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§
63 StGB
Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Die
grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine
außerordentlich
belastende Maßnahme, die einen besonders
gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf
daher nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der
Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines
psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig
war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine
Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge
seines fortdauernden
Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Die zu
erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens
besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer
umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters,
seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln
(st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 30.7.2013 – 4 StR 275/13 - NStZ
2014, 36, 37 mwN; BGH, Beschl. v. 15.1.2015 - 4 StR 419/14; BGH,
Beschl. v. 28.1.2016
- 3 StR 521/15; BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 2 StR 545/15). Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und daher nur unter sorgfältiger Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen angeordnet werden darf (vgl. BGH, Beschl. v. 8.11.2006 - 2 StR 465/06; BGH, Beschl. v. 10.9.2008 - 2 StR 291/08; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 326/09; BGH, Beschl. v. 14.9.2010 - 5 StR 229/10 - StraFo 2011, 55). Das gilt nicht nur für die Feststellung des die Anordnung rechtfertigenden "Zustands" (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 12.11.2004 - 2 StR 367/04 - BGHSt 49, 347, 351 f. - NStZ 2005, 205; BGH, Beschl. v. 14.4.2010 - 5 StR 123/10 sowie nachstehend unter Rdn. 32 u. 34), sondern gleichermaßen für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gefährlichkeitsprognose (BGH, Beschl. v. 8.11.2006 - 2 StR 465/06 - NStZ-RR 2007, 73; BGH, Beschl. v. 28.3.2012 - 2 StR 614/11; BGH, Urt. v. 28.8.2012 - 5 StR 295/12). Eine erschöpfende Abwägung der maßgeblichen Umstände und ihre Erörterung in den Urteilsgründen ist jedenfalls dann erforderlich, wenn unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) ein Grenzfall gegeben ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8.11.2006 - 2 StR 465/06; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12 Rn. 10; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12 - NStZ-RR 2012, 337, 338; BGH, Beschl. v. 8.1.2014 - 5 StR 602/13 - NJW 2014, 565; BGH, Beschl. v. 12.3.2014 - 2 StR 604/13; BGH, Urt. v. 10.12.2014 - 2 StR 170/14; BGH, Beschl. v. 28.1.2016 - 3 StR 521/15; BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 StR 24/17). Insbesondere Bedarf bei einer fahrlässigen Anlasstat die Prognoseprüfung besonderer Sorgfalt (vgl. BGH, Beschl. v. 5.3.2008 - 5 StR 424/07). All dies gilt uneingeschränkt auch dann, wenn die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt wird; insbesondere sind auch in diesem Fall an die vorausgesetzte Gefährlichkeit des Täters keine geringeren Anforderungen zu stellen. Der Tatrichter muss die die Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschl. v. 24.10.2013 - 3 StR 349/13; BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR 171/14). |
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10 |
Bei
der Frage der Notwendigkeit der Maßregel
und dem für die Gefährlichkeitsprognose kommt es
gemäß § 63 StGB entscheidend auf den
Zeitpunkt der
Hauptverhandlung an (BGH,
Beschl. v. 17.10.2000 - 1 StR 428/00; BGH,
Beschl. v. 4.6.2002 - 3 StR 144/02; BGH,
Urt. v. 17.2.2004 - 1 StR
437/03; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl.
§ 63
Rdn. 13, vor § 61 Rdn. 10 m.w.N.). Maßgebend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist die „Begehung der Tat“ (§ 20 StGB), bei aktivem Tun mithin die Zeit, zu welcher der Täter gehandelt hat (§ 8 Satz 1 StGB; vgl. auch Fischer, StGB, 62. Aufl., § 20 Rn. 2a mwN). Daher findet § 20 StGB jedenfalls dann keine Anwendung, wenn der Täter bei allen für die Verwirklichung des Tatbestands erforderlichen Handlungen - wenn auch vermindert - schuldfähig war (vgl. BGH, Beschl. v. 17.6.2015 - 4 StR 196/15; vgl. für Dauerdelikte auch BGH, Beschl. v. 15.6.2004 - 4 StR 176/04; BGH, Urt. v. 28.9.2011 - 1 StR 129/11 - NStZ-RR 2012, 6, 7). |
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15 |
Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt (§ 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 4.7.2017 - 4 StR 86/13 Rn. 7). | |
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15.5 |
Die Neufassung der Anordnungsvoraussetzungen von § 63 StGB greift im Wesentlichen die Konkretisierungen auf, die vom Bundesverfassungsgericht und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den vergangenen Jahren vorgenommen worden sind. Es handelt sich damit vorrangig um bestätigende Kodifizierungen (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 42; BGH, Beschl. v. 3.8.2016 – 4 StR 305/16; BGH, Beschl. v. 7.12.2016 - 4 StR 500/16 Rn. 7). | |
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20 |
Liegen
die Voraussetzungen des § 63 StGB vor,
ist die Anordnung der Unterbringung zwingend
vorgeschrieben, steht also
nicht im Ermessen des Gerichts (vgl. BGH NStZ 1990, 122; BGH,
Urt. v.
10.8.2005 - 2 StR 209/05; Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn.
94;
Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 63 Rdn. 21;
Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 63 Rdn. 11; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 63 Rdn.
20; jeweils
m.w.N.).
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25 |
Auf
die Voraussetzungen des § 63 StGB findet
der Zweifelsgrundsatz keine Anwendung (vgl. BGHSt 42, 385, 388; BGH,
Beschl. v. 9.5.2000 - 4 StR 59/00 - NStZ 2000, 469; BGH,
Beschl. v.
20.12.2001 - 4 StR 540/01; siehe auch nachstehend
--> Rdn. 32 |
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Tatbestandsvoraussetzungen |
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30 |
Die
Unterbringung in einem psychatrischen Krankenhaus ist nur
zulässig, wenn eine Bestrafung wegen der rechtswidrigen Tat
allein
an der mangelnden Schuldfähigkeit des Täters
scheitert, nicht
aber, wenn z.B. der erforderliche Strafantrag fehlt oder der
Täter
mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurückgetreten ist
(BGH,
Urt. v. 28.10.1982 - 4 StR 472/82 - BGHSt 31, 132 - NStZ 1983, 139;
BGH,
Beschl. v. 8.8.2002 - 3 StR 239/02). Auch im Sicherungsverfahren ist bei Antragsdelikten ein Strafantrag erforderlich (vgl. BGHSt 31, 132, 134; BGH, Beschl. v. 12.8.2008 - 4 StR 340/08; vgl. auch Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB setzt die Begehung einer rechtswidrigen Tat voraus, zu der grundsätzlich auch die inneren Merkmale des durch die Tat verwirklichten Straftatbestandes gehören (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.3.1989 - 1 StR 810/88 - BGHR StGB § 63 Tat 2; BGH, Beschl. v. 24.9.2013 - 2 StR 338/13; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 63 Rn. 3, jeweils mwN). Dies gilt insbesondere bei solchen Taten, bei denen die innere Willensrichtung dafür entscheidend ist, ob sie etwa als Versuch eines Verbrechens der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB oder lediglich als Vergehen einer Sachbeschädigung nach § 303 StGB zu werten sind (vgl. BGHR StGB § 63 Tat 2 m.w.Nachw.; BGH, Beschl. v. 10.10.2001 - 3 StR 305/01). Eine Strafbefreiung nach § 33 StGB schließt die Unterbringung des Angeklagten nicht aus, wenn die Überschreitung der Notwehr auf Furcht beruht und seine Furcht gerade Folge seines seelischen Zustandes im Sinne der §§ 20, 21 StGB war (vgl. BGH NStZ 1991, 528; BGH, Beschl. v. 27.8.2003 - 1 StR 327/03; Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 32). Tritt der Täter strafbefreiend vom Versuch zurück, kann auf eine solche Anlasstat die Unterbringung nach § 63 StGB nicht gestützt werden (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1982 – 4 StR 472/82 - BGHSt 31, 132; BGH, Beschl. v. 10.6.2015 - 1 StR 190/15). Der Umstand, dass der Beschuldigte die Widerstandsunfähigkeit der Geschädigten allein aufgrund seiner psychischen Verfassung infolge des Frontalhirnsyndroms verkannt hat, steht der Annahme nicht entgegen, er habe im Sinne des § 63 StGB rechtswidrig eine Tat nach § 179 StGB begangen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.10.2011 - 3 StR 344/11; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 63 Rn. 3 mwN). siehe auch: § 33 StGB, Überschreitung der Notwehr Den natürlichen Tatvorsatz berührt es nicht, wenn der Täter infolge seines Zustands Tatsachen verkennt, die jeder geistig Gesunde richtig erkannt hätte (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1952 – 1 StR 510/52 - BGHSt 3, 287; BGHR StGB § 63 Tat 1 und 2; BGH, Beschl. v. 23.2.2000 - 3 StR 15/00; BGH, Beschl. v. 24.6.2008 - 3 StR 222/08 - NStZ-RR 2008, 334; BGH, Beschl. v. 18.6.2014 - 5 StR 189/14; BGH, Beschl. v. 30.6.2015 - 3 StR 181/15; Fischer, StGB 56. Aufl. § 63 Rdn. 3; Schöck in LK, 12. Aufl., § 63 Rn. 43 ff.). Taten scheiden daher nicht deshalb als Anlasstaten für eine Unterbringung aus, weil der Beschuldigte krankheitsbedingt den subjektiven Tatbestand nicht erfüllt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 30.6.2015 - 3 StR 181/15). So reicht es im Hinblick auf den Schutzzweck des § 63 StGB zur Bejahung des voluntativen Vorsatzelements etwa aus, dass es dem Beschuldigten – zur Abwehr vermeintlicher Feinde – darauf ankam, das Feuer zu legen, das leicht auf wesentliche Gebäudeteile hätte überspringen können (vgl. BGH, Beschl. v. 18.6.2014 - 5 StR 189/14). siehe auch: § 20 StGB Rdn. 15 - Natürlicher Tatvorsatz |
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Die
Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB
kommt nur in Betracht, wenn positiv
feststeht,
daß die
Schuldfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt zumindest
erheblich vermindert im Sinne des § 21
StGB war ( BGH, Urt. v.
6.3.1986 - 4 StR 40/86 - BGHSt 34, 22,
26
f.; BGH, Beschl. v. 6.2.1997 - 4 StR 672/96 - BGHSt 42, 385, 386; BGH
NStZ 1999, 128, 129; BGH,
Beschl. v. 9.5.2000 - 4
StR 59/00 - NStZ 2000, 469; BGH,
Beschl. v. 14.7.2000 - 3 StR 195/00 -
NStZ 2000, 585; BGH,
Beschl. v. 17.10.2000 - 1 StR 428/00; BGH,
Beschl.
v. 13.9.2001 - 3 StR 333/01; BGH,
Beschl. v. 28.10.2008 - 5 StR 397/08
- NStZ-RR 2009, 45; BGH,
Beschl. v. 11.3.2009 - 2 StR 42/09 - NStZ-RR
2009, 198; BGH,
Beschl. v. 31.3.2009 - 1 StR 83/09; BGH,
Beschl. v.
27.10.2009 - 3 StR 369/09; BGH,
Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 326/09;
BGH,
Beschl. v. 19.1.2010 - 4 StR 605/09 - NStZ 2010, 384; BGH,
Beschl.
v. 3.5.2011 - 3 StR 110/11; BGH, Beschl. v. 22.12.2011 - 3 StR 427/11;
BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 150/12; BGH, Beschl. v. 1.4.2014 - 2
StR 602/13; BGH, Urt. v. 17.6.2015 - 2 StR 358/14; BGH, Beschl. v.
23.6.2016 - 3 StR 547/15; Fischer,
StGB 57. Aufl. § 63 Rdn. 11). Insoweit ist insbesondere zu
untersuchen, ob in der Person des Angeklagten letztlich nicht nur
Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen
dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und
übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. BGH, Urt.
v. 2.4.1997 - 2 StR 53/97 - NStZ 1997, 383; BGH, Beschl. v.
15.7.1997 - 4 StR 303/97 - BGHR StGB § 63 Zustand 26; BGH, Beschl.
v. 19.2.2015 - 2 StR 420/14 betr.
"jugendtypische" Delikte; BGH, Beschl. v. 10.11.2015 - 1
StR 265/15). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4. 2003 – 3 StR 79/03 - NStZ-RR 2003, 232; BGH, Beschl. v. 11.3.2009 – 2 StR 42/09 - NStZ-RR 2009, 198; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 1 StR 504/12 - NJW 2013, 246; BGH, Beschl. v. 4.12.2012 - 2 StR 486/12, BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 - 1 StR 654/12; BGH, Beschl. v. 22.5.2013 - 1 StR 71/13; BGH, Beschl. v. 5.6.2013 - 2 StR 94/13; BGH, Urt. v. 10.12.2014 – 2 StR 170/14 - NStZ-RR 2015, 72, 73; BGH, Beschl. v. 8.1.2015 - 2 StR 263/14; BGH, Beschl. v. 28.1.2015 - 4 StR 514/14; BGH, Beschl. v. 15.7.2015 - 4 StR 277/15; BGH, Beschl. v. 23.9.2015 - 4 StR 371/15; BGH, Beschl. v. 10.11.2015 - 1 StR 265/15; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.6.2013 - 2 StR 206/13; BGH, Beschl. v. 15.9.2016 - 4 StR 400/16 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 12.10.2016 - 4 StR 78/16 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 3 StR 351/16 Rn. 5). Hierzu hat das Tatgericht festzustellen, warum die festgestellte Störung unter ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB zu subsumieren ist und wie sich diese, einem Eingangsmerkmal von § 20 StGB unterfallende Störung in der jeweiligen konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2013 - 1 StR 71/13; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 - 1 StR 654/12; BGH, Beschl. v. 12.11.2004 - 2 StR 367/04 - BGHSt 49, 347, 352; BGH, Beschl. v. 15.7.2015 - 4 StR 277/15; vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.7.2016 - 3 StR 211/16). Das Tatgericht ist insbesondere gehalten, konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zu den jeweiligen Tatzeitpunkten zu treffen (BGH, Beschl. v. 28.1.2016 - 3 StR 521/15 - NStZ-RR 2016, 135; BGH, Beschl. v. 2.8.2016 - 2 StR 574/15 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 3 StR 351/16 Rn. 5). Das Aufzeigen des allgemein vorhandenen Störungsbildes (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 15.7.2015 - 4 StR 277/15) oder die bloße Wiedergabe der Diagnose des Sachverständigen reicht hierzu nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 29.7.2015 - 4 StR 293/15; BGH, Beschl. v. 1.12.2015 - 4 StR 481/15). Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (BGH, Beschl. v. 29.8.2012 – 4 StR 205/12 - NStZ-RR 2012, 367; BGH, Urt. v. 6.3.1986 – 4 StR 40/86 - BGHSt 34, 22, 27; BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12: "zeitstabile Beeinträchtigung"). Gelangt das Tatgericht zu dem Ergebnis, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen zumindest des § 21 StGB nicht vorlagen, ist damit die Verhängung einer Maßregel nach § 63 StGB ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 26.5.2010 - 2 StR 48/10). Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Unterzubringenden zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert prinzipiell eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 30.3.2017 - 4 StR 463/16 - NStZ-RR 2017, 165, 166; BGH, Urt. v. 1.7.2015 - 2 StR 137/15 - NJW 2015, 3319, 3320; BGH, Beschl. v. 1.6.2017 - 2 StR 57/17 Rn. 4; vgl. auch Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57 ff.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Täter eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist der Richter für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung einer aufgehobenen oder erheblich beeinträchtigten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Täters zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Täters in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 30.3.2017 - 4 StR 463/16 - NStZ-RR 2017, 165, 166; BGH, Beschl. v. 28.1.2016 - 3 StR 521/15 - NStZ-RR 2016, 135; BGH, Beschl. v. 1.6.2017 - 2 StR 57/17 Rn. 4). Die Voraussetzungen des § 20 oder des § 21 StGB müssen für die Anordnung der Maßregel zweifelsfrei festgestellt sein; die bloße Möglichkeit, daß sie gegeben sind oder die Feststellung, dass eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht auszuschließen sei, genügt nicht (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 6.3.1986 - 4 StR 40/86 - BGHSt 34, 22, 26/27 - NJW 1986, 2893; BGH NStZ 1999, 610; BGH, Beschl. v. 24.7.2001 - 4 StR 268/01; BGH, Beschl. v. 19.11.2002 - 1 StR 442/02; BGH, Beschl. v. 17.10.2000 - 1 StR 428/00; BGH, Beschl. v. 16.1.2003 - 1 StR 531/02; BGH, Beschl. v. 8.7.2003 - 4 StR 246/03; BGH, Beschl. v. 25.9.2003 - 4 StR 316/03; BGH, Beschl. v. 4.5.2005 - 3 StR 136/05; BGH, Beschl. v. 2.2.2010 - 4 StR 9/10; BGH, Urt. v. 25.2.2010 - 4 StR 596/09; BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 5 StR 120/13; Fischer StGB 57. Aufl. § 63 Rdn. 11). Dass sich etwa die vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten „nicht ausschließen“ lässt, besagt noch nicht, dass für die Anordnung der Unterbringung die Voraussetzungen zumindest des § 21 StGB zum Zeitpunkt der Anlasstat zweifelsfrei festgestellt sind (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2016 - 2 StR 108/16 Rn. 9). Für die Feststellung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB muss grundsätzlich zwischen Einschränkungen der Einsichts- und solchen der Steuerungsfähigkeit unterschieden werden. Insbesondere die Anwendung des § 21 StGB kann nicht zugleich auf beide Alternativen gestützt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 30.6.2015 - 3 StR 181/15 - NStZ-RR 2015, 273; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 3 StR 351/16 Rn. 6; vgl. zum Ganzen auch Fischer, StGB, 63. Aufl., § 20 Rn. 3, 44a; § 63 Rn. 11a jew. mwN). Allein die psychiatrische Diagnose ist nicht mit einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB gleichzusetzen (BGH, Beschl. v. 12.11.2004 - 2 StR 367/04 - BGHSt 49, 347, 352). Hierfür sind vielmehr der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend. Für die Bewertung der Schwere einer die Tat überdauernden Störung ist insbesondere maßgebend, ob es im Alltag außerhalb der beschuldigten Delikte zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2013 - 1 StR 71/13; hierzu Boetticher/Nedopil/ Bosinski/Saß NStZ 2005, 57). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) darf bei möglicher Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt nur dann angeordnet werden, wenn der Täter bei Begehung der Tat zumindest sicher erheblich vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war (vgl. BGH, Beschl. v. 23.7.2008 - 2 StR 313/08). Der Zweifelsgrundsatz findet bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB keine Anwendung (BGHSt 42, 385, 388; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 540/01; BGH, Beschl. v. 6.3.2002 - 4 StR 29/02; BGH, Beschl. v. 23.9.2015 - 4 StR 371/15; vgl. auch BGH, Beschl. v. 2.2.2010 - 4 StR 9/10). Auch wenn nach dem Grundsatz in dubio pro reo eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit für die Tatzeit nicht auszuschließen ist, muss eine sichere Feststellung der Voraussetzungen des § 21 StGB als Grundlage für die außerordentlich belastende Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hinreichend belegt sein (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2008 - 4 StR 235/08 - NStZ-RR 2009, 78). Voraussetzung für die Unterbringung gemäß § 63 StGB ist, dass der Täter eine rechtswidrige Tat im gesicherten Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat, der durch einen länger dauernden und nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt hervorgerufen worden sein muss (BGH, Urt. v. 6.3.2013 - 5 StR 597/12). Die Überzeugung von der verminderten Schuldfähigkeit als Voraussetzung für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kann regelmäßig nicht auf die (sicher) „erheblich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit“ gestützt werden (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.1995 – 3 StR 535/94 - BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6; BGH, Beschl. v. 27.10.2010 – 2 StR 505/10 - NStZ 2011, 336; BGH, Beschl. v. 5.8.2014 – 3 StR 271/14; BGH, Beschl. v. 21.10.2014 - 5 StR 439/14; siehe hierzu näher: § 20 StGB - Einsichts- und Steuerungsfähigkeit und § 21 StGB - Verminderung der Einsichts- oder der Steuerungsfähigkeit). Für die Frage eines Ausschlusses oder einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit kommt es maßgeblich darauf an, in welcher Weise sich die festgestellte und unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumierende psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in der konkreten Tatsituation ausgewirkt hat. Die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit kann daher - von offenkundigen Ausnahmefällen abgesehen (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.1997 - 1 StR 17/97 - NStZ 1997, 485, 486) - nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte Tat erfolgen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2015 - 1 StR 56/15 - NJW 2016, 728, 729; BGH, Urt. v. 21.1.2004 - 1 StR 346/03 - BGHSt 49, 45, 54; BGH, Beschl. v. 1.6.2017 - 2 StR 57/17 Rn. 8). Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass zur Tat, die Motivlage des Beschuldigten und sein Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2004 - 1 StR 346/03 - BGHSt 49, 45, 54; BGH, Urt. v. 4.6.1992 - 5 StR 122/91 - BGHSt 37, 397, 402; BGH, Beschl. v. 1.6.2017 - 2 StR 57/17 Rn. 8). Der 1. Senat hat in seinem Beschluss vom 6. März 2013 (1 StR 654/12) offen gelassen, ob bereits die Annahme, bei der Begehung der Anlasstaten seien sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten „erheblich eingeschränkt, nicht ausschließbar sogar aufgehoben gewesen“, zur Aufhebung des Urteils führen könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar im Grundsatz die Anwendung von § 20 StGB nicht zugleich auf den Ausschluss sowohl der Einsichts- als auch der Steuerungsfähigkeit gestützt werden (etwa BGH, Beschl. v. 9.9.1986 - 4 StR 470/86 - BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 21 Rn. 5 mwN). Im Ausnahmefall können nach Maßgabe des entsprechenden Krankheitsbildes aber beide Fähigkeiten vollständig aufgehoben sein (BGH, Urt. v. 18.1.2006 - 2 StR 394/05 - NStZ-RR 2006, 167, 168; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 - 1 StR 654/12). siehe zum Sonderfall des Vollrausches BGH, Beschl. v. 5.8.2003 - 4 StR 147/03 - NStZ 2004, 198; Vollrausch, § 323a StGB; zum Zweifelssatz: In dubio pro reo Zwar bedarf es grundsätzlich schon im Hinblick auf den symptomatischen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den Anlasstaten sowie deren Bedeutung im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose der Feststellung, welche Ursachen bei dem Beschuldigten zu welchem von §§ 20, 21 StGB erfassten Zustand geführt haben (siehe nur van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 63 Rn. 37 und 45; siehe auch BGH, Beschl. v. 5.2.2003 - 2 StR 1/03 - NStZ-RR 2003, 168). Ausnahmsweise kann jedoch auf eine zweifelsfreie Aufklärung verzichtet werden, wenn mehrere Störungen in Betracht kommen, die aber jeweils die Schuldfähigkeit des Täters sicher beeinträchtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 StR 594/13; BGH, Beschl. v. 5.2.2003 - 2 StR 1/03 - NStZ-RR 2003, 168). Allerdings muss der Tatrichter bei einer solchen Konstellation im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose jede der die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Ursachen auf ihre Bedeutung für die Beurteilung der zukünftigen Gefährlichkeit des Täters hin gesondert untersuchen (BGH, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 StR 594/13; BGH, Beschl. v. 5.2.2003 - 2 StR 1/03 - NStZ-RR 2003, 168; siehe auch van Gemmeren aaO Rn. 45). Die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB setzt voraus, dass der Ausschluss (§ 20 StGB) oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) auf einem länger andauernden psychischen Defekt des Täters beruht. Ein solcher Zustand kann auch dann vorliegen, wenn die für die Maßregelanordnung erforderliche, sicher zumindest erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit auf einem Zusammenwirken einer länger andauernden geistig-seelischen Störung und dem Konsum von Alkohol beruht (BGH, Beschl. v. 29.6.2016 - 1 StR 254/16 Rn. 9; BGH, Urt. v. 17.2.1999 – 2 StR 483/98 - BGHSt 44, 369, 374 f.; BGH, Urt. v. 29.9.2015 – 1 StR 287/15 - NJW 2016, 341, 342; siehe auch BGH, Beschl. v. 1.4.2014 – 2 StR 602/13 - NStZ-RR 2014, 207; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 – 3 StR 376/09 - NStZ-RR 2010, 42). Insoweit genügt, dass bei länger andauernden Störungen im Sinne von §§ 20, 21 StGB bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dieses getan haben (BGH jeweils aaO). |
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32.1 |
Die
Anwendung des § 21
StGB scheidet aus, wenn der Täter bei
möglicherweise nur erheblicher Verminderung der
Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte erkennt, die Einsicht also
tatsächlich hat (BGH, Beschl. v. 24.2.2011 - 2 StR 461/10;
Fischer, StGB 58. Aufl. § 21 Rn. 3 mwN). An eine bloße
Verminderung der Einsichtsfähigkeit, die nicht zum Fehlen der
Einsicht geführt hat, kann eine Maßregel nach § 63 StGB
nicht geknüpft werden (BGHSt 34, 22, 26 f.; NStZ-RR 2007, 73; BGH,
Beschl. v. 18.8.2010 - 2 StR 311/10; BGH, Beschl. v. 24.2.2011
- 2
StR 461/10; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 1 StR 504/12). Wird im Ergebnis die Annahme voller Schuldfähigkeit von den Urteilsfeststellungen getragen, fehlt es damit bereits an der Eingangsvoraussetzung für die Anordnung einer Maßregel gemäß § 63 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 2.8.2006 - 2 StR 249/06). Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (BGHSt 21, 27, 28 f.; 34, 22, 25 ff.; BGHR StGB § 21 StGB Einsichtsfähigkeit 2, 3, 4, 5, 6; BGH NStZ-RR 2004, 38; BGH, Beschl. v. 21.2.2006 - 5 StR 8/06; BGH, Beschl. v. 13.2.2009 - 2 StR 509/08 - NStZ-RR 2009, 170; BGH, Urt. v. 25.2.2010 - 4 StR 596/09). Der Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist - sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist - voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig (BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 26 f.; BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 3 StR 527/00; BGH, Beschl. v. 21.2.2006 - 5 StR 8/06; BGH, Urt. v. 16.2.2006 - 4 StR 508/05; BGH, Beschl. v. 13.2.2009 - 2 StR 509/08 - NStZ-RR 2009, 170; BGH, Beschl. v. 10.12.2009 - 4 StR 437/09). Die Einsichtsfähigkeit ist also entweder vorhanden, dann ist der Täter voll schuldfähig, oder sie fehlt, dann liegt Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB vor (vgl. BGHSt 21, 27; BGH, Beschl. v. 31.3.2009 - 1 StR 83/09). siehe auch: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB |
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32.2 |
Die
ICD-10
zählt indessen lediglich
Erkrankungen und Verhaltensstörungen auf und ordnet sie ein.
