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§
67 StGB
Reihenfolge der Vollstreckung
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird. (3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist. (4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. (5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. (6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 67 Abs. 1 StGB |
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5 |
Nach
der in § 67 Abs. 1 StGB zum Ausdruck kommenden
Grundentscheidung des Gesetzgebers ist in der Regel die
Maßregel nach § 64
StGB oder § 63
StGB vor
der Strafe zu vollziehen, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg
verspricht (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug,
teilweiser 4, 12, 14; BGH,
Beschl. v. 30.1.2001 - 1 StR 481/00; BGH,
Beschl. v. 26.4.2001 - 1 StR 109/01; BGH,
Beschl. v. 6.6.2001 - 3 StR
177/01; BGH,
Urt. v. 20.3.2003 - 4 StR 400/02; BGH,
Beschl. v.
22.5.2003 - 3 StR 125/03; BGH,
Beschl. v. 24.6.2008 - 4 StR 204/08;
BGH, Beschl. v. 16.2.2016 - 1 StR 624/15).
Gerade bei längerer Strafdauer muss es darum gehen, den
Angeklagten frühzeitig zu heilen und seine
Persönlichkeitsstörung zu behandeln, damit er im Strafvollzug
an der Verwirklichung des Vollzugsziels arbeiten kann (vgl. nur BGH,
Urt. v. 23.8.1990 – 4 StR 306/90 - BGHSt 37, 160, 161 f.; BGH,
Beschl. v. 22.3.2006 – 1 StR 75/06 - StraFo 2006, 299; BGH,
Beschl. v. 28.4.2016 - 4 StR 474/15 Rn. 6). Nur wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter zu erreichen ist, kann ausnahmsweise nach § 67 Abs. 2 StGB der Vorwegvollzug eines Teils der Strafe oder, wenn erforderlich, der gesamten Strafe gerechtfertigt sein (vgl. BGH, Beschl. v. 5.12.2000 - 1 StR 521/00 - StV 2002, 481; BGH, Beschl. v. 4.6.2003 - 5 StR 217/03; BGH, Beschl. v. 27.10.2009 - 1 StR 515/09; BGH, Beschl. v. 16.2.2016 - 1 StR 624/15; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl. § 67 Rdn. 4 m. w. N.). Das Urteil muss in einem solchen Fall auf der Grundlage einer eingehenden, die Persönlichkeit des Angeklagten berücksichtigenden Beurteilung darlegen, wegen welcher besonderen Umstände der Vorwegvollzug der Strafe die Therapie günstiger beeinflussen wird und dass dieses Ziel im Maßregelvollzug nicht in gleicher Weise erreicht werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.1998 - 2 StR 291/98; BGH, Beschl. v. 16.2.2016 - 1 StR 624/15; Fischer, 63. Auflage, § 67 Rn. 5f., 8). Steht zu besorgen, dass der an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg wieder zunichtemachen könnte, so müssen für die Abweichung von der Regelabfolge des Vollzugs überzeugende Gründe vorliegen, die in den Urteilsgründen darzulegen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 28.4.2016 - 4 StR 474/15 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 22.3.2006 – 1 StR 75/06 - StraFo 2006, 299; ebenso BGH, Beschl. v. 26.4.2001 – 1 StR 109/01, jeweils mwN; ). Hingegen soll das Gericht bei einer verhängten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB); dies also dann, wenn nicht aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eine andere Entscheidung eher die Erreichung eines Therapieerfolges erwarten lässt. Liegen keine Gründe vor, die gegen eine Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr. Dieser Teil ist so zu berechnen, dass nach seiner Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine Bewährungsentscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist (BGH, Beschl. v. 8.1.2008 - 1 StR 644/07 mwN; BGH, Beschl. v. 16.2.2016 - 1 StR 624/15). Dies gilt auch in Fällen, in denen neben der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet wurde (BGH, Beschl. v. 15.1.2015 - 5 StR 473/14; BGH, Beschl. v. 16.2.2016 - 1 StR 624/15). Richtschnur für die Anordnung des Vorwegvollzugs der Strafe und für die Entscheidung der Frage, wie lange dieser Vorwegvollzug zu bemessen ist, ist das Rehabilitationsinteresse des Verurteilten (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 11; BGH, Beschl. v. 5.12.2000 - 1 StR 521/00 - StV 2002, 481; BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 1 StR 481/00; BGH, Beschl. v. 25.9.2001 - 1 StR 355/01; BGH, Beschl. v. 24.4.2002 - 1 StR 535/01; BGH, Beschl. v. 4.6.2003 - 5 StR 217/03). Die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge dienen auch der Sicherung des Therapieerfolgs (vgl. BGH, Beschl. v. 21.8.2007 – 3 StR 263/07 a.E.; BGH, Beschl. v. 24.6.2014 - 1 StR 162/14). |
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10 |
Hat
das Tatgericht es bei der in § 67 Abs. 1 StGB vorgesehenen
Reihenfolge der Vollstreckung der Maßregel vor der
Freiheitsstrafe belassen, ist dies der Überprüfung
durch das Revisionsgericht entzogen, wenn der Beschwerdeführer
die Anordnung der Maßregel und damit auch die Frage der
Vollstreckungsreihenfolge vom Revisionsangriff wirksam (vgl. BGHSt 38,
362, 364; BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 3) ausgenommen
hat (vgl. BGH,
Beschl. v. 9.10.2007 - 5 StR 374/07).
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§ 67 Abs. 2 StGB |
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... (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird. ... |
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15 |
Nach
§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur
Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in
einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 [in Kraft getreten am 17.7.2007]
(BGBl 2007 Teil I S. 1327) soll das Gericht bei Anordnung der
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen
Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil
der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Nach Satz 3
dieses Absatzes ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach
seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung
eine Entscheidung nach Abs. 5 Satz 1 möglich ist. §
67 Abs. 5 Satz 1 StGB (nF) sieht die Möglichkeit einer
Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung
vor, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist (vgl. auch BGH,
Beschl. v. 24.10.2007 - 1 StR 481/07; BGH,
Beschl. v. 19.12.2008 - 2
StR 401/08). Dem liegt die Vorstellung zugrunde,
erfolgversprechende
Behandlungen
dauerten "nach den Erfahrungen der Praxis gegenwärtig im Durchschnitt"
ein Jahr, eine "sinnvolle Entziehungstherapie" sei "spätestens nach
zwei Jahren beendet" (BGH, Beschl. v. 17.4.2012 - 3 StR 65/12;
BT-Drucks. 16/1110, S. 14; zur durchschnittlichen Behandlungsdauer
bereits die Gesetzentwürfe des Bundesrates zur Verbesserung der
Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und
Sicherung, BT-Drucks. 14/8200, S. 10, und zur Reform des Rechts der
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer
Entziehungsanstalt, BT-Drucks. 15/3652, S. 13 f.). Die Regelung des §
67 Abs. 2 Satz 2 StGB findet
auf Maßregeln nach § 63
StGB keine Anwendung, weil
sich diese nur auf Anordnungen der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bezieht (vgl. BGH,
Beschl. v.
24.6.2008 - 4 StR 204/08). Die Dreijahresgrenze des § 67 Abs.
2 Satz 2 StGB ist auch überschritten, wenn zwei Gesamtstrafen
gebildet worden sind, die nur zusammen mehr als drei Jahre betragen
(BGH,
Beschl. v. 7.1.2009 - 3 StR 458/08 - NStZ 2009, 261). siehe auch: Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe, § 57 StGB L E I T S A T Z § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 gilt gemäß § 7 Abs. 1 JGG in Verb. m. § 61 Nr. 2 StGB auch bei der Verhängung von Jugendstrafe (BGH, Beschl. v. 26.5.2009 - 4 StR 134/09 - Ls. - NStZ 2010, 93; BGH, Beschl. v. 26.5.2011 - 4 StR 159/11). siehe auch: § 7 JGG, Maßregeln der Besserung und Sicherung L E I T S A T Z Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Satz 2 StGB) besteht nicht, wenn die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitet (BGH, Beschl. v. 17.4.2012 - 3 StR 65/12 - Ls.; siehe hierzu insb. § 64 StGB Rdn. 35 und § 67d StGB Rdn. 5). |
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15.1 |
Nach
§ 2
Abs. 6 StGB muss bei Maßregeln der
Besserung und Sicherung eine Gesetzesänderung
berücksichtigt und grundsätzlich das neue Recht in
jeder Lage des Verfahrens angewendet werden (vgl. BGH,
Beschl. v.
24.7.2007 - 3 StR 231/07 - NStZ 2008, 28; BGH,
Beschl. v. 11.12.2007 -
4 StR 345/07; BGH,
Beschl. v. 15.10.2008 - 2 StR 351/08;
Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 2 Rdn. 12, 15). siehe auch: Milderes Recht, § 2 StGB |
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20 |
Gemäß
§ 358
Abs. 2 Satz 2 StPO kommt es
nicht darauf an, ob der Angeklagte durch die Nichtanwendung des
§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB n. F. beschwert sein kann (vgl. BGH,
Beschl. v. 9.10.2007 - 5 StR 374/07; BGH,
Beschl. v. 18.12.2007 - 5 StR
552/07). Eine solche Beschwer kann sich aber auch durch die
Nichtanwendung des am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur
Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in
einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl 2007 I 1327)
geänderten Gesetzes ergeben, weil nach der
Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 11) die neu
geregelte Vollstreckungsreihenfolge auch der Sicherung des
Therapieerfolges dient (vgl. BGH,
Beschl. v. 21.8.2007 - 3
StR 263/07;
BGH,
Beschl. v. 9.8.2007 - 4 StR 283/07; BGH,
Beschl. v. 29.8.2007 - 1
StR 378/07; BGH,
Beschl. v.
