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§
57 StGB
Aussetzung des Strafrestes bei
zeitiger Freiheitsstrafe
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, 2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und 3. die verurteilte Person einwilligt. Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind. (2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn 1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder 2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen, und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind. (3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers. (4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3. (5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. (6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen. (7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Der
Strafvollstreckungsrichter darf im Verfahren
gemäß §§ 454, 462 StPO seine
Entscheidung gemäß § 57 Abs. 1 StGB nicht
alleine darauf stützen, dass die Vollzugsbehörde -
etwa auf der Grundlage bloßer pauschaler Wertungen oder mit
dem Hinweis auf eine abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr - die Gewährung von Vollzugslockerungen
zur Vorbereitung der
Strafaussetzung versagt hat. Er hat vielmehr eigenständig zu
prüfen, ob die Strafrestaussetzung unter
Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit
verantwortet werden kann. Der Erprobung eines Strafgefangenen im Rahmen
von Vollzugslockerungen kann hierbei als Indiz zwar eine erhebliche
Bedeutung zukommen. Vollzugslockerungen
sind jedoch von Rechts wegen
nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte
Entlassung. Gegebenenfalls kann das Gericht die
Vollzugsbehörde im Aussetzungsverfahren
darauf hinweisen, dass
Vollzugslockerungen zur Vorbereitung der bedingten Entlassung geboten
erscheinen (BVerfG, Beschl. v. 11.6.2002 - 2 BvR 461/02; vgl. auch
BVerfG, Beschl. v. 22.3.1998 - 2 BvR 77/97). Die aus dem Freiheitsrecht abzuleitenden Anforderungen an die richterliche Aufklärungspflicht richten sich insbesondere an die Prognoseentscheidung. Es gilt von Verfassungs wegen das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>). Es verlangt, dass der Richter die Grundlagen seiner Prognose selbständig bewertet, verbietet mithin, dass er die Bewertung einer anderen Stelle überlässt (BVerfG, Beschl. v. 16.10.2002 - 2 BvR 1293/02). Darüber hinaus fordert es vom Richter, dass er sich ein möglichst umfassendes Bild über die zu beurteilende Person verschafft (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 1999 - 2 BvR 1538/99 - NJW 2000, S. 502 ff.). Des Weiteren ergibt sich aus dem Freiheitsrecht des Art. 2 Abs.2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) ein Anspruch auf angemessene Beschleunigung des mit einer Freiheitsentziehung verbundenen gerichtlichen Verfahrens (BVerfGE 20, 45 <49 f.>). Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots kommt aber nur dann bei einem Verfahren über die Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe in Betracht, wenn das Freiheitsrecht nach den Umständen des Einzelfalls gerade durch eine sachwidrige Verzögerung der Entscheidung unangemessen weiter beschränkt wird (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NVwZ 2001, S. 1150; BVerfG, Beschl. v. 16.10.2002 - 2 BvR 1293/02). Haben die Fachgerichte zwar auch darauf hingewiesen, dass Vollzugslockerungen bislang nicht gewährt wurden, hierzu jedoch näher ausgeführt, aus welchen Gründen diese bislang versagt worden sind, ist dies verfassungsrechtlich zulässig (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 1999 - 2 BvR 1538/99 -, NJW 2000, S. 502 ff.; BVerfG, Beschl. v. 16.10.2002 - 2 BvR 1293/02). Das Vollstreckungsgericht ist nicht gehindert, bei seiner Prognoseentscheidung auch weitere Feststellungen aus dem der Strafvollstreckung zugrunde liegenden Urteil heranzuziehen, die nicht zu einer Verurteilung geführt haben und deshalb vom Revisionsgericht nicht überprüft werden konnten. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB. Danach ist das Gericht nicht darauf beschränkt, zur Beantwortung der Frage, ob die Haftentlassung verantwortet werden kann, allein die Feststellungen des Tatgerichts heranzuziehen, die den abgeurteilten Taten zugrunde liegen. Vielmehr sind bei der zu treffenden Prognoseentscheidung im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung alle dort genannten Umstände zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.2006 - StB 13/06). Beispiel: Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das Gericht die auf die Ausführung eines Sprengstoffanschlages gerichteten terroristischen Aktivitäten des Beschwerdeführers bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Verurteilten und des bestehenden Rückfallrisikos herangezogen hat. Diese waren in dem Ausgangsurteil zur Überzeugung des Gerichts festgestellt worden, hatten jedoch mangels näherer Konkretisierung der Anschlagstat für eine Verurteilung nach §§ 30, 310 StGB nicht ausgereicht und konnten auch nicht hinreichend den Versuch der Gründung einer terroristischen Vereinigung belegen, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Beschwerdeführer seine Ziele nur mit Mittätern und nicht durch eine zu gründenden Vereinigung erreichen wollte (vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.2006 - StB 13/06). Auch bei einer Aussetzungsentscheidung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens kann ein vertretbares Restrisiko eingegangen werden (BVerfG NStZ 1998, 373). Zur Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) siehe auch BGH, Beschl. v. 5.9.2013 - StB 15/13. siehe zu den Besonderheiten der Prognoseentscheidung nach § 36 BtMG gegenüber der allgemeinen Regelung des § 57 Abs. 1 StGB: § 36 BtMG Anrechnung und Strafaussetzung zur Bewährung |
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Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieses Absatzes dann zur Bewährung auszusetzen, wenn dem Verurteilten eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden kann. Dabei sind an die Erwartung künftiger Straffreiheit umso strengere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger das im Falle eines Rückfalls bedrohte Rechtsgut ist (BGH, Beschl. v. 25.4.2003 - StB 4/03 - BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 2; BGH, Beschl. v. 4.10.2011 - StB 14/11 - NStZ-RR 2012, 8; BGH, Beschl. v. 10.4.2014 - StB 4/14). Die vorzunehmende Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Strafvollzugs und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kann auch bei Kapitaldelikten, schweren Sexualstraftaten oder terroristischen Verbrechen zu dem Ergebnis führen, dass die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug verantwortbar ist; die Voraussetzungen an eine positive Legalprognose dürfen auch in diesem Bereich nicht so hochgeschraubt werden, dass dem Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf vorzeitige Haftentlassung bleibt (BGH, Beschl. v. 4.10.2011 - StB 14/11 - NStZ-RR 2012, 8; BGH, Beschl. v. 10.4.2014 - StB 4/14). Insbesondere wenn sich ein terroristischer Straftäter im Vollzug ordnungsgemäß führt und von seiner früheren Gewaltbereitschaft glaubhaft lossagt, kann auch hier eine Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.1990 - StB 39/89 - BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 1; BGH, Beschl. v. 10.4.2014 - StB 4/14). Dazu ist es letztlich auch nicht zwingend erforderlich, dass der Verurteilte, der seine Tat während des gesamten Strafverfahrens und im Strafvollzug bestritten hat, sein strafbares Verhalten nunmehr einräumt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2014 - StB 4/14; S/S-Stree/Kinzig, 29. Aufl., § 57 Rn. 16a mwN). | |
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Die Einwilligung des Verurteilten ist eine
in § 57 Abs.
1 Nr. 3 StGB vorgesehene materiell-rechtliche Voraussetzung für
die Bewilligung einer Strafrestaussetzung zur Bewährung. Dabei
handelt es sich um eine höchstpersönliche Erklärung, so
dass Stellvertretung ausscheidet, während eine Übermittlung
der Erklärung durch einen Erklärungsboten zulässig ist
(vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2016 - 2 ARs 5/16 Rn. 25; Gross in
Festschrift für Rieß, 2002, S. 691, 696). Gleiches muss
für die Zurücknahme der Einwilligung gelten (BGH, Beschl. v.
8.12.2016 - 2 ARs 5/16 Rn. 25). Auf das Motiv für die
Rücknahmeerklärung kommt es nicht an (BGH, Beschl. v.