Eine
Aussage dahin, dass die Schuldfähigkeit eines Täters
im Sinne
der §§ 20,
21
StGB berührt ist, trifft sie
nicht. Die
Aufnahme eines bestimmten Krankheitsbildes in den Katalog entbindet den
Tatrichter daher nicht davon, konkrete Feststellungen zum
Ausmaß
der vorhandenen Störung zu treffen und ihre Auswirkungen auf
die
Tat darzulegen (BGH,
Beschl. v. 28.5.2009 - 4 StR 101/09). Das bloße Vorliegen der Voraussetzungen von Diagnosekriterien eines der gängigen Klassifikations-Systeme (vgl. hierzu ICD Klassifikation) reicht für die Feststellung einer die Unterbringung rechtfertigenden psychischen Störung im Sinne eines "Zustands" ebenso wenig aus wie für die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.1991 - 5 StR 122/91 - BGHSt 37, 397, 401 - NJW 1991, 2975; BGH NStZ 1995, 176 f.; 1997, 383; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 540/01; BGH, Beschl. v. 20.5.2003 - 4 StR 174/03; BGH, Urt. v. 27.8.2003 - 2 StR 267/03; BGH, Beschl. v. 19.7.2006 - 2 StR 210/06; BGH, Beschl. v. 4.10.2006 - 2 StR 349/06; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 20 Rdn. 7, § 63 Rdn. 7 f. m.w.N.). Es bedarf der hinreichend klaren Feststellung, welches Eingangsmerkmal erfüllt sein soll (vgl. BGH, Beschl. v. 19.7.2006 - 2 StR 210/06). Die Diagnose "Persönlichkeitsstörung" lässt für sich genommen eine Aussage über die Frage der Schuldfähigkeit des Täters nicht zu (vgl. u.a. BGH, Beschl. vom 4.1.2005 - 4 StR 529/04 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 19.7.2006 - 2 StR 210/06). Auch die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Psychose / Diagnose einer Wahnsymptomatik führt nicht zwangsläufig zu der Feststellung einer generellen oder über längere Zeiträume andauernden gesicherten Beeinträchtigung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit. Es ist daher stets im Einzelnen darzulegen, wie sich die Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf sie zurückzuführen sind (BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 29.5.2012 – 2 StR 139/12 - NStZ-RR 2012, 306, 307; BGH, Beschl. v. 2.10.2007 – 3 StR 412/07 - NStZ-RR 2008, 39; BGH, Beschl. v. 3.7.1991 – 3 StR 69/91 - NStZ 1991, 527, 528; BGH, Beschl. v. 20.4.2016 - 1 StR 62/16 Rn. 11; BGH, Beschl. v. 27.4.2016 - 2 StR 80/16 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 4.8.2016 - 4 StR 230/16; BGH, Beschl. v. 15.9.2016 - 4 StR 400/16 Rn. 5). siehe auch: ICD Klassifikation; Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB --> Rdn. 50 ff. Festgestellte Eigenschaften des Angeklagten wie Stimmungsschwankungen, geringe Frustrationstoleranz, Tendenz zu Fremdbeschuldigungen und Streitereien und Impulsivität sind als überaus verbreitete Persönlichkeitsakzentuierungen an sich weder geeignet, eine Person in einen Zustand dauerhaft erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu versetzen, noch rechtfertigt ihr Vorliegen die Annahme eines Zustands, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gebietet (vgl. BGH, Beschl. v. 4.10.2006 - 2 StR 349/06). Das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung rechtfertigt für sich allein nicht die - möglicherweise lebenslange - Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. auch BGH NStZ-RR 2003, 232; Tröndle/Fischer aaO § 63 Rdn. 15 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 4.10.2006 - 2 StR 349/06). Solange die Verminderung der Einsichtsfähigkeit nicht das Fehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu Straftaten geführt hat, ist auch die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlasst (vgl. u. a. BGH, Beschl. v. 30.7.2003 - 2 StR 215/03; BGH, Beschl. v. 12.7.2006 - 5 StR 215/06; BGH, Beschl. v. 22.11.2006 - 2 StR 430/06). Allein auf die Feststellung einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit kann eine Unterbringung nach § 63 StGB nicht gestützt werden (vgl. u. a. BGH, Beschl. v. 10.2.2005 - 3 StR 3/05; BGH, Beschl. v. 22.11.2006 - 2 StR 430/06). siehe auch: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB Die Diagnose einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie führt für sich allein genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 150/12 - NStZ-RR 2012, 239; BGH, Beschl. v. 23.8.2012 - 1 StR 389/12 - NStZ 2013, 98; BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR 171/14; BGH, Beschl. v. 17.6.2014 - 4 StR 171/14; BGH, Beschl. v. 15.9.2016 - 4 StR 400/16 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 12.10.2016 - 4 StR 78/16 Rn. 11). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR 171/14; BGH, BGH, Beschl. v. 29.5.2012 - 2 StR 139/12 - NStZ-RR 2012, 306, 307; BGH, Beschl. v. 17.6.2014 - 4 StR 171/14; BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 2 StR 545/15 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 15.9.2016 - 4 StR 400/16 Rn. 5). Möglicherweise hat sich der Angeklagte zur Tatzeit nicht in einer Phase eines akuten Schubs der paranoiden Psychose befunden, der in der Regel zum Ausschluss der Unrechtseinsicht führt (vgl. BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 2 StR 545/15 Rn. 11; Kröber/Lau in Kröber/Dölling/ Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, 2010, S. 312, 327 ff.). In subakuten Zuständen wird man dagegen allenfalls eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit belegen können (vgl. BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 2 StR 545/15 Rn. 11; Müller-Isberner/ Eusterschulte in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 227, 236). Diese Darlegungsanforderungen hat der Tatrichter auch dann zu beachten, wenn der Angeklagte eine Exploration abgelehnt hat (BGH, Beschl. v. 31.1.1997 – 2 StR 668/96 - BGHR StGB § 63 Zustand 21; BGH, Beschl. v. 17.6.2014 - 4 StR 171/14). |
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32.3 |
Aufgabe
des Sachverständigen ist es
festzustellen, ob bei dem Angeklagten eine psychische Störung
vorgelegen und welche Auswirkungen sie zum Tatzeitpunkt auf die
Fähigkeit zur Unrechtseinsicht und zu
einsichtsgemäßem
Verhalten gehabt hat. Ob der Befund unter eines der Eingangsmerkmale
der §§ 20,
21
StGB zu subsumieren ist, entscheidet
nach
sachverständiger Beratung der Richter. Gleiches gilt
für die
sich daran anschließende Frage, ob dadurch die
Schuldfähigkeit des Angeklagten erheblich
eingeschränkt ist
(BGH NStZ-RR 2006, 73 unter Hinweis auf
Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005, 57, 58; BGH,
Beschl.
v. 6.10.2009 - 3 StR 326/09; vgl. BVerfG NStZ-RR 2007, 29
f.). Der Tatrichter hat bei der Entscheidung über das Vorliegen eines der Eingangsmerkmale nicht nur die Darlegungen des Sachverständigen zu überprüfen, sondern ist auch verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 74; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 326/09; Fischer StGB 56. Aufl. § 20 Rdn. 65 m. w. N.). Die bloße Wiedergabe der Befundanalyse eines Sachverständigen reicht als Grundlage für die eine Unterbringung nach § 63 StGB tragenden tatrichterlichen Feststellungen nicht aus (BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 150/12). Wenn sich der Tatrichter darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungs und Befundtatsachen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 2003, 307 f.; NStZ-RR 2003, 232; BGH, Beschl. v. 21.9.2004 – 3 StR 333/04 - NStZ 2005, 326; BGH, Urt. v. 19.2.2008 - 5 StR 599/07; BGH, Beschl. v. 28.10.2008 - 5 StR 397/08 - NStZ-RR 2009, 45; BGH, Beschl. v. 14.4.2010 - 5 StR 123/10; BGH, Beschl. v. 29.8.2012 - 4 StR 205/12; BGH, Beschl. v. 15.7.2014 - 4 StR 228/14; BGH, Beschl. v. 20.4.2016 - 1 StR 62/16 Rn. 11; BGH, Beschl. v. 15.9.2016 - 4 StR 400/16 Rn. 5; Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 92 f.). siehe zur Aufteilung der Zuständigkeit näher und m.w.N.: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB --> Rdn. 20 ff.; 30 ff.; zu den Anforderungen an die Urteilsfeststellungen: Urteilsgründe, § 267 StPO --> Rdn. 55, 60; Beweiswürdigung --> Rdn. 60 Leitsatz Zu den Anforderungen an ein psychiatrisches Sachverständigengutachten über die Schuldfähigkeit des Angeklagten und die Voraussetzungen seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie zu den Prüfungsanforderungen an das Gericht bei Vorliegen eines methodenkritischen Gegengutachtens (BGH, Beschl. v. 12.11.2004 - 2 StR 367/04 - Ls. - BGHSt 49, 347 - NStZ 2005, 205). |
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Das Erfordernis des länger andauernden Defekts resultiert aus
dem Zweck der Maßregel des § 63 StGB, den an einer andauernden Störung
leidenden Straftäter zu heilen oder ihn zumindest bei diesem Zustand zu
pflegen, selbst wenn die Behandlung mit dem Ziel der Heilung nicht
möglich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 11.7.1986 – 3 StR 274/86 - BGHR StGB
§ 63 Zustand 1; BGH, Urt. v. 9.5.2017 - 1 StR 658/16 Rn. 13).
Ist der Defektzustand lediglich vorübergehender Natur, ist der mit der
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verbundene
erhebliche Eingriff in das Freiheitsrecht dagegen verfassungsrechtlich
nicht gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 9.5.2017 - 1 StR 658/16 Rn. 13). Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12 - NStZ-RR 2013, 141; BGH, Beschl. v. 30.7.2014 - 4 StR 183/14; BGH, Beschl. v. 8.1.2015 - 2 StR 263/14; BGH, Beschl. v. 28.1.2015 - 4 StR 514/14; BGH, Urt. v. 17.6.2015 - 2 StR 358/14 - BGHR StGB § 63 Zustand 44; BGH, Beschl. v. 6.7.2016 - 4 StR 210/16 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 12.10.2016 - 4 StR 78/16 Rn. 9). Die Annahme des § 63 StGB erfordert unter anderem einen dauerhaften Defekt mit Krankheitswert (vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.2011 - 5 StR 422/11 mwN). Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB setzt zunächst die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekts voraus, der die Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder zumindest die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begründet, und ferner, daß der Täter in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat, die auf den die Annahme der §§ 20, 21 StGB rechtfertigenden dauerhaften Defekt zurückzuführen ist, das heißt mit diesem in einem ursächlichen und symptomatischen Zusammenhang steht (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 6.3.1986 – 4 StR 40/86 - BGHSt 34, 22, 27; BGH, Beschl. v. 6.2.1997 – 4 StR 672/96 - BGHSt 42, 385 f.; BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 3 StR 527/00; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 540/01; BGH, Beschl. v. 8.10.2002 - 4 StR 235/02; BGH NStZ-RR 2003, 232; BGH, Beschl. v. 15.6.2004 - 4 StR 176/04; BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - 4 StR 210/04 - NStZ-RR 2004, 331; BGH, Beschl. v. 9.5.2007 - 5 StR 557/06; BGH, Urt. v. 21.12.2006 - 3 StR 436/06; BGH, Beschl. v. 10.6.2008 - 3 StR 188/08 - NStZ 2009, 86; BGH, Urt. v. 30.10.2008 - 4 StR 235/08 - NStZ-RR 2009, 78; BGH, Beschl. v. 28.5.2009 - 4 StR 101/09; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 326/09; BGH, Beschl. v. 16.3.2010 - 4 StR 82/10; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 654/10; BGH, Beschl. v. 22.8.2012 - 4 StR 308/12; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 63 Rdn. 6). Dieser Zustand muss, da er anders als die Schuldfähigkeit nicht an den Tatzeitpunkt, sondern an die Prognose anknüpft, ein länger andauernder, nicht nur vorübergehender sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 6.3.1986 – 4 StR 40/86 - BGHSt 34, 22, 27; BGH, Beschl. v. 29.8.2012 - 4 StR 205/12; BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 4 StR 257/12; BGH, Urt. v. 9.5.2017 - 1 StR 658/16 Rn. 12; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 63 Rn. 6 mwN). Ein länger dauernder Zustand bedeutet nicht eine ununterbrochene Befindlichkeit. Entscheidend und für die Maßregelanordnung ausreichend ist, dass der Zustand der Grunderkrankung länger andauert, sofern er dazu führt, dass bereits alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1999 – 2 StR 483/98 - BGHSt 44, 369, 375 f.; BGH, Urt. v. 10.8.2005 – 2 StR 209/05 - BGHR StGB § 63 Ablehnung 2 - NStZ-RR 2005, 370, 371; BGH, Beschl. v. 23.1.2008 - 2 StR 426/07 - NStZ-RR 2008, 141; BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 4 StR 257/12 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 21.6.2016 - 4 StR 161/16 Rn. 10; BGH, Beschl. v. 6.7.2016 - 4 StR 210/16 Rn. 5; BGH, Urt. v. 9.5.2017 - 1 StR 658/16 Rn. 13; BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 StR 24/17 Rn. 16; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 63 Rn. 6a; Kaspar in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 63 Rn. 29). Hingegen begründet eine auf eine Persönlichkeitsstörung oder eine frühkindliche Hirnschädigung zurückzuführende Disposition, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, noch keinen dauernden Zustand im Sinne des § 63 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2008 – 4 StR 595/07 mwN; BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 4 StR 257/12; BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 StR 24/17; vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.1.2007 – 2 StR 582/06 - BGHR StGB § 63 Zustand 39; BGH, Beschl. v. 10.1.2008 – 4 StR 626/07 - NStZ-RR 2008, 140, 141;). Zur Dauerhaftigkeit und Schwere der Persönlichkeitsstörung bei Stabilisierung des Angeklagten infolge Betreuung vgl. BGH, Beschl. v. 24.1.2007 - 2 StR 532/06. Nötig ist, daß die Tatbegehung durch den (nicht nur vorübergehenden) Zustand ausgelöst oder doch mitausgelöst worden ist und daß auch die für die Zukunft zu erwartenden Taten sich als Folgewirkung dieses Zustandes darstellen (BGH NStZ 1991, 528; BGH NJW 1998, 2986, 2987; BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - 4 StR 210/04 - NStZ-RR 2004, 331). Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit eines Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert war, erfolgt in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. BGH, Beschl. v. 22.8.2012 - 4 StR 308/12; im Einzelnen Boetticher/ Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass beim Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Dabei hat der Tatrichter bei der Entscheidung über die Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und bei der Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit nicht nur die Darlegungen des medizinischen Sachverständigen eigenständig zu überprüfen; er ist auch verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen (BGH, Beschl. v. 7.3.2006 – 3 StR 52/06 - NStZ-RR 2007, 74; BGH, Beschl. v. 22.8.2012 - 4 StR 308/12). Das abschließende Urteil über die Erheblichkeit der Verminderung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ist als Rechtsfrage ausschließlich Sache des Richters (BGH, Urt. v. 17.4.2012 – 1 StR 15/12 mwN; BGH, Beschl. v. 22.8.2012 - 4 StR 308/12). Erforderlich ist nicht, dass der Täter ununterbrochen schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist, sondern dass seine Befindlichkeit aufgrund einer länger dauernden seelischen Störung derart beschaffen ist, dass bereits alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit in Bezug auf eine konkrete Tat auslösen können (vgl. BGHSt 44, 369, 374 ff; BGH NStZ-RR 2005, 370, 371; BGH, Beschl. v. 23.1.2008 - 2 StR 426/07). § 63 StGB setzt nicht voraus, dass der Zustand eingeschränkter Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit durchgängig und dauerhaft besteht. Es reicht etwa aus, dass der Zustand der Grunderkrankung dauerhaft besteht und dazu führt, dass schon alltägliche Ereignisse zu einer Aktualisierung und Aufwallung der die Schuldfähigkeit aufhebenden oder erheblich vermindernden Störung führen können (vgl. BGH, Beschl. v. 14.1.2009 - 2 StR 565/08 - NStZ-RR 2009, 136 betr. Epilepsie). Schuldunfähigkeit kann sowohl auf fehlender Einsichtsfähigkeit beruhen als auch auf fehlender Steuerungsfähigkeit. Zwar liegen gerade in Fällen, in denen im Ergebnis Schuldunfähigkeit angenommen ist, die für die Unterscheidung maßgeblichen Kriterien nicht stets klar auf der Hand. Dennoch kann nach ständiger Rechtsprechung gerade dann nicht auf eine präzise Feststellung verzichtet werden, wenn eine Unterbringung gemäß § 63 StGB im Raum steht (vgl. BGH, Urt. v. 21.5.2014 - 1 StR 116/14; zusammenfassend Fischer, StGB, 61. Aufl., § 20 Rn. 44a mwN). Beruhte die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auf dem Mißbrauch von Drogen oder Medikamenten, kann es an einem länger andauernden Zustands der vorbeschriebenen Art fehlen. Etwas anderes gilt, wenn eine krankhafte bzw. auf einer schweren anderen seelischen Abartigkeit beruhende Drogen- oder Medikamentensucht vorliegt, die immer wieder zu einem Zustand führt, in dem die Schuldfähigkeit als Folge eines Zusammenwirkens von geistigseelischer Störung und alkoholischer Beeinträchtigung oder aktuellem Drogenkonsum zumindest erheblich beeinträchtigt ist (vgl. BGHSt 44, 338, 341 ff.; 369, 373 ff.; BGH, Urt. v. 25.4.2001 - 3 StR 533/00 - NStZ 2001, 532; BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 4 StR 605/09 - NStZ 2010, 384; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 63 Rdn. 3 m.w.Nachw.). Gleiches gilt für die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit infolge Alkoholisierung. In solchen Fällen kommt die Unterbringung nach § 63 StGB nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist oder an einer krankhaften Alkoholsucht leidet (st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 313 f.; BGHR StGB § 63 Zustand 17, 19; BGH, Beschl. v. 26.4.2000 - 3 StR 138/00 - NStZ 2000, 469; BGH, Beschl. v. 9.2.2010 - 3 StR 11/10; BGH, Beschl. v. 9.6.2010 - 2 StR 201/10) oder aufgrund eines psychischen Defekts alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (st. Rspr. vgl. BGHSt 44, 338, 339 m.N.; BGH, Beschl. v. 23.3.2000 - 4 StR 50/00; BGH, Beschl. v. 18.5.2000 - 4 StR 127/00). Dabei ist ein die Maßregel nach § 63 StGB rechtfertigender Zustand auch dann gegeben, wenn der Täter an einer Alkoholsucht leidet, deren Fortbestand auf einer Persönlichkeitsstörung beruht, die sich als eine - wenn auch als solche keine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit bewirkende - schwere andere seelische Abartigkeit darstellt (BGHSt 44, 338, 343 f.; BGH, Beschl. v. 23.3.2000 - 4 StR 50/00). Ein Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt aber – entsprechend obiger Rechtsprechung – auch vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistigseelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1999 – 2 StR 483/98 - BGHSt 44, 369, 374 Rn. 27; BGH, Urt. v. 29.9.2015 – 1 StR 287/15 Rn. 11 - NJW 2016, 341 f.; BGH, Beschl. v. 1.4.2014 – 2 StR 602/13 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 5.7.2011 – 3 StR 173/11 Rn. 5 - NStZ 2012, 209; BGH, Beschl. v. 23.9.2015 – 4 StR 371/15 Rn. 9), wenn tragender Grund seines Zustandes mithin die länger andauernde krankhafte geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich der auslösende Faktor war und ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.1999 – 2 StR 483/98 Rn. 25 - BGHSt 44, 369, 374; BGH, Beschl. v. 21.6.2016 - 4 StR 161/16 Rn. 11). Eine Persönlichkeitsstörung kann eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auch dann rechtfertigen, wenn sie nicht unmittelbar tatauslösend, gleichwohl Ursache für den schuldmindernden Affekt war, der für sich genommen eine Unterbringung nach § 63 StGB nicht begründen kann. Voraussetzung ist jedoch auch in einem solchen Fall, dass die Persönlichkeitsstörung als schwere andere seelische Abartigkeit zu bewerten ist, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 15; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 326/09). Die auf die Persönlichkeitsstörung in Kombination mit der Grundanspannung zurückzuführende Disposition des Angeklagten, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, reicht zur Bejahung eines dauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.2004 - 4 StR 452/04; BGH, Beschl. v. 26.1.2007 - 2 StR 582/06 - BGHR StGB § 63 Zustand 39; BGH, Beschl. v. 10.1.2008 - 4 StR 626/07 - NStZ-RR 2008, 140, 141), wenn die Störung der Affektverarbeitung erst in Kombination mit der - aufgrund sozialer Vereinsamung und Isolation entstandener - Grundanspannungslage und einer zusätzlichen Belastungssituation zur tiefgreifenden Bewusstseinsstörung führt, wobei der Alkoholkonsum "zu einer zusätzlichen Enthemmung" führt. Ein dauerhaft bestehender, den Täter beeinträchtigender psychischer Zustand ist damit nicht ausreichend belegt (vgl. BGH, Urt. v. 17.6.2015 - 2 StR 358/14). In einem Fall, in dem die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum zurückzuführen ist, liegt ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand nur vor, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 9 und 30) oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGHSt 44, 369, 373 ff.; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 376/09 - NStZ-RR 2010, 42; BGH, Beschl. v. 9.2.2010 - 3 StR 11/10; Fischer StGB 57. Auflage § 63 Rdn. 9a; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.5.2000 - 4 StR 127/00 zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsstörung und Alkoholeinfluss; BGH, Beschl. v. 5.7.2011 - 3 StR 173/11 betr. länger dauernde krankhafte geistig-seelische Störung (Minderbegabung) und Alkoholkonsum). Auch wenn die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten in ihrer Ausprägung noch nicht den Grad erreicht hat, der bereits für sich genommen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt hat und die Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten letztlich erst durch seine jeweils aktuelle Alkoholintoxikation herbeigeführt worden ist, kann darin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Zustand gesehen werden, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermag (BGHSt 44, 338; BGH NStZ-RR 2007, 138; BGH, Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 542/00). |
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Auch
das Vorliegen einer nicht pathologisch bedingten Störung kann
Anlass für eine Unterbringung nach § 63 StGB sein. Doch
stellt die Diagnose
einer Persönlichkeitsstörung nicht ohne
Weiteres eine hinreichende Grundlage für die Annahme einer
relevanten Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters dar
und rechtfertigt nur bei Vorliegen weiterer Umstände die Anordnung
der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH, Beschl. v.
6.2.1997 - 4 StR 672/96 - BGHSt 42, 385, 386 f.; BGH,
Beschl.
v. 11.11.2003 - 4 StR 424/03 - NStZ 2004, 197, 198;
BGH,
Beschl.
v. 18.7.2013 - 4 StR 168/13 - NJW 2013, 3383, 3385; BGH,
Beschl.
v. 23.2.2016 - 3 StR 547/15 Rn. 5). Denn bei solchen Störungen
besteht häufig die Gefahr, dass Eigenschaften und
Verhaltensweisen, die sich innerhalb der Bandbreite des Verhaltens voll
schuldfähiger Menschen bewegen, zu Unrecht als Symptome einer die
Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigenden schweren
seelischen Abartigkeit bewertet werden. Das gilt vor allem dann, wenn
es um die Beurteilung kaum messbarer, objektiv schwer darstellbarer
Befunde und Ergebnisse geht, wie es bei einer "kombinierten
Persönlichkeitsstörung" der Fall ist (BGH,
Beschl. v.
11.11.2003 - 4 StR 424/03 - NStZ 2004, 197, 198;
BGH, Beschl.
v. 9.5.2012 - 4 StR 120/12 - StraFo 2012, 275; BGH, Beschl. v.
