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§
57a StGB
Aussetzung des Strafrestes bei
lebenslanger Freiheitsstrafe
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind, 2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und 3. die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen. § 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend. (2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat. (3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend. (4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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5 |
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5.1 |
Die
besondere Schuldschwere kommt nicht nur bei Mord, sondern bei allen
die lebenslange Freiheitsstrafe androhenden Tatbeständen in
Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 18.9.2002 - 2 StR 346/02 betr. Totschlag
in einem besonders schweren Fall). siehe auch: Totschlag, § 212 StGB Die lebenslange Freiheitsstrafe drohen folgende Straftatbestände an: § 80 StGB siehe auch: Vorbereitung eines Angriffskrieges, § 80 StGB (aufgehoben) § 81 Abs. 1 StGB siehe auch: Hochverrat gegen den Bund, § 81 StGB § 94 Abs. 2 StGB siehe auch: Landesverrat, § 94 StGB § 97a StGB i.V.m. § 94 Abs. 2 StGB siehe auch: Verrat illegaler Geheimnisse, § 97a StGB § 100 Abs. 2 StGB siehe auch: Friedensgefährdende Beziehungen, § 100 StGB § 176b StGB siehe auch: Sexueller Mißbrauch von Kindern mit Todesfolge, § 176b StGB § 178 StGB siehe auch: Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge, § 178 StGB § 211 StGB siehe auch: Mord, § 211 StGB § 212 Abs. 2 StGB siehe auch: Totschlag, § 212 StGB § 239a Abs. 3 StGB siehe auch: Erpresserischer Menschenraub, § 239a StGB § 239b Abs. 2 StGB siehe auch: Geiselnahme, § 239b StGB § 251 StGB siehe auch: Raub mit Todesfolge, § 251 StGB § 307 Abs. 3 Nr. 1 StGB siehe auch: Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie, § 307 StGB § 308 Abs. 3 StGB siehe auch: Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, § 308 StGB § 309 Abs. 4 StGB siehe auch: Mißbrauch ionisierender Strahlen, § 309 StGB § 313 StGB i.V.m. § 308 Abs. 3 StGB siehe auch: Herbeiführen einer Überschwemmung, § 313 StGB § 314 Abs. 2 StGB i.V.m. § 308 Abs. 3 StGB siehe auch: Gemeingefährliche Vergiftung, § 314 StGB § 316a Abs. 3 StGB siehe auch: Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, § 316a StGB § 316c Abs. 3 StGB siehe auch: Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr, § 316c StGB § 6 VStGB siehe auch: Völkermord, § 6 VStGB § 7 Abs. 1 Nr. 1 u. 2, Abs. 3 VStGB siehe auch: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, § 7 VStGB § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 VStGB siehe auch: Kriegsverbrechen gegen Personen, § 8 VStGB § 11 Abs. 2 Satz 2 VStGB siehe auch: Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung, § 11 VStGB § 12 Abs. 2 Satz 2 VStGB siehe auch: Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung, § 12 VStGB |
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5.2 |
Die
Entscheidung über die Frage, ob die besondere
Schuldschwere im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB
zu
bejahen ist, hat der Tatrichter ohne Bindung an begriffliche Vorgaben
im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und
Täterpersönlichkeit zu treffen, wobei ein Bejahen nur
möglich ist, wenn Umstände von Gewicht vorliegen
(vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227; BGH, Beschl. v.
27.6.2001 - 2 StR 174/01; BGH, Beschl. v. 9.8.2001 - 1 StR 295/01; BGH,
Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146; BGH, Urt. v. 1.7.2004
- 3 StR 494/03; BGH, Urt. v. 8.9.2005 - 1 StR 159/05; BGH, Urt. v.