8.12.2016 - 2 ARs 5/16 Rn. 27). Zwar erscheint die Rücknahme der Einwilligung in die Strafrestaussetzung zur Bewährung im Hinblick auf die gesetzlich geregelten Gerichtszuständigkeiten (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) bedenklich, wenn sie nur darauf abzielt, die Zuständigkeit eines anderen Gerichts herbeizuführen und anschließend durch eine neue Einwilligungserklärung ersetzt zu werden. Der gesetzlichen Regelung in § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB und in den §§ 454, 462a StPO ist die Erteilung einer Einwilligungserklärung nur für ein konkretes Verfahren gegenüber einem bestimmten Gericht fremd (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2016 - 2 ARs 5/16 Rn. 28; OLG Hamm, Beschl. v. 18.3.2013 – III-3 Ws 71/13). |
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... (2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn 1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt"......"und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind. ... |
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Für
einen Erstverbüßer spricht
grundsätzlich die Vermutung, daß die erste
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ihn ausreichend beeindruckt und in
Zukunft von weiteren Straftaten abhält (vgl. KG, Beschl. v.
8.6.1995 - 5 Ws 154/95 - ZfStrVo 1996, 245 - NStZ-RR 1997, 27 und KG,
Beschl. v. 17.5.2004 - 5 Ws 165/04; KG, Beschl. v. 1.6.2005 - 5 Ws
105/05). Die „Erstverbüßer-Regel“ erfährt unter anderem dann eine Einschränkung, wenn der Verurteilte mit Betäubungsmitteln in erheblichem Umfang handelte. Bei der Prognoseentscheidung gemäß § 57 StGB kann das Gericht auch Straftaten, die zwar noch nicht rechtskräftig festgestellt sind, die der Verurteilte aber mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen hat, berücksichtigen. Die Unschuldsvermutung steht einer solchen Bewertung nicht entgegen (vgl. KG, Beschl. v. 6.7.2006 - 5 Ws 273/06). Die Berücksichtigung der Gefährlichkeit des Täters verstößt nicht gegen den Grundsatz, daß es dem Vollstreckungsgericht versagt ist, in die allein an spezialpräventiven Gesichtspunkten ausgerichtete Prognoseentscheidung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) die Schwere der Schuld des Täters einzubeziehen (vgl. BVerfG NStZ 1994, 53). Die Gefährlichkeit des Täters ist nicht schuldbezogen, sondern Teil seiner Persönlichkeit, der gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 StGB ein bedeutendes Gewicht für die Aussetzungsentscheidung zukommt (vgl. KG, Beschlüsse vom 11.8.2004 - 5 Ws 350-351/04 - und 8.9.2004 - 5 Ws 414-416/04; KG, Beschl. v. 1.6.2005 - 5 Ws 105/05). Mit der Gefährlichkeit des Täters steigt entsprechend das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und erhöht sich die Verantwortung, die das entscheidende Gericht mit einer günstigen Prognose übernimmt (vgl. BVerfG StV 1992, 25, 26; VerfGH Bln, Beschl. v. 17. Dezember 1997 - VerfGH 75/97 -; KG aaO und Beschl. v. 14.06.2002 - 5 Ws 271-272/04; KG, Beschl. v. 1.6.2005 - 5 Ws 105/05). Zum Ermessensspielraum und der Möglichkeit, trotz Vorliegens einer günstigen Sozialprognose aus Gründen der Generalprävention die Aussetzung zu versagen vgl. BGH, Beschl. v. 22.7.1988 - StB 19/88 - NStZ 1988, 495 |
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... (2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn"... ..."2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen, und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind. ... |
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Eine
Strafaussetzung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt voraus,
dass die Gesamtwürdigung von Tat(en), Persönlichkeit des
Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs das