10.10.2007 - 2 StR 392/07; BGH,
Beschl. v. 16.10.2007 - 3 StR 419/07;
BGH,
Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 224/09; BGH,
Beschl. v. 27.4.2010 - 3
StR 75/10; Fischer StGB 57. Aufl. § 67 Rdn. 10). Der
Angeklagte kann durch die Nichtanwendung des geänderten
Gesetzes auch beschwert sein, wenn die getroffene Entscheidung einer
Halbstrafenentlassung von vornherein entgegensteht (vgl. BGH,
Beschl.
v. 15.10.2008 - 2 StR 351/08). Der Angeklagte ist schon durch die Nichtanwendung des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB beschwert, weil die von § 67 Abs. 1 StGB abweichende Vollstreckungsreihenfolge auch der Sicherung des Therapieerfolgs dient und bei dessen Eintritt die Möglichkeit besteht, dass der Angeklagte unter Anrechnung der Unterbringungsdauer schon zum Halbstrafenzeitpunkt entlassen wird (BGH, Beschl. v. 21.8.2007 - 3 StR 263/07; BGH, Urt. v. 13.8.2009 - 3 StR 224/09; BGH, Beschl. v. 22.9.2011 - 2 StR 322/11; vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 64 Rn. 10). Die Beschwer besteht ungeachtet einer der Strafvollstreckungskammer in § 67 Abs. 3 Satz 1 StGB eröffneten Möglichkeit der nachträglichen Anordnung, denn eine spätere Anordnung steht lediglich in deren Ermessen und darf überdies nur auf Umstände gestützt werden, die erst nach Rechtskraft der Unterbringungsanordnung (typischerweise: während des Vollzugs) in Erscheinung getreten sind; verwehrt ist es dem nachträglich entscheidenden Gericht, bei gleicher tatsächlicher Beurteilungsgrundlage die Urteilsfeststellungen des erkennenden Gerichts nach Art eines Rechtsmittelgerichts zu "berichtigen" (BGH, Beschl. v. 22.9.2011 - 2 StR 322/11; Schöch LK 12. Aufl. StGB § 67 Rn. 105). siehe auch: Bindung des Untergerichts; Verbot der Schlechterstellung, § 358 StPO --> Rdn. 25.3 |
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25 |
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25.1 |
Gemäß
§ 67 Abs. 1 StGB ist die
Maßregel vor der Strafe zu vollstrecken. Das Gericht bestimmt
jedoch, dass die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der
Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der
Maßregel dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2
Satz 1 StGB). Ist eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren
verhängt, „soll“ das Gericht bestimmen,
dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist
(§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB); dies also dann, wenn nicht aus
gewichtigen Gründen des Einzelfalls eine andere Entscheidung
eher die Erreichung eines Therapieerfolges erwarten lässt
(vgl. BGH,
Urt. v. 20.3.2003 - 4 StR 400/02; BGH, Beschl. v. 22.9.2011
- 2 StR 322/11; Fischer StGB 55. Aufl.
§ 67 Rdn. Rdn. 10, 12 m.w.N.), namentlich bei aktuell dringender
Therapiebedürftigkeit des Betreffenden (vgl. BGH,
Beschl. v. 9.8.2007 - 4 StR 283/07 - NStZ-RR 2007,
371,
372; BGH, Beschl. v. 22.9.2011 - 2 StR 322/11; BT-Drucks. 16/1110, S.
14). Liegen keine Gründe vor, die gegen eine Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr (BGH, Beschl. v. 9.8.2007 - 4 StR 283/07 - NStZ-RR 2007, 371, 372; BGH, Beschl. v. 22.9.2011 - 2 StR 322/11; BGH, Urt. v. 22.2.2012 - 1 StR 378/11). „Dieser Teil ist so zu berechnen, dass nach seiner Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine Bewährungsentscheidung [nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nF] möglich ist“ (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 11; BGH, Beschl. v. 8.1.2008 - 1 StR 644/07; BGH, Beschl. v. 6.5.2008 - 1 StR 144/08; BGH, Beschl. v. 24.9.2008 - 1 StR 478/08 - NStZ 2009, 87; BGH, Beschl. v. 3.12.2008 - 1 StR 654/08 - StraFo 2009, 119; BGH, Beschl. v. 12.2.2009 - 3 StR 569/08 - NStZ-RR 2009, 172; BGH, Beschl. v. 27.10.2009 - 1 StR 515/09; BGH, Beschl. v. 29.9.2009 - 4 StR 348/09; siehe zur Bemessung unten). Ein Beurteilungsspielraum für den Tatrichter besteht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht (BGH StV 2008, 248; 2008, 306; 2008, 638; BGH, Urt. v. 6.3.2008 - 3 StR 538/07; BGH, Beschl. v. 12.2.2009 - 3 StR 569/08 - NStZ 2009, 172; BGH, Beschl. v. 1.9.2009 - 3 StR 349/09). Für die Beurteilung des Vorliegens wichtiger, eine Abweichung rechtfertigender Gründe ist allein der Zeitpunkt der Aburteilung maßgeblich. Das Erreichen des Therapieerfolgs wird dadurch auch im Falle später eintretender neuer Umstände nicht gefährdet, denn diesen kann die Strafvollstreckungskammer durch eine Anordnung, Änderung oder Aufhebung des Vorwegvollzugs jederzeit gerecht werden (BGH, Beschl. v. 22.9.2011 - 2 StR 322/11). Die zu treffende Entscheidung darf nunmehr einer Halbstrafenentlassung von vornherein nicht mehr entgegenstehen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.8.2007 - 1 StR 378/07; BGH, Beschl. v. 18.9.2007 - 4 StR 378/07; BGH, Beschl. v. 19.8.2008 - 5 StR 300/08). Darauf, ob es nahe liegend erscheint, dass die zuständige Strafvollstreckungskammer zu gegebener Zeit eine solche Entscheidung treffen wird, kommt es nicht an (vgl. BGH, Beschl. v. 18.3.2008 - 1 StR 103/08; BGH, Beschl. v. 8.4.2008 - 4 StR 21/08; BGH, Beschl. v. 10.12.2008 - 5 StR 551/08 - NStZ-RR 2009, 233; BGH, Beschl. v. 2.9.2009 - 5 StR 327/09; BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 4 StR 422/09). Der Halbstrafenzeitpunkt ist auch dann maßgeblich, wenn eine Entlassung des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten ist (vgl. vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.2008 - 2 StR 167/08; BGH, Beschl. v. 5.9.2008 - 2 StR 237/08 - StV 2008, 635; Fischer StGB 55. Aufl. § 67 Rdn. 11). Bei aktuell dringender Therapiebedürftigkeit hat das Gericht weiterhin die Möglichkeit, es beim Vorwegvollzug der Maßregel nach § 67 Abs. 1 StGB zu belassen (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 14; BGH, Beschl. v. 10.10.2007 - 2 StR 392/07; BGH, Beschl. v. 22.1.2008 - 5 StR 624/07; BGH, Beschl. v. 16.12.2008 - 4 StR 552/08 - NStZ-RR 2009, 105). Dem Gericht wird durch die Ausgestaltung des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB als "Soll-Vorschrift" ermöglicht, bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, dass die Neuregelung nach dem gesetzgeberischen Willen nicht zu einer Verlängerung der Gesamtdauer des Freiheitsentzuges führen darf und das Gericht deshalb, wenn eine solche Verlängerung im Einzelfall zu befürchten wäre, im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens auf die Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge zu verzichten haben wird (vgl. BGH, Beschl. v. 9.8.2007 - 4 StR 283/07; BGH, Beschl. v. 16.12.2008 - 4 StR 552/08 - NStZ-RR 2009, 105). Ein Vorwegvollzug von zehn Jahren Freiheitsstrafe ist mit § 67 Abs. 2 StGB nicht zu vereinbaren (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2011 - 1 StR 120/11). |
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25.2 |
Ist
bei der Bemessung des Teils der Strafe, der vor der
Maßregel zu vollziehen ist, nicht auf den Zeitpunkt der
Verbüßung der Hälfte der Strafe abgestellt
worden (§ 67 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1 StGB n.F.), kann dies im
Einzelfall im Ergebnis nicht rechtsfehlerhaft sein, wenn angesichts der
Feststellungen zu den erheblichen einschlägigen Vorbelastungen
des Angeklagten und den bereits vollstreckten Freiheitsentziehungen
auszuschließen ist, dass eine Strafaussetzung zum
Halbstrafenzeitpunkt (§ 57
Abs. 2 StGB i.V.m. § 67
Abs. 5 StGB) in Betracht kommen könnte (vgl. BGH,
Beschl. v.
