - Besonders schwere und minder schwere Fälle). |
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17 |
Hinsichtlich der dem Angeklagten zugeflossenen Beträge kommt die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nicht in Betracht, wenn die zugrundeliegenden Taten verjährt sind (§ 78 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB; vgl. BGH, Beschl. v. 27.3.2012 - 2 StR 31/12). | |
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20 |
Für
das Vorliegen eines Presseinhaltsdelikts ist
Voraussetzung, dass es um die körperliche Verbreitung eines an
ein Druckwerk gegenständlich gebundenen strafbaren Inhalts
geht (vgl. BGH NStZ 1996, 492; BGH,
Urt. v. 12.12.2000 - 1 StR 184/00 -
BGHSt 46, 212 - StV 2001, 395 betr.
Internet). Die Besonderheit eines
Presseinhaltsdelikts, eines Delikts, das "mittels eines Druckwerks"
begangen wird (vgl. etwa § 22 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs.
1 Berl. PresseG als sog. lex fori; vgl. BGHR PresseG - BW § 24
Verjährung 1), liegt darin, daß die Strafbarkeit
entscheidend in dem verkörperten Inhalt des Druckwerks (bzw.
der gleichgestellten bildlichen Darstellungen) begründet ist
und nicht in den besonderen Umständen und in der besonderen
Art der Verbreitung (vgl. BGHSt 26, 40, 44; 27, 353, 354; BGH, Urt. v.
24.1.1996 - 3 StR 540/95; BGH, Beschl. v. 14.6.1996 - 3 StR 110/96 -
NStZ 1996, 492: betr.
bildliche Darstellung (Film); Löffler
Presserecht 3. Aufl. Bd. I § 20 LPG Rdn. 21; Franke GA 1982,
404, 405). Die presserechtliche Verjährung bestimmt sich wegen ihres jedenfalls auch prozessualen Charakters nach dem Recht des Gerichtsorts (BGH, Urt. v. 24.3.1999 - 3 StR 240/98 - BGHSt 45, 41, 43 mwN; BGH, Beschl. v. 4.5.2016 - 3 StR 392/15 Rn. 12). Beispiel: § 22 Abs. 1 LPrG M-V (Landespressegesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern) sieht für die Verfolgung strafbarer Handlungen, die durch die Veröffentlichung oder Verbreitung von Druckwerken begangen werden, bei Vergehen wie dem der Beleidigung eine Verjährungsfrist von sechs Monaten vor (vgl. BGH, Beschl. v. 4.5.2016 - 3 StR 392/15 Rn. 12). Nach § 6 Abs. 1 LPrG M-V sind Druckwerke im Sinne des Gesetzes unter anderem alle mittels der Buchdruckerpresse oder eines sonstigen zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens hergestellte und zur Verbreitung bestimmte Schriften. Ein solches Vervielfältigungsverfahren ist immer dann gegeben, wenn im Wege technischer Herstellung nicht bloß eine Mehrheit von Abschriften, sondern eine zwar nicht unbegrenzte, aber doch beliebig vermehrbare Vielzahl von Vervielfältigungen bereitgestellt werden kann. Als Druckwerke gelten deshalb auch die Vervielfältigungen mit dem Drucker des Heimcomputers oder eines Kopierers, bei denen Handarbeit zwar unterstützend mitwirkt, bei entsprechender Programmierung des Gerätes mit einem Knopfdruck aber eine Vielzahl von Exemplaren maschinell produziert werden kann. Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist es nicht entscheidend, ob im konkreten Fall eine Vielzahl von Exemplaren tatsächlich hergestellt wurde (BGH, Urt. v. 24.3.1999 - 3 StR 240/98 - BGHSt 45, 41, 44 f.; BGH, Beschl. v. 4.5.2016 - 3 StR 392/15 Rn. 12). Die kurze presserechtliche Verjährung nach § 15 BayPrG findet nur Anwendung auf Straftaten, welche durch die Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts begangen werden. Damit sind nur die Fälle erfaßt, in denen die Strafbarkeit im Inhalt des Prospekts begründet ist (BGHSt 40, 385, 387; RGSt 66, 145, 146), so daß mit dessen Kundgabe nach außen sämtliche Begriffsmerkmale eines Straftatbestands erfüllt sind (RGSt 36, 270, 271; BGH, Beschl. v. 27.5.2004 - 1 StR 187/04 - wistra 2004, 339). |
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25 |
Bei
Tateinheit läuft für jedes Delikt die
dafür vorgesehene Verjährungsfrist (vgl. BGH NStZ
1990, 80, 81; BGH,
Beschl. v. 3.8.2000 - 1 StR 305/00; BGH,
Beschl. v.