Vorliegen von besonderen Umständen ergibt. Beispiel: Solche Umstände hat der BGH etwa in BGH, Beschl. v. 22.9.1994 - StB 19/94 bejaht und in den besonderen Belastungen des Verurteilten in seiner Jugend, der Art und Weise seiner Verstrickung in die Straftat (nachrichtendienstliche Agententätigkeit), in der altersbedingten beträchtlich erhöhten Strafempfindlichkeit, in den durch die Tat bedingten erheblichen beruflichen und finanziellen Nachteilen sowie in dem in besonders hohem Maße anerkennenswerten Vollzugsverhalten des Verurteilten gesehen. Daß der Angeklagte seine berufliche Stellung wegen einer vorgesehenen Betriebsstillegung ohnehin verloren hätte, steht dem nicht entgegen, da die Tatsache der Verurteilung und Strafverbüßung wegen einer auch gegen seinen letzten Arbeitgeber gerichteten Straftat zusätzlich die Chancen der bereits aus Altersgründen schwierigen beruflichen Wiedereingliederung erheblich verschlechtert. Bei den finanziellen Nachteilen ist zu berücksichtigen, daß der Verurteilte, was nach den Erfahrungen des Senats eher außergewöhnlich ist, den erhaltenen Agentenlohn in der festgestellten Höhe von 200.000 DM versteuert und ein Antrag auf Steuerrückerstattung keinen Erfolg hatte. Daß in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht ausdrücklich auf den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat selbst eingegangen worden ist, läßt nicht besorgen, daß die entscheidenden Richter, die überwiegend auch an dem zugrundeliegenden Strafurteil mitgewirkt hatten, diesen nicht im Rahmen einer Gesamtabwägung berücksichtigt haben. Im übrigen spricht insoweit für die Annahme besonderer Umstände, daß trotz des langen Zeitraums der Liefertätigkeit und des großen Umfangs des gelieferten Materials kein meßbarer Schaden für die Bundesrepublik und den Arbeitgeber des Verurteilten entstanden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.1994 - StB 19/94). Beispiel (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.7.2005 - 1 Ws 205/05 ): - untergeordnete Rolle bei der Begehung der abgeurteilten Taten, und - bis auf die Straftaten tadelloser Lebenswandel, und - Verurteilter hätte ohne den negativen Werdegang und dem Einfluss des Sohnes auch weiterhin keine Straftaten begangen, und - umfassendes Geständnis, und - durch Angaben auch einen darüber hinausgehenden Aufklärungsbeitrag im Sinne des § 31 BtMG, und - die durch die Aufklärungshilfe zum Ausdruck kommende Reue und der Wille, mit diesem strafbaren Tun abzuschließen, haben sich durch die Auseinandersetzung mit den Taten in der Haft bestätigt, und - das Verhalten im Vollzug wird in der Stellungnahme der Vollzugsanstalt durchweg als sehr positiv beschrieben, und - weder im Rahmen der ab ... gewährten Vollzugslockerungen, noch im offenen Vollzug hat es Anlass zu Beanstandungen gegeben, und - auch wenn die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht vorliegen, kommt dem Umstand der Erstverbüßung im Rahmen der nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 vorzunehmenden Gesamtschau erhebliche Bedeutung zu (Tröndle-Fischer StGB 52. Auflage § 57, Rn. 29), und - durch die seit nunmehr fast zwei Jahren andauernde Inhaftierung hat sie sich deutlich beeindruckt gezeigt, und - erstmals im Alter von 50 Jahren strafrechtlich in Erscheinung getreten, zuvor unbescholtenes Leben mit festen familiären Bindungen, in die nunmehr zurückgekehrt werden kann, und - positive Sozialprognose gemäß § 57 Abs 1 S. 1 Nr. 2 StGB i.V.m. § 57 Abs. 2 StGB In Anbetracht des Umstands, dass der Angeklagte durch die überlange, zu einem beträchtlichen Maße auf Versäumnisse der Justiz beruhende Dauer des Strafverfahrens außergewöhnlich belastet war, da er während der Haft an Krebs erkrankt ist und adäquate medizinische Versorgung nicht immer gewährleistet war, was zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes beigetragen hat, liegen besondere Umstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB auf der Hand (BGH, Beschl. v. 14.4.2008 - 5 StR 598/07 betr. dreijährige Untersuchungshaft). Ist es bei dem Angeklagten allein deshalb nicht zur Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB gekommen, weil er seine Drogenabhängigkeit überwunden hat und dieser Umstand die Sonderregelung des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB unanwendbar macht, kann - um Ungereimtheiten zu vermeiden - bei dieser Ausgangslage im Vollstreckungsverfahren eine Anwendung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB besonders naheliegen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.1997- 