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§
56f StGB
Widerruf der Strafaussetzung
(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, 2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder 3. gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt. Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist. (2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, 1. weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder 2. die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern. In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden. (3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Als
"Bewährungsversagen"
kommt nur ein Verhalten innerhalb der
Bewährungszeit entsprechend der Regelung
des § 56f StGB in Betracht (BGH,
Beschl. v. 8.1.2002
- 4 StR 549/01). Wird hierauf eine
strafschärfende
Bewertung gestützt, muss das Urteil zur Vermeidung eines
Darlegungsmangels die diesbezüglichen
Bewährungsumstände mitteilen, falls dies nicht
ausnahmsweise mit Blick auf § 56a
StGB
entbehrlich ist (vgl. BGH,
Beschl. v. 8.1.2002
- 4 StR 549/01). Die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung kann wegen einer während der Bewährungszeit begangenen neuen Straftat zwar auch dann widerrufen werden, wenn die neue Straftat noch nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, da der Widerruf die gemäß § 56g Abs. 1 StGB begründete und rechtlich gesicherte Aussicht auf den Straferlaß nimmt, ist es jedoch geboten, den Widerruf nur aufgrund einer zumindest ebenso fundierten Tatsachengrundlage vorzunehmen, wie sie nötig ist, um trotz Vorliegens der übrigen Voraussetzungen, die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß §§ 56, 57 StGB von vornherein zu versagen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.12.1986 - 2 BvR 796/86 - NJW 1987, 43 - StV 1987, 13). |
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Nach
§ 56f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB verlängert
das Gericht die Bewährungszeit, wenn der Verurteilte in der
Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass
die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht
erfüllt hat und es ausreicht, die Bewährungs- oder
Unterstellzeit zu verlängern. Die Erwartung des straffreien
Verhaltens ist grundsätzlich durch jede Tat von nicht ganz
unerheblichen Gewicht widerlegt, nicht etwa nur durch solche, wie sie
der ausgesetzten Strafe zugrunde lagen (OLG Thüringen, Beschl.
v. 10.10.2003 - 1 Ws 293/03; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl.,
§ 56f Rdnr. 8). |
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Satz
1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat ... bei
nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der
Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen
Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die
Gesamtstrafe begangen worden ist. Die Ergänzung von § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB ermöglicht den Widerruf einer im Rahmen nachträglicher Gesamtstrafenbildung bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung, wenn die verurteilte Person innerhalb der Bewährungszeit in einer einbezogenen Sache eine Straftat begangen und dadurch gezeigt hat, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Der Ergänzung bedarf es für die Fälle, in denen dem Gericht bei der Entscheidung über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung die innerhalb der Bewährung in der einbezogenen Sache begangene Straftat entweder überhaupt nicht bekannt war oder gegen die verurteilte Person zwar ein Tatverdacht bestand, sich das Gericht aber zum Beispiel mangels Geständnisses oder anderer sicherer Beweismittel noch kein zuverlässiges Urteil über ihre Täterschaft bilden konnte (BT-Dr 16/3038 S. 58). Die Neuregelung schließt diese Gesetzeslücke, die dadurch entsteht, dass der Widerruf einer im Rahmen nachträglicher Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB oder § 460 StPO bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung nicht nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB darauf gestützt werden kann, dass die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung in einer einbezogenen Sache und der Entscheidung über die nachträgliche Gesamtstrafe eine Straftat begangen hat. Dies gilt auch dann, wenn in der einbezogenen Sache die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt war und die neue Straftat innerhalb dieser Bewährungszeit begangen wurde (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 364 f.; OLG Stuttgart, MDR 1989, 282 f. und 1992, 1067 f.; OLG Düsseldorf, StV 1991, 30; Gribbohm in LK, 11. Aufl., § 56f Rn. 4; Tröndle, Fischer, StGB, 53. Aufl., § 56f Rn. 3a; Schönke, Schröder, Stree, StGB, 25. Aufl., § 58 Rn. 8). Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung und der damit verbundenen neuen Sachentscheidung über die Strafaussetzung verlieren die einbezogenen Strafen ihre selbstständige Bedeutung. Mit der rechtskräftigen Einbeziehung in eine nachträgliche Gesamtstrafe wird auch die für die frühere Strafe gewährte Aussetzung gegenstandslos (BT-Dr 16/3038 S. 58). |
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20 |
Nach
allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und
Literatur ist es in der Regel geboten, sich im Widerrufsverfahren