9.10.2008 - 4 StR 354/08 - StraFo 2009, 79; BGH, Urt. v. 9.12.2009 - 5
StR 403/09; BGH, Urt. v. 3.6.2015 - 2 StR 422/14). Dem Revisionsgericht
ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; es ist
gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle der tatrichterlichen
Wertung zu setzen (BGHSt 40, 360, 370; BGH, Urt. v. 8.9.2005 - 1 StR
159/05 - NStZ-RR 2006, 236, 237; Fischer, StGB, 62. Aufl., §
57a Rn. 27). Revisionsgerichtlicher Kontrolle unterliegt daher nur, ob
der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und
gegeneinander abgewogen hat (BGH, Urt. v. 3.6.2015 - 2 StR 422/14). Die Feststellung besonderer Schwere der Schuld setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit von den erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Mordfällen so sehr abweicht, dass eine Strafaussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei dann günstiger Täterprognose unangemessen wäre (BGH, Urt. v. 21.1.1993 - 4 StR 560/92 - BGHSt 39, 121, 125; BGH, Beschl. v. 22.11.1994 - GSSt 2/94 - BGHSt 40, 360, 370; BGH, BGHR StGB § 57a Abs. 1 Schuldschwere 6; BGH, Urt. v. 3.12.2008 - 2 StR 435/08 - NStZ-RR 2009, 103; BGH, Urt. v. 27.6.2012 - 2 StR 103/12; BGH, Beschl. v. 23.1.2014 - 2 StR 637/13 - NStZ 2014, 212; BGH, Urt. v. 3.6.2015 - 2 StR 422/14). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn mehrere Mordmerkmale verwirklicht oder mehrere Menschen ermordet wurden oder die Tatausführung durch besonders verwerfliche Umstände gekennzeichnet ist (BGH NJW 1993, 1999, 2000; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 57a Rn. 11a). Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; BGH, Urt. v. 27.6.2012 - 2 StR 103/12). Die Begehung mehrerer Tötungsdelikte kann zwar ein Umstand von Gewicht im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sein (vgl. BGHSt 39, 208), er kann jedoch nicht ohne weiteres zur Bejahung der besonderen Schuldschwere führen, sondern nur im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung. Selbst wenn die Gesamtwürdigung der mit lebenslanger Freiheitsstrafe als Einzelstrafe geahndeten Straftat und Täterpersönlichkeit die Schuldschwere-Entscheidung rechtfertigen würde, so entbindet dies den Tatrichter nicht von der zusammenschauenden Würdigung aller der Gesamtstrafe zugrundeliegenden Straftaten im Sinne von § 57b StGB. Er kann insoweit zusätzliche, die besondere Schwere der Schuld erhöhende Umstände berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 27.6.2001 - 2 StR 174/01). Auf ein bloßes Zusammenzählen von Mordmerkmalen kommt es im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung nicht an (vgl. BGHSt 41, 57, 63; BGH, Urt. v. 8.9.2005 - 1 StR 159/05). Auch ohne das Vorliegen zweier Mordmerkmale kann die besondere Schuldschwere festgestellt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2000 - 1 StR 414/00 - NStZ 2001, 194). Ebensowenig ausreichend ist ein bloßes Übergewicht der schulderhöhenden Faktoren (vgl. BGH, Beschl. v. 27.8.2003 - 5 StR 341/03). Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt für sich genommen nicht ohne weiteres zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, und zwar auch dann nicht, wenn die Mordmerkmale auf materiell verschiedenen schulderhöhenden Umständen beruhen; erforderlich ist auch in diesem Fall eine Gesamtwürdigung anhand der Umstände des Einzelfalles (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.1993 - 4 StR 153/93 - NJW 1993, 1999, 2000; BGH, Urt. v. 12.3.1998 - 1 StR 708/98 - StV 1998, 420, 421; BGH, Urt. v. 8.9.2005 - 1 StR 159/05, NStZ-RR 2006, 236, 237; BGH, Beschl. v. 23.1.2014 - 2 StR 637/13 - NStZ 2014, 212). Bei dem (tateinheitlichen) Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier überschneidet sich der Unrechtskern beider Tatbestände weitgehend (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.2014 - 2 StR 637/13 - NStZ 2014, 212; vgl. auch BGH, Urt. v. 9.10.2008 - 4 StR 354/08 - NStZ 2009, 203, 204). Aus dem Umstand, dass der Angeklagte sein Ziel, sich auf Kosten des Geschädigten zu bereichern, über einen Zeitraum von mehr als einem Monat zielstrebig verfolgt und dabei ab dem Zeitpunkt seiner Anreise auch den Einsatz von Gewalt einkalkuliert hat, lässt sich der Vorwurf besonders großer krimineller Energie nicht ohne Weiteres ableiten (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.2014 - 2 StR 637/13 - NStZ 2014, 212). Ohne maßgeblichen Einfluss auf die Schuldschwereentscheidung kann der Umstand sein, dass im Zuge der Revision des Angeklagten die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Selbstladekurzwaffe wegen Verjährung wegfällt (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.2002 - 4 StR 74/02) oder im Hinblick auf die Vielzahl der weiteren erheblichen Taten (u.a. vollendeter Mord ebenfalls mit lebenslanger Freiheitsstrafe, versuchter Totschlag, Geiselnahme) ausgeschlossen werden kann, daß der Tatrichter ohne die Erwähnung des Vorliegens eines weiteren (zweiten) Mordmerkmals in einem weiteren Fall die besondere Schwere der Schuld verneint hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2001 - 2 StR 380/01). siehe auch: Mord, § 211 StGB Das Tatgericht hat einen Ermessensspielraum, ob es die besondere Schuldschwere schon bei der Würdigung des Mordes prüft sowie gegebenenfalls feststellt und dann in einem zweiten Schritt hinsichtlich der Gesamtstrafe die gefährliche Körperverletzung als weiteren schulderhöhenden Umstand bewertet (§ 57b StGB) oder ob es die besondere Schuldschwere in einer Gesamtwürdigung nur in Bezug auf die Gesamtstrafe erörtert (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2014 - 5 StR 60/14; BGH, Beschl. v. 20.11.1996 – 3 StR 469/96 - NJW 1997, 878 mwN; siehe auch BGH, Urt. v. 9.10.2008 – 4 StR 354/08 - NStZ 2009, 203, 204). |
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5.2.1 |
Bei
der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als
Gesamtstrafe sind nach § 57b StGB Anknüpfungspunkt
für die Prüfung der besonderen Schuldschwere
regelmäßig sämtliche der Gesamtstrafe zu
Grunde liegenden Taten, insbesondere solche, die in einem inneren
Zusammenhang mit der mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Tat
stehen (vgl. BGH NStZ 1997, 277 mit Anm. Stree; NStZ 1998, 352 f.; BGH,
Beschl. v. 27.6.2001 - 2 StR 174/01 - StV 2001, 571; BGH, Urt. v.