5 StR 111/97 - NStZ 1997, 434). Die Strafvollstreckungskammer kann die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn eine bereits beschlossene Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekannt gewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann (OLG Hamm, NStZRR 1996, 30; OLG Hamm, Beschl. v. 2.10.2003 - 2 Ws 227/03). In BGH, Beschl. v. 16.12.1994- StB 30/94 hat der BGH darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des Senats in NStZ 1987, 21 zu den Voraussetzungen der Strafaussetzung nach § 56 Abs. 2 StGB nicht ohne weiteres auf die Voraussetzungen der Aussetzung des Strafrestes nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB übertragen werden können - im angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts ergänzt um Ausführungen dahin, daß die besonderen Umstände Ausnahmecharakter haben müssen -. Dies ist schon deswegen rechtlich bedenklich, weil bei einer Strafaussetzung nach § 56 Abs. 2 StGB die sie rechtfertigenden besonderen Umstände um so gewichtiger sein müssen, je näher die Strafe an der Obergrenze von zwei Jahren liegt, während die Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung der Hälfte der Strafe keine Strafobergrenze kennt, sondern auch bei schweren Delikten und hohen Freiheitsstrafen in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.1994- StB 30/94; Gribbohm in LK, 11. Aufl. § 57 Rdn. 45). Deshalb und wegen der Einbeziehung der Entwicklung des Verurteilten während des Strafvollzugs in die Gesamtwürdigung kann die Rechtsprechung zu § 56 Abs. 2 StGB nicht ohne weiteres für die Fälle des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB übernommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.1994 - StB 19/94). Im übrigen kommt es weder für die Anwendung des § 56 Abs. 2 StGB noch die des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB darauf an, ob die besonderen Umstände Ausnahmecharakter haben. Maßgebend ist vielmehr eine einzelfallbezogene, auf Sinn und Zweck des § 57 Abs. 2 StGB abstellende Gesamtschau der die Tat, die Persönlichkeit und die Entwicklung im Vollzug bestimmenden Faktoren (BGH, Beschl. v. 16.12.1994- StB 30/94). Aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte: "Entsprechend dem Ausnahmecharakter der Regelung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB sind als besondere Umstände nur solche anzusehen, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen ein besonderes Gewicht aufweisen, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung in Ansehung des Unrechts- oder Schuldgehalts der Tat als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderlaufend erscheint (st. Rspr. des 1. Strafsenats des OLG Zweibrücken vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.7.2005 - 1 Ws 205/05 , vgl. auch OLG Koblenz StV 1991, 428). Mehrere zusammentreffende durchschnittliche Milderungsgründe können in ihrer Gesamtheit ein solches Gewicht erlangen, dass sie die Bedeutung besonderer Umstände erlangen (OLG Hamm StV 1998, 503; OLG Bamberg StV 1994, 252; OLG Zweibrücken, StV 2003, 683; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.7.2005 - 1 Ws 205/05). Dabei sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die bereits Eingang in die Strafzumessung des erkennenden Gerichts gefunden haben (OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 323; OLG Düsseldorf StV 1997, 94; Senat StV 1991, 223; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.7.2005 - 1 Ws 205/05)." Zur Berücksichtigung der ungewöhnlich positive Entwicklung nach der Tat mit Blick auf § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB vgl. auch den Hinweis in BGH, Beschl. v. 1.8.1996 - 5 StR 82/96 |
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... (5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. ... |
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Die
entsprechende Geltung der §§ 56f und 56g StGB zur
Beendigung der Strafaussetzung wird im Hinblick auf den
Sachzusammenhang nunmehr im neuen Absatz 5 (statt wie bisher in Absatz
3) geregelt, in dem ein weiterer Widerrufsgrund neu normiert wird.