3.12.2007 - 5 StR 384/07; BGH,
Beschl. v. 3.3.2008 - 5 StR 52/08; vgl.
auch BGH,
Beschl. v. 2.9.2009 - 5 StR 339/09). Demgegenüber
hat der 1. Strafsenat auf den zwingenden Charakter der Vorschrift
hingewiesen. Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB
„ist“ dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass
nach seiner Vollziehung und der anschließenden Unterbringung
eine Entscheidung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1
StGB möglich ist, also eine Halbstrafenentlassung. Darauf, ob
es nahe liegend erscheint, dass die zuständige
Strafvollstreckungskammer zu gegebener Zeit eine solche Entscheidung
auch treffen wird, oder ob ein solches Ergebnis letztlich nicht zu
erwarten ist, kommt es nicht an. Eine an einer mutmaßlichen
Zwei-Drittel-Reststrafenaussetzung orientierte Bemessung der Dauer des
Vorwegvollzuges ist dem Tatrichter nach dem eindeutigen Willen des
Gesetzgebers, wie er sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt und der
von den Gesetzesmaterialien zusätzlich bestätigt wird
(vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 11), versagt (vgl. BGH,
Beschl. v. 18.3.2008
- 1 StR 103/08). Die Annahme, ausnahmsweise könne nicht von einer Strafrestaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung der Hälfte der Gesamtfreiheitsstrafe unter Anrechnung des Maßregelvollzuges ausgegangen werden, lässt das Gesetz in § 67 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 Satz 1 StGB nicht zu. Die dortige Anknüpfung an den Halbstrafenzeitpunkt ist zwingend (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2009 - 5 StR 327/09 - BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 17; BGH, Urt. v. 18.7.2012 - 2 StR 605/11; Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 67 Rn. 11a). Nur die Frage, ob das Gericht von der Möglichkeit der Anordnung des Vorwegvollzuges eines Teils der Strafe Gebrauch macht, liegt in seinem Ermessen (BGH, Urt. v. 18.7.2012 - 2 StR 605/11). Die getroffene Entscheidung über einen teilweisen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe kann ohne praktische Bedeutung und entsprechend aufzuheben sein, wenn sich der Angeklagte bereits mehr als die zur Vorwegvollstreckung bestimmte Zeit in Untersuchungshaft befunden hat. Der 3. Senat des BGH brauchte nicht zu entscheiden, wie in Fällen zu verfahren wäre, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen müsste. Er neigt dazu, darin eine der Konstellationen zu sehen, in denen entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug verzichtet werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 25.11.2010 - 3 StR 406/10 - NStZ-RR 2011, 105). |
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25.3 |
Die
von dem Angeklagten erlittene Untersuchungshaft ist auf die Dauer
des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe
anzurechnen. Verbüßte Untersuchungshaft ist somit
gemäß § 51
StGB - ausschließlich im
Rahmen der Strafvollstreckung von
der Vollstreckungsbehörde -
auf die Freiheitsstrafe und damit auf den nach § 67 Abs. 2
StGB vorweg zu vollstreckenden Strafteil anzurechnen (vgl. BGH NJW
1991, 2431; BGH,
Beschl. v. 30.1.2008 - 2 StR 4/08; BGH,
Beschl. v.
10.12.2008 - 5 StR 551/08 - NStZ-RR 2009, 233; BGH,
Beschl. v.
12.12.2008 - 2 StR 518/08; BGH,
Beschl. v. 17.2.2009 - 1 StR 37/09 -
NStZ-RR 2009, 233; BGH,
Beschl. v. 25.2.2009 - 5 StR 22/09; BGH,
Beschl. v. 10.3.2009 - 5 StR 56/09 - StV 2009, 358; BGH,
Beschl. v.
24.3.2009 - 5 StR 87/09; BGH,
Beschl. v. 13.5.2009 - 1 StR 208/09; BGH,
Beschl. v. 7.7.2009 - 1 StR 292/09; BGH,
Beschl. v. 28.7.2009 - 3 StR
295/09; BGH,
Beschl. v. 2.9.2009 - 5 StR 339/09; BGH, Beschl. v.
15.12.2010 - 1 StR 642/10; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 - 5 StR 423/11;
BGH, Beschl. v. 14.2.2012 - 2 StR 501/11; BGH, Beschl. v. 29.5.2012 - 3
StR 167/12; BGH, Beschl. v. 4.9.2012 - 3 StR 352/12 - BGHR StGB § 67
Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 19; BGH, Beschl. v.
26.2.2014 - 4 StR 564/13; BGH, Beschl. v. 18.3.2014 - 3 StR 79/14; BGH,
Beschl. v. 24.11.2015 - 1 StR 494/15;
Fischer, StGB 62.
Aufl. § 67 Rdn. 11 ff.). Bei
der Bemessung des Teilvorwegvollzuges ist die vollständig
anzurechnende Untersuchungshaft nicht in Abzug zu bringen
(BGH,
Beschl. v. 28.9.2010 - 5 StR 371/10; BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 1 StR
64/12; BGH, Beschl. v. 30.10.2012 - 3 StR 413/12; BGH, Beschl. v.
4.7.2013 - 4 StR 129/13). Eine Kürzung
der Dauer
des angeordneten Vorwegvollzugs um die Dauer der
erlittenen Untersuchungshaft ist dabei nicht zulässig (BGH,
Beschl.
v. 19.1.2010 - 4 StR 504/09 - NStZ-RR 2010, 171, 172; BGH,
Beschl.
v. 25.2.2009 - 5 StR 22/09 - BeckRS 2009, 8265; BGH, Beschl.
v.
28.6.2011 - 4 StR 17/11; BGH, Beschl. v. 4.9.2012 - 3 StR 352/12). Der
vorweg zu
vollstreckende Strafteil ist daher im Urteilstenor nicht um
die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft zu kürzen (BGH,
Beschl. v. 24.3.2009 - 5 StR 87/09; BGH,
Beschl. v. 10.9.2009 - 4 StR
332/09; BGH, Urt. v. 8.7.2010 - 4 StR 210/10; BGH, Beschl. v.
13.12.2011 - 5 StR 423/11; vgl. auch BGH, Beschl. v. 15.12.2010 - 1 StR
642/10 und Fischer StGB
59. Aufl. § 67 Rdn. 9a, 11 ff. m.w.N.; siehe auch unten -->
Rdn. 25.5
und U.2). Beispiel (Teilvorwegvollzug, § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB): Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren. Daneben wurde die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie der Vorwegvollzug von sechs Monaten Freiheitsstrafe vor der Maßregel angeordnet. Der Angeklagte befindet sich nunmehr seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft. Deswegen wäre er angesichts der durch die Strafkammer angenommenen voraussichtlichen Dauer der Unterbringung von zwei Jahren nunmehr selbst auf der Grundlage der vom Landgericht verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sofort in den Vollzug der Maßregel zu überführen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.3.2009 - 5 StR 56/09 - StV 2009, 358; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 3 StR 532/09). [(Gesamtstrafe : 2) - Maßregeldauer, somit (6 Jahre : 2) - 2 Jahre, mithin 1 Jahr. Abzüglich der anzurechnenden Dauer der Untersuchungshaft von 1 Jahr verbleibt kein Zeitraum für einen Vorwegvollzug (zur Formel siehe nachstehend --> Berechnung der Vorwegvollzugsdauer)] Rechtsfehlerhaft ist es, von der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe die Zeit der verbüßten Untersuchungshaft (rund fünf Monate) abzuziehen. Diese Verfahrensweise verkürzt den vorweg zu vollziehenden Teil der Freiheitsstrafe zusätzlich um die Dauer erlittenen Untersuchungshaft und führt dazu, dass bei Vollziehung der Maßregel (in dem voraussichtlich zur Therapie notwendigen Umfang) der Halbstrafenzeitpunkt noch nicht erreicht wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 28.7.2009 - 3 StR 295/09; BGH, Beschl. v. 2.2.2010 - 3 StR 558/09). Beispiel: Verurteilung zu 7 Jahren Freiheitsstrafe; voraussichtliche Therapiedauer 2 Jahre; Untersuchungshaft 5 Monate. (Gesamtstrafe : 2) - Maßregeldauer --> somit 3 Jahre 6 Monate abzüglich 2 Jahre voraussichtlicher Therapiedauer ergibt einen Zeitraum für den Vorwegvollzug von 1 Jahr 6 Monate (vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.9.2012 - 3 StR 352/12). Nach Vorwegvollzug sowie anschließender Therapiedauer wäre der Halbstrafenzeitpunkt erreicht. Wird demgegenüber rechtsfehlerhaft von der Hälfte der Gesamtstrafe (3 Jahre 6 Monate) die Zeit der Untersuchungshaft abgezogen (5 Monate), verbleiben 3 Jahre 1 Monat und nach Abzug der voraussichtlichen Therapiedauer von 2 Jahren --> 1 Jahr und 1 Monat. Nach dieser Berechnung ist der Halbstrafenzeitpunkt jedoch noch nicht erreicht (vgl. BGH, Beschl. v. 28.7.2009 - 3 StR 295/09; vgl.auch BGH, Beschl. v. 2.2.2010 - 3 StR 558/09). Die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat zu unterbleiben, wenn sich der mögliche Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten seit seiner Festnahme erlittene Polizei- und Untersuchungshaft bereits erledigt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 31.10.2007 – 2 StR 354/07 - NStZ 2008, 212, 213; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 - 5 StR 423/11). Zieht die Aufhebung des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht den Wegfall des angeordneten Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe nach sich, kann er sich im Hinblick auf die fortdauernde Untersuchungshaft aufgrund der zwischenzeitlich weiter vollzogenen Untersuchungshaft wohl erübrigen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – 5 StR 299/10; BGH, Beschl. v. 28.8.2012 - 5 StR 391/12). Bei der Berechnung der Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe darf deren als (nach der Vollstreckungslösung) vollstreckt geltender Teil nicht abgezogen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2012 - 1 StR 40/12; BGH, Beschl. v. 22.5.2012 - 1 StR 174/12). Der als vollstreckt geltende Teil der Freiheitsstrafe hat bei der Bestimmung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe nach § 67 Abs. 2 StGB außer Betracht zu bleiben, weil dieser im Vollstreckungsverfahren auf den vor der Unterbringung zu vollziehenden Teil der Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Beschl. v. 26.4.2016 - 2 StR 58/16 Rn. 2). Das Verschlechterungsverbot steht einer Verlängerung der Zeit des Vorwegvollzugs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2012 - 1 StR 40/12 mwN; BGH, Beschl. v. 22.5.2012 - 1 StR 174/12; BGH, Beschl. v. 29.5.2012 - 3 StR 167/12). Entsprechendes gilt für die sogenannte Organisationshaft als Teil der Strafhaft, der zwischen der Rechtskraft des Urteils und dem Beginn der Vollstreckung der Maßregel verstreicht (BGH, Beschl. v. 30.10.2012 - 3 StR 413/12). Auch die zur Organisation der Unterbringung erforderliche Zeitist nicht in die Berechnung einzubeziehen, da diese während des Vollzugs der vorweg zu vollstreckenden Freiheitsstrafe möglich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29.5.2012 - 3 StR 167/12; BGH, Beschl. v. 30.10.2012 - 3 StR 413/12). Für eine Berücksichtigung der Organisationshaft als Teil der Strafhaft, der zwischen der Rechtskraft des Urteils und dem Beginn der Vollstreckung der Maßregel verstreicht, ist in Fällen des Vorwegvollzugs der Strafe kein Raum (vgl. BGH, Beschl. v. 5.3.2013 - 3 StR 492/12). Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.6.1997 - 2 BvR 2422/96 - NStZ 1998, 77) steht dem nicht entgegen (BGH, Beschl. v. 30.10.2012 - 3 StR 413/12). Beispiel: Therapiedauer zwei Jahre. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Zudem wurde bestimmt, dass von der Freiheitsstrafe vier Monate als vollstreckt gelten sowie drei Jahre und vier Monate vor der Unterbringung zu vollziehen sind. (Gesamtstrafe : 2 = 5 Jahre 6 Monate) - Maßregeldauer (2 Jahre) --> somit drei Jahre sechs Monate (vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2012 - 1 StR 40/12). Wird die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung angeordnet und zum einen bestimmt, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vor der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu vollziehen ist, und zum anderen, dass vor der Unterbringung in der Entziehungsanstalt drei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind, ist es auch insoweit rechtsfehlerhaft, die Zeit der erlittenen Untersuchungshaft von der Dauer des Vorwegvollzugs der Unterbringung gemäß § 64 StGB abzuziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 1 StR 64/12). |
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25.4 |
Nach
der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1
StGB soll - auch bei hohen Freiheitsstrafen - möglichst
umgehend mit der Behandlung des süchtigen Rechtsbrechers
begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg
verspricht (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4
und 12; BGH,
Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR 109/00; BGH,
Beschl. v.