8.8.2001 - 3 StR 162/01; BGH, Urt. v. 9.10.2008 - 4 StR 354/08 - StraFo
2009, 79; vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.12.2001 - 5 StR 488/01). Wird bei der Entscheidung über die Schuldschwere allein eine zusammenfassende Würdigung der Tat zum Nachteil eines von mehreren Geschädigten, nicht aber eine Gesamtwürdigung im Hinblick auf alle der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Straftaten vorgenommen, ist dies rechtsfehlerhaft. Etwas anderes kann gelten, wenn es sich bei den weiteren Straftaten um solche handelt, die der leichten Kriminalität zuzurechnen sind; solche Taten sind regelmäßig für die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 137 zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz; BGH, Urt. v. 9.10.2008 - 4 StR 354/08 - StraFo 2009, 79; BGH, Beschl. v. 8.12.2009 - 5 StR 433/09 - NJW 2010, 1157 betr. nicht schwer wiegende Geldstrafe wegen Trunkenheitsfahrt; Fischer, StGB 56. Aufl. § 57b Rdn. 2). Zwar hindert die in § 57b StGB vorgeschriebene zusammenfassende Würdigung der einzelnen Straftaten bei der Feststellung der besonderen Schuldschwere im Falle einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe den Tatrichter nicht, die besondere Schwere der Schuld schon für eine mit lebenslanger Freiheitsstrafe als Einzelstrafe geahndete Tat festzustellen (vgl. BGH NStZ 1997, 277). In dem Fall hat er allerdings eine zweifache Würdigung im Hinblick auf die besondere Schuldschwere vorzunehmen (BGH, Beschl. v. 27.6.2001 - 2 StR 174/01). siehe auch: § 57b StGB, Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe |
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5.3 |
Die
Gewichtung der
Schuldschwere ist entsprechend den Regeln zu
ermitteln, die für die Strafzumessungsschuld im Sinne des
§ 46 Abs. 1 StGB gelten (BGHSt 42, 226, 228 f.; BGH, Beschl.
v. 23.5.2000 - 1 StR 193/00; BGH, Beschl. v. 13.2.2001 - 4 StR 562/00 -
StV 2003, 18; BGH, Urt. v. 18.6.2014 - 5 StR 60/14; vgl. auch
Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. §
57a Rdn. 3 b m.w.N.; LK/Hubrach, 12. Aufl., § 57a Rn. 16).
Dementsprechend kann nach den hierfür von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätzen (vgl. LK/Theune, 12. Aufl., § 46 Rn.
197 ff.) auch das Nachtatverhalten bei der Frage zu
berücksichtigen sein, ob Umstände von Gewicht (vgl. BGH,
Beschl. v. 22.11.1994 – GSSt 2/94) die Annahme besonderer
Schuldschwere indizieren, wenn ein innerer Zusammenhang mit dem
Schuldvorwurf besteht und sichere Schlüsse auf die Einstellung des
Täters zur Tat möglich sind (BGH, Urt. v. 18.6.2014 - 5 StR
60/14: Falschbebezichtigung
des Sohnes; bewusste
und energische Instrumentalisierung seiner Kinder bei der
Spurenbeseitigung am Tatort mit dadurch verursachten
psychischen Beeinträchtigungen; Tatbegehung während laufender
Bewährung). Auch im Rahmen der Schuldschwerebeurteilung nach § 57a StGB ist das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB zu beachten (BGH NStZ 1983, 364; StV 1997, 129; BGH, Beschl. v. 1.3.2001 - 4 StR 36/01 - NStZ-RR 2001, 295; BGH, Beschl. v. 5.4.2001 - 4 StR 106/01 - NStZ-RR 2001, 296). siehe auch: Grundsätze der Strafzumessung, § 46 StGB --> Abs. 3 Auch bei der Prüfung der besonderen Schuldschwere gilt der Grundsatz, dass einem Angeklagten ein zulässiges Verteidigungsverhalten nicht als schulderhöhender Umstand angerechnet werden darf. Fehlende Reue darf weder einem die Tat leugnenden Angeklagten nachteilig angelastet werden (BGH StV 1993, 639) noch einem solchen, der versucht, sie in einem wesentlich milderen Licht darzustellen (BGH, Beschl. v. 23.5.2000 - 1 StR 193/00; BGH, Beschl. v. 13.2.2001 - 4 StR 562/00 - StV 2003, 18). Wird daher in der Gesamtwürdigung zu Lasten des Angeklagten angeführt "Die in den Einlassungen vor der Kammer zutage getretenen Beschönigungstendenzen geben deutlich zu erkennen, daß bei dem Angeklagten von Reue nicht die Rede sein kann.", so kann dies gegen den vorgenannten Grundsatz verstoßen (vgl. BGH, Beschl. v. 23.4.2002 - 3 StR 102/02). Wird die Schuldschwerebeurteilung auch darauf gestützt, daß der Angeklagte "mit absolutem Vernichtungswillen vorgegangen" ist, kann diese Erwägung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen und gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen, wenn damit das Tatbestandsmerkmal des Tötungsvorsatzes