§ 57 Abs. 5 Satz 2 StGB eröffnet über Satz 1
in Verbindung mit § 56f StGB hinaus die Möglichkeit,
die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen
Freiheitsstrafe auch zu widerrufen, wenn die verurteilte Person in dem
Zeitraum zwischen der Verkündung des letzten tatrichterlichen
Urteils und der Aussetzungsentscheidung - z. B. vor Beginn der
Strafvollstreckung, während eines Hafturlaubs oder im Rahmen
des offenen Vollzugs - eine Straftat begangen hat, die bei der
Aussetzungsentscheidung aus tatsächlichen Gründen
nicht berücksichtigt werden konnte und welche im Falle ihrer
Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung
geführt hätte. Die Nichtberücksichtigung aus
tatsächlichen Gründen umfasst insbesondere diejenigen
Fälle, dass die erneute Straftat dem für die
Aussetzung zuständigen Gericht nicht bekannt war oder diese
erst nach der Aussetzungsentscheidung nachweisbar wird (BT Dr 16/3038
S. 58). Hat die verurteilte Person in dem genannten Zeitraum eine weitere Straftat begangen, die eine Strafrestaussetzung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortbar erscheinen lässt, so ist es nicht hinnehmbar, dass das Gericht an eine in Unkenntnis dieser Straftat ausgesprochene Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes gebunden ist. Gleiches muss gelten, wenn dem Gericht bekannt war, dass gegen die verurteilte Person der Verdacht der Begehung einer weiteren Straftat im fraglichen Zeitraum bestand, dieser Umstand aber nicht zu einer Versagung der Aussetzung führen konnte. Das heißt gleichzeitig, dass nicht jede Straftat automatisch zu einem Widerruf führen soll. Während im Falle des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB die Straftat zeigen muss, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat, setzt § 57 Abs. 5 Satz 2 StGB für den Fall der vor der Aussetzungsentscheidung begangenen Straftat voraus, dass die Straftat zur Versagung der Aussetzung geführt hätte, wenn sie vom Gericht bei der Aussetzungsentscheidung hätte berücksichtigt werden können. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann ist das Gericht zum Widerruf verpflichtet, es sei denn, es ist nach § 57 Abs. 5 Satz 1 StGB und § 56f Abs. 2 StGB von dem Widerruf abzusehen. Bei der Widerrufsentscheidung gemäß § 57 Abs. 5 Satz 2 StGB-E sind die vom EGMR (NJW 2004, 43 ff.) und dem BVerfG (NJW 2005, 817) entwickelten Maßstäbe zu der bei § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB geltenden Unschuldsvermutung entsprechend anzuwenden (BT Dr 16/3038 S. 58). |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In §
57 StGB wird verwiesen auf: § 56a StGB siehe auch: Bewährungszeit, § 56a StGB § 56b StGB siehe auch: Auflagen, § 56b StGB § 56c StGB siehe auch: Weisungen, § 56c StGB § 56d StGB siehe auch: Bewährungshilfe, § 56d StGB § 56e StGB siehe auch: Nachträgliche Entscheidungen, § 56e StGB § 56f StGB siehe auch: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, § 56f StGB § 56g StGB siehe auch: Straferlaß, § 56g StGB Auf § 57 StGB wird verwiesen in: § 57a StGB siehe auch: Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe, § 57a StGB § 67 StGB siehe auch: Vollstreckungsreihenfolge, § 67 StGB § 454 StPO siehe auch: § 454 StPO, Aussetzung des Strafrestes § 454a StPO siehe auch: § 454a StPO, Verlängerung der Bewährungszeit; Aufhebung der Aussetzung des Strafrestes § 454b StPO siehe auch: Strafaussetzung bei Anschlussvollstreckung, § 454b StPO § 26 JGG siehe auch: § 26 JGG, Widerruf der Strafaussetzung § 36 BtMG siehe auch: § 36 BtMG - Anrechnung und Strafaussetzung zur Bewährung |
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[ Änderungen § 57 StGB ] | Z.8.2 |
§ 57 StGB wurde mit Wirkung vom 1.7.2017
geändert
durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872). Zuvor hatte
die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 57 StGB Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe (1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, 2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und 3. die verurteilte Person einwilligt. Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind. (2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn 1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder 2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen, und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind. (3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers. (4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3. (5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. (6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die dem Verfall unterliegen oder nur deshalb nicht unterliegen, weil der verletzten Person aus der Tat ein Anspruch der in § 73 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Art erwachsen ist. (7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist." | |
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Z.13 |
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Z.13.1 |
Gemäß
§ 454b Abs. 3 StPO trifft das Gericht
bei Anschlussvollstreckung die Entscheidung über die
Aussetzung des Strafrestes nach § 57 Abs. 1, Abs. 2 StGB erst
dann, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste
aller Strafen gleichzeitig entschieden werden kann. Erst bei
Verbüßung von zwei Dritteln bzw. gegebenenfalls der
Hälfte auch der letzten Anschlussstrafe sind danach die
Voraussetzungen für eine Entscheidung über die
Reststrafaussetzung gegeben; nach dem Wortlaut des § 454b Abs.