23.2.2016 - 3 StR 547/15 Rn. 5). Die Diagnose einer wie auch immer gearteten Persönlichkeitsstörung läßt für sich genommen eine Aussage über die Frage der Schuldfähigkeit des Täters nicht zu (vgl. BGHSt 42, 385; BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 150/12). Vielmehr bedarf es einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und ihrer Entwicklung, um feststellen zu können, ob die Störungen des Täters sein Leben vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen wie krankhafte seelische Störungen - auch im Hinblick auf seine Fähigkeit zu normgemäßem Verhalten - stören, belasten oder einengen (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.1991 - 5 StR 122/91 - BGHSt 37, 397, 401 - NJW 1991, 2975; BGHR StGB § 63 Zustand 25, 34; BGH, Beschl. v. 9.5.2000 - 4 StR 59/00 - NStZ 2000, 469; BGH, Beschl. v. 8.10.2002 - 4 StR 235/02). Beispiel: Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ohne weiteres geeignet, den für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB vorausgesetzten Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu belegen. Erforderlich ist vielmehr, dass sicher feststeht, dass der Täter aufgrund der Persönlichkeitsstörung aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.2017 - 4 StR 65/17 Rn. 12; BGH, Beschl. v. 18.7.2013 – 4 StR 168/13 - NJW 2013, 3383, 3385; BGH, Beschl. v. 25.2.2003 – 4 StR 30/03 - NStZ-RR 2003, 165; BGH, Beschl. v. 16.8.2000 – 2 StR 219/00 - BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 36; BGH, Beschl. v. 6.2.1997 – 4 StR 672/96 - BGHSt 42, 385, 388; BGH, Beschl. v. 1.8.1989 – 1 StR 290/89 - BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 13). Für einen so schwerwiegenden Eingriff, wie ihn die Anordnung der zeitlich nicht befristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darstellt, kann die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung stets nur unter engen Voraussetzungen und nur dann genügen, wenn feststeht, dass der Täter auf Grund dieser Störung aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2007 - 2 StR 582/06). Für eine solche Annahme bedarf es einer Gesamtschau, ob die Störungen beim Täter in ihrer Gesamtheit sein Leben vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen. Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung und der Erheblichkeit der darauf beruhenden Verminderung der Schuldfähigkeit ist deshalb maßgebend, ob es auch im Alltag außerhalb der Straftaten zu Einschränkungen des beruflichen oder sozialen Handlungsvermögens gekommen ist. Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB angesehen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2007 - 2 StR 582/06; BGH, Beschl. v. 21.9.2006 - 4 StR 309/06; BGH NStZ 2006, 154 jeweils m.w.N.). siehe auch: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB ---> Persönlichkeitsstörungen Der Bundesgerichtshof hat die Verhängung dieser Maßregel in Fällen ähnlicher Persönlichkeitsbefunde, gerade auch in Verbindung mit Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit, wiederholt beanstandet (vgl. nur BGHR StGB § 63 Zustand 18, 24, 30, 34; BGH NStZ 2004, 197; BGH, Beschl. v. 18.5.2000 - 4 StR 127/00; BGH, Beschl. v. 20.5.2003 - 4 StR 174/03; BGH, Beschl. v. 9.6.2004 - 5 StR 203/04; BGH, Beschl. v. 13.7.2004 - 4 StR 548/03; BGH, Beschl. v. 2.12.2004 - 4 StR 452/04). Dies lag vorwiegend an der vielfach mehr oder weniger vagen Diagnose einer Persönlichkeitsstörung; in diesem Bereich besteht die Gefahr, dass Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sich noch innerhalb der Bandbreite des Verhaltens uneingeschränkt schuldfähiger Menschen bewegen, zu Unrecht als Symptome einer die Schuldfähigkeit - zudem gesichert - erheblich beeinträchtigenden seelischen Abartigkeit bewertet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 540/01; BGH, Beschl. v. 11.11.2003 - 4 StR 424/03; BGH, Beschl. v. 13.10.2005 - 5 StR 394/05). Allerdings kann anderes gelten etwa angesichts eines besonders auffälligen Tatverhaltens des Angeklagten und der vom Tatgericht festgestellten Besonderheiten in seinem Lebenslauf, auf Grund dessen nach den Grundsätzen von BGHSt 44, 338 (vgl. auch BGHR StGB § 63 Zustand 12, 35 und 36; BGH NStZ 1998, 191) die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB tragfähig zu begründen sein kann (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2005 - 5 StR 394/05). Die Diagnose einer schweren Störung des Sozialverhaltens und einer schweren kindlichen psychoneurotischen Fehlentwicklung belegt für sich allein nicht, dass der Angeklagte die Straftaten in dem von § 63 StGB vorausgesetzten Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hat. Denn Persönlichkeitsstörungen, die bei Straftätern häufig vorliegen, können sich noch innerhalb der Bandbreite menschlichen Verhaltens bewegen und Ursache für strafbares Tun sein, ohne dass das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erfüllt ist. Bei einer nicht pathologisch bedingten Persönlichkeitsstörung liegt eine andere schwere seelische Abartigkeit nur dann vor, wenn sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 28; 37, 397, 401; BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 3 StR 527/00; BGH NStZ 2005, 326, 327; BGH, Beschl. v. 8.10.2002 - 4 StR 235/02; BGH, Beschl. v. 2.12.2004 - 4 StR 452/04; BGH, Beschl. v. 26.7.2005 - 5 StR 230/05 - NStZ 2006, 154). Dazu bedarf es einer Gesamtschau auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Angeklagten und deren Entwicklung, der Tatvorgeschichte, dem unmittelbaren Anlass und der Ausführung der Tat sowie des Verhaltens nach der Tat (vgl. BGH, Beschl. v. 30.1.2001 - 3 StR 527/00; BGH NStZ 2005, 326, 327; BGH, Urt. v. 21.12.2006 - 3 StR 436/06). Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung ist nicht gleichbedeutend mit derjenigen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB, sondern kann immer auch als Spielart menschlichen Wesens einzuordnen sein. Für einen so schwerwiegenden Eingriff, wie ihn die Anordnung der zeitlich nicht befristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darstellt, kann die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung stets nur unter engen Voraussetzungen und nur dann genügen, wenn feststeht, dass der Täter auf Grund dieser Störung aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (vgl. BGHSt 42, 385, 388). Für eine solche Annahme bedarf es einer Gesamtschau, ob die Störungen beim Täter in ihrer Gesamtheit sein Leben vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. BGHR StGB § 21, seelische Abartigkeit 35; BGH, Beschl. v. 26.7.2005 - 5 StR 230/05 - NStZ 2006, 154). Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung und der Erheblichkeit der darauf beruhenden Verminderung der Schuldfähigkeit ist deshalb maßgebend, ob es auch im Alltag außerhalb der Straftaten zu Einschränkungen des beruflichen oder sozialen Handlungsvermögens gekommen ist. Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB angesehen werden (vgl. BGHSt 49, 45). Steht fest, dass die dauerhafte, nicht pathologisch bestimmte Störung den für die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit erforderlichen Schweregrad erreicht hat, so kann eine solche Störung uneingeschränkt Grund für die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB sein. Es muss dann für die Anordnung der Maßregel nicht noch zusätzlich feststehen, dass der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt habe (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2009 - 5 StR 149/09 - NJW 2009, 2903). Bei der Begehung einer Straftat im Zustand eines aktuellen Drogenrausches oder wegen starker Entzugserscheinungen beruht die Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit u.a. dann auf einer nicht nur vorübergehenden, sondern einer länger andauernden und damit einen Zustand bildenden Störung im Sinne des § 63 StGB, wenn der Täter an einer krankhaften Drogensucht leidet oder auf Grund einer schweren Persönlichkeitsstörung drogensüchtig ist, die - ohne pathologisch zu sein - in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt (st.Rspr., vgl. BGHSt 44, 338, 339 f.; BGHR StGB § 63 Zustand 18; BGH, Beschl. v. 21.11.2001 - 3 StR 423/01 - NStZ 2002, 197). Die Diagnose einer Schizophrenie führt für sich allein genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2007 – 3 StR 412/07 - NStZ-RR 2008, 39; BGH, Beschl. v. 31.8.2010 – 3 StR 260/10; BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 150/12). Zur Spielsucht im Zusammenhang mit einer Anordnung nach § 63 StGB vgl. BGH, Urt. v. 25.11.2004 - 5 StR 411/04 - BGHSt 49, 365 - NJW 2005, 230 u. Verminderte Schuldfähigkeit u. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt Psychische Auffälligkeiten, welche die Voraussetzungen einer schweren seelischen Abartigkeit nicht erreichen, in bestimmten Konfliktsituationen bei besonderer psychischer Belastung die Voraussetzungen aber erfüllen und zur erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit führen, reichen für eine Unterbringung nach § 63 StGB regelmäßig nicht aus (vgl. BGHSt 42, 385, 390; BGH, Beschl. v. 1.9.1998 - 4 StR 367/98; BGH, Beschl. v. 26.7.2005 - 5 StR 230/05 - NStZ 2006, 154). So vermag eine auf die Persönlichkeitsstörung zurückzuführende Disposition des Angeklagten, in bestimmten Belastungssituationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu geraten, einen für die Unterbringung nach § 63 StGB dauernden Zustand nicht zu begründen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.10.2001 - 3 StR 373/01 - NStZ 2002, 142; BGHR StGB § 63 Zustand 27; BGH, Beschl. v. 2.12.2004 - 4 StR 452/04). Auch bei Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum kann eine Unterbringung nach § 63 StGB angebracht sein, wenn der Beschuldigte an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist oder an einer länger andauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. u.a. BGH, Beschl. v. 1.4.2014 - 2 StR 602/13 - NStZ-RR 2014, 207; BGH, Urt. v. 29.9.2015 - 1 StR 287/15; BGH, Beschl. v. 1.4.2014 - 2 StR 602/13). |
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36.9 |
Die
auf die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung
zurückzuführende Disposition, in bestimmten
Belastungssituationen wegen mangelnder
Fähigkeit zur
Impulskontrolle in den Zustand erheblich verminderter
Steuerungsfähigkeit zu geraten, reicht zur Bejahung eines
dauernden Zustands im Sinne des § 63 StGB nicht aus (vgl. BGH,
Beschl. v. 2.12.2004 - 4 StR 452/04; BGH,
Beschl. v. 10.1.2008 - 4 StR
626/07; BGH,
Beschl. v. 29.1.2008 - 4 StR 595/07; vgl. auch BGH,
Beschl. v. 18.1.2000 - 4 StR 583/99 - NStZ-RR 2000, 299; BGH,
Beschl.
v. 13.12.2011 - 5 StR 422/11). Der Umstand, dass der Angeklagte bereits früher in seinen Paarbeziehungen gegenüber Frauen tätlich geworden ist, vermag die Unterbringung nicht zu rechtfertigen, soweit es sich hierbei zwar um ein tief verwurzeltes Verhaltensmuster aufgrund der vorhandenen Persönlichkeitsstörung handelt, das jedoch noch keine Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB begründet (vgl. hierzu BGH StV 1990, 260; BGH, Beschl. v. 22.2.2006 - 3 StR 479/05). |
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38 |
Zwar
kommt die Anwendung des § 63 StGB nur bei Personen in
Betracht, deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte
Schuldfähigkeit durch einen länger andauernden und
nicht nur
vorübergehenden Zustand im Sinne der §§ 20,
21
StGB
hervorgerufen worden ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 27). In
Fällen,
in denen die Verminderung der Schuldfähigkeit letztlich auf
Alkoholgenuss zurückzuführen ist, kann § 63
StGB aber
ausnahmsweise angewendet werden, wenn der Täter an einer
krankhaften
Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise
alkoholüberempfindlich ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 313, 314;
BGHR
StGB § 63 Zustand 9; BGH,
Beschl. v. 22.2.2000 - 5 StR 11/00;
BGH,
Beschl. v. 19.12.2006 - 4 StR 530/06; BGH,
Beschl. v. 22.11.2006 - 2
StR 430/06). Gleiches gilt, wenn der Täter aufgrund eines
psychischen Defektes alkoholsüchtig ist, der, ohne
pathologisch zu
sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen
Störung
im Sinne der §§ 20,
21
StGB gleichsteht (vgl. BGHSt
44, 338,
339; BGH,
Urt. v. 14.12.2000 - 4 StR 334/00; BGH,
Beschl. v. 22.11.2006
- 2 StR 430/06). Nichts anderes gilt auch bei einer
Politoxikomanie,
die auf einer krankhaften Sucht beruht (BGH,
Beschl. v. 22.3.2007 - 4
StR 56/07). Auch wenn Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten in ihrer Ausprägung noch nicht den Grad erreicht hat, der bereits für sich genommen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt hat, die vom Tatgericht sicher angenommene Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten letztlich vielmehr erst durch seine jeweils aktuelle Alkoholintoxikation herbeigeführt worden ist, kann darin nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Zustand gesehen werden, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB zu rechtfertigen vermag (vgl. BGHSt 44, 338; 44, 369; BGH, Beschl. v. 18.1.2000 - 4 StR 583/99 - NStZ-RR 2000, 299; BGH, Beschl. v. 19.12.2006 - 4 StR 530/06). |
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39 |
L
E I T S A T Z
Voraussetzungen der Unterbringung in einem
psychiatrischen
Krankenhaus bei „Spielsucht“ (BGH, Urt. v. 6.3.2013 –
5 StR 597/12 - Ls.). In Fällen stoffgebundener Süchte, in denen erst eine (vorübergehende) Alkohol- oder Drogenintoxikation zu einer rechtlich erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führt, ist eine Unterbringung nach § 63 StGB nach der Rechtsprechung nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn eine krankhafte Alkohol- oder Drogensucht im Sinne der Überempfindlichkeit gegeben ist oder der Betroffene aufgrund eines von der Drogensucht unterscheidbaren psychischen Defekts alkohol- oder drogensüchtig ist, der in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.1999 – 2 StR 430/98 - BGHSt 44, 338, 339; BGH, Beschl. v. 23.11.1999 – 4 StR 486/99 - StV 2001, 677; BGH, Beschl. v. 21.11.2001 – 3 StR 423/01 - NStZ 2002, 197; BGH, Beschl. v. 24.6.2004 – 4 StR 210/04 - NStZ-RR 2004, 331, 332; BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – 4 StR 56/07; BGH, Urt. v. 6.3.2013 – 5 StR 597/12). Demgemäß sind eine Neigung zum Alkoholmissbrauch (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.1983 – 5 StR 401/83), eine Alkoholabhängigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 19.12.2006 – 4 StR 530/06 - BGHR StGB § 63 Zustand 38) und selbst chronischer Alkoholismus als Folge jahrelangen Alkoholmissbrauchs (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.1999 – 2 StR 430/98, aaO, S. 341 mwN) für sich allein nicht als hinreichende Gründe für eine Unterbringung nach § 63 StGB anerkannt worden. Nicht anders wird bei einer Abhängigkeit von illegalen Drogen entschieden, bei der die Schuldfähigkeit aufgrund vorübergehender starker Entzugserscheinungen erheblich vermindert ist (vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.2001 – 3 StR 423/01 - NStZ 2002, 197; BGH, Urt. v. 6.3.2013 – 5 StR 597/12). Die Voraussetzungen für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus können auch aus Gründen der verfassungsrechtlich verankerten Verhältnismäßigkeit nicht weniger streng sein als bei stoffgebundenen Süchten. Die unbefristete Unterbringung gemäß § 63 StGB stellt einen überaus gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar. Das gilt hier umso mehr, als der Maßregelvollzug nach § 63 StGB auf die Behandlung Spielsüchtiger ersichtlich nicht ausgerichtet ist. Demgemäß wäre zu besorgen, dass der nicht oder nicht genügend behandelte Betroffene im Fall fortbestehender Gefährlichkeit lange Zeit im Maßregelvollzug untergebracht bliebe (BGH, Urt. v. 6.3.2013 – 5 StR 597/12). Der 5. Senat verkennt dabei nicht, dass die Rechtsprechung zur Rauschmittelabhängigkeit auch vor dem Hintergrund steht, dass für rauschmittelabhängige Täter die befristete und damit weniger beschwerende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.1999 – 2 StR 430/98, aaO), die in Fällen der Spielsucht nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.2004 – 5 StR 411/04, aaO). Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass die Schwelle zur Unterbringung Spielsüchtiger im psychiatrischen Krankenhaus niedriger als dort angesetzt wird. Eine durch die Nichtanwendbarkeit des § 64 StGB unter Umständen begründete „Schutzlücke“ hat der Gesetzgeber in Kauf genommen (BGH, Urt. v. 6.3.2013 – 5 StR 597/12). Auch im Zuge der Novellierung des Rechts der psychiatrischen Maßregeln durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) wurde die Erweiterung der Unterbringung nach § 64 StGB auf Spielsüchtige nicht erwogen; das Gesetz sollte vielmehr vor dem Hintergrund wachsenden Belegungsdrucks im Maßregelvollzug zu einer „zielgerichteteren Nutzung seiner Kapazitäten“ beitragen (BT-Drucks. 16/1110, S. 1). Im Übrigen könnte eine angenommene Schutzlücke die Unterbringung des „nur“ Spielsüchtigen im psychiatrischen Krankenhaus ebenso wenig gebieten wie des die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht (mehr) erfüllenden „nur“ Rauschmittelabhängigen (BGH, Urt. v. 6.3.2013 – 5 StR 597/12; vgl. BGH, Beschl. v. 17.5.1983 – 5 StR 182/83 - NStZ 1983, 429; BGH, Beschl. v. 23.11.1999 – 4 StR 486/99, aaO), der nach geltender Rechtslage aus den angeführten Gründen regelmäßig in den Strafvollzug überwiesen wird. Hinzu kommt, dass der Strafvollzug versucht, dem Problem etwa durch Einrichtung von Therapiegruppen gerecht zu werden (BGH, Urt. v. 6.3.2013 – 5 StR 597/12). Nach den vorgenannten Grundsätzen käme die Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus damit nur noch in Betracht, wenn sich dessen Abhängigkeit bereits in schwersten Persönlichkeitsveränderungen manifestiert hätte (BGH, Urt. v. 6.3.2013 – 5 StR 597/12). |
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40 |
Die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine
außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur
angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades
(siehe hierzu nachstehend 42.1) besteht, dass der Täter infolge
seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige
Taten begehen werde. § 63 StGB setzt hierfür voraus, dass die
Gefährlichkeit des Täters aus demjenigen Zustand folgt, der
die Einschränkung seiner Schuldfähigkeit bei der Anlasstat
begründet. Insoweit muss es sich um dieselbe
Defektquelle handeln. Nötig ist mithin ein symptomatischer Zusammenhang
dergestalt,
dass die Tatbegehung durch die (nicht nur
vorübergehende) psychische Störung zumindest
mitausgelöst worden ist und dass auch die für die Zukunft zu
erwartenden Taten sich als Folgewirkung dieses Zustandes darstellen
(st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 22, 27; BGH NStZ 1991, 528; NJW 1998, 2986,
2987; BGH, Beschl. v. 28.3.2012 - 2 StR 614/11; BGH, Beschl. v.
3.6.2015 - 4 StR 167/15; BGH, Beschl. v. 23.9.2015 - 4 StR 371/15;
Fischer, StGB 59. Aufl.
§ 63 Rn. 14 mwN). Dieser symptomatische Zusammenhang besteht,
wenn der festgestellte, für die Schuldfähigkeit bedeutsame Zustand des
Täters kausal für die Anlasstat geworden ist (vgl. nur BGH, Beschl. v.
22.2.2011 – 4 StR 654/10 - WuM 2011, 295 f.; BGH, Beschl.
v. 15.7.2015 – 4 StR 277/15 - StV 2016, 725 f.), wobei
Mitursächlichkeit genügt (BGH, Urt. v. 9.5.2017 - 1 StR 658/16 Rn. 16; MükoStGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 63 Rn. 47 mwN). Der Täter muss eine rechtswidrige Tat begangen haben, die mit dem, die Annahme des § 21 StGB rechtfertigenden Defekts, in einem kausalen, symptomatischen Zusammenhang steht (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 26; Gefährlichkeit 15; BGH, Beschl. v. 9.5.2007 - 5 StR 557/06; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.10.2009 - 3 StR 369/09 betr. § 20 StGB). Der gefährliche Zustand des Täters muss danach dergestalt in der Anlasstat seinen Ausdruck finden, dass auch die für die Zukunft zu erwartenden Taten sich als Folgewirkung eben dieses Zustandes darstellen, weil nur dann die Anlasstat Indizwirkung für die Gefährlichkeitsprognose entfalten kann (st. Rspr.; BGH NJW 1998, 2986; NStZ-RR 1998, 174; BGHR StGB § 63 Tat 4; BGH, Beschl. v. 4.4.2006 - 4 StR 60/06). Der Tatrichter ist gehalten, sein Urteil über die Art und den Schweregrad einer Störung eines Angeklagten unter Mitteilung der entsprechenden Anknüpfungstatsachen auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung von dessen Persönlichkeit und seiner Entwicklung unter Einbeziehung der Tatumstände zu fällen (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 24; BGH, Beschl. v. 9.5.2007 - 5 StR 557/06). Angezeigt sein kann etwa die Darlegung, wie sich die Folgen des beim Beschuldigten vorliegenden Defekts auf seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit auswirken (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 21) und zur Tatmotivation, so dass sich der Zusammenhang zwischen der beim Beschuldigten vorliegenden psychischen Störung, der Anlaßtat und der angenommenen Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten in der Zukunft erschließt (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.2003 - 3 StR 79/03; vgl. auch BGH, Beschl. v. 24.6.2014 - 3 StR 237/14). Es empfiehlt sich hierbei eine geschlossene Darstellung der Anknüpfungstatsachen und der das Gutachtenergebnis des Sachverständigen tragenden fachlichen Begründung. Die bloße Mitteilung einer Klassifikation nach ICD ist insoweit nicht ausreichend (vgl. auch BGHR StGB § 63 Zustand 34; BGH, Beschl. v. 9.5.2007 - 5 StR 557/06). Es muss insoweit etwa festgestellt werden, dass die Anlasstaten Ausfluss einer organischen Persönlichkeits- und Verhaltensstörung des Angeklagten sind, mithin zwischen dem seelischen Zustand und der Gefährlichkeit des Angeklagten ein symptomatischer Zusammenhang besteht (vgl. BGHSt 34, 22, 27; BGH, Beschl. v. 2.5.2007 - 4 StR 148/07). Inwieweit vom Angeklagten erhebliche Taten zu erwarten sind als Folge derselben psychischen Störung, auf welche die Anlasstat zurückzuführen ist, lässt sich den Ausführungen etwa nicht klar entnehmen. wenn davon ausgegangen wird, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer akuten Phase seiner schizophrenen Erkrankung bei Tatbegehung aufgehoben war, demgegenüber aber für die Gefährlichkeitsprognose ausschlaggebend auch auf die dissoziale Persönlichkeitsstörung des Angeklagten abgestellt wird, die in der Anlasstat indes keinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2012 - 2 StR 614/11). Bei einer erheblichen Verminderung der Einsichtsfähigkeit ist die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlaßt, wenn diese Verminderung nicht das Fehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu Straftaten geführt hat (vgl. u.a. BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 3; BGHR StGB § 63 Zustand 29; BGHSt 34, 22, 26/27; BGHSt 21, 27 ff. BGH, Beschl. v. 3.7.2002 - 2 StR 198/02). Hat der Täter die Anlasstat im Zustand erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen, so kommt seine Unterbringung nach § 63 StGB nur in Betracht, wenn ihm aufgrund dieses Zustands die Unrechtseinsicht tatsächlich gefehlt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2007 - 3 StR 31/07; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 63 Rdn. 11 m. zahlr. w. N.). Eine unter den Voraussetzungen des § 33 StGB begangene Tat ist grundsätzlich nicht symptomatisch für eine krankheitsbedingte Gefährlichkeit (vgl. BGH NStZ 1991, 528; BGH, Beschl. v. 27.8.2003 - 1 StR 327/03). Für die Frage der Unterbringung nach § 63 StGB ist weniger relevant, dass materiell-rechtich ein Rücktritt vom unbeendeten Versuch vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.2002 - 5 StR 100/02). Krankheitstypische Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen Angehörige des Pflegepersonals begangen werden, können nur eingeschränkt Anlass für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB sein (BGH NStZ 1998, 405; 1999, 611, 612; NStZ-RR 2011, 202, 203; BGH, Beschl. v. 28.3.2012 - 2 StR 614/11). Eine Änderung der rechtlichen Bewertung der "Anlaßtat" durch das Revisionsgericht führt dann nicht zur Aufhebung einer Unterbringungsanordnung, wenn trotzdem noch immer eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung ohne weiteres Grundlage einer Unterbringung sein kann (vgl. BGH, Beschl. v. 17.12.1984 - 4 StR 721/84; BGH, Beschl. v. 27.8.1997 - 2 StR 404/97; BGH, Beschl. v. 5.3.1999 - 2 StR 518/98; BGH, Beschl. v. 10.9.2002 - 1 StR 337/02). Beispiel: Auf den Bestand der Unteranbringungsanordnung hätte es keinen Einfluß, wenn wegen der Vorstellungen der Beschuldigten aus Rechtsgründen eine (schwere räuberische) Erpressung zu verneinen wäre und statt dessen jedenfalls eine Nötigung (§ 240 StGB) vorläge. Es ist aber offensichtlich eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens, wenn Bankangestellte unter Einsatz einer (auch ungeladenen) Pistole zur Herausgabe von Geld gezwungen werden. Eine solche Tat kann eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.9.2002 - 1 StR 337/02). Zum Zusammenhang zwischen Brandstiftung und gestörter Sexualität vgl. BGH, Beschl. v. 5.2.2003 - 2 StR 1/03 |
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42 |
Für eine negative Gefährlichkeitsprognose
muss die Gesamtwürdigung von der Persönlichkeit des Täters, seines
Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten ergeben, dass aufgrund
seines Zustands mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erhebliche
rechtswidrige Taten zu erwarten sind, wie sie die zum 1. August 2016 in
Kraft getretene Neufassung des § 63 Satz 1 StGB nunmehr konkretisiert,
und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. BGH, Urt. v.
17.8.1977 – 2 StR 300/77 - BGHSt 27, 246, 248 f.; BGH, Urt.
v. 17.11.1999 – 2 StR 453/99 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27;
BGH, Beschl. v. 8.1.2014 – 5 StR 602/13 - NJW 2014, 565; BGH, Beschl. v. 25.4.2017 - 5 StR 78/17 Rn. 8). Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 24.7.2013 – 2 BvR 298/12 - NStZ-RR 2014, 305; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 1 StR 445/16 Rn. 13; BGH, Beschl. v. 18.7.2013 – 4 StR 168/13 - NJW 2013, 3383; BGH, Beschl. v. 16.6.2014 – 4 StR 111/14 - NStZ 2014, 571; BGH, Beschl. v. 19.8.2014 – 3 StR 243/14; BGH, Urt. v. 28.10.2015 – 1 StR 142/15 - NStZ-RR 2016, 40; BGH, Beschl. v. 23.5.2017 - 1 StR 164/17 Rn. 5). Diese bereits durch die Rechtsprechung zu dem bis 31. Juli 2016 geltenden Recht herausgebildeten Anforderungen sind durch die neue Fassung des § 63 Satz 1 StGB dahingehend konkretisiert worden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften, S. 17 f.; BT-Drucks. 18/7244), dass nur die Erwartung solcher erheblichen rechtswidrigen Taten ausreicht, durch die die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 1 StR 445/16 Rn. 14; BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 StR 24/17 Rn. 21). Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 6. Juli 2016, BGBl. I 1610; vgl. BGH, Beschl. v. 4.8.2016 - 4 StR 230/16 Rn. 11; BGH, Beschl. v. 12.10.2016 - 4 StR 78/16 Rn. 9). Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urt. v. 17.8.1977 – 2 StR 300/77 - BGHSt 27, 246, 248 f.; BGH, Urt. v. 17.11.1999 – 2 StR 453/99 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12; BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12 - NStZ-RR 2013, 141, 142; BGH, Beschl. v. 15.10.2013 - 3 StR 215/13; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 1 StR 445/16 Rn. 15; BGH, Beschl. v. 23.5.2017 - 1 StR 164/17 Rn. 6) und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustandes drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.7.2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27; BGH, Beschl. v. 7.6.2016 - 4 StR 79/16 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 1 StR 445/16 Rn. 15; BGH, Beschl. v. 23.5.2017 - 1 StR 164/17 Rn. 6). In die Gefährlichkeitsprognose sind die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstat belegen können einzubeziehen (BGH, Beschl. v. 21.12.2016 – 1 StR 594/16 - NStZ-RR 2017, 76, 77 mwN; BGH, Beschl. v. 23.5.2017 - 1 StR 164/17 Rn. 6). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 8.11.2006 – 2 StR 465/06 - NStZ-RR 2007, 73, 74; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 1 StR 445/16 Rn. 15). Diesem schon von der Rechtsprechung entwickelten besonderem Darlegungserfordernis gibt die seit dem 1. August 2016 geltende und über § 2 Abs. 6 StGB anzuwendende Neuregelung in § 63 Satz 2 StGB eine klare gesetzliche Fassung (vgl. Gesetzentwurf aaO S. 22; BT-Drucks. 18/7244; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 1 StR 445/16 Rn. 16). Die Gefahrenprognose für die Unterbringung nach § 63 StGB kann nur auf solche zu erwartenden Taten gestützt werden, die gerade auf dem Zustand des Betroffenen beruhen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2012 – 2 StR 614/11; BGH, Beschl. v. 3.6.2015 - 4 StR 167/15). Bei einer Prognose kann nicht verlangt werden, dass zukünftige Ereignisse oder Zustände zur vollen richterlichen Überzeugung feststehen. Ansonsten könnte die Gefahrprognose immer mit dem Argument verneint werden, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass gefahrbegründende Faktoren nicht eintreten. Ein solcher Maßstab ist wegen zu hoher Anforderungen rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.2012 - 1 StR 160/12). Die im Allgemeinen erhöhte Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter begründet für sich genommen die Gefahrenprognose nicht (BGH, Beschl. v. 7.6.2016 – 4 StR 79/16 - NStZ-RR 2016, 306; BGH, Urt. v. 11.8.2011 – 4 StR 267/11; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 - 1 StR 445/16 Rn. 17). Eine Unterbringungsanordnung kann nicht auf die Prognose des Revisionsgerichts gestützt werden, dass die erneute Hauptverhandlung keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert (BGH, Urt. v. 13.6.1995 – 1 StR 268/05 - MDR 1995, 1090; BGH, Beschl. v. 19.12.2012 - 4 StR 417/12). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf nicht zur Begründung der Gefährlichkeit des Angeklagten herangezogen werden darf (vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.2004 – 4 StR 452/04; BGH, Beschl. v. 15.1.2015 - 4 StR 419/14). |
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42.1 |
Die
Prüfung des Grades
der Wahrscheinlichkeit weiterer Taten und
ihrer Art ist auf der Grundlage einer umfassenden
Würdigung der
Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm
begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Beschl. v. 2.9.2015 - 2 StR
239/15). Die Gesamtwürdigung von Tat und Täter
muß ergeben, daß aufgrund dieses - fortdauernden
(vgl.
BGHSt 27, 246, 248 f.; BGH, Urt. v. 16.1.1996 - 1 StR 674/95; BGH,
Urt.
v. 21.9.2000 - 1 StR 124/00 - NStZ-RR 2001, 238; BGH,
Beschl. v.