zu Lasten des Angeklagten doppelt verwertet worden ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1). Dies gilt jedenfalls dann, wenn nach dem Gesamtzusammenhang der Begründung der Entscheidung über die Schuldschwere das Tatgericht der "erbarmungslosen Brutalität", mit der der Angeklagte vorgegangen ist, eine eigenständige Bedeutung beigemessen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2004 - 4 StR 403/03). siehe auch: Grundsätze der Strafzumessung, § 46 StGB Bei der Bewertung sonstiger strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ohne gesonderte Anklage – bei Beachtung der Unschuldsvermutung und der Vermeidung einer Doppelbestrafung – kann es in aller Regel nur darum gehen, Umstände festzustellen, die wegen ihrer engen Beziehung zur Tat als Anzeichen für Schuld oder Gefährlichkeit des Täters verwertbar sind. Diese durch Sinn und Zweck von § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn es an dem notwendigen inneren Zusammenhang mit dem angeklagten Tatvorwurf fehlt (BGH, Beschl. v. 19.5.2015 - 1 StR 152/15; BGH, Beschl. v. 19.11.2013 – 4 StR 448/13 - NStZ 2014, 202 mwN). Eine solche enge Beziehung der Diebstahlstaten zum Mord ist hier nicht dargetan (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 8.8.2001 – 3 StR 162/01). Denn es handelt sich bei diesen Taten weder um vergleichbare bzw. gleichartige Schuldvorwürfe, aus denen sich unmittelbare Rückschlüsse auf die Tatschuld des Angeklagten ableiten ließen, noch waren die Diebstahlstaten Anlass für die Tötung der Geschädigten oder standen dazu in einem sonstigen inneren Zusammenhang (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2015 - 1 StR 152/15). |
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5.4 |
Auch
für die Gewichtung der Strafzumessungsschuld, die
Grundlage auch der Schuldschwerebeurteilung nach § 57a StGB ist (BGHSt
42, 226, 228 f.), gilt der
Zweifelsgrundsatz
uneingeschränkt (vgl. BGH, Beschl. v.
5.4.2001 - 4 StR 106/01 - NStZ-RR 2001, 296; Lackner/Kühl StGB
23. Aufl. § 46 Rdn. 32 m.w.N.). siehe auch: In dubio pro reo |
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5.5 |
Würdigt
das Tatgericht ausführlich die Umstände der Tat und
die Persönlichkeit des Angeklagten, insbesondere dessen
Vorstrafen, und kommt dann zu dem Ergebnis, daß keine
hinreichenden Gründe dafür ersichtlich seien, von der
Feststellung der besonderen Schuldschwere abzusehen,
läßt diese Begründung besorgen,
daß von einem falschen Regel-Ausnahme-Verhältnis
ausgegangen wurde. Mord wird im Regelfall "nur" mit lebenslanger
Freiheitsstrafe geahndet; die besondere Schwere der Schuld ist
darüber hinaus ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn bei der
erforderlichen Gesamtwürdigung von Tat und
Täterpersönlichkeit hierfür sprechende
Umstände von Gewicht festgestellt werden (vgl. BGHSt 40, 360,
370; BGH, Beschl. v. 8.12.2004 - 2 StR 472/04). Das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit schließt die Annahme besonders schwerer Schuld, insbesonders in Fällen selbstverschuldeter Trunkenheit, nicht von vorneherein aus (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2004 - 3 StR 494/03). |
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5.6 |
Zwar
ist nach dem Wortlaut des Gesetzes die Anordnung der
Sicherungsverwahrung auch neben lebenslanger Freiheitsstrafe
möglich. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai
2011 (2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326) ist § 66 StGB aber mit
Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 GG unvereinbar und bis zu einer
Neuregelung, längstens bis zum 31. Mai 2013, während der
Übergangszeit nur anwendbar, soweit der Eingriff unerlässlich
ist, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten
(BVerfG aaO S. 406). Wie bereits der 2. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs entschieden hat (BGH, Urt. v. 25.7.2012 - 2 StR
111/12, juris Rn. 22 ff.), ist im Rahmen der nach § 66 Abs. 2,
Abs. 3 Satz 2 StGB zu treffenden Ermessensentscheidung ein Nebeneinander von lebenslanger
Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung indes nicht
unerlässlich. Dem hat sich der 3. Strafsenat angeschlossen (BGH,