30.1.2001 - 1 StR 481/00; BGH,
Beschl. v. 1.3.2001 - 4 StR 36/01; BGH,
Beschl. v. 21.3.2001 - 1 StR 77/01; BGH,
Beschl. v. 19.4.2001 - 3 StR
109/01; BGH,
Beschl. v. 30.5.2001 - 1 StR 176/01 - NStZ-RR 2002, 26;
BGH,
Beschl. v. 11.7.2001 - 3 StR 222/01; BGH,
Beschl. v. 3.4.2002 - 3
StR 34/02; BGH,
Beschl. v. 22.3.2006 - 1 StR 75/06; BGH,
Beschl. v.
18.7.2007 - 2 StR 211/07). Der Betroffene soll schon frühzeitig von seinem Hang befreit werden, so dass er in der Strafanstalt an der Verwirklichung des Vollzugziels der Strafe mitarbeiten kann (BGH, Beschl. v. 25.9.2001 - 1 StR 355/01; BGH, Beschl. v. 25.4.2002 - 3 StR 111/02). Eine Abweichung von der gesetzlich regelmäßig vorgesehenen Vollstreckungsreihenfolge des § 67 Abs. 1 bedarf eingehender Begründung mit auf den Einzelfall abstellbaren und nachprüfbaren Erwägungen (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 4, BGH, Beschl. v. 16.6.1998 - 4 StR 251/98; BGH bei Detter NStZ 2001, 473 m. w. N.; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 7, 9, 11, 12, 16; BGH, Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR 109/00; BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 1 StR 481/00; BGH, Beschl. v. 21.3.2001 - 1 StR 77/01; BGH, Beschl. v. 11.7.2001 - 3 StR 222/01; BGH, Beschl. v. 25.9.2001 - 1 StR 355/01; BGH, Urt. v. 19.2.2002 - 1 StR 546/01 - NStZ 2002, 533; BGH, Beschl. v. 24.4.2002 - 1 StR 535/01; BGH, Beschl. v. 25.4.2002 - 3 StR 111/02; BGH, Beschl. v. 14.4.2004 - 4 StR 32/04; BGH, Beschl. v. 22.3.2006 - 1 StR 75/06; BGH, Beschl. v. 18.7.2007 - 2 StR 211/07; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 67 Rdn. 4 bis 8 m.w.N.). Leidet der Angeklagte an einer hirnorganischen Wesensänderung, die sich als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB erweist, so bedarf diese nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers der umgehenden Behandlung (vgl. BGH, Beschl. v. 24.4.2002 - 1 StR 535/01). |
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25.4.1 |
Bei
einem Therapiewilligen kann der Vorwegvollzug eines Teils der
Strafe regelmäßig nicht damit begründet
werden, dies sei zur Förderung seiner Therapiebereitschaft
notwendig (vgl. BGH,
Beschl. v. 30.5.2001 - 1 StR 176/01 - NStZ-RR
2002, 26; BGH,
Beschl. v. 6.6.2001 - 3 StR 177/01; BGH,
Beschl. v.
22.8.2001 - 1 StR 325/01; BGH,
Beschl. v. 6.6.2002 - 3 StR 160/02). Die
beim Angeklagten "zur Zeit" fehlende "erforderliche selbstkritische
Einstellung" vermag eine Änderung der
Vollstreckungsreihenfolge ebensowenig zu rechtfertigen wie die
Erwartung, "eine solche Einstellungsänderung (könne)
in der Haft erreicht werden" (BGHR StGB § 67 Abs. 2
Vorwegvollzug, teilweiser 9 und Zweckerreichung, leichtere 11, 12; BGH,
Beschl. v. 1.3.2001 - 4 StR 36/01 - NStZ-RR 2001, 295). Es ist gerade Aufgabe des Maßregelvollzugs, den Untergebrachten für die Therapie zu motivieren (vgl. BVerfG, BVerfGE 91, 1 f. - NStZ 1994, 578; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 14; BGH, Beschl. v. 4.6.2002 - 4 StR 160/02 - NStZ 2002, 647; BGH, Beschl. v. 22.4.2009 - 5 StR 138/09 - NStZ 2010, 84). Zu bedenken ist auch, daß eine vorhandene Therapiebereitschaft während des Strafvollzugs wieder zerstört werden könnte (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 10; Vorwegvollzug, teilweiser 12; BGH, Beschl. v. 19.4.2001 - 3 StR 109/01; BGH, Beschl. v. 30.5.2001 - 1 StR 176/01). |
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25.4.2 |
Steht
zu besorgen, dass der an die Maßregel
anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg
wieder zunichte machen könnte, so müssen
dafür überzeugende Gründe vorliegen (vgl.
BGH NStZ 1986, 428; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 7,
Vorwegvollzug, teilweiser 13; BGH,
Urt. v. 30.5.2000 - 4 StR 54/00 -
NStZ 2000, 529; BGH,
Beschl. v. 30.1.2001 - 1 StR 481/00; BGH,
Beschl.
v. 26.4.2001 - 1 StR 109/01; BGH,
Beschl. v. 30.5.2001 - 1 StR 176/01 -
NStZ-RR 2002, 26; BGH,
Beschl. v. 25.4.2002 - 3 StR 111/02; BGH,
Beschl. v. 22.3.2006 - 1 StR 75/06). Hierbei sind die
Persönlichkeit des Angeklagten, die Länge der
Freiheitsstrafe und die Art der notwendigen Behandlungen in die
Erwägungen einzubeziehen (BGHR StGB § 67 Abs. 2
Zweckerreichung, leichtere 1; BGH,
Beschl. v. 25.4.2002 - 3 StR
111/02). So bedarf die Auffassung, daß eine Erfolgsaussicht
der Therapie nur dann bestehe, wenn sie zum Ende der Haftstrafe
durchgeführt wird, konkreter Anhaltspunkte dafür,
weshalb eine Gefährdung des Erfolgs des
Maßregelvollzugs durch einen anschließenden
Strafvollzug begründet werden kann und wie sich diese bei dem
Angeklagten auswirken könnte (vgl. BGHR StGB § 67
Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 7, 9, 11, 12; BGH NStZ 1986, 427, 428;
BGH,
Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR 109/00; BGH,
Beschl. v. 30.1.2001 - 1
StR 481/00; BGH,
Beschl. v. 1.3.2001 - 4 StR 36/01 - NStZ-RR 2001, 295;
BGH,
Beschl. v. 26.4.2001 - 1 StR 109/01; BGH,
Beschl. v. 19.4.2001 - 3
StR 109/01; BGH,
Urt. v. 5.12.2002 - 3 StR 399/02; BGH,
Urt. v.