18.3.2008 - 4 StR 6/08) - Zustandes eine über die
bloße
Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit weiterer
erheblicher
rechtswidriger Taten besteht (st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 22, 27; BGH
NStZ-RR 2003, 232; BGH,
Beschl. v. 18.1.2000 - 4 StR 623/99; BGH,
Beschl. v. 15.6.2004 - 4 StR 176/04; BGH,
Beschl. v. 24.11.2004 - 1 StR
493/04 - NStZ-RR 2005, 72, 73; BGH,
Beschl. v. 8.7.2008 - 3 StR
167/08; BGH,
Beschl. v. 10.9.2008 - 2 StR 291/08; BGH,
Beschl. v.
11.3.2009 - 2 StR 42/09 - NStZ-RR 2009, 198; BGH,
Beschl. v. 28.5.2009
- 4 StR 101/09; BGH,
Beschl. v. 19.1.2010 - 4 StR 605/09 - NStZ 2010,
384; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 654/10; BGH, Beschl. v.
13.12.2011 - 5 StR 422/11; BGH, Urt. v. 31.5.2012 - 3 StR 99/12;
BGH, Beschl. v. 9.10.2012 - 2 StR 180/12; BGH, Beschl. v. 5.6.2013 - 2
StR 94/13; Fischer, StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 15 m.
w. N.). Diese
Maßregel darf nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit
höheren Grades - nicht nur die einfache
Möglichkeit -
neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens, die
zumindest
in den Bereich der
mittleren Kriminalität
hineinreichen,
besteht
(vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8 und 16; BGH
NStZ 1995,
228 m.w.N.; BGH,
Beschl. v. 2.7.2002 - 1 StR 194/02; BGH,
Beschl. v.
15.3.2005 - 4 StR 19/05; BGH,
Beschl. v. 28.6.2005 - 4 StR 223/05; BGH,
Urt. v. 20.2.2008 - 5 StR 575/07; BGH,
Urt. v. 27.11.2008 - 3 StR
450/08 - NStZ 2009, 689; BGH,
Beschl. v. 17.2.2009 - 3 StR 27/09 -
NStZ-RR 2009, 169; BGH, Beschl. v. 21.7.2010 - 5 StR 243/10; BGH,
Beschl. v. 23.11.2010 - 3 StR 385/10; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR
635/10 - StraFo 2011, 189; BGH, Beschl. v. 25.4.2012 - 4 StR 81/12;
BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12; BGH, Beschl. v. 28.8.2012 - 3
StR 304/12; BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12; BGH, Beschl. v.
19.12.2012 - 4 StR 417/12; BGH, Beschl. v. 7.6.2016 - 4 StR 207/16 Rn.
9; BGH, Urt. v. 28.6.2016 - 1 StR 5/16 Rn. 32; BGH, Beschl. v.
15.9.2016 - 4 StR 400/16 Rn. 9; Fischer,
StGB 57. Aufl. § 63 Rdn. 14 f.). Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Beschl. v. 3.9.2015 - 1 StR 255/15 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 34; BGH, Urt. v. 2.3.2011 – 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240, 241; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 – 1 StR 654/12 - NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; BGH, Beschl. v. 18.11.2013 – 1 StR 594/13 - NStZ-RR 2014, 76 f.). Dazu ist regelmäßig eine besonders eingehende Würdigung der Person des bzw. der Beschuldigten, vor allem der Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstaten, notwendig (BGH jeweils aaO; BGH, Beschl. v. 3.9.2015 - 1 StR 255/15 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 34). Die Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür, dass der Täter infolge seines Zustandes in Zukunft Taten von erheblicher Bedeutung begehen wird, muss der Tatrichter dabei nicht nur auf der Grundlage einer Gesamtschau der konkreten Tatumstände der Anlasstaten hinreichend darlegen (BGH, Urt. v. 12.6.2008 – 4 StR 140/08 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 29); er muss auch konkrete Anhaltspunkte benennen, die die Erwartung künftiger Straftaten in ihrer jeweils für ausreichend wahrscheinlich gehaltenen Handlungsmodalität begründen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2014 - 4 StR 111/14; BGH, Beschl. v. 8.4.2003 – 3 StR 79/03 - NStZ-RR 2003, 232). Wird lediglich ausgeführt, die Gefahr bestehe zwar nicht nur abstrakt, eine konkrete Wahrscheinlichkeitsprognose sei jedoch schwierig, bleibt das vom Tatgericht zu beurteilende Maß der vom Beschuldigten zukünftig ausgehenden Gefahr offen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.9.2014 - 3 StR 372/14). Statistische Werte sind bei der individuellen Gefahrenprognose im Rahmen der Maßregelprüfung allenfalls am Rande von Bedeutung. Der Zusammenhang zwischen Schizophrenie und Gewalt ist zudem empirisch umstritten (krit. Schanda in Lammel/ Sutarski/Lau/Bauer, Wahn und Schizophrenie, S. 67 ff.). Maßgeblich ist stattdessen die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung (BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 2 StR 545/15 Rn. 14). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 – 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; BGH, Beschl. v. 26.4.2001 – 4 StR 538/00 - StV 2002, 477 f.; BGH, Beschl. v. 28.1.2015 - 4 StR 514/14). Aufgrund einer umfassenden Würdigung von Tat und Täter muss eine höhere oder doch bestimmte, jedenfalls über die bloße Möglichkeit hinausreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, dass der Täter infolge seines Zustands weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (vgl. BGH, Urt. v. 6.9.2012 - 3 StR 159/12; BGH, Beschl. v. 24.11.2004 - 1 StR 493/04 - NStZ-RR 2005, 72, 73; BGH, Beschl. v. 15.7.2015 - 4 StR 277/15). Eine lediglich latente Gefahr und die bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.1992 – 5 StR 333/92 - NStZ 1992, 538; BGH, Beschl. v. 8.7.1999 – 4 StR 269/99 - NStZ 1999, 611, 612; BGH, Urt. v. 23.5.2000 - 1 StR 56/00 - NStZ 2000, 470; BGH, Urt. v. 21.9.2000 - 1 StR 124/00 - NStZ-RR 2001, 238; BGH, Beschl. v. 10.9.2008 - 2 StR 291/08; BGH, Beschl. v. 11.3.2009 - 2 StR 42/09 - NStZ-RR 2009, 198; BGH, Beschl. v. 19.1.2010 - 4 StR 605/09 - NStZ 2010, 384; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - StraFo 2011, 189; BGH, Urt. v. 2.3.2011 - 2 StR 550/10- "latente Fremdaggressivität"; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 - 5 StR 422/11; BGH, Beschl. v. 14.12.2011 - 5 StR 488/11; BGH, Beschl. v. 9.10.2012 - 2 StR 180/12; BGH, Urt. v. 10.12.2014 - 2 StR 170/14). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Urt. v. 2.3.2011 – 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240, 241; BGH, Beschl. v. 18.3.2008 – 4 StR 6/08; BGH, Beschl. v. 18.2.1992 – 4 StR 27/92 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; BGH, Beschl. v. 28.6.2005 – 4 StR 223/05 - NStZ-RR 2005, 303, 304). § 63 StGB setzt weder die Gefahr weiterer gleichartiger Taten noch eine hochgradige Wahrscheinlichkeit voraus (vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.2007 - 2 StR 135/07; Tröndle/Fischer StGB § 63 Rdn. 15 ff. mit Nachw. zur Rspr.). Eine Gefahrenprognose, die ohne konkreten Bezug auf die Person des Betroffenen letztlich auf im Grunde statistische Erwägungen („fast regelhaft“) gestützt ist, reicht nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - 1 StR 153/08; vgl. auch BGH, Beschl. v. 1.10.2013 - 3 StR 311/13 betr. Verfahren HCR 20 (historical clinical risk management - zu Einzelheiten vgl. Dahle, Grundlagen und Methoden der Kriminalprognose in Kröber u.a.: Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 1, 30 f.)). Die Gefährlichkeitsprognose setzt eine Gesamtwürdigung der Person und des Vorlebens des Beschuldigten, insbesondere seiner bisherigen Straftaten voraus (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 12; BGH, Urt. v. 23.5.2000 - 1 StR 56/00 - NStZ 2000, 470). Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung des Täters und der Symptomtat sind etwaige Vortaten von besonderer Bedeutung (BGH, Beschl. v. 7.6.2016 – 4 StR 79/16 - NStZ-RR 2016, 306, 307; BGH, Urt. v. 23.11.2016 - 2 StR 108/16 Rn. 12). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (vgl. BGH, Beschl. v. 5.6.2013 - 2 StR 94/13; BGH, Urt. v. 17.11.1999 – 2 StR 453/99 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; BGH, Beschl. v. 16.1.2013 – 4 StR 520/12 - NStZ-RR 2013, 141). Daß der Täter trotz bestehenden Defekts lange Zeit keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.1999 – 2 StR 453/99 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; BGH, Beschl. v. 26.4.2001 - 4 StR 538/00 - StV 2002, 477; BGH, Beschl. v. 11.3.2009 - 2 StR 42/09 - NStZ-RR 2009, 198; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 - 5 StR 422/11; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12; BGH, Urt. v. 10.12.2014 - 2 StR 170/14; LK/Schöch, 12. Aufl., § 63 Rn. 74; BGH, Beschl. v. 5.6.2013 - 2 StR 94/13; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.3.2008 - 4 StR 6/08 betr. das Zurückgreifen auf längere Zeit zurückliegende Vorfälle für die Prognoseentscheidung; BGH, Beschl. v. 30.9.2008 - 3 StR 384/08 - NStZ-RR 2009, 47; vgl. auch BGH, Beschl. v.13.1.2000 - 4 StR 609/99 und BGH, Beschl. v. 21.7.2010 - 5 StR 243/10). Ein längerer unauffälliger Krankheitsverlauf kann daher gegen eine Gefährlichkeit des Beschuldigten sprechen (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11; BGH, Beschl. v. 12.8.2008 - 4 StR 340/08). Dass der Angeklagte, der schon mehrere Jahre an der Krankheit leidet, in früherer Zeit keine derartigen Delikte begangen und auch nachher nichts Vergleichbares getan hat, muss der Tatrichter bei der Prüfung der Wahrscheinlichkeit der Begehung vergleichbarer Taten erkennbar in die Überlegungen einbeziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.11.2008 - 2 StR 493/08). Bislang fehlende Begehung von Straftaten bei Personen, die bereits über Jahre hinweg an einem psychischen Defekt leiden, wäre ein gewichtiges, gegen erhebliche zukünftige Gefährlichkeit sprechendes Indiz (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urt. v. 10.12.2014 – 2 StR 170/14 - NStZ-RR 2015, 72, 73; BGH, Urt. v. 8.10.2015 – 4 StR 86/15 jeweils mwN; BGH, Beschl. v. 7.6.2016 – 4 StR 79/16 - NStZ-RR 2016, 306, 307; BGH, Beschl. v. 23.5.2017 - 1 StR 164/17). Das Gewicht der Anlaßtat kann - ungeachtet ausgebliebener schlimmer Folgen - zum Beleg der Gefährlichkeit des Beschuldigten trotz seiner bisherigen Unauffälligkeit im Bereich von Gewaltdelikten zur Maßregelanordnung ausreichen (vgl. BGH, Beschl. v. 18.7.2000 - 5 StR 289/00; BGH, Beschl. v. 15.8.2000 - 5 StR 363/00). Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat oder gänzlich unbelastet ist, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Taten (BGH, Beschl. v. 11.3.2009 – 2 StR 42/09 - NStZ-RR 2009, 198, 199; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – 5 StR 422/11 - StV 2012, 209 Rn. 6, BGH, Beschl. v. 4.7.2012 – 4 StR 224/12 - StV 2013, 206 Rn. 11; BGH, Beschl. v. 8.1.2014 - 5 StR 602/13; BGH, Urt. v. 10.12.2014 – 2 StR 170/14 - NStZ-RR 2015, 72, 73; BGH, Urt. v. 23.11.2016 - 2 StR 108/16 Rn. 12). Das bloße Abstellen auf das statistische Rückfallrisiko bei Unterbleiben einer Behandlung genügt nicht (BGH, Urt. v. 23.11.2016 - 2 StR 108/16 Rn. 12). Andererseits können auch länger zurückliegende Taten eine, wenn auch eingeschränkte indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose haben (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2008 - 4 StR 140/08 - NStZ 2008, 563; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12), doch setzt dies regelmäßig voraus, dass diese Taten in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und ihre Ursache nicht vornehmlich in anderen nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 – 4 StR 540/01 - BeckRS 2001, 30228853). Unter Umständen kann allerdings schon die erste Straftat die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit belegen; jedoch bedarf die Gefährlichkeitsprognose dann besonderer Prüfung, wenn es sich um eine eher geringfügige Anlaßtat handelt oder die Tat Züge einer Gelegenheits- oder Konfliktstat aufweist (vgl. BGHSt 27, 246, 250; BGH NStZ 1991, 528; BGH, Beschl. v. 19.2.1998 - 5 StR 17/98; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 – 4 StR 540/01; BGH, Beschl. v. 14.7.2005 - 4 StR 135/05: auch zur Abgrenzung zwischen bloßer Möglichkeit und bestimmter Wahrscheinlichkeit der Begehung relevanter Taten; BGH, Beschl. v. 30.9.2008 - 3 StR 384/08 - NStZ-RR 2009, 47: Taten überwiegend dem Bereich der Kleinkriminalität; BGH, Beschl. v. 10.1.2012 - 3 StR 370/11; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 63 Rdn. 14 m.w.N.). Das vom Angeklagten während der Unterbringung gezeigte Verhalten kann nur eingeschränkt bei der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26; BGH NStZ 1998, 405; BGH, Beschl. v. 25.8.1998 - 4 StR 385/98; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 540/01; BGH, Beschl. v. 14.7.2005 - 4 StR 135/05). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Taten nicht ausschließbar ihre Ursache (auch) in der durch die Unterbringung für den Betreffenden bestehenden Situation haben (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 540/01). Ein gewichtiges Indiz für die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten kann daraus hergeleitet werden, dass die zur Begründung der Gefahrenprognose herangezogenen Straftaten zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragen oder jedenfalls in ihrer Gesamtheit eine schwere Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. BGH, Beschl. v. 8.3.2006 - 5 StR 59/06). Die Wahrscheinlichkeit von Lästigkeiten oder Straftaten geringeren Gewichts reicht nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 26.7.2006 - 2 StR 285/06). Sind jedenfalls zwischzeitlich über einen Zeitraum von zwei Jahren trotz fortbestehender Erkrankung keine rechtswidrigen Taten begangen worden, bedarf dies der Erörterung (vgl. BGH, Beschl. v. 8.3.2006 - 5 StR 59/06; BGH, Beschl. v. 26.6.2007 - 5 StR 215/07 - NStZ-RR 2007, 300). Bei der Prüfung muss ggfls. auch bedacht werden, ob der Angeklagte nach den bisherigen Erfahrungen bei umfassender Betreuung die ärztlichen Behandlungstermine stets eingehalten, die notwendigen Medikamente genommen und sich einsichtig und kooperativ verhalten hat (vgl. BGH, Beschl. v. 8.3.2006 - 5 StR 59/06). Es ist grundsätzlich erforderlich, dass in die Prüfung länger währende Straffreiheit als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten in die Prognoseentscheidung einzubeziehen ist (BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – 5 StR 422/11 - NStZ-RR 2012, 107; BGH, Urt. v. 28.8.2012 - 5 StR 295/12; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 7.6.2016 - 4 StR 207/16 Rn. 9). Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts in 25 Jahren keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Vor diesem Hintergrund genügt der Hinweis auf die leichte Gereiztheit und Erregbarkeit des Beschuldigten nicht, um eine aktuelle Steigerung des Aggressionspotentials darzutun (vgl. BGH, Beschl. v. 10.9.2008 - 2 StR 291/08). Einem längeren (z.B. zweijährigen) Zwischenraum zwischen Tatbegehung und der Hauptverhandlung, in dem der Angeklagte unauffällig geblieben ist, kann für die Gefährlichkeitsprognose naturgemäß ein erhebliches Gewicht zukommen (vgl. BGH, Urt. v. 28.8.2012 - 5 StR 295/12; BGH, Beschl. v. 13.12.2011 – 5 StR 422/11 - NStZ-RR 2012, 107). Allein der zeitlich nicht näher eingegrenzte Hinweis, der Angeklagte sei Mitglied der Randständigenszene und es komme dort öfters zu polizeilichen Einsätzen unter anderem wegen Körperverletzungen, an denen der Angeklagte beteiligt war, belegt in diesem Zusammenhang nicht das Gegenteil. Es bleibt nämlich offen, ob der Angeklagte überhaupt von sich aus aggressiv geworden und gegebenenfalls in welchem Umfang dies geschehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.8.2012 - 5 StR 295/12). Taten, bei denen das Tatgericht eine Täterschaft des Angeklagten nicht hat feststellen können, scheiden als Grundlage für die Gefahrenprognose aus (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.2000 - 3 StR 86/00). Ist wesentliche Grundlage der Entscheidung des Tatgerichts zu § 63 StGB die Prognose, dass erheblichere Körperverletzungen lediglich „möglich“ seien und Straftaten von höherem Gewicht „nicht ausgeschlossen“ werden könnten, fehlen damit Feststellungen zum Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades (vgl. BGH, Beschl. v. 19.12.2012 - 4 StR 417/12). Auf eine ausreichende Begründung zukünftiger Gefährlichkeit des Beschuldigten für die Allgemeinheit kann nicht verzichtet werden, selbst wenn dessen Gesundheitszustand durch eine längerfristige Behandlung in einem forensischpsychiatrischen Krankenhaus gebessert werden könnte, denn nur die Belange der öffentlichen Sicherheit - nicht aber die Bemühungen um die Gesundheit des Patienten - können es rechtfertigen, einen Menschen auf unbestimmte Zeit einer Freiheitsentziehung zu unterwerfen (vgl. BGH, Beschl. v. 1.10.2013 - 3 StR 311/13; LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 63 Rn. 1 mwN). Maßgeblich für die Beurteilung krankheitsbedingter Gefährlichkeit sind in erster Linie zu Tage getretene tatsächliche Verhaltensweisen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.5.2014 – 1 StR 116/14; BGH, Urt. v. 28.6.2016 - 1 StR 5/16 Rn. 35). |
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42.2 |
Nach
einer eingehenden Gesamtwürdigung des
Täters und der Tat (vgl. BGHSt 27, 246, 248) muss eine
bestimmte
oder doch gewisse, über die bloße
Möglichkeit
hinausgehende Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher rechtswidriger
Taten bestehen (BGH NStZ 1986, 572 und 1991, 528). Es muss
wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer
gestört wird (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63
Gefährlichkeit 25; BGH,
Beschl. v. 26.6.2007 - 5 StR 215/07 -
NStZ-RR 2007, 300; BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 5 StR 120/13).
Die
Anlasstat selbst muss grundsätzlich nicht erheblich sein (vgl.
BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - StraFo 2011, 189; BGH, Urt.
v. 15.3.2016 - 1 StR 526/15; Fischer
StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Maßgeblich ist
vielmehr, welche Taten künftig von dem Täter infolge
seines
Zustandes zu erwarten sind und ob diese erheblich im Sinne des
§
63 StGB sind (vgl. BGH,
Urt. v. 11.9.2008 - 4 StR 284/08; BGH, Urt. v.