hinsichtlich der Sozialprognose wegen der besseren
Erkenntnismöglichkeiten der Beurteilung des die neue Straftat
aburteilenden Gerichts anzuschließen, denn dieses hat in der
Hauptverhandlung einen persönlichen Eindruck von dem
Verurteilten gewinnen können (vgl. Tröndle/Fischer,
StGB, 50. Aufl., § 56 f StGB Rn. 3 c; BVerfG NStZ 1985, 347;
OLG Hamm, Beschl. v. 7.10.2002 - 2 Ws 385/02; OLG Düsseldorf
StV 1994, 198). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Entscheidung des neuen Urteils nicht nachvollziehbar, nicht überzeugend oder nur formelhaft bzw. schematisch begründet ist (vgl. BVerfG NStZ 1985, 347; OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2003 - 2 Ws 24/03; OLG Hamm, Beschl. v. 7.10.2002 - 2 Ws 385/02; OLG Köln StV 1993, 429). |
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siehe hierzu: Gesamtstrafe und Strafaussetzung, § 58 StGB | |
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Z.3 |
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Z.3.5 |
Nach
§ 453c StPO kann ein Sicherungshaftbefehl erlassen
werden, wenn hinreichende Gründe für die Annahme
vorhanden sind, dass die Strafaussetzung zur Bewährung
widerrufen wird. Der Erlass eines Sicherungshaftbefehls muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Danach sind auch bei Vorliegen hinreichender Gründe für die Annahme eines Widerrufs der Strafaussetzung zunächst vorläufige Maßnahmen zu treffen, um sich der Person des Verurteilten zu versichern; nur notfalls, also wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, kommt der Erlass eines Sicherungshaftbefehls in Frage (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 24.9.2003 - 2 Ws 328/03 - NStZ 2004, 627; Fischer, KK zur StPO 5. Aufl. § 453 c Rdnr. 4; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 453c Rdnr. 9). In Betracht kommen vorläufige Maßnahmen wie etwa die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung und sonstige Fahndungsmaßnahmen sowie Aufenthaltsanfrage bei dem Bundesverwaltungsamt - Ausländerzentralregister - in Köln (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 24.9.2003 - 2 Ws 328/03 - NStZ 2004, 627; OLG Düsseldorf NStZ 1999, 476; Fischer, KK zur StPO a.a.O.; MeyerGoßner, a.a.O.). |
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Z.7 |
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Z.7.1 |
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Z.7.1.5 |
Die
Zuständigkeit der nach § 453
StPO
nachträglich zu treffenden Entscheidungen über den
Widerruf der Strafaussetzung kann aus § 462a
Abs. 4 Satz 1 und
2 StPO folgen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.10.2003 - 2 BvR 1515/03). Danach liegt bei verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten die Zuständigkeit bei dem Gericht, - das auf die schwerste Strafart oder - bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und - falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts. § 462a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 StPO findet auch dann Anwendung, wenn die Zuständigkeit in dem Einzelverfahren, in dem die Entscheidungen zu treffen sind, an sich nicht gegeben wäre; eine Entscheidungsplitterung soll nämlich vermieden werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.10.2003 - 2 BvR 1515/03; BGH, NStZ 2000, S. 446). Das Gericht, das die höchste Strafe verhängt hat, ist für Nachtragsentscheidungen auch dann zuständig, wenn es keinen Anlass zu einer Nachtragsentscheidung sieht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.10.2003 - 2 BvR 1515/03; BGH, NStZ 1997, S. 612). Eine ohne weiteres einsichtige Ausnahme von dem Konzentrationsprinzip wird lediglich dann angenommen, wenn das erkennende Gericht in seinem Verfahren keine die Vollstreckung betreffende Entscheidungskompetenz hat und auch in Zukunft nicht erlangen kann (vgl. OLG Schleswig, MDR 1987, S. 606). Die Gefahr einer Entscheidungsplitterung ist in diesem Fall ausnahmsweise ausgeschlossen (BVerfG, Beschl. v. 20.10.2003 - 2 BvR 1515/03). Nach § 453b StPO obliegt dem Bewährungsgericht während der Bewährungszeit die Überwachung des Probanden. Dazu darf es sich auch Weisungen bedienen solange diese Weisung zumindest auch den Zweck verfolgt, dem Verurteilten zu helfen, in seinem weiteren Leben Straftaten zu vermeiden, und nicht eine reine Kontrollfunktion übrig bleibt (vgl. BVerfG NJW 1993, 3315, 3316 für Urinkontrollen bei einem Betäubungsmittelabhängigen; vgl. auch BVerfG NJW 1995, 2279, 2280). |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In
§ 56f StGB wird verwiesen auf: § 56b StGB siehe auch: Auflagen, § 56b StGB Auf § 56f StGB wird verwiesen in: § 56g StGB siehe auch: Straferlaß, § 56g StGB § 57 StGB siehe auch: Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe, § 57 StGB § 57a StGB siehe auch: Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe, § 57a StGB § 58 StGB siehe auch: Gesamtstrafe und Strafaussetzung, § 58 StGB § 268a StPO siehe auch: § 268a StPO, Beschluss bei Strafaussetzung § 453 StPO siehe auch: § 453 StPO, Nachtragsentscheidungen über die Strafaussetzung § 36 BtMG siehe auch: § 36 BtMG, Anrechnung und Strafaussetzung zur Bewährung |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 4. Titel (Strafaussetzung zur Bewährung) |
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