20.3.2003 - 4 StR 400/02; BGH,
Beschl. v. 10.9.2003 - 5 StR 373/03;
BGH,
Beschl. v. 20.2.2002 - 3 StR 14/02; BGH,
Beschl. v. 18.7.2007 - 2
StR 211/07). Im Rahmen der erforderlichen Würdigung ist auch
zu bedenken, dass eine vorhandene Therapiebereitschaft während
des Vorwegvollzuges der Strafe wieder zerstört werden kann
(BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 10;
Vorwegvollzug, teilweiser 12; BGH,
Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR
109/00). Eine vom Tatgericht ins Auge gefaßte
spätere Vorgehensweise nach § 35
Abs. 2 Nr. 2 BtMG
ist auch möglich, wenn die Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt ohne die Umkehr der vom Gesetzgeber als Regelfall
vorgesehenen Reihenfolge des Vollzuges angeordnet wird (BGH NStZ 1984,
573; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 6; BGH,
Beschl. v. 10.5.2000 - 1 StR
109/00). Beispiel: Soweit das Tatgericht die Anordnung des Vorwegvollzugs der Jugendstrafe damit begründet, daß "angesichts der allgemein bekannten Zustände im Vollzug, wo Drogengenuß jederzeit möglich ist, die Erfolglosigkeit der Therapiemaßnahme vorgezeichnet" sei, wenn der Angeklagte die Strafe nach der Therapie zu verbüßen habe, widerspricht dies der Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 67 Abs. 1 StGB. Danach soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Rechtsbrechers begonnen werden, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht (vgl. st. Rspr. zusammenfassend bei Detter NStZ 2002, 415, 419; BGH, Beschl. v. 11.2.2003 - 4 StR 522/02; weitere Nachweise bei Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 67 Rdn. 6 f.). Ein Abweichen von der Vollzugsreihenfolge kann zwar grundsätzlich damit gerechtfertigt werden, daß die Behandlung nach § 64 StGB der Entlassung in die Freiheit unmittelbar vorausgehen sollte, weil ein sich anschließender Strafvollzug die positiven Auswirkungen des Maßregelvollzugs wieder gefährden würde. In einem solchen Fall muß der Tatrichter konkrete Anhaltspunkte darlegen, die erkennen lassen, worin die Gefährdung des Maßregelerfolgs durch den anschließenden Strafvollzug besteht und wie sich dies bei dem Verurteilten auswirken könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 8.9.1998 - 1 StR 384/98 - m. w. N.; BGH, Beschl. v. 5.12.2000 - 1 StR 521/00; BGH, Beschl. v. 4.6.2003 - 5 StR 217/03). Die Ansicht, eine leichtere Erreichbarkeit des Zwecks der Maßregel nach § 64 StGB allein mit der Erwägung, es sei gesicherte Erkenntnis, dass der Verurteilte nach einem erfolgreichen Maßregelvollzug auf Bewährung in die Freiheit entlassen und nicht wieder in den Strafvollzug überstellt werden sollte, reicht nicht aus. Eine solche "gesicherte Erkenntnis" kann in dieser Allgemeinheit schon deshalb nicht herangezogen werden, weil der Gesetzgeber sich bei der Bestimmung der regelmäßig einzuhaltenden Vollstreckungsreihenfolge (§ 67 Abs. 1 StGB) gerade an anderen Gesichtspunkten orientiert und für eine grundsätzlich andere Vollstreckungsfolge entschieden hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 1 StR 481/00). Die Unterbringung kann auch bei erreichtem Therapieziel nach § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB i.V.m. § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB weiter bis zum Entlassungszeitpunkt vollzogen werden. Diese Regelung soll gerade vermeiden, daß im Maßregelvollzug erzielte Erfolge durch einen Strafvollzug wieder beeinträchtigt werden (vgl. BT-Drucks. V/4095 S. 32; BGH, Beschl. v. 30.5.2001 - 1 StR 176/01 - NStZ-RR 2002, 26). |
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25.4.3 |
Die
Erwägung, der Angeklagte unterliege im Falle einer an den
Vollzug der Maßregel anschließenden Strafhaft im
Blick auf die in der Haftanstalt "kursierenden
Betäubungsmittel" erneut einer erheblichen
Gefährdung, ist zwar nicht frei von rechtlichen Bedenken; denn
es ist Aufgabe der Vollstreckungsbehörden, geeignete
Vollstreckungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen
(vgl. BGHSt 36, 199, 201). Beanstandet hat der Bundesgerichtshof ein
Abstellen auf einen solchen Gesichtspunkt aber nur dann, wenn er
alleiniger Grund für die Anordnung des Vorwegvollzuges von
Freiheitsstrafe war (BGH, Beschl. v. 2.6.1999 - 5 StR 218/99 und 5 StR
262/99; BGH,
Beschl. v. 10.10.2000 - 1 StR 407/00 - NStZ-RR 2001, 93).
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25.4.4 |
Der Gesichtspunkt der Herbeiführung eines "Leidensdrucks" (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 4 und Zweckerreichung, leichtere 6; BGH NStZ 1986, 139; Maul/Lauven, Die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel gemäß § 67 Abs. 2 StGB, NStZ 1986, 397, 398), wonach der Angeklagte einen Leidensdruck benötigt, um bei einer Therapie nachhaltig mitzumachen, ist im Grundsatz ein tragfähiger Ansatzpunkt für die Umkehr der Vollzugsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 1 StGB. Jedoch ist die Annahme der Notwendigkeit eines weiteren "Leidensdrucks" zur Herbeiführung einer "nachhaltigen" Therapiebereitschaft nicht mit Feststellungen in Einklang zu bringen, nach denen Therapiewilligkeit des geständigen Angeklagten besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 19.4.2001 - 3 StR 109/01; BGH, Urt. v. 19.2.2002 - 1 StR 546/01 - NStZ 2002, 533; vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 19.2.2002 - 1 StR 28/02). | |
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25.4.5 |
Eine im Jugendvollzug begonnene Berufsausbildung ist für sich genommen kein Grund, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB von der Maßregelanordnung abzusehen. Jedoch kann diesem Umstand gegebenenfalls bei der gemäß § 67 Abs. 2 StGB zu treffenden Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge Rechnung getragen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 16.9.2008 - 4 StR 316/08). | |
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25.4.6 |
Wird die Anordnung des Vollwegvollzugs damit begründet, dass nur hierdurch eine ausreichende Konfrontation des Angeklagten mit den Folgen seiner Straftat erreicht werden könne, weil er aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur dazu neige, die eigenen Straftaten zu bagatellisieren und Verantwortung auf Dritte abzuschieben, erhellt diese Erwägung nicht, inwiefern eine Konfrontation mit den Folgen seines strafbaren Handelns eher im Strafvollzug als bei der Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus erreicht werden kann oder die Strafhaft als Vorstufe der Behandlung für deren Zwecke erforderlich sein könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 26.4.2001 - 1 StR 109/01). | |
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25.4.7 |
Die
bei einem geständigen, krankheitseinsichtigen und
therapiewilligen Täter nur mit abstrakten, pauschalen und
für sich betrachtet nicht aussagekräftigen
Erwägungen für einen teilweisen Vorwegvollzug der
ausgeurteilten Gesamtfreiheitsstrafe reichen zur Rechtfertigung einer
auf § 67 Abs. 2 StGB gestützten Entscheidung nicht
aus (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 10,
BGH,
Beschl. v. 11.10.2006 - 5 StR 391/06). Die allgemein gehaltenen Erwägungen, der Zweck der Therapie sei leichter zu erreichen, wenn diese am Ende der Strafverbüßung stehe, und der Erfolg der Therapie setze eine anschließende ´Eingliederung des Angeklagten mit einer suchtspezifischen Nachbetreuung´ voraus, reichen zur Begründung nicht aus (vgl. BGH Beschl. v. 23.4.1998 - 4 StR 157/98; BGH, Beschl. v. 21.3.2001 - 1 StR 77/01; BGH, Beschl. v. 25.9.2001 - 1 StR 355/01; BGH, Beschl. v. 3.4.2002 - 3 StR 34/02; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 67 Rdn. 6a). Auch eine Begründung für die Anordnung des Vorwegvollzugs gemäß § 67 Abs. 2 StGB, die sich im wesentlichen auf die Mitteilung beschränkt, der hierzu gehörte Sachverständige habe dies als "sinnvoll" angesehen, sowie eine Aufzählung theoretisch möglicher Gründe für die Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge ist regelmäßig nicht ausreichend (vgl. BGH, Beschl. v. 23.5.2003 - 2 StR 441/01). Gleiches gilt für die allgemein gehaltene Erwägung, es sei angezeigt, die "Alkoholtherapie" am Ende der Vollstreckung durchzuführen, da eine Einweisung in die Justizvollzugsanstalt nach der Entwöhnungsbehandlung demotivierend sei (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - 3 StR 125/03). Die Erwägung, der Vorwegvollzug sei deshalb notwendig, weil die Prognose offen ist, ob durch ihn bessere Therapiechancen eröffnet werden, reicht allein nicht aus, um eine Abweichung von dem gesetzlichen Grundsatz zu rechtfertigen (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Zweckerreichung, leichterer 10; BGH, Beschl. v. 26.9.2001 - 1 StR 330/01). |
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25.5 |
Halbstrafenentlassung
(§ 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StGB
i.V.m. § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB) Die Überschreitung des von § 67 Abs. 2 bestimmten Zeitpunktes, von dem an regelmäßig eine Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe in Betracht kommt, wirkt sich für den Angeklagten wie ein zusätzliches Strafübel aus (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 7; BGH, Urt. v. 6.3.2008 - 3 StR 538/07; BGH, Beschl. v. 3.8.2006 - 3 StR 271/06). Beispiel: Bei der ausgeurteilten Freiheitsstrafe von sechs Jahren ist der Halbstrafenzeitpunkt nach drei Jahren erreicht. Dieser Zeitpunkt würde bei einer vom Tatgericht nicht näher eingegrenzten voraussichtlichen Therapiedauer (siehe dazu unten), die nach den getroffenen Feststellungen aber wohl deutlich länger als sechs Monate dauern müsste, naheliegend überschritten, wenn zuvor - wie angeordnet - zwei Jahre und sechs Monate der Freiheitsstrafe vollstreckt würden. Die Dauer des angeordneten Vorwegvollzuges würde sich dann für den Angeklagten wie ein zusätzliches Strafübel auswirken (vgl. BGH NStZ 2007, 30; § 301 StPO; BGH, Urt. v. 6.3.2008 - 3 StR 538/07). (Gesamtstrafe : 2) - Maßregeldauer