16.8.2000 - 3 StR 291/00; BGH,
Beschl. v. 23.11.2000 - 3 StR 472/00;
BGH,
Beschl. v. 8.12.2000 - 3 StR 442/00; BGH,
Beschl. v. 22.8.2001 - 1
StR 333/01 - NStZ 2002, 29; BGH,
Beschl. v. 9.4.2002 - 5 StR 57/02;
BGH,
Beschl. v. 11.6.2002 - 1 StR 178/02; BGH,
Beschl. v. 23.8.2002 - 2
StR 263/02; BGH,
Beschl. v. 22.7.2004 - 4 StR 184/04; BGH,
Beschl. v.
23.7.2004 - 2 StR 158/04; BGH,
Beschl. v. 7.4.2005 - 2 StR 45/05; BGH,
Beschl. v. 20.9.2005 - 4 StR 396/05; BGH,
Beschl. v. 10.7.2007 - 4 StR
287/07; BGH,
Beschl. v. 10.6.2008 - 5 StR 132/08; BGH,
Beschl. v.
27.8.2008 - 1 StR 452/08; BGH,
Beschl. v. 22.10.2008 - 1 StR 503/08 -
NStZ-RR 2009, 43; BGH, Beschl. v. 1.8.2013 - 2 StR 110/13; Fischer StGB
56. Aufl. § 78 Rdn. 5).
Für die Prüfung der Verjährung ist jedes
abgeurteilte Delikt gesondert zu untersuchen (vgl. BGH,
Beschl. v.
17.6.2009 - 1 StR 263/09; Fischer StGB 56. Aufl. § 78 Rdn. 5). Die Verjährung bestimmt sich daher bei tateinheitlichem Zusammentreffen für jede Gesetzesverletzung gesondert (vgl. BGH, Beschl. v. 8.8.2001 - 1 StR 258/01; BGH, Beschl. v. 9.11.2004 - 5 StR 437/04; BGH, Beschl. v. 28.6.2005 - 3 StR 178/05; BGH, Beschl. v. 20.9.2005 - 4 StR 396/05; BGH, Beschl. v. 23.11.2005 - 1 StR 474/05; BGH, Beschl. v. 3.4.2007 - 3 StR 63/07; BGH, Beschl. v. 6.5.2008 - 1 StR 176/08; BGH, Beschl. v. 14.5.2009 - 3 StR 170/09; BGH, Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR 244/09 - NStZ 2010, 277; Fischer, StGB 56. Aufl. § 78a Rdn. 5 m.w.N.). An das mildere Tatzeitrecht (z.B. § 223 a Abs. 1 StGB) knüpft auch die Verjährung an (BGHSt 50, 138, 140; BGH, Beschl. v. 8.3.2006 - 1 StR 60/06; BGH, Beschl. v. 10.7.2007 - 4 StR 287/07). Beispiel: Der Schuldspruch war vorliegend zu berichtigen (§ 349 Abs. 4 StPO), weil die unter Ziff. I.B.1. tateinheitlich mit der versuchten räuberischen Erpressung abgeurteilte vorsätzliche Körperverletzung verjährt ist, was auch dann gilt, wenn die verjährte Tat tateinheitlich mit einer anderen, unverjährten, Tat begangen wurde (BGH, Beschl. v. 23.1.2013 - 1 StR 566/12; BGH, Beschl. v. 22.10.2008 - 1 StR 503/08 - NStZ-RR 2009, 43). siehe auch: Tateinheit, § 52 StGB; zu Auswirkungen auf den Strafausspruch siehe: Grundsätze der Strafzumessung - Rdn. 105.10 - Verjährte Taten |
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25.5 |
Der Eintritt der Verjährung führt jedoch nicht zur Einstellung des Verfahrens, sondern zum Freispruch, wenn etwa der rechtlich mit dem verjährten Vorwurf der Körperverletzung zusammentreffende schwerere Vorwurf des Raubes nicht nachweisbar war (vgl. BGHSt 36, 340, 341 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 23.9.2003 - 5 StR 374/03). | |
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30 |
Die
Frage, ob der verjährungsbedingte Wegfall einer oder
mehrerer Einzelstrafen die Gesamtstrafe berührt, ist zu
verneinen, wenn etwa die Verjährungsregelungen fehlerhaft
angewendet wurden, jedoch ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht
bei zutreffender Anwendung der Verjährungsregelung eine
mildere Gesamtstrafe festgesetzt hätte (vgl. BGH,
Beschl. v.