15.3.2016 - 1 StR 526/15; BGH, Urt. v. 28.6.2016 - 1 StR 5/16 Rn. 34). Zwar setzt die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht grundsätzlich voraus, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind. Ist dies nicht der Fall, bedarf jedoch die Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältiger Darlegung (vgl. BGH, Urt. v. 2.3.2011 – 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240; BGH, Urt. v. 23.1.1986 – 4 StR 620/85 - NStZ 1986, 237; BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 5 StR 120/13; BGH, Urt. v. 28.6.2016 - 1 StR 5/16 Rn. 34). Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt der zu befürchtenden konkreten Ausgestaltung der Taten maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2014 – 4 StR 111/14 - NStZ 2014, 571 mwN; BGH, Urt. v. 29.9.2015 – 1 StR 287/15; BGH, Urt. v. 28.10.2015 - 1 StR 142/15). Die Anlasstaten selbst müssen nicht erheblich sein (BGH, Urt. v. 15.8.2013 – 4 StR 179/13; BGH, Urt. v. 29.9.2015 – 1 StR 287/15 - NJW 2016, 341; BGH, Urt. v. 28.6.2016 - 1 StR 5/16 Rn. 34). Maßgeblich ist vielmehr, welche Taten künftig von dem Täter infolge seines Zustands zu erwarten und ob diese erheblich sind. Bei Abweichungen vom Schweregrad der Anlasstaten ist aber eine besonders sorgfältige Darlegung der Gefährlichkeitsprognose erforderlich (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.2013 – 5 StR 120/13 - BGHSt 58, 242; BGH, Urt. v. 2.3.2011 – 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240; BGH, Urt. v. 23.1.1986 – 4 StR 620/85 - NStZ 1986, 237; BGH, Urt. v. 28.6.2016 - 1 StR 5/16 Rn. 34). Eine Sicherheit oder eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 18.2.2003 - 3 StR 19/03). Nur schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, rechtfertigen eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (st. Rspr. vgl. u. a. BVerfGE 70, 297, 312; BGH, Urt. v. 17.8.1977 - 2 StR 300/77 - BGHSt 27, 246; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8, 9, 11, 27; BGH, Urt. v. 14.2.2001 - 3 StR 455/00; BGH StV 2006, 579; NStZ 1995, 228; NStZ-RR 2006, 203; BGH, Urt. v. 15.8.2007 - 2 StR 309/07 - NStZ 2008, 210, 212; BGH, Beschl. v. 16.7.2008 - 2 StR 161/08; BGH, Urt. v. 27.11.2008 - 3 StR 450/08 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 30 - NStZ 2009, 689; BGH, Beschl. v. 22.1.2009 - 4 StR 614/08 - wistra 2009, 231; BGH, Beschl. v. 22.7.2010 - 5 StR 256/10; BGH, Beschl. v. 19.4.2011 - 3 StR 111/11; BGH, Urt. v. 31.5.2012 - 3 StR 99/12; BGH, Beschl. v. 28.8.2012 - 3 StR 304/12; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 - 1 StR 654/12; BGH, Urt. v. 15.3.2016 - 1 StR 526/15). Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht völlig ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen (BGH, Urt. v. 2.3.2011 - 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240, 241; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 - 1 StR 654/12). Dazu ist regelmäßig eine besonders eingehende Würdigung der Person des bzw. der Beschuldigten, vor allem der Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstaten, notwendig (BGH, Urt. v. 2.3.2011 - 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240, 241; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 - 1 StR 654/12). Die Grenze wird nicht erreicht in Bagatellfällen oder bei lediglich belästigenden Taten (vgl. zur Abgrenzung BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 1992, 178; BGHR StGB § 62 Verhältnismäßigkeit 2; § 63 Gefährlichkeit 16, 17, 20, 22; BGH, Urt. v. 14.2.2001 - 3 StR 455/00; BGH, Beschl. v. 10.8.2010 - 3 StR 268/10; BGH, Beschl. v. 8.5.2012 - 1 StR 176/12; vgl. auch Fischer, StGB, 57. Aufl., § 63 Rn. 16 ff.; BGH, Beschl.. v. 14.12.2011 - 5 StR 489/11: "Beleidigungen und Körperverletzungshandlungen leichterer Art, deren Folgen in allen Fällen binnen Stunden, spätestens jedoch nach wenigen Tagen, vollständig abgeklungen waren"). Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschl. v. 22.2.2011 – 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; BGH, Beschl. v. 26.4.2001 – 4 StR 538/00 - StV 2002, 477 f.; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12; BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12). Dabei kann sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschl. v. 22.2.2011 – 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; BGH, Urt. v. 12.6.2008 – 4 StR 140/08 - NStZ 2008, 563, 564; BGH, Beschl. v. 24.11.2004 – 1 StR 493/04 - NStZ-RR 2005, 72, 73; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens dagegen nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12; BGH, Urt. v. 2.3.2011 – 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240, 241; BGH, Beschl. v. 18.3.2008 – 4 StR 6/08; BGH, Beschl. v. 18.2.1992 – 4 StR 27/92 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; BGH, Beschl. v. 28.6.2005 – 4 StR 223/05 - NStZ-RR 2005, 303, 304). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10; BGH, Urt. v. 17.11.1999 – 2 StR 453/99 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 – 4 StR 224/12, Rn. 8; BGH, Beschl. v. 8.11.2006 – 2 StR 465/06 - NStZ-RR 2007, 73, 74; BGH, Urt. v. 10.12.2014 - 2 StR 170/14: betr. zu erwartenden Eigentumsdelikte, Ladendiebstähle). Da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat, kann die Frage, ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (BGH, Beschl. v. 22.2.2011 – 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; BGH, Beschl. v. 26.4.2001 – 4 StR 538/00 - StV 2002, 477f.; BGH, Urt. v. 11.8.2011 - 4 StR 267/11; BGH, Beschl. v. 27.9.2012 - 4 StR 217/12). Auch wenn dem Gesetz in diesem Zusammenhang eine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände nicht entnommen werden kann, können wegen des außerordentlich beschwerenden Charakters der Maßregel nach § 63 StGB und mit Blick darauf, dass deren Anordnung und Fortdauer vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht werden (§ 62 StGB), Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, nicht ohne Weiteres dem Bereich der Taten von erheblicher Bedeutung zugerechnet werden (BVerfG, Beschl. v. 24.7.2013 – 2 BvR 298/12 - RuP 2014, 31, Tz. 21 mwN). Hierzu gehört neben den Tatbeständen der Nötigung (§ 240 StGB), der Bedrohung (§ 241 StGB) und der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) generell auch die Nachstellung im Sinne von § 238 Abs. 1 StGB, sofern sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergeht (BVerfG, Beschl. v. 24.7.2013 – 2 BvR 298/12 - RuP 2014, 31, Tz. 21, 28; BGH, Beschl. v. 18.7.2013 – 4 StR 168/13 - NJW 2013, 3383; BGH, Beschl. v. 18.3.2008 – 4 StR 6/08 - RuP 2008, 226, 227; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.7.2012 – 4 StR 224/12 - NStZ-RR 2012, 337, 338 für die Bedrohung; BGH, Beschl. v. 16.6.2014 - 4 StR 111/14 für die Nachstellung). Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt der zu befürchtenden konkreten Ausgestaltung der Taten maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2008 - 4 StR 140/08 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 29). Für die Gefährlichkeitsprognose reicht es aus, wenn von einem Täter erhebliche rechtswidrige Taten nur gegen bestimmte Einzelpersonen zu erwarten sind (vgl. BGHSt 26, 321 f.; BGH, Urt. v. 7.6.1995 - 2 StR 206/95 = BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 21; BGH, Beschl. v. 10.12.2009 - 4 StR 437/09). Dass etwa die Gewalttätigkeit des Angeklagten sich gegen Personen seines engen sozialen Nahraums richtet, kann gerade ein Spezifikum seines Zustands sein und seine Gefährlichkeit nicht ausschließen (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.2012 - 2 StR 82/12). Eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht aber nicht nur, wenn eine unbestimmte Vielzahl noch nicht näher individualisierter Personen betroffen ist. Vielmehr ist jeder als Einzelner Mitglied der Allgemeinheit, wenn ihm schwerer Schaden droht. Dementsprechend genügt es für eine Gefährlichkeit i.S.d. § 63 StGB, wenn vom Täter erhebliche rechtswidrige Taten nur gegen einen begrenzten Personenkreis oder sogar nur gegen eine Einzelperson zu erwarten sind (vgl. BGH, Beschl. v. 17.9.2013 - 1 StR 372/13 zu § 63 StGB; BGH, Urt. v. 6.4.1976 - 1 StR 847/75, BGHSt 26, 321; BGH, Urt. v. 10.1.2007 - 1 StR 530/06 mwN zum hinsichtlich des Begriffs der Allgemeinheit gleich zu behandelnden Fall des § 66 StGB). Richten sich Straftaten, aufgrund derer die Unterbringung angeordnet wird, nur gegen eine bestimmte Person oder haben sie in der Beziehung zu dieser Person ihre alleinige Ursache, so bedarf die Annahme, dass der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist, genauer Prüfung und Darlegung aufgrund konkreter tatsächlicher Feststellungen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.4.2015 - 2 StR 393/14; BGH, Urt. v. 9.11.1989 - 4 StR 342/89 - NZV 1990, 77 mwN; BGH, Beschl. v. 4.10.2006 - 2 StR 349/06 - NStZ 2007, 29). Bejaht etwa bei Anlass- und Vortaten, die in erheblichem Umfang deutlich über bloße Belästigungen der Allgemeinheit oder Bagatelltaten hinausgingen, so bei einem Faustschlag gegen eine Spielhallenaufsicht, den bedrohenden Einsatz eines Messers gegen einen Gastwirt und einen Kniestoß in Richtung auf den Unterleib der Verkäuferin in einer Bäckerei sowie zahlreicher weiterer Delikte im Bereich des Hausfriedensbruchs nebst einschlägiger Vorstrafen (vgl. BGH, Urt. v. 15.8.2007 - 2 StR 309/07 - NStZ 2008, 210). Befindet sich der Angeklagte bei vorsätzlichen Körperverletzungen gegen ihm unbekannte Personen jeweils in einer wahnhaften Bedrohungssituation und fehlt ihm die Einsichtsfähigkeit, Unrecht zu tun, wobei er es nicht in der Hand hat, die Verletzungsfolgen seines aggressiven Vorgehens zu steuern und der Umfang der Verletzungen vielmehr dem Zufall überlassen bleibt, stören derartige Taten regelmäßig den Rechtsfrieden erheblich (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2011 - 1 StR 341/11). Gewaltdelikte, wie etwa Faustschläge ins Gesicht, sind regelmäßig als im Sinne des § 63 StGB erhebliche Taten anzusehen (vgl. nur BGH, Urt. v. 21.5.2014 - 1 StR 116/14; BGH, Urt. v. 17.2.2004 – 1 StR 437/03 mwN). Straftaten, die – wie die einfache Körperverletzung – im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren bedroht sind, sind nicht ohne Weiteres dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.7.2013 – BvR 298/12 Rn. 28). Daher vermag nicht jede einfache Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB eine Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigen (BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 StR 24/17 Rn. 22; BGH, Beschl. v. 22.7.2010 – 5 StR 256/10 - NStZ-RR 2011, 12, 13; BGH, Beschl. v. 25.2.2015 – 4 StR 544/13; vgl. auch BT-Drucks. 18/7244, S. 18). Sind betrügerische Einkäufe zwischen 100 € und 185 € maximal festgestellt, handelt es sich bei solchen Taten zweifellos um im Sinne von § 63 StGB erhebliche rechtswidrige Taten. Sofern solche Taten auch künftig vom Beschuldigten zu erwarten sind, würde diese Voraussetzung des § 63 StGB gegeben sein (vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2007 - 1 StR 518/07 - wistra 2008, 102: auch zur Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bei möglicher Verhinderung des Eintritts eines Schadens; BGH, Beschl. v. 14.12.2011 - 5 StR 488/11: verneint bei zu erwartenden „kleineren Zechprellereien“ - Wahnvorstellung des Angeklagten, er sei reich). Auch ein Diebstahl im besonders schweren Fall ist ein Delikt, das durchaus bereits dem Bereich mittlerer Kriminalität zuzurechnen sein kann (vgl. BGH bei Holtz MDR 1989, 1051; BGH, Urt. v. 25.4.2001 - 3 StR 533/00 - NStZ 2001, 532). Verneint etwa bei Diebstahls- bzw. Unterschlagungstaten, bei denen das Gewicht trotz der Höhe der Beute dadurch gemindert war, dass dem Angeklagten die Tatausführung durch günstige Gelegenheiten erleichtert wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 27.9.2012 - 4 StR 217/12; ferner BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – 4 StR 614/08 Rn. 9 zum Fall des Betrugs). Gewalt nur gegen Sachen und eine wenig ernst zu nehmende Drohung (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2008 - 2 StR 161/08) oder bei exhibitionistischen Handlungen in zwei Fällen, Erregung öffentlichen Ärgernisses in zwei Fällen, Beleidigung in drei Fällen, einmal in Tateinheit mit versuchter Nötigung, zweimal mit Bedrohung, wegen versuchter Nötigung, vorsätzlichen Vollrausches und Diebstahls in drei Fällen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.1.2001 - 5 StR 565/00 betr. Gesamtbild der Straftaten und fehlende Anknüpfungstatsachen für maßgeblich gewichtigere Taten). Eine vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB kann nicht ohne weiteres der mittleren Kriminalität zugeordnet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; MK-StGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 55). Sie ist erst bei einer zu erwartenden besonderen Häufung oder bei außergewöhnlichen Tatumständen erheblich (BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12). Hat der festgestellte Widerstand zu keiner Zeit zu einer Gefährdung der eingesetzten Polizeibeamten geführt, ist er daher ebenfalls nicht als eine schwere Störung des Rechtsfriedens anzusehen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12). Dagegen kann bereits der erneut zu erwartende Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, bei dem jedenfalls von einem unbenannten besonders schweren Fall gemäß § 113 Abs. 2 Satz 1 StGB auszugehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 9.8.1972 - 2 StR 264/72), als mittlere Kriminalität gewertet werden (BGH, Urt. v. 29.9.2015 - 1 StR 287/15). Zwar gehört der sexuelle Mißbrauch eines Kindes grundsätzlich zu den gewichtigeren Straftaten, jedoch ist auch hierbei - in Anbetracht der breiten Skala tatbestandsmäßiger Handlungsweisen des § 176 StGB - die Art der zu erwartenden Tatbestandsverwirklichung zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 1995, 228; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25; BGH, Beschl. v. 26.4.2001 - 4 StR 538/00 - StV 2002, 477). Dabei ist auf den Einzelfall abzustellen (BGH bei Holtz MDR 1994, 433; BGH, Beschl. v. 26.4.2001 - 4 StR 538/00 - StV 2002, 477). Bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie ist dies der Fall (BGH, Urt. v. 15.3.2016 - 1 StR 526/15; BGH, Urt. v. 31.7.2013 – 2 StR 220/13 - NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, Beschl. v. 3.9.2015 – 1 StR 255/15 - StraFo 2015, 473, 475). Für die ebenfalls als zukünftig drohend prognostizierten „hands-on-Delikte“ (also zumindest § 176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2016 - 1 StR 526/15: Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern – wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) – über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen). Mit Blick auf den vorliegenden Umfang und die Verletzungstiefe kann allein der Besitz kinderpornographischer Dateien geeignet sein, eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens darzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2012 - 1 StR 163/12: dort 41 CD-ROMs mit mindestens 317 Videodateien und 32.601 Bilddateien, wobei der Inhalt dieser Dateien erhebliche sexuelle Handlungen betraf, die auch mit dem Eindringen in den Körper der Kinder verbunden waren und der Angeklagte wegen Besitzes und Verbreitung kinderpornographischer Schriften vorbestraft war). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der bloße Besitz solcher Dateien keine Außenwirkung habe, weil der Täter selbst keinen Kontakt mit den dort abgebildeten Kindern habe. Denn bei der Frage, ob Delikte eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens darstellen, ist auch das Schutzgut der betroffenen Straftatbestände in den Blick zu nehmen. Deshalb sind auch den Schutzzweck des § 184b StGB und die mit dieser Vorschrift verbundenen Wertungen des Gesetzgebers zu beachten. Mit dieser Strafvorschrift soll zum Schutze von Kindern jeglicher Umgang mit kinderpornographischen Schriften unter Strafe gestellt werden. Die Vorschrift zielt damit auf die Bestrafung einer mittelbaren Förderung des sexuellen Missbrauchs (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2012 - 1 StR 163/12; Fischer, StGB, 59. Aufl. § 184b Rn. 2 mN), mit dem typischerweise die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden bei kindlichen Opfern verbunden ist. Indem der Umgang mit kinderpornographischen Schriften letztlich auch neue Nachfrage nach solchen Schriften auslöst, fördert er mittelbar den sexuellen Missbrauch von Kindern zur Herstellung solcher Schriften. Damit kommt auch dem bloßen Besitz kinderpornographischer Schriften eine Außenwirkung zu. Auch eine solche allgemeine abstrakte Gefährlichkeit von Delikten kann Grundlage von § 63 StGB sein (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2012 - 1 StR 163/12; zu § 66 StGB BGH, Urt. v. 24.3.2010 - 2 StR 10/10). Auf ein eigenes fremdaggressives Verhalten des Täters gegenüber Kindern kommt es daher für die Gefahrenprognose nicht mehr an (BGH, Urt. v. 26.6.2012 - 1 StR 163/12). Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Die Erheblichkeitsschwelle ist deshalb bei Verwirklichung von Verbrechenstatbeständen regelmäßig überschritten (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 72, 73; BGH NStZ 2008, 563, 564; BGH StraFo 2008, 300; BGH, Urt. v. 27.11.2008 - 3 StR 450/08 - NStZ 2009, 689; BGH, Urt. v. 11.8.2011 - 4 StR 267/11; vgl. für den Fall eines versuchten Totschlags etwa BGH, Beschl. v. 26.11.2015 - 1 StR 538/15). In der Rechtsprechung ist aber auch anerkannt, dass Verbrechen in besonders gelagerten Ausnahmefällen, etwa dann, wenn sie aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes von der Allgemeinheit als eher harmlos oder als nur belästigend wahrgenommen werden und überdies nur zu geringfügigen Beeinträchtigungen des Tatopfers geführt haben, trotz ihres Deliktscharakters die in § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht zu begründen vermögen (vgl. für den Fall eines räuberischen Diebstahls BGH, Urt. v. 14.2.2001 - 3 StR 455/00 - NStZ 2009, 689 und BGH, Urt. v. 27.11.2008 - 3 StR 450/08; für den Fall einer versuchten räuberischen Erpressung BGH NStZ-RR 2005, 303, 304; BGH, Urt. v. 10.4.2014 - 4 StR 47/14). Ist dies nicht der Fall, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (BGH, Urt. v. 29.11.1994 – 1 StR 689/94 - NStZ 1995, 228; BGH, Beschl. v. 24.11.2004 - 1 StR 493/04; BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - 1 StR 153/08; BGH, Urt. v. 12.6.2008 - 4 StR 140/08 - NStZ 2008, 563; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - StraFo 2011, 189; BGH, Urt. v. 22.12.2016 - 4 StR 359/16 Rn. 15; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 15). Das bedeutet, dass auch (versuchte) Nötigungen durch Bedrohungen mit schweren Verbrechen - auch ohne, dass bereits Vorbereitungshandlungen zu deren Realisierung ersichtlich oder zu erwarten wären - nicht von vorneherein als niemals erheblich i.S.d. § 63 StGB angesehen werden können. Todesdrohungen (§ 241 StGB) - insbesondere wenn diese unter Einsatz gefährlicher Gegenstände ausgesprochen werden (BGH, Urt. v. 29.9.2015 - 1 StR 287/15; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 StR 594/13 - NStZ-RR 2014, 75, 77) - die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen, stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und sind nicht bloße Belästigungen (BGH, Urt. v. 22.12.2016 - 4 StR 359/16 Rn. 15). Schon im Hinblick auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63 StGB ist jedoch erforderlich, dass diese Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - 1 StR 153/08; BGH, Urt. v. 12.6.2008 - 4 StR 140/08 - NStZ 2008, 563; BGH, Urt. v. 27.11.2008 - 3 StR 450/08 - NStZ 2009, 689; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - StraFo 2011, 189; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 - 4 StR 224/12; vgl. auch BGH, Beschl. v. 16.1.2013 - 4 StR 520/12; BGH, Urt. v. 21.5.2014 - 1 StR 116/14; BGH, Urt. v. 29.9.2015 - 1 StR 287/15; BGH, Urt. v. 22.12.2016 - 4 StR 359/16 Rn. 16). Anhaltspunkte hierfür können im Zusammenhang mit den Drohungen gegenüber den Zeugen etwa das Beisichführen gefährlicher Gegenstände und damit das Aufbauen eines erhebliches Druckpotentials (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2008 – 4 StR 140/08; BGH, Beschl. v. 18.11.2013 – 1 StR 594/13 - NStZ-RR 2014, 75, 77) oder das sich auch nur gedankliche Beschäftigen mit näher spezifizierten Tötungsarten sein (vgl. BGH, Beschl. v. 18.11.2013 – 1 StR 594/13). Wichtige Gesichtspunkte bei der Einzelfallerörterung sind die vermutliche Häufigkeit neuerlicher Delikte und die Intensität der zu erwartenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.2.2011 – 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; BGH, Urt. v. 11.8.2011 - 4 StR 267/11; Hanack JR 1977, 170, 171). Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Drohungen können erhebliche Taten zu erwarten sein, wenn mit Aggressionsdelikten zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - 1 StR 153/08; van Gemmeren in MüKo § 63 Rdn. 33 m.N.). Zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte sind regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urt. v. 17.2.2004 - 1 StR 437/03; BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - 1 StR 153/08; BGH, Beschl. v. 10.8.2010 - 3 StR 268/10; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - StraFo 2011, 189; BGH, Urt. v. 11.8.2011 - 4 StR 267/11; BGH, Beschl. v. 25.4.2012 - 4 StR 81/12; BGH, Beschl. v. 28.8.2012 - 3 StR 304/12). Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung gegenüber dem Pflegepersonal nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Urt. v. 22.1.1998 – 4 StR 354/97 - NStZ 1998, 405; BGH, Beschl. v. 6.11.2003 – 4 StR 456/03 - StV 2005, 21; BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – 3 StR 27/09 - NStZ-RR 2009, 169, Rn. 9; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 – 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202, Rn. 13; BGH, Beschl. v. 25.4.2012 - 4 StR 81/12; BGH, Beschl. v. 28.8.2012 - 3 StR 304/12; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 8.12.2011 – 2 BvR 2181/11 - NJW 2012, 513, Rn. 27; siehe hierzu auch unten Rdn. 42.4). Sind jedoch aufgrund der krankheitsbedingten wahnhaften Realitätsverkennung auch Angriffe auf unbeteiligte Personen oder ist eine Steigerung der Intensität und Gefährlichkeit der Angriffe auf das Pflegepersonal mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, könnte dies die Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.4.2012 - 4 StR 81/12; BGH, Beschl. v. 28.8.2012 - 3 StR 304/12 betr. "zunehmende Eskalation der fremdaggressiven Impulsdurchbrüche gegenüber Mitarbeitern und Mitpatienten"). Eine einfache Ohrfeige bewegt sich schon an der Grenze der Erheblichkeit im Sinne des § 223 StGB (BGH, Urt. v. 7.3.1990 - 2 StR 615/89 - NJW 1990, 3156, 3157; BGH, Beschl. v. 28.8.2012 - 3 StR 304/12). Es bedarf insoweit etwa der Erörterung, ob die Bedrohung des Zeugen aus dessen Sicht die Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trug. Dies kann dann naheliegen, wenn der Bedrohung und Beleidigung des Zeugen vorausgegangen war, dass der Beschuldigte den Zeugen mit einem Baseballschläger aufgesucht und damit ein erhebliches Drohpotential aufgebaut hatte, was den Zeugen veranlasst hatte, sofort die Wohnungstür zu schließen und die Polizei zu informieren (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2008 - 4 StR 140/08 - NStZ 2008, 563). Zwar kann auch schon eine erste Straftat belegen, daß der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist. Ob dies der Fall ist, muß jedoch aufgrund einer umfassenden Würdigung der Person des Täters, seines Vorlebens und der Symptomtat geprüft werden (vgl. dazu BGH NStZ-RR 2000, 299; BGH, Urt. v. 8.10.2015 - 4 StR 86/15). Allein durch einen nicht näher begründeten Hinweis darauf, daß beim Angeklagten mit erneutem impulshaftem Verhalten zu rechnen sei, ist eine Wiederholungsgefahr i. S. v. § 63 StGB - für die eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die bloße Möglichkeit erneuter Rechtsbrüche bestehen muß (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16, 19) - nicht hinreichend dargetan (vgl. BGH, Beschl. v. 8.4.2003 - 3 StR 79/03). Zwar kann schon der Besitz von Waffen an sich die Besorgnis begründen, dass der Beschuldigte bereit sein könnte, diese auch einzusetzen; dies vor allem dann, wenn er den möglichen Einsatz dritten Personen gegenüber selbst einräumt. Das allein rechtfertigte eine Gefährlichkeitsprognose aber nur nach intensiver Auseinandersetzung mit Umständen, die gegen eine wirkliche Gewaltbereitschaft des Beschuldigten sprechen könnten (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.1993 - 5 StR 617/93; BGH, Urt. v. 2.3.2011 - 2 StR 550/10; vgl. auch BGH, Beschl. v. 19.4.2011 - 3 StR 111/11 - Bedrohung mit Küchenmesser). Hinsichtlich der Prognose einer Gefährlichkeit für die Allgemeinheit kann neben anderen Merkmalen auch Art und Schutzgut der erwarteten Straftaten nicht außer Acht bleiben. Hinsichtlich der Vorschriften des Waffengesetzes sind dies die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1 WaffG), also die sicherheitsrechtlichen Interessen des Staates und seiner Bürger (vgl. MüKo-StGB/Heinrich, § 1 WaffG Rn. 2). Insoweit ist jeder verbotene Besitz von Waffen ein Sicherheitsrisiko, insbesondere dann, wenn die Waffen nicht so aufbewahrt werden, dass ein Zugriff Dritter darauf ausgeschlossen ist. In diesem Fall kommt es dann nicht mehr allein auf eine mögliche geringere Gefährlichkeit des Besitzers an, weil er eine zufällige Änderung der Gefahrenlage nicht mehr beherrschen kann. Dies gilt etwa gerade für einen Angeklagten, welcher die Waffen in seiner Wohnung museumsartig lagert, so dass jeder Besucher oder auch Einbrecher bei dem als „Waffennarr“ bekannten Angeklagten ungehindert Zugriff nehmen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 28.9.2011 - 1 StR 129/11). Diebstahlstaten, die Regelbeispiele des besonders schweren Falles gem. § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB erfüllen, sind dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen und damit grundsätzlich geeignet, eine Maßregelanordnung nach § 63 StGB zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.1989 - 2 StR 271/89; BGH, Urt. v. 23.6.1976 – 3 StR 99/76 - NJW 1976, 1949; BGH, Urt. v. 11.8.2011 - 4 StR 267/11; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 63 Rn. 17; Münch-KommStGB/van Gemmeren § 63 Rn. 34 mwN). Zwar ist das im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedrohte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) bereits der mittleren Kriminalität zuzurechnen (BGH, Beschl. v. 21.10.2014 - 5 StR 439/14; hinsichtlich der Bedeutung der angedrohten Höchststrafe vgl. BVerfG – Kammer –, RuP 2014, 31, 32); ob es den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, hängt indes von den Umständen ab. Jedenfalls ist die nicht näher konkretisierte Gefahr weiterer „Drogendelikte“ nicht geeignet, die Unterbringung nach § 63 StGB zu tragen (BGH, Beschl. v. 21.10.2014 - 5 StR 439/14). Auch wenn die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht grundsätzlich voraussetzt, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind (vgl. BGH NStZ 1986, 237), bedarf es jedenfalls eingehender Darlegung, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten von erheblichem Gewicht zu erwarten sind, die die Anordnung einer zeitlich nicht befristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermögen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.1999 - 4 StR 485/99; BGH, Beschl. v. 18.3.2008 - 4 StR 6/08). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen (BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - StraFo 2011, 189). Der Umstand, dass der Angeklagte bei dem Straßenverkehrsdelikt nach § 315b StGB fahrlässig gehandelt und die Gefahr fahrlässig herbeigeführt und bei demjenigen nach § 315c StGB die Gefahr fahrlässig herbeigeführt hat, reduziert auch das Gewicht dieser Taten maßgeblich, wie schon die verminderten Strafrahmen in § 315b Abs. 5 und § 315c Abs. 3 StGB zum Ausdruck bringen. Der Angeklagte hatte sich nach Erkennen der Gefahr – vergeblich – darum bemüht, den Zusammenstoß mit der Fußgängerin zu vermeiden. Fremdaggressives Verhalten hatte er bisher nicht gezeigt (vgl. BGH, Beschl. v. 27.9.2012 - 4 StR 217/12). Über die Verwirklichung der Straftat hinaus müssen greifbare Anhaltspunkte gegeben sein, die eine entsprechende Negativprognose rechtfertigen. Sie können weder in einem statistisch erhöhten Delinquenzrisiko eines schizophrenen Erkrankten liegen, noch in dem Umstand begründet sein, die aus Sicht des Beschuldigten zu bekämpfenden Feindbilder seien beliebig auswechselbar, die Gewalt des Beschuldigten könne sich so gegen jeden richten. Selbst wenn diese Annahme zuträfe, wäre doch damit nicht erklärt, warum es in der Vergangenheit nicht zu Straftaten gegen andere Personen gekommen ist und gleichwohl zu solchen Delikten in der Zukunft kommen soll (vgl. BGH, Beschl. v. 31.8.2005 - 2 StR 314/05). Auch das Bedürfnis oder das Erfordernis, einen schuldunfähigen Beschuldigten zu heilen, rechtfertigt eine Unterbringung nur dann, wenn die Erwartung erheblicher Straftaten von den Feststellungen hinreichend getragen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 26.7.2006 - 2 StR 285/06; Tröndle/Fischer aaO § 63 Rdn. 17 f. mit Nachw. zur Rechtspr.). Bei Verstössen gegen Weisungen i.S.d. § 145a StGB vermag nicht jede derartige Zuwiderhandlung die Annahme zukünftiger Gefährlichkeit zu begründen, welche für die außerordentlich beschwerende Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Voraussetzung ist. Auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) wird etwa die Nichterfüllung der Weisung, sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle oder einem Bewährungshelfer zu melden (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB), grundsätzlich nicht geeignet sein, eine zukünftige Gefährlichkeit für die Allgemeinheit zu prognostizieren (vgl. BGH, Beschl. v. 28.5.2008 - 1 StR 243/08 - NStZ-RR 2008, 277). Reine Formalverstöße gegen eine Weisung vermögen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zu begründen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.5.2008 - 1 StR 243/08 - NStZ-RR 2008, 277; BGH, Beschl. v. 3.6.2015 - 4 StR 167/15). Allein der Umstand, dass das Geschehen zu keinem Straf- oder Ermittlungsverfahren führte ist nicht notwendig geeignet, dieses Geschehen zu relativieren. Maßgeblich für die Beurteilung krankheitsbedingter Gefährlichkeit sind in erster Linie zu Tage getretene tatsächliche Verhaltensweisen (vgl. BGH, Urt. v. 21.5.2014 - 1 StR 116/14). Die zu erwartenden Taten müssen zwar grundsätzlich im Bereich mittlerer Kriminalität liegen, jedoch ist eine Unterbringung nach § 63 StGB auch unter dieser Schwelle nicht völlig ausgeschlossen. Dann ist allerdings eine besonders sorgfältige Darlegung der Gefährlichkeitsprognose und der konkreten Ausgestaltung der Taten erforderlich (BGH, Urt. v. 29.9.2015 - 1 StR 287/15; BGH, Beschl. v. 16.6.2014 - 4 StR 111/14 - NStZ 2014, 571, 573; BGH, Beschl. v. 18.11.2013 - 1 StR 594/13 - NStZ-RR 2014, 75; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 - 1 StR 654/12 - NStZ-RR 2013, 303, 304 f.). |
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42.2.5 |
Ist zu erwarten, dass im Sinne der nach § 63 StGB erforderlichen Wahrscheinlichkeit höheren Grades (Fischer, StGB 56. Aufl. § 63 Rdn. 13, 15) lediglich die auf der Hand liegende Gefahr besteht, dass der Angeklagte querulatorische, mit Todesdrohungen versehene Briefe an bestimmte Personen adressieren wird, vermag dies für die Anordnung der Maßregel ausreichen, wenn er dadurch eine objektiv begründete Furcht bei den mit dem Tode bedrohten Personen vor einer Realisierung seiner Drohungen hervorruft (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 338; StraFo 2008, 300). Dies setzt indes eine gewisse berechtigte Befürchtung voraus, dass eine Realisierung der Drohungen tatsächlich erfolgen könnte. Diese braucht zwar nicht das Ausmaß der von § 63 StGB unmittelbar geforderten Gefahr zu erreichen. Um Fälle nicht ausreichend begründeter, letztlich rein gefühlsgeleiteter Furcht der Bedrohten - die nicht ausreichen kann - auszuschließen, bedarf es aber insoweit mindestens konkreter Anhaltspunkte (vgl. BGH, Beschl. v. 20.2.2009 - 5 StR 555/08 - NStZ 2009, 383). | |
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42.3 |
Bei
der Entscheidung über eine Unterbringung vom erkennenden
Gericht allein auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung abzustellen (BGH,
Urt. v. 21.5.2014 - 1 StR 116/14). Maßgebender
Beurteilungszeitpunkt für
die Gefährlichkeitsprognose gemäß
§ 63 StGB ist
nicht die künftige Situation des Angeklagten nach
psychiatrischer
Therapie und Schaffung eines stabilen stützenden
Entlassungsumfelds, sondern die aktuelle Situation zum Zeitpunkt der
tatrichterlichen Entscheidung (vgl. BGH,
Urt. v. 10.8.2005 - 2 StR
209/05). Beispiel: Dass die in einem Zeitraum von 19 Monaten und drei Wochen in Freiheit befindliche Beschuldigte offenbar trotz ihres krankhaften Zustandes keine Straftaten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität begangen hat, muss bei der Prüfung der Frage, ob künftige Straftaten der Beschuldigten wahrscheinlich sind, Berücksichtigung finden; maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung ist derjenige der Hauptverhandlung, nicht derjenige der Tat (vgl. BGH, Beschl. v. 11.1.2006 - 2 StR 582/05; Tröndle/Fischer 53. Auflage § 63 StGB Rdnr. 20 m.w.N.). Die Überlegungen der Strafkammer dazu, ob und wann eine Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, sind nach gesetzlicher Konzeption der Strafvollstreckungskammer (§ 463 StPO i.V.m. § 462a StPO) vorbehalten. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer – ohne dass es hier auf Weiteres ankäme – eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt zu erklären hat, wenn nach ihrer maßgeblichen Auffassung die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre (§ 67d Abs. 6 Satz 1 StGB). Prognosen über künftige Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer können nicht Teil der Entscheidungsgrundlage des erkennenden Gerichts über eine Unterbringungsanordnung sein. Dem entspricht im Übrigen, dass der Bundesgerichtshof lediglich mit einem Hinweis („obiter dictum“) zum Ausdruck bringt, wenn im Einzelfall im Rahmen der Vollstreckung einer vom Tatrichter rechtsfehlerfrei angeordneten Unterbringung Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte Gewicht haben können (vgl. BGH, Urt. v. 21.5.2014 - 1 StR 116/14; z.B. Beschl. v. 25.4.2013 – 5 StR 85/13; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 – 5 StR 421/12). |
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42.4 |
Hat
die Tat (etwa Körperverletzung zum
Nachteil des Klinikpersonals) ihre Ursache (auch) in der durch die
Unterbringung für den Betreffenden bestehenden Situation, ist
sie
für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach
§
63 StGB nur eingeschränkt verwertbar (vgl. BGH StV 2005, 21;
BGH,
Beschl. v. 17.2.2009 - 3 StR 27/09 - NStZ-RR 2009, 169; BGH,
Beschl. v.