Die erlittene Untersuchungshaft ist gemäß § 51 StGB grundsätzlich von der Vollstreckungsbehörde auf den nach § 67 Abs. 2 StGB vorweg zu vollstreckenden Strafteil anzurechnen; dieser ist daher (im Urteilstenor) nicht um die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft zu kürzen (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 24.3.2009 - 5 StR 87/09; BGH, Beschl. v. 7.7.2009 - 1 StR 292/09; BGH, Beschl. v. 28.7.2009 - 3 StR 295/09; BGH, Beschl. v. 10.9.2009 - 4 StR 332/09; BGH, Beschl. v. 16.12.2009 - 2 StR 305/09 - NStZ-RR 2010, 118; BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 2 StR 487/09; BGH, Beschl. v. 14.2.2012 - 2 StR 501/11; BGH, Beschl. v. 24.5.2017 - 2 StR 144/17 Rn. 3). Eine Kürzung der Dauer des angeordneten Vorwegvollzugs um die Dauer der bisher erlittenen Untersuchungshaft ist nicht zulässig (BGH, Beschl. v. 25.2.2009 - 5 StR 22/09; BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 4 StR 504/09; siehe hierzu näher oben --> Rdn. 25.3). Gleiches gilt für eine Anrechnung nach § 56f Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 3 StR 499/09). Möglich ist, dass eine Anordnung über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel nach § 67 Abs. 2 S. 2 StGB nicht mehr getroffen werden kann, weil sich der nach der Rechtsprechung zulässige Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft bereits erledigt hat (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 26.10.2011 - 2 StR 318/11). Beispiel 1: Der Angeklagte ist zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Die für erforderlich gehaltene Dauer der Therapie im Maßregelvollzug beträgt zwei Jahre. Die Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe ergibt eine Dauer von drei Jahren und neun Monaten (11 Jahre und 6 Monate : 2 = 5 Jahre und 9 Monate; abzüglich der Therapiedauer von 2 Jahren verbleiben 3 Jahre und 9 Monate; vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 4 StR 504/09). Die auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft ist - grundätzlich von der Vollstreckungsbehörde - ohne weiteres in die Dauer eines angeordneten Vorwegvollzugs einzurechnen, der mithin nicht um die Dauer der bisherigen Untersuchungshaft abzukürzen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 25.2.2009 - 5 StR 22/09). Beispiel 2: Der Angeklagte ist zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Voraussetzungen für einen teilweisen Vorwegvollzug dieser Strafe sind grundsätzlich gegeben. Bei der Berechnung des vorweg zu vollziehenden Strafteils darf jedoch § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nicht außer Acht gelassen werden. Danach kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrests unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StGB zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte - nicht zwei Drittel - der Strafe erledigt ist. Für den Vorwegvollzug und die Maßregel, die zwei Jahre in Anspruch nimmt, stehen somit bei dem Angeklagten nicht vier, sondern nur drei Jahre zur Verfügung, so dass für den Vorwegvollzug nicht zwei, sondern nur ein Jahr der Freiheitsstrafe zur Verfügung stehen. Befindet sich der Angeklagte in dieser Sache dabei inzwischen mehr als ein Jahr in Haft und ist somit dieser Zeitraum der Gesamtfreiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt, bleibt für eine Anordnung des Vorwegvollzugs kein Raum mehr, so dass diese Anordnung entfallen muss (vgl. BGH, Beschl. v. 31.10.2007 - 2 StR 354/07 - NStZ 2008, 212; BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 3 StR 532/09; BGH, Beschl. v. 24.5.2017 - 2 StR 144/17; vgl. aber BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 2 StR 487/09: da die erlittene Untersuchungshaft gemäß § 51 StGB grundsätzlich von der Vollstreckungsbehörde auf den nach § 67 Abs. 2 StGB zu vollstreckenden Strafteil anzurechnen ist: Vorwegvollzug von einem Jahr der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe). Beispiel 3: Die sachverständig beratene Strafkammer ist rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass aufgrund der konkreten Umstände, insbesondere des Alters des Angeklagten und seiner langjährigen Drogenabhängigkeit, die Therapie zwei Jahre dauern werde. Demgemäß bestimmte der Bundesgerichtshof die Höhe des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Gesamtstrafe auf ein Jahr und drei Monate. Nach dessen Vollstreckung und einer zwei Jahre dauernden Unterbringung ist mit drei Jahren und drei Monaten die Hälfte der verhängten, sich insgesamt auf sechs Jahre und sechs Monate belaufenden Gesamtstrafen erledigt. Die von dem Angeklagten erlittene Untersuchungshaft ist auf die Dauer des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe anzurechnen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2007 - 3 StR 390/07 - NJW 2008, 1173). Beispiel 4: Bei einem prognostizierten Maßregelvollzug von einem Jahr und einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren ist der Vorwegvollzug der Strafe mit eineinhalb Jahren zu bemessen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.2008 - 1 StR 654/08 - StraFo 2009, 119). Beispiel 5: Verurteilung zu Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Unter Berücksichtigung der voraussichtlich eineinhalbjährigen Therapie beträgt die Dauer des Vorwegvollzugs sieben Monate und zwei Wochen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.7.2012 - 3 StR 230/12). Beispiel 6: Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren, voraussichtliche Therapiedauer ein Jahr. Der Vorwegvollzug beträgt drei Jahre und sechs Monate (vgl. BGH, Beschl. v. 21.8.2012 - 4 StR 284/12). |
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25.5.1 |
Dass
wegen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung zwei
getrennte Strafen gebildet werden mussten, ändert an der
Reihenfolge nichts. Damit ist - anders als in den Fällen der
Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen aus verschiedenen Urteilen
(vgl. hierzu Fischer, StGB 57. Aufl. § 67 Rdn. 2 f. m. w. N.)
- die Vorschrift über die Reihenfolge der Vollstreckung
(§ 67 StGB) auf beide Strafen anzuwenden, sodass auch die
Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB für beide
Strafen einheitlich
gilt. Ebenso ist die zweite ausgeurteilte Strafe
auch bei der durch § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB geregelten
Bemessung des vor der Maßregel zu vollziehenden Teils der
Strafe zu berücksichtigen (vgl. BGH,
Beschl. v. 19.1.2010 - 3
StR 499/09 - BGHR StGB § 67 Abs. 2 Satz 3 Berechnung 1). Bei
der
Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB ist
somit von der Summe beider Gesamtstrafen und der Hälfte hiervon
auszugehen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.2010 – 2 StR 182/10 -
NStZ-RR 2010, 306; BGH,
Beschl. v. 19.1.2010 - 3
StR 499/09
- BGHR StGB § 67 Abs. 2 Satz 3 Berechnung 1; BGH, Beschl. v.
24.6.2014 - 1 StR 162/14). Dieses mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang stehende Ergebnis wird auch dem Sinn von § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB gerecht. Danach soll durch das Abstellen auf einen Zeitpunkt, zu dem gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe möglich ist, ein Anreiz für die Therapie gegeben und eine Entlassung nach deren erfolgreichem Abschluss ermöglicht werden, um den Verurteilten nicht erneut in den Vollzug der Freiheitsstrafe zurückverlegen oder ihn länger als erforderlich im Maßregelvollzug belassen zu müssen (BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 3 StR 499/09). Beispiel: Das Tatgericht spricht aufgrund Zäsurwirkung einer Vorverurteilung zwei getrennte Strafen aus, nämlich eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Die Therapie des Angeklagten dauert voraussichtlich neun Monate. Die Summe beider Strafen beträgt sechs Jahre und drei Monate, die Hälfte hiervon sind drei Jahre, ein Monat und 2 Wochen. Somit sind zwei Jahre vier Monate und 2 Wochen Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen. In diesen Vorwegvollzug ist - ohne das dies in der Urteilsformel Berücksichtigung findet - die erlittene Untersuchungshaft einzurechnen (BGH NStZ-RR 2009, 234); Gleiches gilt für die Anrechnung nach § 56f Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 3 StR 499/09). Bei Verhängung mehrerer Gesamtfreiheitsstrafen gilt § 67 StGB für diese Strafen einheitlich (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 3 StR 499/09; BGH, Beschl. v. 15.6.2011 - 4 StR 233/11). Auch wenn wegen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung zwei Gesamtstrafen gebildet werden müssen, ist die Vorschrift über die Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) auf beide Strafen anzuwenden, so dass auch die Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB für beide Strafen nicht getrennt, sondern einheitlich gilt (vgl. BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 3 StR 499/09; BGH, Beschl. v. 7.7.2010 - 2 StR 182/10). Bei der Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist somit von der Summe beider Gesamtstrafen und der Hälfte hiervon auszugehen (BGH, Beschl. v. 7.7.2010 - 2 StR 182/10). Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB soll das Gericht bei der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Diese Entscheidung ist – in Abweichung vom Wortlaut des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB – auch dann zu treffen, wenn nach § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB eine bereits bestehende Unterbringungsanordnung aus einer früheren Entscheidung lediglich aufrechterhalten wird und die daneben gemäß § 55 Abs. 1 StGB gebildete nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe drei Jahre übersteigt (vgl. BGH, Beschl. v. 25.11.2010 – 3 StR 406/10 - NStZ-RR 2011, 105, 106; BGH, Beschl. v. 31.5.2011 – 3 StR 132/11 Rn. 3; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 228/12). Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung sollen die Vor- und Nachteile ausgeglichen werden, die dem Angeklagten infolge der getrennten Verurteilung entstanden sind (BGH, Urt. v. 30.4.1997 – 1 StR 105/97 - BGHSt 43, 79, 80 mwN). Dieses Ziel wird nur dann vollständig erreicht, wenn mit der nachträglichen Gesamtstrafenbildung und der Aufrechterhaltung der bereits bestehenden Unterbringungsanordnung auch die unter den gegebenen Umständen zur Sicherung des Therapieerfolgs erforderliche Änderung der Vollstreckungsreihenfolge vorgenommen wird (BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 228/12). Der Angeklagte wird durch eine Entscheidung nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht beschwert, sodass eine Nachholung allein auf seine Revision hin möglich ist (BGH, Beschl. v. 16.12.2008 – 4 StR 552/08 - NStZ-RR 2009, 105; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 228/12). Der gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB vorzunehmende Ausgleich für die Erfüllung einer Bewährungsauflage ist für die Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs ohne Bedeutung. Nicht anders als erlittene Untersuchungshaft verringert dieser Ausgleich nicht von vornherein die Dauer des Vorwegvollzugs, vielmehr ist er auf den nach § 67 Abs. 2 StGB vorweg zu vollstreckenden Teil der Strafe anzurechnen. Diese Anrechnung obliegt allerdings nicht schon dem Tatgericht, sondern erst dem Vollstreckungsgericht (vgl. BGH, Beschl. v. 24.6.2014 - 1 StR 162/14; zu § 51 StGB: BGH, Beschl. v. 14.1.2014 – 1 StR 531/13 - NStZ-RR 2014, 107; BGH, Beschl. v. 15.12.2010 – 1 StR 642/10; jeweils mwN; zur Kompensation bei rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2012 – 1 StR 40/12). |
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25.6 |
Zur
Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe ist
eine Prognose darüber notwendig, wie lange die Unterbringung
in der Maßregel zur Durchführung der Therapie
voraussichtlich erforderlich sein wird (vgl. BGH,
Beschl. v. 12.2.2009
- 3 StR 569/08 - NStZ-RR 2009, 172 m. w. N.; BGH,
Beschl. v. 1.9.2009 -
3 StR 349/09; BGH,