3 StPO gilt dies zwingend und ausnahmslos. Über die Aussetzung aller Strafreste kann nach dem Wortlaut des § 454b Abs. 3 StPO aber auch dann nicht gleichzeitig entschieden werden, wenn aus zwei Strafresten bezüglich eines der Reste zwar eine Zurückstellungsmöglichkeit nach § 35 BtMG besteht, aber noch nicht zwei Drittel oder zumindest die Häfte dieser Strafe verbüßt sind. Die in § 35 BtMG eröffnete Möglichkeit, die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unter den dort normierten Voraussetzungen zurückzustellen, ändert deshalb nichts daran, dass für andere vollstreckte Freiheitsstrafen, bezüglich derer eine Zurückstellung nach § 35 BtMG nicht erfolgt ist, für eine Vollstreckungsaussetzung unverändert die in § 454b Abs. 3 StPO festgelegten Voraussetzungen vorliegen müssen. Dies kann dazu führen, dass die Zurückstellung nach § 35 BtMG erst dann Wirkung entfalten kann, wenn die von ihr erfasste Freiheitsstrafe soweit vollstreckt wurde, dass auch für sie eine Entscheidung nach § 57 Abs. 1, Abs. 2 StGB getroffen werden könnte (OLG Hamburg, Beschl. v. 27.9.2002 - 2 Ws 192/02). |
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Z.15 |
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Z.15.1 |
Der
Inhalt der mündlichen Anhörung des Verurteilten
nach § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO und der
Anhörung des Sachverständigen nach
§ 454 Abs. 2 StPO müssen in einem Vermerk oder im
Beschluss der Strafvollstreckungskammer festgehalten werden.
Anderenfalls kann das Beschwerdegericht nicht beurteilen, ob die
angefochtene Entscheidung sachgerecht war, mit der Folge, dass der
Beschluss aufzuheben und die Sache ausnahmsweise zu neuer
Anhörung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer
zurückzuverweisen ist (KG, Beschl. v. 14.10.2005 - 5 Ws
498/05). |
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Z.15.2 |
Dem
Verteidiger ist es stets erlaubt, an der mündlichen
Anhörung nach § 454 StPO teilzunehmen (BVerfG,
Beschl. v. 11.2.1993 - 2 BvR 710/91 - StV 1993, 313). Ein Verweis auf
die Möglichkeit der schriftsätzlichen Stellungnahme
zu dem Ergebnis der mündlichen Anhörung
würde einen Verfassungsverstoß darstellen (vgl.
BVerfG, a.a.O.). Eine Terminsbenachrichtigungs- oder Ladungspflicht des Gerichts besteht grundsätzlich nicht. Der Strafgefangene muß selbst Vorsorge dafür treffen, daß sein Rechtsbeistand zur mündlichen Anhörung erscheint und seine Interessen vertritt. Entstehende Kosten hat er hierbei selbst zu tragen. Erfolgt die Anhörung jedoch kurzfristig, so hat das Gericht den Verteidiger zu benachrichtigen, da anders der Anspruch auf eine faire Verfahrensgestaltung nicht durchsetzbar ist. Im übrigen läßt die Teilnahme des Verteidigers an der mündlichen Anhörung eine Beeinträchtigung der Verfahrensabläufe, sollte sich dieser Gesichtspunkt in einem rechtsstaatlichen Verfahren behaupten können, nicht erwarten (BVerfG, a.a.O.). |
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Z.15.3 |
Erwägt
das Gericht
die Aussetzung der Vollstreckung einer
entsprechenden Reststrafe, ist ein Absehen von der Einholung eines
Prognosegutachtens (§ 454 Abs. 2 StPO) nur in
Ausnahmekonstellationen zulässig, in denen die
heranzuziehenden Umstände zweifelsfrei die Beurteilung
zulassen, dass von einem Verurteilten praktisch keine Gefahr
für die öffentliche Sicherheit mehr ausgeht (OLG
Karlsruhe StV 2000, 156; OLG Köln StV 2000, 155; OLG
Zweibrücken, StV 2003, 683; OLG Zweibrücken, Beschl.
v. 20.7.2005 - 1 Ws 205/05 ). |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 4. Titel (Strafaussetzung zur Bewährung) |
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