9.12.2014 - 2 StR 297/14). Verhaltensweisen innerhalb einer sozial-therapeutischen Einrichtung sind nicht ohne Weiteres solchen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH DAR 1999, 196 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 16.7.2008 - 2 StR 161/08; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - StraFo 2011, 189). Dies gilt jedenfalls, wenn es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher - jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind - schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Urt. v. 22.1.1998 - 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - StraFo 2011, 189). Taten, die der bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Beschuldigte im Vollzug dieser Maßregel begangen hat, rechtfertigen nur in Ausnahmefällen die erneute Maßregelanordnung nach § 63 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 8). Diese liegt insbesondere fern, wenn es sich bei den neuen Taten um Bedrohungen und Beleidigungen handelt, die der Beschuldigte aufgrund seines Zustands aus dem psychiatrischen Krankenhaus heraus brieflich gegen Personen richtet, die an der Anordnung und dem Vollzug der Maßregel beteiligt waren oder sind (vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2007 - 3 StR 31/07). Eine Straftat während des Strafvollzuges ist kaum anders als eine Straftat während der Unterbringung (vgl. BGHR StGB § 62 Verhältnismäßigkeit 4 und 5; § 63 Gefährlichkeit 26; BGH, Beschl. v. 20.12.2001 - 4 StR 540/01 - und BGH, Beschl. v. 2.7.2002 - 1 StR 194/02 betr. zustandsbedingte Taten im Rahmen einer Unterbringung gegen das Pflegepersonal und Mitpatienten) nur mit besonderer Zurückhaltung als Grundlage für eine Anordnung nach § 63 StGB heranzuziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 3.9.2002 - 5 StR 399/02; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8.1.2014 - 5 StR 602/13). Es bedarf dann der Erörterung, ob und inwieweit solche Taten oder Verhaltensweisen ihre Ursache auch in der durch die Unterbringung für den Betreffenden gegebenen Situation haben können (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26 = NStZ 1999, 611; BGH, Beschl. v. 2.7.2002 - 1 StR 194/02). Konnte der Angeklagte die Taten während des Maßregelvollzugs unter ersichtlich nicht weiter erschwerten Bedingungen begehen, die bei Wahrung der im Maßregelvollzug gebotenen Fürsorge der verantwortlichen Aufsichtspersonen für jugendliche Untergebrachte, aber auch gestörte rückfallgefährdete Insassen unbedingt durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden gewesen wären, kann die bei der Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose und der Verhältnismäßigkeit nicht ausser Betracht bleiben (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2008 - 5 StR 371/08). |
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42.5 |
Die
Anordnung der schwer wiegenden Maßregel
nach § 63 StGB setzt - jedenfalls in Grenzfällen -
eine
erschöpfende Abwägung der Umstände voraus
(vgl. BGH,
Beschl. v. 8.11.2006 - 2 StR 465/06 - NStZ-RR 2007, 73, 74; BGH,
Beschl. v. 14.7.2010 - 2 StR 278/10). Die Anordnung der
Unterbringung
in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen einer im Zustand der
Schuldunfähigkeit begangenen Tat darf gemäß
§ 63
StGB nur erfolgen, wenn die Gesamtwürdigung
des
Täters und
seiner Taten ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands
erhebliche
rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die
Allgemeinheit gefährlich ist. Eine zuverlässige
Beurteilung,
ob dies der Fall ist, setzt aber zunächst eine eindeutige
Bewertung des Zustands des Täters voraus. Hierfür
muss
geklärt werden, ob er (noch) die Fähigkeit besitzt,
das
Unrecht seines Tuns zu erkennen und er lediglich nicht in der Lage ist,
danach zu handeln, oder ob ihm bereits die Fähigkeit fehlt,
das
Unerlaubte seiner Tat einzusehen. Dabei ist aber zu bedenken, dass
fehlende Einsicht die Steuerungsfähigkeit für die
konkrete
Tat zwangsläufig entfallen lässt (vgl.
Jähnke LK 11.
Aufl. § 20 Rdn. 36; Lenckner/Perron in
Schönke/Schröder
StGB 26. Aufl. § 20 Rdn. 25 jeweils m.w.N.) mit der Folge,
dass
dann, wenn die Einsichtsfähigkeit fehlt, auch die
Steuerungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, sich die Frage
nach
der Steuerungsfähigkeit für die Beurteilung der
Schuldfähigkeit also gar nicht mehr stellt (vgl.
Jähnke aaO;
Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 128 für den
Bereich
der Schizophrenie). Zudem gibt es Krankheitsbilder, die von vornherein
ambivalent angelegt sind und beide Fähigkeiten
vollständig
aufheben können (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 11; BGH,
Urt. v.
18.1.2006 - 2 StR 394/05). Beispiel: Das Gericht muss sich im Rahmen der Gefährlichkeitsbeurteilung beispielsweise damit auseinandersetzen, dass sich der Angeklagte, der bislang wegen vergleichbarer Straftaten noch nicht in Erscheinung getreten ist, aufgrund seiner Obdach- und Mittellosigkeit bei Begehung der Taten in einer Ausnahmesituation befand, die es jedenfalls nicht offensichtlich macht, dass die Taten durch die psychische Erkrankung ausgelöst oder mit ausgelöst worden sind (vgl. BGH, Beschl. v. 2.5.2007 - 4 StR 148/07). Für die Frage der Prognose ist auch von Bedeutung, in welchen Rahmenbedingungen die Angeklagte in diesen straffreien Zeiten lebte (vgl. BGH, Beschl. v. 26.6.2007 - 5 StR 215/07 - NStZ-RR 2007, 300). Vom Täter müssen "infolge seines Zustandes" erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sein. Daher scheidet die Unterbringung aus, wenn der Täter nur vorübergehend vermindert schuldfähig gewesen ist, etwa wenn er aufgrund eines hochgradigen Affektes gehandelt hat, der zwar die Schuldfähigkeit zur Tatzeit aufgehoben oder vermindert hat, der aber nicht als darüber hinausgehende Störung zu bewerten ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BGHSt 34, 22, 27 m.w.N.; BGHR StGB § 63 Zustand 27; BGH, Beschl. v. 22.2.2006 - 3 StR 479/05). Die Prognoseentscheidung muss die gesamte Persönlichkeit des Angeklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung erfassen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2006 - 5 StR 514/05; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. § 63 Rdn. 20 m.w.N.). Das Zurückfallen in immer wieder gleiche Verhaltensmuster ist gerade bei Betrügern häufig zu beobachten. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt aber nur in Betracht, wenn feststeht, daß der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (BGHSt 42, 385, 388; BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 13; BGH, Beschl. v. 24.11.2004 - 2 StR 450/04 - wistra 2005, 95). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist, auch wenn ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11 und 26; BGH, Beschl. v. 10.9.2008 - 2 StR 291/08). Die Gefährlichkeitsprognose bedarf insbesondere dann intensiver Prüfung, wenn es sich um eine eher geringfügige Anlasstat handelt (BGH, Beschl. v. 8.3.2006 - 5 StR 59/06; BGH, Beschl. v. 17.2.2009 - 3 StR 27/09 - NStZ-RR 2009, 169; vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 63 StGB Rdn. 14 m.w.N.). Konkretisierte, ernst zu nehmende Bedrohungen mit schweren Verbrechen können im Einzelfall durchaus als erheblich im Sinne von § 63 StGB angesehen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Erwartung vorliegen, der Beschuldigte könne die Grenze nur verbaler Aggressionen überschreiten (vgl. BGH, Beschl. v. 26.7.2006 - 2 StR 285/06). In keinem Fall ausreichend ist die bloße Feststellung einer "Behandlungs-Bedürftigkeit" oder die vage Prognosen gemeinlästigen Verhaltens (vgl. BGH, Beschl. v. 8.8.2007 - 2 StR 235/07 betr. einen Fall mit dem Vorwurf exhibitionistischer Handlungen). Neben dem konkreten Gewicht der Anlasstaten kann in die prognostischen Erwägungen einzustellen sein, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, er sich nach den Taten für sein Fehlverhalten entschuldigt hat und er die verfahrensgegenständlichen Taten und die im Rahmen der anschließenden vorläufigen Unterbringung festgestellten Übergriffe auf Bedienstete unter besonderen Bedingungen – im Rahmen einer Betreuungseinrichtung bzw. im Rahmen der vorläufigen Unterbringung im Maßregelvollzug – begangen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 StR 24/17 Rn. 24; siehe auch oben Rn. 42.4 - Straftaten im Vollzug). Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände darf auch das einer eingestellten Tat zugrunde liegende Verhalten des Täters, wenn es prozessordnungsgemäß festgestellt ist, für die Gefährlichkeitsprognose verwertet werden (vgl. BGH, Beschl. v. 23.5.2017 - 4 StR 106/17 Rn. 5 betr. Einstellung nach § 154 StPO; SSW-StGB/Kaspar, 3. Aufl., § 63 Rn. 20; LK-Schöch, 12. Aufl., § 63 Rn. 120 mwN). |
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42.6 |
Für
die Entscheidung, ob die Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen ist, ist es unerheblich, dass
die von dem Beschuldigten ausgehende Gefahr für die
Allgemeinheit
durch eine konsequente
medizinische Behandlung abgewendet werden kann.
Es ist davon auszugehen, dass ein solches täterschonendes
Mittel
Bedeutung erst für die Frage erlangt, ob die
Vollstreckung der
Maßregel gemäß § 67b
StGB zur
Bewährung
ausgesetzt werden kann (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit
6, 28
und Beweiswürdigung 1; BGH,
Urt. v. 23.2.2000 - 3 StR 595/99 -
NStZ-RR 2000, 300; BGH,
Urt. v. 20.2.2008 - 5 StR 575/07; BGH,
Urt. v.
19.2.2008 - 5 StR 599/07; BGH, Urt. v. 6.9.2012 - 3 StR
159/12). Nur
auf diese Weise wird der von dem Beschuldigten ausgehenden Gefahr
effektiv entgegengewirkt und die Allgemeinheit ausreichend
geschützt, denn wegen der Möglichkeit, die Bewährung zu
widerrufen, wird Druck auf den gefährlichen Täter
ausgeübt und eine wirksame Kontrolle darüber ermöglicht,
ob die medizinische Behandlung zur Gefahrenbeseitigung tatsächlich
ausreicht (BGH,
Urt. v. 23.2.2000 - 3 StR 595/99 - BGHR StGB § 63
Gefährlichkeit 28; BGH,
Urt. v. 20.2.2008 - 5 StR 575/07, R&P
2008, 225 jeweils mwN; BGH, Urt. v. 6.9.2012 - 3 StR 159/12). Im Falle der Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit wird die Notwendigkeit einer Unterbringung gemäß § 63 StGB nicht durch minder einschneidende Maßnahmen außerhalb des Bereichs der strafrechtlichen Maßregeln aufgehoben. Bei den freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung gilt das Subsidiaritätsprinzip allein für die Frage der Vollstreckung oder deren Aussetzung, nicht aber für die Frage der Anordnung (h. M.; vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1987 - 1 StR 72/87 - BGHSt 34, 313, 316 - NJW 1987, 2312; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 28; BGH, Urt. v. 23.2.2000 - 3 StR 595/99 - NStZ-RR 2000, 300; BGH, Urt. v. 23.5.2000 - 1 StR 56/00 - NStZ 2000, 470, 471 betr. Aussetzung wegen anderweitiger Unterbringung; BGH, Urt. v. 14.2.2001 - 3 StR 455/00; BGH, Urt. v. 11.12.2008 - 3 StR 469/08 - NStZ 2009, 260; BGH, Urt. v. 25.2.2010 - 4 StR 596/09; Fischer, StGB 56. Aufl. § 63 Rdn. 23; aA Schöch in LK 12. Aufl. § 63 Rdn. 133 ff.). Daher ist es für die Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unerheblich, ob die von dem Angeklagten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung abgewendet werden kann. Auch die Überwachung der Medikation oder die Bestellung eines Betreuers, eines Bewährungshelfers sowie die Erteilung von Bewährungsauflagen und -weisungen, die ohnehin allein die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe betreffen, sind insoweit ohne Belang. Solche "täterschonenden" Mittel und Maßnahmen erlangen vielmehr Bedeutung erst für die Frage, ob die Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann (vgl. BGHR StGB § 63 Beweiswürdigung 1 und Gefährlichkeit 6; BGH, Urt. v. 23.2.2000 - 3 StR 595/99 - NStZ-RR 2000, 300; BGH, Urt. v. 11.12.2008 - 3 StR 469/08 - NStZ 2009, 260; Fischer StGB 55. Aufl. § 67 b Rdn. 2 f.). siehe auch: Aussetzung zugleich mit der Anordnung, § 67b StGB Siehe BGH, Urt. v. 23.10.2013 - 2 StR 343/13 zu einem Fall bei dem zur Zweckerreichung der ebenso geeigneten Führungsaufsicht als weniger beschwerender Maßregel der Vorzug vor einer Unterbringung nach § 63 StGB zu geben war (§ 72 Abs. 1 Satz 2 StGB). |
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42.7 |
Wird
bei der Frage der Gefährlichkeit des
Angeklagten für die Allgemeinheit im Sinne von § 63
StGB
allein darauf abgestellt, das für den Fall des Ausbleibens
einer
konsequenten medikamentösen Behandlung und betreuenden
Versorgung
weitere Krankheitsschübe und darauf beruhende
Selbsttötungsversuche als wahrscheinlich erachtet werden, ist
dies
rechtsfehlerhaft. Auf die bloße
Selbstgefährdung
kommt es
für die strafrechtliche Maßregel nicht an (vgl. BGH,
Beschl.
v. 14.7.2010 - 2 StR 278/10; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.3.2011
- 1 StR
682/10 autoagressive Handlungen und erstmaliges fremdagressives
Verhalten). Die für die Anordnung der Maßregel erforderliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit kann nur dann auf Selbsttötungsbestrebungen gestützt werden, wenn damit Folgen für Dritte verbunden sind (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2013 - 1 StR 71/13; zu einer solchen Konstellation BGH, Urt. v. 10.12.2009 - 4 StR 435/09 - NStZ-RR 2010, 105). Zur Frage der Allgemeingefährlichkeit im Zshg. mit Straftaten während der stationären Unterbringung des Angeklagten siehe oben Rdn. 42.4; vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 9.12.2014 - 2 StR 297/14; BGH, Beschl. v. 8.11.2006 - 2 StR 465/06 - NStZ-RR 2007, 73, 74; BGH, Beschl. v. 25.4.2012 - 4 StR 81/12 - NStZ-RR 2012, 271 |
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42.15 |
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42.15.1 |
Die den Betroffenen erheblich belastende Maßregel bedarf einer besonders kritischen Prüfung der Gefährlichkeitsprognose unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dabei kann - wie der Bundesgerichtshof sowohl für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als auch in der Sicherungsverwahrung entschieden hat - nicht unbeachtet bleiben, dass der Gesetzgeber für exhibitionistische Handlungen - auch vor Kindern - mit § 183 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 StGB eine Sonderregelung geschaffen hat. (Soweit in § 183 Abs. 4 Nr. 2 StGB auf § 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB statt auf § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwiesen wird, handelt es sich um einen redaktionellen Fehler, vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 183 Rd. 1). Sie erlaubt eine Bewährungsaussetzung auch dann, wenn dem Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung eine günstige Prognose gestellt werden kann. Für einen längeren Zeitraum wird daher die Gefahr der Wiederholung derartiger Taten hingenommen. Mit dieser gesetzlichen Wertung ist es unvereinbar, diese Taten stets als erhebliche, für die Allgemeinheit gefährliche Straftaten anzusehen (BGH NStZ-RR 1999, 298 f.; NStZ 2005, 11 f.). Von der Gefahr erheblicher Straftaten ist aber dann auszugehen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls zu besorgen ist, dass der Täter auch schwerwiegendere Sexualdelikte begehen wird, etwa weil er aktiv auf Kinder zugeht und Körperkontakt mit ihnen sucht (vgl. BGH, Beschl. v. 22.8.2007 - 2 StR 263/07 - NStZ 2008, 92; vgl. auch BGH, Urt. v. 7.2.2006 - 1 StR 384/05). | |
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42.15.2 |
Steht für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eine von der Norm abweichende sexuelle Präferenz im Vordergrund, muss diese den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 33, 37 und § 63 Zustand 23). Daher ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, auch nicht eine Devianz in Form einer Pädophilie (zum Begriff: Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 F 65.4; Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. S. 289 f.), die zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter verwirklicht werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Vielmehr kann auch nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegen, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2007 - 4 StR 242/07; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.5.2010 - 2 StR 48/10; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 168). | |
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50 |
Die
Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn sie außer
Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden
Taten
stünde (vgl. BGH,
Beschl. v. 26.6.2007 – 5 StR 215/07 -
NStZ-RR
2007, 300 mwN; BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 5 StR 120/13; BGH, Beschl. v.
18.11.2013 - 1 StR 594/13). Die Nichterörterung der Frage der
Verhältnismäßigkeit der Unterbringung (§ 62 StGB)
begründet im Rahmen der Prüfung einer Maßregel
nach § 63 StGB schon für sich genommen regelmäßig
einen durchgreifenden Erörterungsmangel (vgl. BGH, Beschl. v.
23.9.2015 - 4 StR 371/15). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. In § 62 StGB hat ihn der Gesetzgeber ausdrücklich nochmals einfachgesetzlich geregelt, um seine Bedeutung bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung hervorzuheben. Er beherrscht auch die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und gebietet, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist (BVerfG, Beschl. v. 5.7.2013 – 2 BvR 789/13 - NStZ-RR 2013, 360 [nur Ls]). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde (BGH, Beschl. v. 26.6.2007 – 5 StR 215/07 - NStZ-RR 2007, 300, 301). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfGE 70, 297, 313). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Betroffenen und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten, ggf. durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken (BGH, Urt. v. 31.7.2013 – 2 StR 220/13 - NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, 26.3.2015 - 4 StR 65/15). Zwar ist die Unterbringung nach § 63 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein "geringeres“, sondern ein "anderes“ Übel als die Sicherungsverwahrung, zumal beide Maßregeln zeitlich unbegrenzt sind (BGH, Beschl. v. 19.12.2006 - 4 StR 530/06). Jedoch erweist sich die Unterbringung nach § 63 StGB schon deshalb regelmäßig als die weniger beschwerende Maßregel, weil ihr Vollzug grundsätzlich vor dem Vollzug der Strafe stattfindet und auf die Strafe angerechnet wird (§ 67 Abs. 1 und 4 StGB; BGH, a.a.O.). Auch aus diesem Grund ist - und zwar unabhängig von der Frage der Therapierbarkeit - der Maßregelanordnung nach § 63 StGB in der Regel gegenüber der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung der Vorrang einzuräumen (BGHSt 42, 306, 308; BGH, Beschl. v. 19.12.2006 - 4 StR 530/06; BGH, Beschl. v. 22.3.2007 - 4 StR 56/07). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt nur dann in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters bieten. Dies ergibt sich aus dem - im gesamten Maßregelrecht geltenden und aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Übermaßverbots abgeleiteten - Subsidiaritätsprinzip (vgl. BGH, Beschl. v. 26.6.2007 - 5 StR 215/07 - NStZ-RR 2007, 300; Hanack in LK 11. Aufl. vor § 61 Rdn. 58 ff., § 63 Rdn. 82 ff.). Namentlich im Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität kann sich die Auseinandersetzung mit der Frage ergeben, ob die Gefährlichkeit durch andere Maßnahmen vertretbar abgemildert werden kann, z.B. durch die Möglichkeit der Begründung eines Betreuungsverhältnisses nach §§ 1896 ff. BGB, wenn darin eine Chance liegt, die Gefährlichkeit erheblich zu verringern (vgl. BGH, Beschl. v. 26.6.2007 - 5 StR 215/07 - NStZ-RR 2007, 300). Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs sein. Das Freiheitsgrundrecht gewinnt wegen des sich verschärfenden Eingriffs immer stärkeres Gewicht für die Wertungsentscheidung des Strafvollstreckungsrichters. Die besondere Bedeutung, die dem Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkt hier zukommt, folgt bei lang andauernden Unterbringungen nach § 63 StGB nicht zuletzt daraus, dass der Gesetzgeber für diese Maßregel eine absolute zeitliche Höchstgrenze ihrer Vollstreckung nicht vorgesehen hat. Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs wird jedoch dort an Grenzen stoßen, wo es im Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 <315>; BVerfG, Beschl. v. 10.10.2003 - 2 BvR 366/03 - NStZ-RR 2004, 76). Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs wirkt sich bei lang andauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus (vgl. BVerfGE 70, 297 <316>; BVerfG, Beschl. v. 10.10.2003 - 2 BvR 366/03 - NStZ-RR 2004, 76). Bei der Entscheidung, ob die den Angeklagten besonders beschwerende Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Zukunft zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesichts eines nicht überaus großen Gewichts der festgestellten Anlasstaten besonders zu beachten sein (vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2006 - 5 StR 490/06; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 62 Rdn. 6, § 67d Rdn. 6a und c m.w.N.). Für den weiteren Fortgang der Unterbringung des Beschwerdeführers ist zu berücksichtigen, dass neben dem verlängerten Zeitablauf insbesondere auch eine gegebenenfalls sich weiter verschlechternde Besserungsprognose bei der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung gewichtet werden muss. Von der gegenständlichen Maßregelanordnung sind zwar nicht Täter von vornherein ausgeschlossen, bei denen die Aussicht auf Besserung zweifelhaft erscheint (vgl. BGH, NStZ 1990, S. 122 <123>). Dem Verblassen des Besserungszwecks mag auch eine nur begrenzte Bedeutung zukommen (vgl. BVerfGE 70, 297 <316>), insbesondere mag die Besserung als Nebenzweck nachrangig sein (vgl. BVerfGE 70, 297 <318>). Wenn sich jedoch die Besserungsprognose weiterhin verschlechtert und die Besserung gegebenenfalls sogar ausgeschlossen sein sollte, nähert sich die Unterbringung gemäß § 63 StGB dem Vollzug einer gegenständlich nicht angeordneten Sicherungsverwahrung an. Die beiden Maßregeln, die grundsätzlich gemäß § 72 Abs. 2 StGB auch nebeneinander angeordnet werden können, sind jedoch voneinander zu unterscheiden. Sie stehen nicht in einem Stufenverhältnis zueinander, sondern unterscheiden sich qualitativ. Die Unterbringung ist im Verhältnis zur Sicherungsverwahrung kein geringeres, sondern ein anderes Übel (vgl. BGH, NStZ 2002, S. 533 <534>). Gegebenenfalls mag im weiteren Fortgang der Unterbringung zur Förderung der Resozialisierung auch erwogen werden, ob eine Überweisung in eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt (vgl. § 67a Abs. 1 StGB i.V.m. § 64 StGB). Dies würde jedoch voraussetzen, dass insoweit eine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 <31>; BVerfG, Beschl. v. 10.10.2003 - 2 BvR 366/03 - NStZ-RR 2004, 76). Die Möglichkeit einer Unterbringung nach Landesunterbringungsrecht wird ggfls. mit zu bedenken sein, wenngleich diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Aussetzung der strafrechtlichen Unterbringung nur dann rechtfertigen kann, wenn die landesrechtliche Unterbringung sich für die Pflege des Betroffenen und für die angestrebten Zwecke als günstiger erweist (vgl. nur BGHR StGB § 67 b Abs. 1 besondere Umstände 1, 3, 5; BGH, Beschl. v. 2.7.2002 - 1 StR 194/02). Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Notwendigkeit einer Unterbringung ist, wenn der Angeklagte nicht schuldunfähig, sondern nur eingeschränkt schuldfähig ist, zu beachten, dass gegen ihn als Mittel der Einwirkung auch die Verhängung von Strafe zur Verfügung steht (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8; BGH, Beschl. v. 22.7.2010 - 5 StR 256/10). Im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit vor höchst gefährlichen Tätern kann eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) nach Auffassung des 5. Senats – über bislang von der Rechtsprechung angenommene Grenzen hinaus – selbst dann erwägenswert sein, wenn aufgrund der sicher festgestellten Störung eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten nur aufgrund des Zweifelsgrundsatzes anzunehmen, allein deshalb aber nicht auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2014 - 5 StR 380/14 betr. einen Fall mit außergewöhnlich brutalem, eklatant menschenverachtendem Tatbild; dazu Basdorf, HRRS 2008, 275, 276 f.; Basdorf/Mosbacher in Lau/Lammel/Sutarski [Hrsg.], Forensische Begutachtung bei Persönlichkeitsstörungen, 2. Aufl., S. 119, 131 f.). Allerdings wäre zuvor zu erwägen, ob eine solche Auslegung in Fällen dieser Art durch Anwendung des § 66a Abs. 2 StGB entbehrlich wäre (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2014 - 5 StR 380/14). |
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52 |
So
zusammenfassend BGH, Urt. v. 26.6.2012 - 1 StR 163/12: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten für die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB folgende Maßstäbe: Hat jemand rechtswidrige Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen, ordnet das Gericht nach § 63 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei kommt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62 StGB) sowohl bei der Bestimmung des Grades der Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten als auch bei der Entscheidung der Frage, ob diese als erheblich einzustufen sind, eine maßstabsetzende Bedeutung zu (BVerfGE 70, 297, 312). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist auf Grund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie kann daher nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (vgl. BGH, Urt. v. 11.8.2011 - 4 StR 267/11; BGH, Urt. v. 2.3.2011 - 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240, 241; BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; BGH, Urt. v. 7.1.1997 - 5 StR 508/96 - NStZ-RR 1997, 230). Da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1994 - 1 StR 689/94 - NStZ 1995, 228; BGH, Beschl. v. 3.4.2008 - 1 StR 153/08, Rn. 11), kann die Frage, ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; BGH, Beschl. v. 26.4.2001 - 4 StR 538/00 - StV 2002, 477 f.; BGH, Urt. v. 11.8.1998 - 1 StR 305/98 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25). Dabei können sich nähere Darlegungen erübrigen, wenn sich - wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten - eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergibt, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; BGH, Urt. v. 12.6.2008 - 4 StR 140/08 - NStZ 2008, 563, 564; BGH, Beschl. v. 24.11.2004 - 1 StR 493/04 - NStZ-RR 2005, 72, 73). Dagegen wird die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, wenn die zu erwartenden Delikte nicht zumindest den Bereich der mittleren Kriminalität erreichen (st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 70, 297, 312; BGH, Urt. v. 11.8.1998 - 1 StR 305/98 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25; BGH, Beschl. v. 24.11.2004 - 1 StR 493/04 - NStZ-RR 2005, 72, 73; BGH, Beschl. v. 28.6.2005 - 4 StR 223/05 - NStZ-RR 2005, 303, 304; BGH, Urt. v. 2.3.2011 - 2 StR 550/10 - NStZ-RR 2011, 240, 241). Wichtige Gesichtspunkte bei der Einzelfallerörterung sind die vermutliche Häufigkeit neuerlicher Delikte und die Intensität der zu erwartenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.2.2011 - 4 StR 635/10 - NStZ-RR 2011, 202; Hanack JR 1977, 170, 171). |
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55 |
Trifft
mit einer i.S.v. § 63 StGB dauerhaften krankhaften
Suchtmittelüberreaktion ein Hang im Sinne des § 64
Abs. 1
StGB zusammen, ist über den konkreten
Maßregelausspruch -
§ 63 oder
§ 64 StGB - gemäß
§ 72
StGB zu
entscheiden und bei begründeter Aussicht auf erfolgreiche
Bekämpfung der Sucht durch Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt entweder allein auf diesen weniger einschneidenden
Maßregelausspruch zu erkennen sein (§ 72
Abs. 1 Satz
2 StGB;
vgl. auch § 67a
StGB), oder es werden beide
Maßregeln
nebeneinander mit dem Vorrang des Vollzugs der Unterbringung nach
§ 64
StGB anzuordnen sein (§ 72
Abs. 2 und Abs. 3
StGB).