Beschl. v. 13.1.2010 - 3 StR 532/09). Im Urteil ist mitzuteilen, wie lange die Unterbringung des Angeklagten voraussichtlich erforderlich sein wird (vgl. dazu etwa BGH, Beschl. v. 4.12.2012 - 4 StR 409/12; BGH, Beschl. v. 5.10.2010 - 4 StR 448/10; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 67 Rn. 11b mwN). Fehlt es an einer Feststellung der zur Therapie erforderlichen Dauer der Unterbringung, kann über die Dauer des Vorwegvollzugs unter Hinzuziehung eines Sachverständigen neu zu befinden sein (vgl. BGH, Beschl. v. 12.2.2008 - 1 StR 657/07). Die fehlende Feststellung des zur erfolgreichen Therapie des Angeklagten voraussichtlich erforderlichen Zeitraumes kann das Revisionsgericht hindern, den vor der Maßregel zu vollziehenden Teil der Freiheitsstrafe selbst festzulegen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2007 - 3 StR 390/07 - NJW 2008, 1173; BGH, Beschl. v. 1.9.2009 - 3 StR 349/09; BGH, Beschl. v. 27.10.2009 - 1 StR 515/09; BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 4 StR 422/09; BGH, Beschl. v. 17.3.2011 - 4 StR 29/11). Es genügt auch nicht, dass der Tatrichter hinsichtlich der voraussichtlich notwendigen Dauer des Maßregelvollzuges nur eine Mindestdauer und eine Höchstdauer - also einen Zeitraum - prognostiziert. Erforderlich ist vielmehr eine präzise Prognose darüber, wie lange genau die Unterbringung voraussichtlich erforderlich sein wird. Nur auf der Grundlage einer solchen Prognose kann - letztlich ohne weitere Abwägung, sondern mittels eines Rechenvorgangs (vgl. BGH NStZ 2008, 213) - bestimmt werden, wie viel Strafe (einschließlich der anzurechnenden Untersuchungshaft, vgl. BGH NStZ-RR NStZ 2008, 182 m.w.N.) vorab zu vollziehen ist, bis exakt der Zeitpunkt erreicht sein wird, zu dem eine Halbstrafenentlassung möglich sein wird (vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.2008 - 1 StR 233/08 - StV 2008, 638; BGH, Beschl. v. 24.9.2008 - 1 StR 478/08 - NStZ 2009, 87; BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 2 StR 519/09). Sollte sich im Übrigen im Laufe des Maßregelvollzuges erweisen, dass die Prognose über dessen mutmaßlich erforderliche Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist, so hätte dies gegebenenfalls die dann zuständige Strafvollstreckungskammer im Rahmen von ihr zu treffender Entscheidungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.2008 - 1 StR 233/08 - StV 2008, 638). Die Prognose einer Maßregeldauer von "eineinhalb bis zwei Jahre" kann unpräzise sein (vgl. BGH, Beschl. v. 26.8.2008 - 1 StR 371/08). Zur Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzuges bei einer neben mehreren gesondert verhängten Strafen angeordneten Unterbringung vgl. BGH, Beschl. v. 15.11.2007 - 3 StR 390/07 - NJW 2008, 1173; siehe zur die Strafe übersteigender Therapiedauer § 64 Rdn. 35.2.15 |
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30 |
Leitsatz
Hat das Tatgericht die Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein
rechtsfehlerhaft errechneter Teil der zugleich verhängten
Freiheitsstrafe gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3,
Abs. 5 Satz 1 StGB nF vorweg zu vollziehen ist, kann das
Revisionsgericht analog § 354
Abs. 1 StPO den vorab zu
vollstreckenden Teil der Strafe selbst festlegen, wenn der
Strafausspruch keinen Rechtsfehler aufweist und die zur Therapie
erforderliche Dauer der Unterbringung rechtsfehlerfrei festgestellt ist
(BGH,
Beschl. v. 15.11.2007 - 3 StR 390/07 - Ls. - NJW 2008, 1173;
vgl.
auch BGH,
Beschl. v. 6.5.2008 - 1 StR 144/08; BGH,
Beschl. v. 26.8.2008
- 1 StR 371/08; BGH,
Beschl. v. 2.9.2009 - 5 StR 327/09; BGH,
Beschl.
v. 21.10.2009 - 2 StR 380/09; BGH,
Beschl. v. 19.1.2010 - 4 StR
504/09; BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 498/12). In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO kann das Revisionsgericht auf den Wegfall der Anordnung über den Vorwegvollzug erkennen, wenn jede andere Entscheidung der Möglichkeit einer Halbstrafenentlassung zuwiderlaufen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 29.9.2009 - 4 StR 348/09; BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 3 StR 532/09). Das Revisionsgericht ist - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NStZ 2001, 187, 188; Beschl. v. 1. März 2000 - 2 BvR 2049/99) - nicht nur in den in § 354 Abs. 1 StPO bezeichneten Fällen, sondern auch bei vergleichbaren Sachverhalten berechtigt, in der Sache selbst zu entscheiden und Fehler des Tatrichters bei der Anwendung der Gesetze zu korrigieren, wenn eine solche Entscheidung ohne Änderung oder Ergänzung der tatrichterlichen Feststellungen getroffen werden kann und keine dem Tatrichter vorbehaltenen Wertungen oder Beurteilungen enthält. Dies gilt etwa, wenn der Strafausspruch keinen Rechtsfehler aufweist und die zur Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung rechtsfehlerfrei von der sachverständig beratenen Kammer festgestellt worden ist (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 12.2.2008 - 1 StR 657/07), so dass es sich bei der Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs um einen auf den zwingenden Vorgaben des § 67 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 StGB n.F. beruhenden reinen Rechenvorgang handelt und jedwede Beeinträchtigung von Rechten des Angeklagten dadurch, dass das Revisionsgericht die Dauer des Vorwegvollzugs selbst feststellt, ausgeschlossen ist. Durch diese Vorgehensweise wird eine überflüssige, den Belangen der Rechtspflege sowie dem Beschleunigungsgebot zuwider laufende Verlängerung des Verfahrens und der auf den Vorwegvollzug anzurechnenden Untersuchungshaft (vgl. Fischer, StGB 55. Auflage § 67 Rdn. 9 m.w.N.) vermieden, die im Falle einer Zurückverweisung und Entscheidung erst nach neuer Hauptverhandlung eintreten würde (vgl. BGH, Beschl. v. 6.5.2008 - 1 StR 144/08). Die fehlerhafte Bemessung der Dauer des Vorwegvollzuges kann aber auch zur Aufhebung der Anordnung eines Vorwegvollzuges insgesamt führen (vgl. BGH StraFo 2003, 210; BGH, Beschl. v. 8.3.2005 - 3 StR 7/05), mit der Folge, dass der Rechtsfolgenausspruch des Urteils vorerst nicht in Rechtskraft erwächst und der Angeklagte in Untersuchungshaft verbleiben muss. Dies gilt dann, wenn eine Beschränkung der Urteilsaufhebung auf die Dauer des Vorwegvollzuges unter Aufrechterhaltung der Anordnung dem Grunde nach nicht möglich ist, weil Anordnung und Dauer des Vorwegvollzuges in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Soweit der 3. Strafsenat die Beschränkung in einer früheren Entscheidung (allerdings ohne Begründung) als zulässig angesehen hat, hat er in BGH, Beschl. v. 3.8.2006 - 3 StR 271/06 nicht weiter daran festgehalten (vgl. auch BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 7; hierzu auch Maier in MünchKomm, StGB § 67 Rdn. 130). Vgl. hierzu aber auch: BGH, Urt. v. 6.3.2008 - 3 StR 538/07, wo das Urteil im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben wurde. Der Angeklagte ist durch eine Zurückverweisung durch das Revisionsgericht wegen unterbliebener Entscheidung nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB durch eine solche nachträgliche Entscheidung unter keinen Umständen beschwert. Denn im Zusammenhang mit § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB ist gewährleistet, dass auch beim Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe eine Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung der Hälfte möglich ist. Darauf ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB bei der Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe Bedacht zu nehmen (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 14; BGH, Beschl. v. 16.12.2008 - 4 StR 552/08 - NStZ-RR 2009, 105). Die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzuges der Freiheitsstrafe kann etwa auch dann keinen Bestand haben, wenn der Gesamtstrafausspruch aufgehoben wird und Auswirkungen der Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe insoweit nicht auszuschließen sind (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2000 - 1 StR 441/99 - StV 2000, 622). siehe zur Erstreckung auf nicht revidierende Mitangeklagte unten Rdn. Z.7.1 Die Ausnahme der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom Revisionsangriff hindert die Neufestsetzung der Dauer des Vorwegvollzugs nicht, wenn die wirksame Beschränkung des Rechtsmittels nach dem Inhalt der Revisionsrechtfertigung allein die Anordnung der Unterbringung selbst und die dazu getroffenen Feststellungen betrifft und die im Revisionsverfahren - unter der Voraussetzung einer im Übrigen rechtsfehlerfreien Maßregelentscheidung - in der Regel isoliert anfechtbare Festsetzung der Dauer des Vorwegvollzugs (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2007 - 3 StR 516/07 - NStZ-RR 2009, 48, 49; Fischer, StGB 59. Aufl., § 67 Rn. 11 c) ersichtlich nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen werden sollte (vgl. BGH, Beschl. v. 4.9.2012 - 3 StR 352/12). |
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§ 67 Abs. 3 StGB |
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... (3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist. ... |
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45 |
Neuen,
im Laufe des Vorwegvollzuges der Strafe anfallenden
Erkenntnissen über die Möglichkeiten der Behandlung
des Angeklagten kann durch eine nachträgliche
Änderung der Anordnung (gemäß § 67
Abs. 3 StGB) Rechnung getragen werden (vgl. BGHR StGB § 67
Abs. 2 Zweckerreichung, leichtere 9; BGH,
Beschl. v. 10.10.2000 - 1 StR
407/00 - NStZ-RR 2001, 93). Die Vorschrift des § 67 Abs. 3 Satz 1 StGB, wonach das Gericht eine Anordnung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 oder 2 StGB nachträglich treffen, ändern oder aufheben kann, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen, kann etwa zum Tragen kommen, wenn eine im Vorwegvollzug begonnene sozialtherapeutische Behandlung zum Zeitpunkt des regulären Übergangs des Angeklagten in die Vollstreckung der Maßregel noch nicht abgeschlossen ist. Insoweit kommt grundsätzlich auch die nachträgliche Anordnung des Vollzugs eines weiteren Teils der Strafe in Frage (vgl. BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - 5 StR 413/09 - NStZ-RR 2010, 42). |
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... (4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. ... |
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55 |
Aus
dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09 -
wurde folgende Entscheidungsformel im Bundesgesetzblatt I, S. 1021
veröffentlicht: 1. § 67 Absatz 4 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1327) ist mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als er es ausnahmslos ausschließt, die Zeit des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung auf Freiheitsstrafen aus einem anderen Urteil als demjenigen, in welchem diese Maßregel angeordnet worden ist, oder das bezüglich des die Maßregel anordnenden Urteils gesamtstrafenfähig ist („verfahrensfremde Freiheitsstrafen"), anzurechnen. 2. Gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht wird angeordnet, dass bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber in Härtefällen nach Maßgabe der Gründe die Zeit des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung auch auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen angerechnet werden muss. Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft. |
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§ 67 Abs. 5 StGB |
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... (5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. ... |
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75 |
Nach
§ 67 Abs. 5 Satz 1 StGB kann das Gericht die
Vollstreckung des Strafrests unter den Voraussetzungen des §
57
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StGB zur Bewährung aussetzen,
wenn die Hälfte (nicht zwei Drittel) der Strafe erledigt ist.