Beschl. v. 18.12.2012 - 3 StR 330/12). Eine lebenslange Freiheitsstrafe kann auch nach Ablauf der nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 StGB bestimmten Verbüßungsdauer nur dann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (vgl. § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Solange der Verurteilte noch gefährlich ist, wird die lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt. Erst wenn sich herausstellt, dass von dem Verurteilten keine Gefahr mehr ausgeht, wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. In diesem Falle dürfte indes auch eine zusätzlich zur lebenslangen Strafe angeordnete Sicherungsverwahrung nicht mehr vollzogen werden (§ 67c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Auch sie müsste zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 67c Abs. 1 Satz 1, Satz 2 1. Halbsatz StGB). Angesichts dessen erscheint es kaum denkbar, dass im Anschluss an eine bedingte Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe die Sicherungsverwahrung wegen fortbestehender Gefährlichkeit des Betroffenen vollstreckt werden wird (BGH, Beschl. v. 18.12.2012 - 3 StR 330/12; BGH, Urt. v. 25.7.2012 - 2 StR 111/12 Rn. 23; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 8.11.2006 - 2 BvR 578/02 u.a. - BVerfGE 117, 71, 93; BGH, Beschl. v. 6.7.2010 - 5 StR 142/10 - NStZ-RR 2011, 41). Auch die verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine spätere Entscheidung über eine etwaige Strafaussetzung entsprechen denjenigen, die für die nach § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB zu klärende Frage gelten, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung auch nach der Verbüßung der Strafe noch erfordert (§ 454, § 463 Abs. 1 und 3 StPO). Insbesondere ist stets unter Heranziehung eines Sachverständigen zu klären, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht (§ 463 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 454 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Anordnung der Sicherungsverwahrung erscheint damit neben der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe im Interesse der öffentlichen Sicherheit nicht als unabdingbar (BGH, Beschl. v. 18.12.2012 - 3 StR 330/12; s. bereits BGH, Beschl. v. 17.12.1985 - 1 StR 564/85 - BGHSt 33, 398, 400 f.; insgesamt kritisch Peglau, NJW 2000, 2980 f.; Kreuzer, ZRP 2011, 7, 9). |
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5.7 |
Dem
Revisionsgericht ist nur ein eingeschränkter
Überprüfungsrahmen eröffnet (vgl. BGHSt 41,
57, 62; 48, 360, 370; BGH, Urt. v. 3.12.2008 - 2 StR 435/08 - NStZ-RR
2009, 103; Fischer StGB 56. Aufl. § 57 a Rdn. 14, 27). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der Entscheidung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; es hat lediglich zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und abgewogen hat, ist aber gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle der tatrichterlichen Wertung zu setzen (BGH, Beschl. v. 22.11.1994 – GSSt 2/94 - BGHSt 40, 360, 370; BGHSt 41, 57, 62; 42, 226, 227; BGH NStZ 1998, 352, 353; BGH, Urt. v. 14.12.2000 - 4 StR 375/00 - StV 2001, 228; BGH, Urt. v. 30.1.2001 - 1 StR 454/00; BGH, Beschl. v. 13.2.2001 - 4 StR 562/00 - StV 2003, 18; BGH, Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 167/01 - NStZ 2002, 49: betr. fehlende Prüfungsmöglichkeit; BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146; BGH, Beschl. v. 27.8.2003 - 5 StR 341/03; BGH, Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 386/03; BGH, Urt. v. 1.7.2004 – 3 StR 494/03 - BGHR StGB § 57a Abs. 1 Schuldschwere 25; BGH, Urt. v. 8.9.2005 - 1 StR 159/05; BGH, Urt. v. 30.3.2006 - 4 StR 567/05; BGH, Urt. v. 2.4.2008 - 2 StR 621/07 - NStZ-RR 2008, 238; BGH, Urt. v. 9.10.2008 - 4 StR 354/08 - StraFo 2009, 79; BGH, Urt. v. 9.12.2009 - 5 StR 403/09; BGH, Urt. v. 27.6.2012 - 2 StR 103/12; BGH, Urt. v. 18.6.2014 - 5 StR 60/14; BGH, Beschl. v. 19.5.2015 - 1 StR 152/15). |
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10 |
Die
Anordnung einer
Mindestverbüßungsdauer ist
unzulässig und entfaltet keine Bindungswirkung. Das erkennende
Gericht hat die besondere Schuldschwere im Sinne von § 57a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB festzustellen sowie die dafür
erheblichen Tatsachen darzustellen und zu gewichten, um für
das Vollstreckungsverfahren klare Vorgaben zu liefern (BVerfGE 86, 288,
315 ff.; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - 3 StR 62/02). Es hat sich jedoch