20.3.2001 - 4 StR 533/00; BGH,
Beschl. v. 8.8.2001 - 1 StR 258/01; BGH,
Beschl. v. 10.10.2001 - 2 StR 405/01; BGH,
Beschl. v. 9.4.2002 - 5 StR
57/02; BGH,
Beschl. v. 8.8.2002 - 4 StR 250/02; BGH,
Beschl. v.
16.6.2005 - 4 StR 124/05; BGH,
Beschl. v. 23.10.2007 - 4 StR 355/07 -
wistra 2008, 57). Im Übrigen können ausreichend
festgestellte verjährte Taten straferschwerend
berücksichtigt werden, wenn auch mit geringerem Gewicht (st.
Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.1996 - 1 StR 584/96; BGH,
Beschl. v.
8.3.2006 - 1 StR 67/06; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 19 und
24 m.w.N.; BGH,
Beschl. v. 23.10.2007 - 4 StR 355/07 - wistra 2008, 57;
BGH,
Beschl. v. 18.8.2009 - 2 StR 244/09 - NStZ-RR 2009, 369;
Fischer
StGB 56. Aufl. § 78 Rdn. 2). Kann ausgeschlossen werden, dass
das Tatgericht ohne die tateinheitlich begangene, verjährte
Straftat auf eine niedrigere Einzel- oder in der Gesamtschau auf eine
niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte, nötigt die
Korrektur des Schuldspruchs nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs
(vgl. etwa BGH,
Beschl. v. 18.2.2009 - 1 StR 14/09; BGH,
Beschl. v.
14.5.2009 - 3 StR 170/09; BGH,
Beschl. v. 7.7.2009 - 3 StR 137/09; BGH,
Beschl. v. 7.7.2009 - 4 StR 228/09). Andererseits kann dann, wenn etwa in mehreren Fällen Verfolgungsverjährung eingetreten ist, die zur Einstellung des Verfahrens in diesem Umfang nötigt und zum Wegfall der entsprechenden Einzelstrafen führt (§ 206a StPO; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 22.7.2009 - 2 StR 198/09) der Gesamtstrafausspruch aufzuheben sein. Auch wenn es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich möglich ist, verjährte Strafen bei der Strafzumessung, wenn auch mit eingeschränktem Gewicht, zu berücksichtigen, kann im Einzelfall nicht auszuschließen sein, dass das Tatgericht ohne die strafschärfende Verwertung der tateinheitlichen Verurteilung auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte, wenn es bestimmend ("insbesondere") strafschärfend gewertet hat, dass der Angeklagte bei diesen Taten mehrere Tatbestände erfüllt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 22.8.2001 - 1 StR 333/01 - NStZ 2002, 29; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - 1 StR 178/02; BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - 5 StR 369/02; BGH, Beschl. v. 11.9.2007 - 3 StR 330/07; BGH, Beschl. v. 9.1.2008 - 2 StR 498/07; vgl. auch BGH, Beschl. v. 25.3.2009 - 2 StR 58/09) oder wenn dies wegen der Vielzahl der Fälle, bei denen die insoweit fehlerhafte tateinheitliche Verurteilung wegfällt, nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2000 - 1 StR 646/99 betr. 48 Fälle des Kindesmissbrauchs, bei denen die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs eines Schutzbefohlenen wegen Verjährung entfiel). Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung muss daher die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich ziehen, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Tatgericht ohne diese auf eine geringere Strafe erkannt hätte, weil es zu Lasten des Angeklagten die Verwirklichung mehrerer Tatbestände herangezogen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 22.8.2001 - 1 StR 333/01 - NStZ 2002, 29: BGH, Beschl. v. 10.6.2008 - 5 StR 132/08). siehe auch: Grundsätze der Strafzumessung - Rdn. 105.10 - Verjährte Taten mwN; zur Teilverjährung siehe vorstehend unter Rdn. 25 - Verjährungsfrist bei Tateinheit Betr. Hinweispflicht des Gerichts: Aus dem Gesetz folgt zwingend, daß eine Bestrafung wegen verjährten Geschehens nicht möglich ist; ein Beurteilungsspielraum besteht insoweit nicht. Anders als bei einem Vergehen gemäß §§ 154, 154a StPO kann eine Einstellung wegen Verjährung nicht Grundlage eines nur durch einen Hinweis zu beseitigenden Mißverständnisses sein, verjährte Taten blieben in jeder Hinsicht unberücksichtigt (vgl. BGH, Beschl. v. 23.9.2003 - 1 StR 292/03). siehe auch zur Hinweispflicht bei Verwertung nach § 154 ausgeschiedener Taten: Unwesentliche Nebenstrafen, § 154 StPO |
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35 |
Die
getroffene Postpendenzfeststellung benachteiligt den Angeklagten
unangemessen, wenn die von ihm möglicherweise begangenen
Diebstähle, die im Falle ihres Erwiesenseins einer
Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Hehlerei
entgegenstünden, wegen Verjährung nicht mehr verfolgt
werden können. Der Zweifelssatz gebietet es deshalb, den
Angeklagten so zu stellen, als habe er diese Diebstähle
begangen (BGH,
Beschl. v. 17.6.2003 - 3 StR 183/03 - wistra 2003, 430). siehe auch: § 52 StGB, Tateinheit - Rdn. 75.3 - Verjährung und Zweifelssatz bei Postpendenzfeststellung; In dubio pro reo; siehe zur Anwendung des Zweifelssatzes bei nicht näher bestimmbaren Tatzeiten: § 78b StGB, Ruhen |
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40 |
Inkrafttreten
des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften
über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom
27. Dezember 2003 (BGBl I 3007): 1.4.2004; siehe hierzu: BGH,
Beschl.
v. 1.2.2007 - 4 StR 9/07; BGH,
Beschl. v. 7.12.2006 - 4 StR 505/06;
BGH,
Beschl. v. 13.6.2006 - 4 StR 178/06. Zu einem Fall der Verjährung bei Verbreitung von pornographischen Schriften siehe: BGH, Beschl. v. 20.11.2007 - 1 StR 442/07 Zur Anwendung des Zweifelssatzes auf die Verjährung begründende Tatsachen vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2001 - 5 StR 454/00 - NJW 2001, 2102, 2105 Die Verjährungsfrist ist mit Ablauf des Vortags zum jeweils datumsgleichen Tag beendet (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2013 - 4 StR 403/13). |
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... (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist 1. dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, 2. zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, 3. zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, 4. fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, 5. drei Jahre bei den übrigen Taten. ... |
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55 |
Da
der Tag des
für
den Fristbeginn maßgeblichen Ereignisses einzubeziehen ist, endet
die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner
Bezeichnung dem Anfangstag vorangeht (vgl. RGSt 65, 287, 290; Fischer,
StGB 58. Aufl. § 78a Rn. 6; LK/Schmid, StGB 12. Aufl. § 78
Rn. 7; Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder, StGB 28.