Stehen für den Vorwegvollzug und die Maßregel bei
dem Angeklagten nur zwei Jahre zur Verfügung, da sich der
Angeklagte in dieser Sache bereits in anrechenbarer Untersuchungshaft
befindet und alsbald die Hälfte der Strafe
verbüßt haben wird, bleibt für eine weitere
Anordnung des Vorwegvollzugs kein Raum mehr, so dass diese Anordnung
entfallen muss (vgl. BGH,
Beschl. v. 31.10.2007 - 2 StR 354/07 - NStZ
2008, 212; BGH,
Beschl. v. 30.1.2008 - 2 StR 4/08; vgl. auch BGH,
Beschl. v. 17.6.2008 - 1 StR 270/08). Die Höchstfristverlängerung nach § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB enthält eine Ausnahmeregelung, welche aber nicht an die tatrichterliche Prognose, eine die Zweijahresfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschreitende Therapie werde ausnahmsweise erfolgreich sein, anknüpft, sondern ausschließlich Systembrüche korrigieren soll, die sich aus der Vollstreckungsreihenfolge ergeben können (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2010 - 3 StR 538/09 - BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 10; BGH, Beschl. v. 3.12.2015 - 1 StR 576/15). Zudem enthält § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB eine weitere Ausnahmeregelung für den Fall, dass der nach Vollzug einer Maßregel verbliebene Strafrest nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, wonach in solchen Fällen grundsätzlich der Maßregelvollzug fortgesetzt wird; als Ausnahme hiervon wird nur dann, wenn Umstände in der Person des Verurteilten dies angezeigt erscheinen lassen, die Fortsetzung des Strafvollzugs angeordnet (§ 67 Abs. 5 Satz 3 StGB) (vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.2015 - 1 StR 576/15). Die Regelung des § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB kann ausnahmsweise auch dann Anwendung finden, wenn nach dem Urteil durch Wegfall des Vorwegvollzugs sogleich mit dem Maßregelvollzug begonnen wird, weil nur die sofortige Behandlung des Verurteilten eine erfolgreiche Therapie verspricht und ein danach anschließender Strafvollzug die positiven Auswirkungen des Maßregelvollzugs wieder gefährden würde (BGH, Beschl. v. 3.12.2015 - 1 StR 576/15; MüKoStGB/Maier, § 67 Rn. 53; vgl. auch BGH, Beschl. v. 5.12.2000 - 1 StR 521/00). Die Unterbringung kann auch bei erreichtem Therapieziel nach § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB i.V.m. § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB weiter bis zum Entlassungszeitpunkt vollzogen werden. Diese Regelung soll gerade vermeiden, daß im Maßregelvollzug erzielte Erfolge durch einen Strafvollzug wieder beeinträchtigt werden (vgl. BT-Drucks. V/4095 S. 32; BGH, Beschl. v. 30.5.2001 - 1 StR 176/01 - NStZ-RR 2002, 26). |
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Urteil |
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U.2 |
Die
erlittene Untersuchungshaft ist gemäß §
51
StGB grundsätzlich von der Vollstreckungsbehörde
auf den nach § 67 Abs. 2 StGB vorweg zu vollstreckenden
Strafteil anzurechnen (vgl. BGH NStZ 2008, 213, 214; NStZ 2003, 257;
BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 8; BGH,
Beschl. v. 13.5.2009 - 1 StR 208/09; BGH,
Beschl. v. 13.1.2010 - 2 StR
487/09); dieser ist daher im Urteilstenor nicht um die Dauer
der
bisherigen Untersuchungshaft zu kürzen (BGH,
Beschl. v.
24.3.2009 - 5 StR 87/09; BGH,
Beschl. v. 10.9.2009 - 4 StR 332/09). Wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, bezieht sich der Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafen lediglich auf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB; BGH, Beschl. v. 9.9.2015 - 4 StR 184/15). |
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Prozessuales |
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Z.7 |
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Z.7.1 |
-
Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 23.9.2009 Der 2. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden: Die Aufhebung eines Urteils wegen eines Rechtsfehlers bei der Anwendung des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB i.d.F. des Gesetzes vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) ist auf einen nicht revidierenden Mitangeklagten gemäß § 357 Satz 1 StPO zu erstrecken, wenn sich die vom Tatrichter festgestellte voraussichtliche Dauer der Unterbringung nach § 64 StGB auch für den Mitangeklagten aus den Urteilsgründen ergibt und der Tatrichter bei dem Mitangeklagten ebenso wie beim Revisionsführer sich bei der Bemessung des vorab zu vollstreckenden Teils der Freiheitsstrafe entgegen § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB nicht am Halbstrafenzeitpunkt orientiert hat. Er hat daher bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob dortige Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung entgegen steht und ob ggf. an ihr festgehalten wird (BGH, Beschl. v. 23.9.2009 - 2 StR 305/09 - NStZ 2010, 32). - Antwortbeschluss des 4. Strafsenats Der 4. Strafsenat hat entschieden, dass der beabsichtigten Rechtsprechung des 2. Strafsenats seine Rechtsprechung (bisher) nicht entgegensteht (BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 4 ARs 18/09) und hat Bedenken gegen die beabsichtigte Erstreckung geäußert. Letztere resultieren einerseits daraus, dass es sich bei § 67 Abs. 2 StGB um eine dem Vollstreckungsrecht zuzuordnende Vorschrift handelt. Ferner beruht die Entscheidung darüber, in welcher Reihenfolge die Maßregel und die Strafe oder ein Teil derselben vollstreckt werden sollen, und die Feststellung der voraussichtlichen Therapiedauer auf individuellen, (nur) den jeweiligen Angeklagten betreffenden Erwägungen. Diese dürfen beim Nichtrevidenten vom Revisionsgericht nicht überprüft werden (§ 352 Abs. 1 StPO; vgl. zur alten Fassung von § 67 Abs. 2 StGB auch BGH, Beschl. v. 23.4.1991 - 4 StR 121/91 - NJW 1991, 2431, 2432). Deshalb erscheint es auch nicht angezeigt, eine auf der Grundlage solcher individueller Faktoren getroffene, aus einem anderen Grund rechtsfehlerhafte Entscheidung zum Anlass für eine Erstreckung zu nehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.2009 - 4 ARs 18/09). - Antwortbeschluss des 5. Strafsenats In seinem Antwortbeschluss hat der 5. Strafsenat entschieden, dass der beabsichtigten Entscheidung des 2. Strafsenats seine Rechtsprechung bezogen auf diesen Sonderfall nicht entgegensteht (BGH, Beschl. v. 13.10.2009 - 5 ARs 57/09). siehe hierzu näher: § 357 StPO, Revisionserstreckung auf Mitangeklagte --> Rdn. 5.11.1 |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 67 StGB wird verwiesen auf: § 57 StGB siehe auch: Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe, § 57 StGB § 63 StGB siehe auch: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, § 63 StGB § 64 StGB siehe auch: Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, § 64 StGB Auf § 67 StGB wird verwiesen in: § 463 StPO siehe auch: § 463 StPO, Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung |
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Z.8.2 |
§ 67 StGB wurde mit Wirkung vom 1.8.2016
geändert
durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des
Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8.
Juli 2016 (BGBl. I S. 1610). Zuvor hatte die Vorschrift folgenden
Wortlaut: "§ 67 StGB Reihenfolge der Vollstreckung (1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird. (3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist. (4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. (5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen." |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 6. Titel (Maßregeln der Besserung und Sicherung) |
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