jeglicher Feststellungen zur Verbüßungsdauer zu
enthalten, weil für die nach §§ 57a, 57b
StGB zu treffenden Entscheidungen ausschließlich die
Strafvollstreckungskammer zuständig ist (§§
462a, 454 StPO) (vgl. BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - 3 StR 62/02; BGH,
Beschl. v. 11.2.2003 - 3 StR 212/02). Auch eine nur vorläufige
Einschätzung einer rein schuldschwerebedingten
Verlängerung der Verbüßungszeit
über 15 Jahre hinaus ist damit, daß dem
Schwurgericht nur die Gewichtung der schuldschwerebegründenden
Tatsachen übertragen ist, nicht vereinbar (vgl. BGH NStZ 1997,
277; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - 3 StR 62/02). siehe auch: Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, § 462a StPO; Aussetzung des Strafrestes, § 454 StPO |
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15 |
Die
Strafvollstreckungskammer ist nicht gehindert, bei der Festsetzung
der Verlängerungsdauer der
Mindestverbüßungszeit der verhängten
lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB) zu
berücksichtigen, dass der Angeklagte eine Freiheitsstrafe aus
einer an sich gesamtstrafenfähigen Vorverurteilung vor Erlass
des angefochtenen Urteils voll verbüßt hatte
(§ 57a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB;
vgl. BGH, Beschl. v. 9.12.2008 - 4 StR 358/08 - NStZ-RR 2009, 104 -
StraFo 2009, 124; BGH, Beschl. v. 8.12.2009 - 5 StR 433/09 - NJW 2010,
1157; Fischer, StGB 55. Aufl. § 57a Rdn. 17; a.A. OLG
Saarbrücken NStZ-RR 2007, 219). siehe hierzu näher: § 55 StGB - Rdn. 60.2.1 - Härteausgleich bei lebenslanger Freiheitsstrafe |
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20 |
Das
Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt nicht
schematisch zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, sondern nur
dann, wenn das weitere Merkmal im konkreten Fall
schulderhöhende Umstände aufzeigt. Bei einem Raubmord
kann die regelmäßig gleichzeitige Verwirklichung der
Mordmerkmale der Habgier und des Ermöglichen einer Straftat
der Tat nicht ohne weiteres ein besonders schulderhöhendes
Gewicht geben (vgl. BGHR StGB § 57a Abs. 1 Schuldschwere 16,
18; BGH, Urt. v. 9.10.2008 - 4 StR 354/08 - StraFo 2009, 79). Beim
Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier ist das
Unrecht, das in der Herbeiführung des Todes liegt, bereits
Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 StGB (vgl. BGHR StGB
§ 57a Abs. 1 Schuldschwere 10; insoweit nicht in BGHSt 39, 208
f. abgedruckt; BGH, Urt. v. 9.10.2008 - 4 StR 354/08 - StraFo 2009,
79). Bei einem "Raubmord" trägt das Vorliegen der beiden
Mordmerkmale Habgier und Ermöglichungsabsicht und eines
idealkonkurrierenden Raubes mit Todesfolge für sich die
Annahme besonderer Schuldschwere kaum (vgl. BGHR StGB § 57a
Abs. 1 Schuldschwere 18 und 20; BGH, Beschl. v. 12.12.2001 - 5 StR
539/01; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 396,
844). Treten jedoch Umstände wie die Beseitigung der Leiche
vor dem Hintergrund der Tatplanung und mit anschließender
systematischer Ausplünderung des Vermögens des
Getöteten unter vortäuschender Annahme von dessen
Identität, kann sich die Schuldschwerefeststellung aus dem
Gesamtbild der Tatplanung und -begehung ergeben (vgl. BGH, Beschl. v.
12.12.2001 - 5 StR 539/01). Bejaht in einem Fall, in dem das Landgericht entscheidend darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte zwei Mordmerkmale erfüllt hat und seine Vorgehensweise, bei der das handlungsunfähige aber nicht bewusstlose Tatopfer eine 50 m hohe Brücke hinabgestürzt wurde, für dieses besonders qualvoll war (vgl. BGH, Beschl. v. 14.3.2007 - 2 StR 36/07). Betreffend massive Vorstrafen und Bewährungsversagen vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2004 - 3 StR 494/03. Die Verstrickung eines Jugendlichen in ein schwerstes Kapitalverbrechen kann fraglos ein für die Schuldschwereentscheidung maßgeblicher Gesichtspunkt sein (vgl. BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146). Nicht rechtsfehlerhaft ist es ebenfalls, bei einem mit hoher krimineller Energie und in professioneller Weise verübten Auftragsmord mit direkter oder indirekter Beteiligung von drei Personen Umstände von Gewicht im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB anzunehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.6.2009 - 2 StR 61/09). Hat der Angeklagte das Opfer - eine damals 73 Jahre alte, gehbehinderte Frau - brutal vergewaltigt und anschließend erwürgt, ist für die Beurteilung der Täterpersönlichkeit bestimmend heranzuziehen, dass der auch sonst zu erheblichen Gewalttätigkeiten neigende Angeklagte bei der anderweitig abgeurteilten Tat eine Prostituierte sexuell genötigt und dabei bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt hatte (vgl. BGH, Beschl. v. 28.5.2009 - 5 StR 184/09: betr. § 55 StGB: Verneinung der Gewährung eines Härteausgleichs). Dass der Angeklagte drei Menschen unter Verwirklichung zweier Mordmerkmale getötet hat, wird regelmäßig für die Feststellung besonderer Schuldschwere ausreichen. Eine abweichende Entscheidung kann jedoch im Einzelfall auf die psychische Situation des Angeklagten gestützt werden, so etwa, wenn sich der Angeklagte beim Fassen des Tatentschlusses und bei der Ausführung der Taten psychisch stark eingeengt fühlte. Diesen Zustand darf der Tatrichter als maßgebliches Kriterium für die Ablehnung besonders schwerer Schuld werten, auch wenn er noch nicht die Qualität eines krankheitswertigen Affektes, der die Anwendung des § 21 StGB gerechtfertigt hätte, erreicht hatte und bei der Besonderheit der Tatursachen auch noch nicht einmal das Vorliegen niedriger Beweggründe aus subjektiven Gründen in Frage stellen konnte (vgl. BGH, Urt. v. 3.9.2002 - 5 StR 139/02 - NStZ 2003, 146). Verneint in einem Fall zweier Morde unter Verwirklichung von jeweils zwei Mordmerkmalen bei Ausführung mit aussergewöhnlicher Brutalität unter Berücksichtigung der Unbestraftheit, weitgehenden Geständigkeit sowie der Lebenskrise zur Tatzeit und des Umstands, dass es sich um Spontantaten handelte (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2004 - 4 StR 268/04 - NStZ 2005, 262; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 386/03). Ebenfalls ungeachtet der Tatintensität verneint mit Rücksicht auf die spontane Auslösung der Tat durch einen Streit und die begleitende „emotional aufgewühlte Stimmung“ des Angeklagten (vgl. BGH, Beschl. v. 10.9.2003 - 5 StR 373/03) oder bei bisheriger Unbestraftheit des die Spontantat begehenden Täters, wobei die Tat 21 Jahre zurücklag und er in dieser Zeit ein sozialadäquates Leben geführt hat (vgl. BGH, Urt. v. 2.4.2008 - 2 StR 621/07 - NStZ-RR 2008, 238). Der Angeklagte hat zwei Mordmerkmale erfüllt und die Tat in einer über die ledigliche Tatbestandsverwirklichung hinausgehenden - objektiv an das Mordmerkmal grausam heranreichenden - Weise begangen. Durch eine in Griechenland verbüßte mehrjährige Haftstrafe wegen Raubes war er nicht hinreichend beeindruckt und hat in Tatmehrheit eine Unterschlagung begangen (vgl. § 57b StGB). Zu Gunsten des Angeklagten wurde u.a. gesehen, dass die Tat ursprünglich durch den sexuellen Missbrauch durch das Opfer motiviert war (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2005 - 2 StR 393/05). Werden mehrere Tatvarianten zur Verurteilung wegen Mordes herangezogen, muss bei der Beurteilung die dem Angeklagten Günstigste der Bewertung der Schuldschwere zu Grunde gelegt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 5.8.2005 - 2 StR 195/05). Auch dem Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand, kommt Bedeutung zu (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.2008 - 4 StR 354/08 - StraFo 2009, 79). In BGH, Urt. v. 27.6.2012 - 2 StR 103/12 lag zugrunde, dass der Angeklagte mit den tödlichen Schüssen vor allem beabsichtigte, vermeintliche "Eigentumsrechte" an der Geschädigten durchzusetzen. Bei der Ausführung der Tat waren für den Angeklagten nicht Motive wie Verzweiflung und Ausweglosigkeit (vgl. BGH NStZ 2004, 34; NStZ-RR 2004, 44; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 28 mwN) über das Ende der Beziehung handlungsleitend, sondern er wollte vermeintliche Besitzrechte an der Geschädigten nicht aufgeben und sprach ihr ohne eine Beziehung mit ihm das Lebensrecht ab. |
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§ 57a Abs. 2 StGB |
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35 |
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35.1 |
Im
Falle einer Gesamtstrafenbildung gemäß §
55 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 StGB bezieht sich die
Mindestverbüßungszeit des § 57a Abs. 1 Nr.