Aufl. § 78 Rn. 12). Die Verjährungsfrist ist deshalb mit
Ablauf des Vortags zum jeweils datumsgleichen Tag des entsprechenden
Jahres beendet (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 2 StR 257/12). Beispiel: Die angeklagten Betrugstaten wurden im Zeitraum zwischen dem 20. November 2002 und dem 2. Oktober 2003 beendet. Die Verjährung ist nach der Bekanntgabe der Vorwürfe an die Angeklagten am 29. April 2004 anlässlich der Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts vom 29. März 2004 innerhalb der folgenden fünf Jahre nicht unterbrochen worden. Die nächste Handlung, die zur Unterbrechung geeignet gewesen wäre, war die Erhebung der Anklage. Da der Tag des für den Fristbeginn maßgeblichen Ereignisses einzubeziehen ist, endet die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner Bezeichnung dem Anfangstag vorangeht (vgl. RGSt 65, 287, 290; Fischer, StGB 58. Aufl. § 78a Rn. 6; LK/Schmid, StGB 12. Aufl. § 78 Rn. 7; Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl. § 78 Rn. 12). Dies war hier der 28. April 2009, so dass die Anklageerhebung am 29. April 2009 die Verjährung nicht mehr unterbrechen konnte (vgl. BGH, Beschl. v. 2.3.2011 - 2 StR 275/10 - StV 2011, 483). |
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§ 78 Abs. 4 StGB |
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... (4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind. |
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75 |
§
78 Abs. 4 letzter Halbsatz StGB, wonach
Schärfungen, die für besonders schwere Fälle
vorgesehen sind, bei der Verjährungsfrist nicht
berücksichtigt werden dürfen, findet auf
eigenständige Qualifikationstatbestände keine
Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 28.8.1997 - 4 StR 110/97 - NStZ 1998, 36;
Tröndle StGB 48. Aufl. § 78 Rdn. 5). Die Verjährung knüpft an den Strafrahmen des Grundtatbestandes an, Strafdrohungen für besonders schwere oder minder schwere Fälle bleiben außer Betracht (§ 78 Abs. 4 StGB, vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 23.7.2003 - 5 StR 278/03). Wird ein Qualifikationstatbestand zu einem Regelbeispiel umgewandelt, kann dies daher trotz möglicherweise gleichbleibenden Strafrahmens für einen Regelfall eine Verkürzung der Verjährungsfrist zur Folge haben. Wird die Strafdrohung anschließend, vor Eintritt der Verjährung, wieder verschärft, indem erneut ein Qualifikationstatbestand geschaffen wird, ist nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 3 StGB die Strafe dem mildesten Gesetz zu entnehmen, welches auch für die Frage der Verjährung maßgeblich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.2005 - 2 StR 122/05 - wistra 2005, 375). Die Geltung einer kürzeren Verjährungsfrist folgt in diesen Fällen nicht schon aus Art. 309 Abs. 3 EGStGB, wonach die Verjährungsfristen des bisherigen Rechts für Altfälle dann fortgelten, wenn sie kürzer sind. Aus dieser Regelung läßt sich nicht ableiten, daß in jedem Fall die dem Täter günstigste Verjährungsregelung eingreift. Diese Vorschrift, h im Zuge der damaligen Reform der Verjährungsregelungen mögliche Unsicherheiten zugunsten der Täter lösen wollte, ist nicht verallgemeinerungsfähig (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.2005 - 2 StR 122/05 - wistra 2005, 375). |
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Urteil |
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U.2 |
siehe hierzu: § 267 StPO Rdn. 15.5 - Verfahrenshindernisse; § 260 StPO Rdn. 75.1 - Einstellungsurteil wegen Verjährung | |
Prozessuales |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 78 StGB wird verwiesen auf: § 11 StGB siehe auch: Personen- und Sachbegriffe, § 11 StGB § 76a StGB siehe auch: Verjährungsbeginn, § 78a StGB § 211 StGB siehe auch: Mord, § 211 StGB Auf § 78 StGB wird verwiesen in: § 78b StGB siehe auch: Ruhen der Verjährung, § 78b StGB |
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Z.8.2 | |
§ 78 StGB wurde mit Wirkung vom 1.7.2017
geändert
durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung
vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872).
Zuvor hatte
die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 78 StGB Verjährungsfrist (1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt. (2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. (3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist 1. dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, 2. zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind, 3. zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind, 4. fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind, 5. drei Jahre bei den übrigen Taten. (4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind." Diese Vorschrift ist auf Grund der nach Artikel 2 Ziffer 2 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, 872, 878) geltenden Übergangsvorschrift des Art. 316h EGStGB für bestimmte Verfahren in der bisherigen Fassung auch weiter anwendbar. "Artikel 316h EGStGB | |
Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 5. Abschnitt (Verjährung) 1. Titel (Verfolgungsverjährung) |
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