1 StGB nach § 57a Abs. 2 StGB nicht auf die lebenslange
Freiheitsstrafe allein, sondern auf alle Taten, deren Strafen in die
Gesamtstrafe einzubeziehen waren (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2009 - 5
StR 433/09 - NJW 2010, 1157 auch zum Härteausgleich bei in
Unterbrechung der Untersuchungshaft vollstreckter
Ersatzfreiheitsstrafe; Fischer StGB 56. Aufl. § 57a Rdn. 22). siehe auch: § 55 StGB - Rdn. 60.2.1 - Härteausgleich bei lebenslanger Freiheitsstrafe |
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35.2 |
L e i t s a t z
Auch bei der Verurteilung zu
lebenslanger Freiheitsstrafe muß das erkennende Gericht
für eine im Ausland erlittene Freiheitsentziehung einen
Anrechnungsmaßstab festsetzen (BGH,
Beschl. v. 11.8.2004 - 2
StR 34/04 - Ls. - wistra 2004, 463). Als verbüßt in diesem Sinne gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat (§ 57a Abs. 2 StGB). Für zeitige Freiheitsstrafen ist ausdrücklich geregelt, daß Freiheitsentziehungen, die der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland erlitten hat, auf die Strafe anzurechnen sind und daß hierfür ein Anrechnungsmaßstab zu bestimmen ist (§ 51 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 StGB). Es sind keine Gründe dafür erkennbar, die es rechtfertigen könnten, im Ausland erlittene Freiheitsentziehungen, abweichend von der gesetzlichen Regelung für die zeitige Freiheitsstrafe, nicht auf die Mindestverbüßungszeit der lebenslangen Freiheitsstrafe anzurechnen. Aus § 57a Abs. 2 StGB ergibt sich eine solche Beschränkung nicht. Vielmehr sind die Anrechnungsvorschriften für die zeitige Freiheitsstrafe entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Beschl. v. 11.8.2004 - 2 StR 34/04 - wistra 2004, 463; so im Ergebnis schon BGH, Beschl. v. 6.3.1996 - 5 StR 78/96). Dies hat zur Folge, daß der Anrechnungsmaßstab - wie bei zeitigen Freiheitsstrafen - bereits von dem erkennenden Gericht bestimmt werden muß. Das ist auch bei der Anrechnung auf die Mindestverbüßungszeit der lebenslangen Freiheitsstrafe sachgerecht, weil sich etwa erschwerte Haftverhältnisse bei einer Freiheitsentziehung im Ausland in der Hauptverhandlung leichter und zeitnäher feststellen lassen, als im späteren Vollstreckungsverfahren (vgl. BGH, Beschl. v. 11.8.2004 - 2 StR 34/04 - wistra 2004, 463). siehe auch: § 51 StGB, Anrechnung |
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§ 57a Abs. 3 StGB |
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... (3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend. ... |
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75 |
Wortlaut
§ 57 Abs. 5 Satz 2 StGB: Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Durch die zusätzliche Verweisung auf § 57 Abs. 5 Satz 2 StGB wird die dort vorgenommene Erweiterung der Widerrufsmöglichkeiten für die Aussetzung der Restvollstreckung zeitiger Freiheitsstrafen auch auf die entsprechenden Aussetzungsentscheidungen bei lebenslangen Freiheitsstrafen erstreckt (BT-Dr 16/3038 S. 58). |
|
Urteil |
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U.1 |
Der
Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld ist in den
Urteilstenor aufzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1993 - 4 StR 560/92 -
BGHSt 39, 121, 122 - NStZ 1993, 235; BGH, Beschl. v. 28.1.2004 - 2 StR
430/93). Beispiel: "Die Schuld des Angeklagten wiegt besonders schwer". (vgl. BGH, Beschl. v. 22.1.2009 - 4 StR 573/08). Wurde das Vorliegen der besonderen Schwere der Schuld im Sinne von §§ 57a, 57b StGB vom Tatgericht lediglich in den Urteilsgründen bejaht, im Urteilstenor jedoch nicht ausgesprochen, muss es, wenn die Staatsanwaltschaft eine Revision nicht auch eingelegt hat, im Fall der Zurückverweisung und der erneuten Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe bei der Nichtfeststellung besonderer Schwere der Schuld verbleiben (BGHSt 39, 121; BGH NStZ 2000, 194; BGH, Beschl. v. 25.4.2001 - 5 StR 12/01). L e i t s a t z Will das Schwurgericht in Befolgung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 3.6.1992 - 2 BvR 1041/88 - 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 - StV 1992, 470) die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten im Sinn von § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 57 b StGB verneinen, so braucht es diese (negative) Feststellung nicht in den Urteilsspruch aufzunehmen; die Verneinung in den Urteilsgründen genügt (BGH, Beschl. v. 6.5.1993 - 3 StR 131/93 - Ls. - NStZ 1993, 448). |
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Prozessuales |
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Z.7 |
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Z.7.1 |
siehe
zur Beschränkung des Rechtsmittels
auf die Frage der besonderen Schwere der Schuld: Beschränkung
der Berufung, § 318 StPO |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In §
57a StGB wird verwiesen auf: § 56a StGB siehe auch: Bewährungszeit, § 56a StGB § 56b StGB siehe auch: Auflagen, § 56b StGB § 56c StGB siehe auch: Weisungen, § 56c StGB § 56d StGB siehe auch: Bewährungshilfe, § 56d StGB § 56e StGB siehe auch: Nachträgliche Entscheidungen, § 56e StGB § 56f StGB siehe auch: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, § 56f StGB § 56g StGB siehe auch: Straferlaß, § 56g StGB § 57 StGB siehe auch: Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe, § 57 StGB Auf § 57a StGB wird verwiesen in: § 57b StGB siehe auch: Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe, § 57b StGB § 66a StGB siehe auch: Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66a StGB § 454 StPO siehe auch: § 454 StPO, Aussetzung des Strafrestes § 454b StPO siehe auch: Strafaussetzung bei Anschlussvollstreckung, § 454b StPO siehe ferner: Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, § 462a StPO; Aussetzung des Strafrestes, § 454 StPO |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 4. Titel (Strafaussetzung zur Bewährung) |
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