Hierbei scheidet ggfls. nach einem als gescheitert bewerteten
Maßregelvollzug nach § 64
StGB eine erneute solche
Maßregel mangels der unerläßlichen
konkreten
Erfolgsaussicht (BVerfGE 91, 1) aus (vgl. BGH,
Urt. v. 1.2.2005 - 5
StR 540/04). siehe auch: Verbindung von Maßregeln, § 72 StGB Zu beachten sein kann, dass das Suchtproblem des Angeklagten auch im Rahmen der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus behandelt werden kann und zudem im Verlauf der Maßregel - nachdem eine Therapie der Psychose begonnen worden ist - die Möglichkeit besteht, den Angeklagten in den Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB zu überweisen (vgl. § 67a StGB; BGH, Beschl. v. 21.8.2014 - 3 StR 341/14 betr. Anordnung von 63 StGB und § 64 StGB bei fraglicher hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB; vgl. auch BGH, Beschl. v. 25.2.2016 - 3 StR 6/16 betr. Anordnung von § 63 StGB und § 64 StGB bei fehlendem symptomatischen Zusammenhang zwischen Tat und Hang für die Maßregel des § 64 StGB, dort Wegfall der Maßregel nach § 64 StGB, Mitbehandlung der Alkohol- und Betäubungsmittelsucht in der Unterbringung nach § 63 StGB). Bei der Prüfung, ob eine weitere freiheitsentziehende Maßregel anzuordnen ist, muss der Tatrichter in einem Fall, in dem nach einer früheren Unterbringung gemäß § 63 StGB nunmehr eine solche nach § 64 StGB im Raum steht, in Anlehnung an § 72 Abs. 1 StGB schon bei seiner Entscheidung über deren Verhängung prüfen, ob der Zweck der Maßregel, deren tatbestandliche Voraussetzungen er bejaht, nicht bereits durch die früher verhängte Maßregel erreicht wird oder wurde (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2016 - 2 StR 378/15; BayObLG, Beschl. v. 22.6.2004 - NStZ-RR 2004, 295, 296). Bei Bejahung der Voraussetzungen sowohl des § 63 als auch des § 64 StGB wird schon wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 72 StGB) näher darzulegen sein, warum der Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht der Vorzug gegeben werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 18.5.2000 - 4 StR 127/00; BGH, Beschl. v. 3.7.2002 - 2 StR 198/02; vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.4.2000 - 3 StR 138/00 - NStZ 2000, 469; BGH, Beschl. v. 6.10.2009 - 3 StR 376/09 - NStZ-RR 2010, 42). Dies kann etwa der Fall sein, wenn das Gericht - sachverständig beraten - aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu der Überzeugung gelangt, dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) mangels hinreichend konkreter Aussicht eines Behandlungserfolges "zur Bekämpfung der Alkoholkrankheit des Angeklagten" nicht ausreiche und es vielmehr erforderlich ist, den Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, um weitere wegen seines krankhaften Zustandes zu erwartende erhebliche Straftaten des Angeklagten zu verhindern (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2000 - 4 StR 334/00). Gemäß § 72 Abs. 2 StGB ist die kumulative Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und der Sicherungsverwahrung möglich, weil erstere gegenüber letzterer "kein geringeres, sondern ein anderes Übel" ist (st. Rspr., BGH, Beschl. v. 6.8.1997 - 2 StR 199/97 - NStZ 1998, 35 mwN; BGH, Urt. v. 20.9.2011 - 1 StR 71/11). Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 63 StGB (vgl. BGHSt 44, 338 ff.) als auch die des § 66 StGB vor, muss die Strafkammer nach § 72 Abs. 1 StGB der Maßregel den Vorzug geben, die den Angeklagten am wenigsten beschwert (vgl. BGHR StGB § 63 Konkurrenzen 3; BGH, Beschl. v. 14.5.2002 - 5 StR 138/02; BGH, Beschl. v. 5.8.2003 - 4 StR 147/03 - NStZ 2004, 198; vgl. auch BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 6; BGH, Urt. v. 12.6.2008 - 3 StR 84/08 - NStZ 2009, 258; BGH, Beschl. v. 10.7.2008 - 5 StR 253/08; Fischer StGB 55. Aufl § 72 Rdn. 2 a m. w. N.). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kann im Einzelfall ausreichen, um die Allgemeinheit dauerhaft vor weiteren, vom Angeklagten drohenden Straftaten zu schützen. Die Gefahrenabwehr ist der gemeinsame Zweck beider Maßregeln. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zielt auf Heilung des psychischen Zustandes ab, um diesen Zweck zu erreichen. Ihr kann gegenüber der Sicherungsverwahrung der Vorrang eingeräumt werden, wenn der Hang zu erheblichen Straftaten auf einen psychischen Defekt zurückzuführen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Sicherungsverwahrung ultima-ratio-Charakter zukommt (vgl. BVerfG, Urt. v. 4.5.2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. Rn. 112 - NJW 2011, 1931, 1938; BGH, Urt. v. 20.9.2011 - 1 StR 71/11). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB setzt den Erfolg einer Therapie nicht zwingend voraus (BGH, Beschl. v. 28.4.1995 - 2 StR 134/95 - NStZ 1995, 588; Schönke/Schröder-Stree StGB, 27. Aufl., § 63 Rn. 20 mwN). Auch solche Täter, bei denen die Aussicht auf Besserung von vorneherein zweifelhaft ist, sind von einer Maßnahme nach § 63 StGB nicht ausgenommen. Sollte sich während des Aufenthaltes in einem psychiatrischen Krankenhaus herausstellen, dass entgegen der ursprünglichen Prognose eine erfolgreiche Behandlung nicht möglich ist, hat sich damit die Maßregel nicht zwangsläufig erledigt. Denn mit der Unterbringung nach § 63 StGB wird ergänzend über die Behandlung hinaus ein bloßer Sicherungszweck verfolgt. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dauert daher fort, solange vom Angeklagten die in § 63 StGB genannte Gefahr ausgeht (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.2002 - 1 StR 546/01 - NStZ 2002, 533; BGH, Urt. v. 8.7.2010 - 4 StR 210/10). Diese Auffassung stützt sich auf § 136 StVollzG. Danach soll der Untergebrachte behandelt und - soweit möglich - geheilt oder sein Zustand soweit gebessert werden, dass er nicht mehr gefährlich ist. Wird dieses Ziel nicht erreicht, so beschränkt sich die Verpflichtung der Anstalt darauf, ihm die nötige Aufsicht, Betreuung und Pflege zuteilwerden zu lassen (§ 136 Satz 3 StVollzG). Die zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 72 Abs. 2 StGB) kommt neben der Unterbringung nach § 63 StGB nur dann in Betracht, wenn nach Wegfall des von § 63 StGB vorausgesetzten Zustands die Gefährlichkeit des Täters aufgrund eines aus anderen Gründen gegebenen Hanges zu erheblichen Straftaten fortbesteht (BGH, Urt. v. 20.9.2011 - 1 StR 71/11). siehe auch: § 63 StGB Rdn. 150.2.2 aF. - Zusammentreffen von § 66 u. § 63 StGB Bei einer Verurteilung nach § 323a StGB kommt die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus trotz uneingeschränkt schuldhaften Sichberauschens jedenfalls dann in Betracht, wenn der Täter andernfalls in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden müßte (BGH, Beschl. v. 8.1.2004 - 4 StR 147/03 - Ls. - NStZ 2004, 198; vgl. auch BGH, Beschl. v. 5.8.2003 - 4 StR 147/03 - NStZ 2004, 198). |
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60 |
Die
Unterbringung eines jugendlichen oder eines nach Jugendrecht
beurteilten heranwachsenden Täters in einem psychiatrischen
Krankenhaus kommt nur in
Ausnahmefällen in Betracht (vgl.
BGHSt
37, 373, 374; BGH,
Beschl. v. 9.5.2000 - 4 StR 59/00 - NStZ 2000, 469). Aus § 5 Abs. 3 JGG folgt, dass über die Verhängung von Jugendstrafe und die Anordnung der freiheitsentziehenden Maßregel nur aufgrund einheitlicher Betrachtung entschieden werden kann (vgl. BGHSt 39, 92, 95 f.; BGH, Beschl. v. 27.6.2007 - 2 StR 135/07; BGH, Beschl. v. 25.11.2008 - 3 StR 404/08 - StV 2009, 353). Wird aus Anlass der Straftat eines nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden gemäß § 63 StGB dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, so ist grundsätzlich zu prüfen, ob die angeordnete Maßregel die Ahndung mit Jugendstrafe entbehrlich macht (§ 5 Abs. 3 JGG; vgl. BGH NStZ-RR 2003, 186; NStZ 2002, 186; BGH, Beschl. v. 22.7.2009 - 2 StR 240/09; BGH, Beschl. v. 17.9.2013 – 1 StR 372/13 - NStZ-RR 2014, 28; BGH, Beschl. v. 15.1.2015 - 4 StR 419/14 - NStZ 2015, 394, 395; BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 4 StR 493/15). Durch diese spezifisch jugendstrafrechtliche Vorschrift soll dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung getragen werden (vgl. BGHSt 39, 92, 95 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 29.1.2002 - 4 StR 529/01 - NStZ-RR 2002, 182; BGH, Beschl. v. 29.4.2003 - 4 StR 119/03). Ist eine entsprechende Prüfung und Entscheidung dem angefochtenen Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen, kann dies wegen des Sachzusammenhangs zwischen Jugendstrafe und Unterbringungsanordnung (vgl. BGH, Beschl. v. 17.9.2013 – 1 StR 372/13 - NStZ-RR 2014, 28; BGH, Beschl. v. 22.7.2009 – 2 StR 240/09) zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruches führen (vgl. BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 4 StR 493/15 Rn. 5). siehe hierzu näher: Die Folgen der Jugendstraftat, § 5 JGG |
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60.1 |
Gemäß
und unter den Voraussetzungen des §
105
Abs. 1
JGG gilt die Vorschrift auch bei Verfehlungen Heranwachsender, die nach
den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht sind. siehe auch: Anwendung von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende, § 105 JGG |
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65 |
Der
Bundesgerichtshof hat die wiederholte Anordnung der Unterbringung
eines Angeklagten bzw. Beschuldigten in einem psychiatrischen
Krankenhaus mehrfach für zulässig erachtet (BGH, Urt.
v.
27.7.1951 - 4 StR 299/51; BGH, Urt. v. 17.1.1956 - 1 StR
392/55; BGH
bei Dallinger MDR 1956, 525; BGH NJW 1976, 1949; BGH,
Beschl. v.
14.7.2005 - 3 StR 216/05 - BGHSt 50, 199 - StraFo 2005, 472:
Arg.:
Anrechnung des Maßregelvollzugs auf die zugleich erkannte
Freiheitsstrafe; Die
wiederholte
Anordnung der Unterbringung ist immer dann eine im Sinne
des Verhältnismäßigkeitsprinzips geeignete
und
erforderliche Maßnahme, wenn das erneute Erkenntnis
Auswirkungen
auf Ausgestaltung oder Dauer des Maßregelvollzuges haben
kann; BGH, Beschl. v. 17.7.2012 - 4 StR 179/12; BGH, Beschl. v.
3.6.2014 - 4 StR 85/14).
Dem ist das Schrifttum weitgehend gefolgt (vgl. Lackner/Kühl,
StGB
25. Aufl. § 63 Rdn. 11; Stree in
Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl. § 63 Rdn. 20; Hanack in LK 11. Aufl. § 63
Rdn. 94;
vgl. auch Horstkotte in LK 10. Aufl. § 67 b Rdn. 95; zweifelnd
van
Gemmeren in Münch-Komm § 63 Rdn. 50 Fn. 187). Abgesehen davon, dass die Aussetzung der Vollstreckung der im früheren Urteil angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bislang nicht widerrufen wurde, kann die neuerliche Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB im angefochtenen Urteil deshalb geboten sein, um zu gewährleisten, dass der Maßregelvollzug auf die zugleich verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird (vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2012 - 4 StR 179/12; BGH, Beschl. v. 14.7.2005 – 3 StR 216/05 - BGHSt 50, 199). Daran hat sich durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 (2 BvR 2258/09 - NJW 2012, 1784), die im Rahmen einer nach § 35 BVerfGG ergangenen Anordnung bis zu einer Neuregelung des § 67 Abs. 4 StGB durch den Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Anrechnung von Zeiten des Maßregelvollzugs auf verfahrensfremde Freiheitsstrafe zulässt, nichts geändert (BGH, Beschl. v. 17.7.2012 - 4 StR 179/12). In seiner Entscheidung vom 14.7.2005 (BGH, Beschl. v. 14.7.2005 - 3 StR 216/05 - BGHSt 50, 199 - StraFo 2005, 472) hat der Bundesgerichtshof zwar darauf hingewiesen, dass die erneute Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht deshalb von vorneherein ausgeschlossen ist, weil diese Maßregel bereits aufgrund eines in einem früheren (Sicherungs-) Verfahren ergangenen Urteils gegen den Beschuldigten vollzogen wird. Jedoch setzt der nochmalige Maßregelausspruch voraus, dass die Anordnung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht (vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 9.5.2006 - 3 StR 111/06; BGH, Urt. v. 16.10.2014 - 3 StR 329/14 Rn. 6). Maßgeblich ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne darauf abzustellen, ob die erneute Anordnung zur Erreichung des Maßregelziels der Besserung (Heilung) und Sicherung geeignet und erforderlich ist, weil von ihr Wirkungen ausgehen, die der erste Maßregelausspruch nach § 63 StGB nicht zeitigt, was insbesondere dann der Fall sein wird, wenn das neue Urteil erhebliche Auswirkungen auf Dauer und Ausgestaltung des Maßregelvollzugs haben kann (BGH, Beschl. v. 14.7.2005 - 3 StR 216/05 - BGHSt 50, 199 - StraFo 2005, 472; BGH, Beschl. v. 9.5.2006 - 3 StR 111/06 - NStZ-RR 2007, 8; BGH, Urt. v. 17.9.2009 - 4 StR 325/09; BGH, Urt. v. 16.10.2014 - 3 StR 329/14 Rn. 6 betr. als rechtsfehlerfrei bewertetes Absehen von erneuter Maßregelanordnung nach Straftat während Freigangs, den der Sicherungsverwahrte tagsüber hatte; BayObLG NStZ-RR 2004, 295, 297; Pollähne JR 2006, 316; krit. Grünebaum R&P 2004, 187, 190 f.). Die nochmalige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus neben der bereits bestehenden Anordnung kann demgegenüber unverhältnismäßig sein, wenn keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sie zur Erreichung des Maßregelziels erforderlich war, weil von ihr Wirkungen ausgehen, die nicht bereits der erste Maßregelausspruch zeitigt (vgl. BGH, Beschl. v. 9.5.2006 – 3 StR 111/06 - BGHR StGB § 62 Verhältnismäßigkeit 6; BGH, Beschl. v. 21.7.2010 - 5 StR 243/10; BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 5 StR 58/13). Etwaigen neu zu Tage getretenen Betreuungs- oder Kontrollbedürfnissen des Beschuldigten können in diesem Fall durch eine Anpassung der im Rahmen der bestehenden Unterbringung angeordneten Bewährungsauflagen Genüge getan werden (BGH, Beschl. v. 21.7.2010 - 5 StR 243/10). L E I T S A T Z Ist der Angeklagte rechtskräftig bestraft und im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden, so ist bei einer Verurteilung wegen einer zuvor begangenen Tat, die zur nachträglichen Gesamtstrafbildung nach § 55 StGB führt, allein die Aufrechterhaltung der Maßregel geboten, hingegen die erneute Anordung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht zulässig (im Anschluss an BGHSt 30, 305) (BGH, Urt. v. 23.6.2009 - 5 StR 149/09 - Ls. - NJW 2009, 2903). Neben der gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB zutreffend erfolgten Aufrechterhaltung der Anordnung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus ist die erneute - doppelte - Anordnung einer Maßregel mit gleichem Inhalt nicht zulässig (vgl. BGHSt 30, 305, 307; 42, 306, 309; BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 4; BGH NZV 1997, 183; NStZ 1998, 79; BGH, Beschl. v. 8.11.1991 - 2 StR 409/91; BGH, Beschl. v. 22.7.2005 - 2 StR 258/05). Denn der Täter soll auch insoweit entsprechend dem Grundgedanken des § 55 StGB so gestellt werden, wie er bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten gestanden hätte (Rissing-van Saan in LK StGB 12. Aufl. § 55 Rdn. 58; vgl. auch Fischer, StGB 56. Aufl. Rdn. 31; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. Rdn. 58a). Bei gleichzeitiger Aburteilung wäre die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nur einmal angeordnet worden. Auf die Frage der Berechtigung einer wiederholten Anordnung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 14.7.2005 - 3 StR 216/05 - BGHSt 50, 199, 205 - StraFo 2005, 472; BGH, NStZ-RR 2007, 8, 9) kommt es hier nicht an, da eine solche im Anwendungsbereich des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB gänzlich ausscheidet. Durch das Hinzutreten einer weiteren, die Unterbringung bereits für sich rechtfertigenden Anlasstat verändert sich die Maßregel nicht. Vielmehr entspricht sie in jeder Hinsicht der bereits angeordneten Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (BGH, Urt. v. 23.6.2009 - 5 StR 149/09 - NJW 2009, 2903). siehe auch: § 55 StGB, Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe --> Abs. 2 |
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70 |
Eine mildernde Berücksichtigung der
neben Freiheitsstrafe(n)
angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB ist rechtlich nicht geboten
(vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2016 - 1 StR 526/15; anders offenbar
Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die
Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen
Strafe (§ 46
Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden
sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem
Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr
zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden
betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67
Abs. 1 und
Abs. 4 StGB; BGH, Urt. v. 15.3.2016 - 1 StR 526/15). siehe hierzu aber auch: § 64 StGB Rdn. 12 - Zweispurigkeit von Strafe und Maßregel und § 66 StGB Rdn. 150.3 aF. - Wechselwirkung zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung |
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U.1 |
Hat das Tatgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB), sich an seiner Verurteilung dagegen gehindert gesehen, weil der Angeklagte die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangen hat, ist er bei dieser Sachlage in der Urteilsformel vom Anklagevorwurf ausdrücklich freizusprechen (BGH NStZ-RR 1998, 142; BGH, Beschl. v. 11.6.2002 - 3 StR 158/02). | |
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U.2 |
Die
Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB bedarf einer
besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine
schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des
Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt (vgl. BGH,
Urt. v.
27.11.2008 – 3 StR 450/08 - BGHR StGB § 63
Gefährlichkeit 30; BGH, Beschl. v. 5.7.2011 - 5 StR 229/11; siehe auch oben Rdn. 5).
Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden
Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen,
dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung
nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.4.2014 – 3 StR
171/14 - NStZ-RR 2014, 243, 244; BGH, Beschl. v. 30.7.2014 –
4 StR 183/14 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 10.11.2015 - 1 StR 265/15 - NStZ-RR
2016, 76; BGH, Beschl. v. 16.12.2015 - 4 StR 294/15; BGH,
Beschl. v. 12.10.2016 - 4 StR 78/16 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 13.6.2017 -
2 StR 174/17 Rn. 11). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12 mwN; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 1 StR 504/12). Es ist dabei stets im Einzelnen darzulegen, wie sich die Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf sie zurückzuführen sind (BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12 mwN; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 1 StR 504/12 - NJW 2013, 246; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 - 1 StR 654/12; siehe auch BGH, Beschl. v. 29.5.2012 - 2 StR 139/12 - NStZ-RR 2012, 306, 307; BGH, Beschl. v. 17.6.2015 - 4 StR 196/15). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urt. v. 17.8.1977 – 2 StR 300/77 - BGHSt 27, 246, 248 f.; BGH, Urt. v. 17.11.1999 – 2 StR 453/99 - BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 7.6.2016 - 4 StR 79/16 - NStZ-RR 2016, 306; BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 StR 174/17 Rn. 11). Einzustellen sind die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 1 StR 594/16 - NStZ-RR 2017, 76, 77; BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 2 StR 174/17 Rn. 11). An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschl. v. 10.5.2016 - 4 StR 185/16 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 4.7.2012 – 4 StR 224/12, Rn. 8; BGH, Beschl. v. 8.11.2006 – 2 StR 465/06 - NStZ-RR 2007, 73, 74). Die Prognose muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (BGH, Beschl. v. 7.6.2016 – 4 StR 79/16 - NStZ-RR 2016, 306 f.; BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 1 StR 594/16 Rn. 10; siehe auch BVerfG, Beschl. v. 5.7.2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27 sowie BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Einzustellen in die Gefährlichkeitsprognose ist die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können (BGH aaO mwN; BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 1 StR 594/16 Rn. 10). Knüpft die Gefährlichkeits-Prognose des Tatgerichts an eine vom Sachverständigen für möglich gehaltene "zweite Deutungsmöglichkeit" an, kann die alternative Deutungsmöglichkeit - nicht offen bleiben, so das unterschiedliche prognostische Bedeutung zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschl. v. 8.8.2007 - 2 StR 235/07). Von Zeugen geäußerte Bewertungen "Aggressionspotenzial"; "unberechenbar" dürfen nicht unerörtert übernommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 8.8.2007 - 2 StR 235/07). In Fällen, in denen die Sache zurückverwiesen, neu verhandelt und dann die Unterbringung angeordnet wurde, muss eine Auseinandersetzung mit der Frage erfolgen, aus welchem Grunde nach der Begutachtung des Angeklagten durch denselben psychiatrischen Sachverständigen eine Anordnung nach § 63 StGB im ersten Urteil unterblieben war (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2005 - 5 StR 394/05). Die Urteilsgründe müssen im Falle der Anordnung der Maßregel hinreichend klar feststellen, welches Eingangsmerkmal des § 20 StGB erfüllt ist. Die Feststellung, dass der Angeklagte gefährlich und verhaltenstherapeutisch behandlungsbedürftig sei, kann das Fehlen schon der Eingangsvoraussetzungen der Maßregelanordnung nicht ersetzen. (vgl. BGH, Beschl. v. 19.8.2005 - 2 StR 335/05). Regelmäßig bedarf es Erörterungen, ob sich der Angeklagte bei Begehung der längere Zeit zurückliegenden Taten jeweils in einem akuten Schub seiner Krankheit befand, zu deren Beginn, Entwicklung und sonstigen Auswirkungen auf das Leben des Angeklagten nähere Feststellungen erforderlich sind sowie der spezifische Zusammenhang etwa zwischen der Psychose und den einzelnen Taten, insbesondere den für die Maßregelanordnung maßgeblichen Straftaten (vgl. BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 150/12). Es bedarf näherer Darlegung, wie das festgestellte Störungsbild in der konkreten Tatsituation auf den Beschuldigten und seine Vorstellungswelt eingewirkt hat. Hierauf darf selbst dann nicht verzichtet werden, wenn bei dem Beschuldigten eine Schizophrenie diagnostiziert worden wäre (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 39 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 10.6.2008 - 3 StR 188/08 - NStZ 2009, 86; vgl. auch BGH, Beschl. v. 9.1.2007 - 4 StR 449/06 - NStZ 2007, 266 zu den Feststellungen zum Krankheitsbild bei Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie oder eine drogeninduzierte Psychose; BGH, Beschl. v. 14.4.2010 - 5 StR 123/10: betr. Fehlreaktion in subjektiv als bedrohlich empfundener Situation u. hierzu die Folgeentscheidung BGH, Urt. v. 8.6.2011 - 5 StR 134/11; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.5.2014 - 3 StR 113/14). Erforderlich ist auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten bzw. Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschl. v. 12.10.2016 – 4 StR 78/16 Rn. 11; BGH, Beschl. v. 17.6.2014 – 4 StR 171/14 - NStZ-RR 2014, 305, 306; BGH, Beschl. v. 23.8.2012 – 1 StR 389/12 - NStZ 2013, 98; BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 1 StR 594/16 Rn. 5). Mit Blick auf das Erfordernis der Dauerhaftigkeit des psychischen Defekts als Voraussetzung einer Unterbringung nach § 63 StGB ist etwa zu bedenken, das schizoaffektive Störungen phasenhaft verlaufen, wobei es zu Zeiten vollständiger Remission kommen kann, in denen keine psychischen Beeinträchtigungen zu beobachten sind (BGH, Beschl. v. 28.1.2015 - 4 StR 514/14 - NStZ-RR 2015, 169, 170; BGH, Beschl. v. 2.9.2015 - 2 StR 239/15; BGH, Beschl. v. 23.9.2015 - 4 StR 371/15; Hoff/Sass in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, S. 84 f.; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 181 f.; Müller-Isberner/Venzlaff in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., S. 181 f.). Insoweit bedarf es näherer Darlegung, mit welcher Häufigkeit es in der Vergangenheit bei dem Beschuldigten zu Krankheitsphasen gekommen ist und welche prognoserelevanten Schlüsse daraus zu ziehen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 28.1.2015 - 4 StR 514/14 - NStZ-RR 2015, 169, 170). Liegt nahe, dass erst das Zusammenwirken der diagnostizierten Affektstörung mit der beim Angeklagten ebenfalls bestehenden akuten Alkoholintoxikation "nicht ausschließbar" zu einer vollständigen Aufhebung der Steuerungsfähigkeit geführt hat, müssen die besonderen Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei gleichzeitigem Vorliegen einer psychischen Störung und einer Suchterkrankung bedacht werden und deshalb die in einem solchen Fall auch in Betracht kommende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) in den Blick genommen werden (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2016 - 2 StR 108/16 Rn. 11). siehe zur Begründung der Diagnose einer paranoiden Schizophrenie und diesbezüglich herangezogener Symptome BGH, Beschl. v. 24.4.2013 - 5 StR 163/13 siehe zu den Begründungsanforderungen auch oben Rdn. 5, 32, 34 |
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Z.3 |
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Z.3.7 |
Sind
dringende Gründe für die Annahme vorhanden,
daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert (§ 126a Abs. 1 StPO). siehe auch: Einstweilige Unterbringung, § 126a StPO |
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Z.3.8 |
Nach
§ 81
StPO kann das Gericht zur Vorbereitung eines
Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten nach
Anhörung eines Sachverständigen und des Verteidigers
anordnen, daß der Beschuldigte - für
längstens sechs Wochen - in ein öffentliches
psychiatrisches Krankenhaus gebracht und dort beobachtet wird. Diese
Anordnung trifft das Gericht nur, wenn der Beschuldigte der Tat
dringend verdächtig ist und die Anordnung zu der Bedeutung der
Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der
Besserung und Sicherung nicht außer Verhältnis
steht. Im vorbereitenden Verfahren entscheidet das Gericht, das
für die Eröffnung des Hauptverfahrens
zuständig wäre. Gegen den
Anordnungsbeschluß ist sofortige Beschwerde
zulässig, die aufschiebende Wirkung hat. Kommt die Anordnung
der Unterbringung zur Beobachtung in Frage, ist die Mitwirkung eines
Verteidigers nach § 140
Abs. 1 Nr. 6 StPO notwendig. siehe auch: Unterbringung zur Beobachtung des Beschuldigten, § 81 StPO |
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Z.3.9 |
Die
"Organisationshaft"
bezieht sich auf die Organisation des
Vorwegvollzugs einer in einem rechtskräftigen Urteil
gemäß §§ 63, 64
StGB angeordneten
Maßregel der Besserung und Sicherung. Unter
"Organisationshaft" ist die Freiheitsentziehung in einer
Justizvollzugsanstalt zu verstehen, die gegen einen
rechtskräftig Verurteilten bis zu dem Zeitpunkt seiner
Überstellung in die zuständige
Maßregeleinrichtung - psychiatrisches Krankenhaus oder
Entziehungsanstalt - vorübergehend vollzogen wird. BVerfG, Beschl. v. 26.9.2005 - 2 BvR 1019/01 Eine gesetzeswidrige und dem zu vollstreckenden Urteil widersprechende Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge liegt bei der "Organisationshaft" dann vor, wenn die Vollstreckungsbehörde in Umsetzung des gerichtlichen Rechtsfolgenausspruchs nicht unverzüglich die Überstellung des Verurteilten in den Maßregelvollzug einleitet und herbeiführt (BVerfG, Beschl. v. 26.9.2005 - 2 BvR 1019/01; vgl. hierzu Brandenburgisches OLG, StV 2001, S. 23 (25)). Das Oberlandesgericht Hamm hat ausdrücklich seine frühere Rechtsprechung (vgl. MDR 1980, 952) aufgegeben, wonach bei fehlenden Kapazitäten im Maßregelvollzug die Vollstreckung von Organisationhaft für etwa drei Monate zulässig sein soll. Weder die für die Strafvollstreckungsbehörden maßgeblichen Vorschriften der §§ 449 ff. StPO noch die Vorschrift des § 67 Abs. 2 und 3 StGB erlauben die sog. Organisationshaft (OLG Hamm, Beschl. v. 25.11.2003 - 4 Ws 537 u. 4 Ws 569/03). |
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Z.3.9.1 |
Zur Frage der Anrechnung der "Organisationshaft" bei der Strafzeitberechnung, wonach die "Organisationshaft", soweit die Strafzeitberechnung betroffen ist, dem Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen darf siehe: BVerfG, Beschl. vom 18.6.1997, 2 BvR 2422/96, NStZ 1998, S. 77. Im Rahmen der Strafzeitberechnung kann durch eine Anrechnung der "Organisationshaft" auf die Freiheitsstrafe sichergestellt werden, dass der Beschwerdeführer keinen Nachteil erleiden muss. Dies ist wegen der besonderen Bedeutung des Freiheitsgrundrechts von Verfassungs wegen geboten (BVerfG a.a.O.). | |
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Z.7 |
Dass
nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Anordnung
der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht
(§ 358
Abs. 2 Satz 2 StPO, vgl. BGHSt 37, 5, 9), wenn der
Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 63 StGB
durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen
hat (vgl. BGHSt 38, 362 ff.; BGH,
Beschl. v. 21.11.2001 - 3 StR 423/01
- NStZ 2002, 197; BGH,
Beschl. v. 18.2.2003 - 3 StR 19/03; zweifelnd:
BGH, Beschl. v. 22.12.2011 - 3 StR 427/11). Gleiches
gilt für den neuen Tatrichter nach Zurückverweisung,
der gemäß § 358
Abs. 2 Satz 2 StPO durch
das Verschlechterungsverbot nicht gehindert ist, die Unterbringung des
Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63
StGB anzuordnen (vgl. BGH,
Beschl. v. 13.2.2002 - 2 StR 10/02; BGH,
Beschl. v. 9.4.2002 - 5 StR 100/02). Hat der Beschwerdeführer indes die Nichtanwendung des § 63 StGB wirksam von seinem Revisionsangriff ausgenommen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2010 - 3 StR 138/10) und die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel nicht geführt, gefährdet dies nicht den Bestand des Urteils, mit dem die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) abgelehnt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 10.8.2010 - 3 StR 268/10). Die Beschränkung der Revision des Angeklagten, der die Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB vom Revisionsangriff ausgenommen hat, steht einer Anordnung der Maßregel nicht entgegen, wenn das Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 2.9.2010 - 3 StR 273/10 - NStZ 2011, 106). Die Staatsanwaltschaft kann die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision wirksam auf den unterbliebenen Maßregelausspruch gemäß § 63 StGB beschränken (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2012 - 1 StR 163/12; vgl. auch BGH, Urt. v. 11.8.2011 - 4 StR 267/11). Eine Ausklammerung der Maßregel des § 63 StGB kann - anders als bei § 64 StGB - jedenfalls bei enger Verknüpfung mit einer rechtsfehlerhaften Beurteilung der Voraussetzungen des § 21 StGB nicht wirksam sein (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2002 - 2 StR 335/02 - NStZ-RR 2003, 18; BGH, Beschl. v. 1.9.2004 - 2 StR 268/04; BGH, Beschl. v. 13.2.2009 - 2 StR 509/08 - NStZ-RR 2009, 170). Eine getrennte Prüfung von § 63 StGB und der Schuldunfähigkeit i.S.v. § 20 StGB ist nicht möglich, weil das Bejahen von § 20 StGB eine Voraussetzung der Unterbringung nach § 63 StGB ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2011 - 1 StR 341/11). Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Maßregelausspruch, der grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.11.1997 - 2 StR 551/97; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 53; Gericke in KK, StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 12; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1322, jeweils mwN), ist wirksam, wenn keine untrennbare Wechselwirkung zum Schuld- bzw. Strafausspruch besteht (vgl. BGH, Urt. v. 17.6.2015 - 2 StR 358/14). Die Beschränkung der Revision des Angeklagten auf die Maßregelanordnung ist unwirksam, wenn die Unterbringung nach § 63 StGB und der auf § 20 StGB gestützte Freispruch gleichermaßen von der Bewertung der Schuldfähigkeit abhängen und deshalb zwischen beiden Entscheidungen aus sachlich-rechtlichen Gründen ein untrennbarer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 25.4.2013 - 5 StR 104/13; BGH, Beschl. v. 21.5.2013 - 2 StR 29/13). Da nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr eine Bestrafung des Angeklagten möglich ist, wenn sich seine Schuldfähigkeit herausstellen sollte, lässt sich die Wirksamkeit einer isolierten Anfechtung der Maßregelanordnung nicht mehr mit der Erwägung rechtfertigen, dass aufgrund des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) unabhängig von der Bewertung der Schuldfrage in jedem Fall wieder auf Freispruch erkannt werden müsste (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Urt. v. 10.12.1953 – 3 StR 620/53 - BGHSt 5, 267, 268). Der 4. Senat hat offen gelassen, ob § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO eine isolierte Anfechtung der Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auch dann hindert, wenn die den Freispruch tragende Schuldunfähigkeit des Angeklagten feststeht und nur die der Maßregelanordnung zugrunde liegende Gefährlichkeitsprognose zu überprüfen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 23.4.1963 – 5 StR 13/63 - NJW 1963, 1414, 1415). Die Beschränkung der Revision des Angeklagten auf die Maßregelanordnung ist unwirksam, wenn sowohl die Unterbringung nach § 63 StGB als auch der auf § 20 StGB gründende Freispruch von den Feststellungen der Strafkammer zur Anlasstat abhängen und deshalb zwischen beiden Entscheidungen aus sachlich-rechtlichen Gründen ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Da nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr eine Bestrafung des Angeklagten möglich ist, wenn sich aufgrund veränderter Feststellungen zur Anlasstat seine Schuldfähigkeit herausstellen sollte, lässt sich die Wirksamkeit einer isolierten Anfechtung der Maßregelanordnung nicht mehr mit der Erwägung rechtfertigen, dass aufgrund des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) unabhängig von der Bewertung der Schuldfrage in jedem Fall wieder auf Freispruch erkannt werden müsste (BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die den Freispruch tragende Schuldunfähigkeit des Angeklagten unabhängig von der konkret festgestellten Tat feststünde (BGH, Beschl. v. 21.5.2013 - 2 StR 29/13; vgl. insoweit auch BGH, Beschl. v. 8.6.2011 - 5 StR 199/11). Eine Beschränkung der Revision ist zulässig, wenn die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden können. Gewährleistet sein muss, dass die Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 14.1.2015 – 1 StR 93/14, Rn. 58; BGH, Urt. v. 8.1.1954 – 2 StR 572/73 - BGHSt 2, 252; Franke in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 15 mwN). Eine neben Strafe angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist grundsätzlich selbstständig anfechtbar (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.1969 – 1 StR 90/69 - NJW 1969, 1578; BGH, Urt. v. 10.1.1961 – 1 StR 517/60 - BGHSt 15, 279, 285; BGH, Urt. v. 11.2.1954 – 4 StR 755/53 - BGHSt 5, 312, 313; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 318 Rn. 24; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 63 Rn. 26; Kaspar in: SSWStGB, 2. Aufl., § 63 Rn. 50; krit. Franke in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 53), sofern sich nicht aus besonderen Gründen Trennbarkeitshindernisse ergeben (BGH, Beschl. v. 9.9.2015 - 4 StR 334/15). Auch § 5 Abs. 3 JGG steht in einer solchen Fallkonstellation der Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf den Maßregelausspruch nicht entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.9.2015 - 4 StR 334/15). Denn ein Wegfall der von dem Rechtsmittelführer in Zweifel gezogenen Maßregel könnte sich nach dieser Vorschrift nicht zu seinen Gunsten auf die – unter Berücksichtigung des § 5 Abs. 3 JGG – verhängte und von ihm unbeanstandet gelassene Jugendstrafe auswirken. Soweit in der Rechtsprechung eine Trennbarkeit von Unterbringungsanordnung und Jugendstrafausspruch mit Rücksicht auf § 5 Abs. 3 JGG verneint worden ist, betraf dies Fälle, in denen eine Unterbringung nach § 63 oder § 64 StGB unterblieben ist und deren Anordnung im zweiten Rechtsgang in Betracht kam (vgl. BGH, Beschl. v. 9.9.2015 - 4 StR 334/15 [betr. diese Konstellation: isolierte Anfechtung der Anordnung der Unterbringung neben Jugendstrafe]; BGH, Beschl. v. 12.3.2012 – 3 StR 42/12, Rn. 2; BGH, Beschl. v. 5.5.2009 – 4 StR 99/09 - NStZ-RR 2009, 277; BGH, Beschl. v. 6.9.2007 – 4 StR 318/07, Rn. 11; BGH, Beschl. v. 27.6.2007 – 2 StR 135/07, Rn. 7; BGH, Beschl. v. 2.12.1997 – 4 StR 581/97 - NStZ-RR 1998, 188, 189 [jeweils Mitaufhebung der Jugendstrafe bei fehlerhafter Nichtanordnung der Unterbringung nach § 63 oder § 64 StGB]; BayObLG, Urt. v. 15.3.1989 – RReg 3 St 38/89 - BayObLGSt 1989, 48 [keine isolierte Anfechtung der Nichtanordnung einer Unterbringung neben verhängter Jugendstrafe]; vgl. auch BGH, Beschl. v. 19.12.2012 – 4 StR 494/12 - BGHR JGG § 5 Abs. 3 Absehen 3). Würde in einer solchen Konstellation die Jugendstrafe infolge einer entsprechenden Rechtsmittelbeschränkung nach § 343 Abs. 1 StPO in Rechtskraft erwachsen, wäre es dem neuen Tatrichter verwehrt, im Anschluss an die – im Fall des § 63 StGB zwingende – Anordnung einer Maßregel die nun nach § 5 Abs. 3 JGG gebotene Entscheidung über die Entbehrlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe noch zu treffen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.9.2015 - 4 StR 334/15; BGH, Beschl. v. 2.12.1997 – 4 StR 581/97 - NStZ-RR 1998, 188, 189). Der Angeklagte ist durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB bei der Strafzumessung nicht beschwert, so dass ggfls. trotz Aufhebung der Maßregelanordnung der Strafausspruch bestehen bleiben kann (vgl. BGH, Beschl. v. 24.1.2007 - 2 StR 532/06; BGH, Beschl. v. 11.3.2009 - 2 StR 42/09 - NStZ-RR 2009, 198). Eine Änderung der rechtlichen Bewertung der Anlaßtat durch das Revisionsgericht führt zwar dann nicht zur Aufhebung einer Unterbringungsanordnung, wenn trotzdem noch eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung ohne weiteres Grundlage einer Unterbringung sein kann (vgl. BGH, Beschl. v. 10.9.2002 - 1 StR 337/02; BGH, Beschl. v. 27.8.2003 - 1 StR 327/03). siehe auch: Beschränkung der Berufung, § 318 StPO Das Revisionsgericht ist durch den Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht gehindert, auch den Freispruch aufzuheben; denn durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) wurde der frühere Rechtszustand dahin geändert, dass es gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr möglich ist, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen (BGH, Beschl. v. 27.10.2009 - 3 StR 369/09; vgl. auch BGH, Beschl. v. 9.10.2012 - 2 StR 180/12; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 1 StR 504/12; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 21.5.2013 - 2 StR 29/13). Dadurch soll vermieden werden, dass die erfolgreiche Revision eines Angeklagten gegen die alleinige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dazu führt, dass eine Tat, die wegen angenommener Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB nicht zu einer Bestrafung geführt hat, ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, wenn sich in der neuen Hauptverhandlung herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war (BT-Drucks. 16/1344, S. 17; BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 1 StR 504/12; BGH, Beschl. v. 21.5.2013 - 2 StR 29/13). Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur erreicht werden, wenn das Revisionsgericht in diesen Fällen nicht nur die auf rechtsfehlerhaften Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhende Maßregelanordnung, sondern auch den hierauf gestützten Freispruch aufhebt (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2012 - 4 StR 348/12 mwN; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - 1 StR 504/12). Bei gleichzeitiger Aufhebung des Freispruchs ist das neue Tatgericht nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gehindert, den Angeklagten zu bestrafen, soweit sich nunmehr eine Schuldunfähigkeit sicher ausschließen lassen sollte (vgl. BGH, Beschl. v. 24.4.2012 - 5 StR 150/12). Durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) wurde der frühere Rechtszustand dahin geändert, dass es gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr möglich ist, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen, wenn sich herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war. Das Gericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung einer isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhängen (vgl. BT-Drucks. 16/1344, S. 17 f.; BGH, Beschl. v. 27.10.2009 - 3 StR 369/09, Rn. 9; BGH, Beschl. v. 14.9.2010 - 5 StR 229/10 - StraFo 2011, 55; BGH, Beschl. v. 29.4.2014 - 3 StR 171/14). siehe näher: § 358 StPO, Bindung des Untergerichts; Verbot der Schlechterstellung --> Rdn. 25.3 Der Gesetzgeber hat keine gesetzliche Regelung für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geschaffen. Die Überweisung in den Vollzug dieser Maßregel zugleich mit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung (über § 67a Abs. 2 StGB) birgt die Gefahr, dass Verurteilte, bei denen zum Zeitpunkt der Verurteilung wegen der Anlasstat die gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB nicht vorlagen, insbesondere eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht festgestellt worden ist, dennoch in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, obwohl sich ihr „Zustand“ seit der Verurteilung wegen der Anlasstat nicht verändert hat. Eine solche Gesetzesanwendung wäre jedenfalls dann, wenn durch die Unterbringung keine konkrete Aussicht auf Förderung der Resozialisierung entstünde, nicht hinnehmbar (vgl. BGH, Beschl. v. 15.2.2006 - 2 StR 4/06). Im Sicherungsverfahren dürfen nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. Nr. 8 StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO). Ist der danach erforderliche gesonderte Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) nicht gestellt worden, so fehlt es für eine Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung (vgl. BGH, Beschl. v. 25.11.2003 - 3 StR 405/03; BGH, Urt. v. 12.6.2008 - 4 StR 140/08 - NStZ 2008, 563). Bestimmt das Rechtsmittelgericht, dass die Maßregelanordnung entfällt, entfällt damit auch die Grundlage für die einstweilige Unterbringung (§ 126a StPO) (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2008 - 2 StR 161/08). Die Aufhebung des Maßregelausspruchs hat aufgrund des bestehenden inneren Zusammenhangs (vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.1997 – 4 StR 581/97 - StV 1998, 342, 343) auch die Aufhebung der Entscheidung nach § 5 Abs. 3 JGG zur Folge. Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB allein auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben, hindert das Schlechterstellungsverbot den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dies gilt nach § 2 Abs. 2 JGG auch im Jugendverfahren (BGH, Beschl. v. 19.12.2012 - 4 StR 494/12; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 6. Aufl., § 55 Rn. 50). Hat der erste Tatrichter wegen der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 5 Abs. 3 JGG von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen, ist dem neuen Tatrichter die Verhängung einer an die Stelle der Unterbringungsanordnung tretenden Jugendstrafe aber nur dann möglich, wenn auf die Revision des Angeklagten mit dem rechtsfehlerhaften Maßregelausspruch auch die Entscheidung nach § 5 Abs. 3 JGG in Wegfall kommt (BGH, Beschl. v. 19.12.2012 - 4 StR 494/12). Die Rechtslage unterscheidet sich hier nicht durchgreifend von den bereits mehrfach entschiedenen Fällen, in denen auf die erfolgreiche Revision eines wegen Schuldunfähigkeit freigesprochenen, aber nach § 63 StGB untergebrachten Angeklagten auch der Freispruch aufzuheben ist, um dem neuen Tatrichter die durch § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO eröffnete Möglichkeit einer Bestrafung zu erhalten, wenn sich nunmehr die Schuldfähigkeit des Angeklagten herausstellen sollte (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2012 – 4 StR 348/12, Tz. 13; BGH, Beschl. v. 29.5.2012 – 2 StR 139/12 - NStZ-RR 2012, 306, 307; BGH, Beschl. v. 14.9.2010 – 5 StR 229/10, Rn. 11; BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – 3 StR 369/09, Rn. 9). Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nur die letztgenannte Fallkonstellation vor Augen hatte (vgl. BT-Drs. 16/1344, S. 17; Schneider, NStZ 2008, 68, 73), stellt eine Anwendung dieser Vorschrift nicht in Frage. Erklärtes Ziel der Regelung des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist es, die nicht hinnehmbare Konsequenz zu vermeiden, dass eine Straftat nur deshalb ohne strafrechtliche Sanktion bleibt, weil nach dem durch eine erfolgreiche Revision des Angeklagten bewirkten Wegfall der alleinigen Anordnung der Unter-bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Art der Rechtsfolgen aufgrund des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 1 Satz 1 StPO) nicht mehr zum Nachteil des Angeklagten verändert werden darf (vgl. BT-Drs. 16/1344, S. 17; BGH, Beschl. v. 19.12.2012 - 4 StR 494/12). Durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) wurde der frühere Rechtszustand dahin geändert, dass es gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nunmehr möglich ist, in einer neuen Hauptverhandlung an Stelle der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus den Täter schuldig zu sprechen und eine Strafe zu verhängen, wenn sich herausstellt, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldfähig war. Das Gericht bleibt jedoch gehindert, nach Aufhebung einer isoliert angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut die Unterbringung anzuordnen und zugleich erstmals Strafe zu verhängen (vgl. BT-Drucks. 16/1344, S. 17 f.; BGH, Beschl. v. 3.6.2015 - 4 StR 167/15; BGH, Beschl. v. 27.10.2009 – 3 StR 369/09 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 14.9.2010 – 5 StR 229/10 - StraFo 2011, 55). |
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Z.7.15 |
Diejenigen Vorfälle, die Gegenstand der Antragsschrift waren, jedoch im angefochtenen Urteil als nicht tatbestandsmäßig angesehen worden sind, können indes nicht mehr als Anlasstaten für die Unterbringung nach § 63 StGB herangezogen werden. Insoweit kann der Beschuldigte nicht schlechter stehen als ein teilfreigesprochener Angeklagter im Strafverfahren, der sich mit seiner Revision mangels Beschwer gegen den Teilfreispruch nicht wenden kann (sogenannte vertikale Teilrechtskraft, BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 5 StR 120/12; vgl. zum Begriff Kühne in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Einl. K Rn. 68). Nach § 414 Abs. 1 StPO gelten auch für die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft eines im selbständigen Sicherungsverfahren ergangenen Urteils die allgemeinen strafverfahrensrechtlichen Regeln. Auch wenn über die Anordnung der Maßregel oder die Ablehnung des Antrags der Staatsanwaltschaft im Sicherungsverfahren nur einheitlich entschieden werden kann, handelt es sich bei den einzelnen in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft geschilderten Vorfällen um selbständige Prozessgegenstände, über die durch das angefochtene Urteil, soweit sie nicht für tatbestandsmäßig erachtet wurden, abschließend entschieden ist. Allerdings können sie – aufgrund neuer Feststellungen – vom neuen Tatgericht bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten mitberücksichtigt werden (BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 5 StR 120/12). | |
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Z.4 |
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Z.4.1 |
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Ist
damit zu rechnen, daß die Unterbringung des Beschuldigten
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden wird, so soll
nach § 80a
StPO schon im Vorverfahren einem
Sachverständigen Gelegenheit zur Vorbereitung des in der
Hauptverhandlung zu erstattenden Gutachtens gegeben werden. siehe auch: § 80a StPO, Zuziehung im Vorverfahren |
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Ist
damit zu rechnen, daß die Unterbringung des Angeklagten
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden wird, so ist
nach § 246a
Satz 1 StPO in der Hauptverhandlung ein
Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und
die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Hat der
Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher
untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit
gegeben werden. siehe auch: § 246a StPO, Zuziehung eines Sachverständigen |
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Z.4.2 |
Das
Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs.
3 GG - Prozessgrundrecht
- gilt nicht für die Anordnung von Maßregeln der
Besserung und Sicherung (vgl. BGH, Beschl. v. 15.4.2008 - 5 StR 431/07
- BGHSt 52, 205 ff. - NStZ 2008, 330). siehe auch: § 1 StGB - Rdn. 25.2 - Maßregeln der Besserung und Sicherung |
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Z.6 |
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Z.6.1 |
Für
eine Entscheidung über die Anordnung dieser
Maßregel sind die Amtsgerichte gemäß
§ 24
Abs. 1 Nr. 2 GVG sachlich nicht zuständig.
Folglich ist auch das Berufungsgericht, dessen sachliche
Zuständigkeit über die des ersten Richters nicht
hinausgeht (BGHSt 34, 159, 160; Paul in KK 6. Aufl. § 328 Rdn.
12 m. w. N.), an einer solchen Entscheidung gehindert und muss die
Sache an die zuständige große Strafkammer verweisen
(BGH,
Beschl. v. 29.10.2009 - 3 StR 141/09). siehe auch: § 24 GVG, Zuständigkeit des Amtsgerichts; § 328 StPO, Inhalt des Berufungsurteils |
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Z.6.1.5 |
Hinsichtlich der Besetzung des Spruchkörpers ist § 76 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 GVG zu beachten (vgl. BGH, Beschl. v. 9.4.2013 - 5 StR 58/13). Danach beschließt die große Strafkammer eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen, wenn die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist. | |
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Z.8 |
[ Verweisungen ] |
Z.8.1 |
In
§
63 StGB wird verwiesen auf: § 20 StGB siehe auch: Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen, § 20 StGB § 21 StGB siehe auch: Verminderte Schuldfähigkeit, § 21 StGB Auf § 63 StGB wird verwiesen in: § 66b StGB siehe auch: Nachträgliche Sicherungsverwahrung, § 66b StGB § 67 StGB siehe auch: Vollstreckungsreihenfolge, § 67 StGB § 67g StGB siehe auch: Widerruf der Aussetzung, § 67g StGB § 67h StGB siehe auch: Befristete Wiederinvollzugsetzung; Krisenintervention, § 67h StGB § 7 JGG siehe auch: § 7 JGG, Maßregeln der Besserung und Sicherung § 106 JGG siehe auch: § 106 JGG, Milderung des allg. Strafrechts für Heranwachsende; Sicherungsverwahrung |
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Z.8.2 |
§ 63 StGB wurde mit Wirkung vom 1.8.2016
geändert
durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des
Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8.
Juli 2016 (BGBl. I S. 1610). Zuvor hatte die Vorschrift folgenden
Wortlaut: "§ 63 StGB Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist." |
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Z.20 |
Ein
Verstoß gegen § 265
Abs. 2 StPO liegt etwa vor,
wenn der Angeklage weder in der Anklageschrift noch in dem
Eröffnungsbeschluss auf die Möglichkeit
seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder einem
psychiatrischen Krankenhaus hingewiesen worden ist und auch in der
Hauptverhandlung das Gericht einen solchen Hinweis nicht erteilt hat.
Der Umstand, dass der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die
Anordnung der Maßregel beantragt oder dass der zur Frage der
Schuldfähigkeit des Angeklagten in der Hauptverhandlung
gehörte Sachverständige die Anordnung der
Maßregel ausdrücklich empfohlen hat, macht einen
solchen gerichtlichen Hinweis nicht entbehrlich (BGHSt 22, 29, 31; BGHR
StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 2 und 6; BGH NStZ 1985, 325;
BGH NStZ 1998, 529; BGH,
Beschl. v. 26.4.2000 - 2 StR 136/00; BGH,
Beschl. v. 4.6.2002 - 3 StR 144/02; BGH,
Beschl. v. 25.5.2005 - 2 StR
142/05; BGH,
Beschl. v. 2.4.2008 - 2 StR 529/07). Die
Einführung nur durch eine Beweisperson reicht nicht aus (vgl. BGH,
Beschl. v. 4.6.2002 - 3 StR 144/02; BGH,
Beschl. v. 9.7.2008 - 1
StR 280/08; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 265 Rdn. 24 m. w.
N.). Die Beobachtung dieser Förmlichkeit kann nur durch die Sitzungsniederschrift bewiesen werden (§ 274 StPO; vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.2014 - 5 StR 173/14; BGH, Beschl. v. 11.11.1993 – 4 StR 584/93 - BGHR StPO § 265 Abs. 2 Hinweispflicht 6; BGH, Urt. v. 27.5.1952 – 1 StR 160/52 - BGHSt 2, 371), so dass die abgegebenen dienstlichen Erklärungen ohne Bedeutung sind (vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.2014 - 5 StR 173/14; vgl. auch BGH, Urt. v. 15.11.1968 – 4 StR 190/68 - BGHSt 22, 278, 280). siehe auch: Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts, § 265 StPO Hat der Verteidiger in seinem Schlussvortrag auch zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus Stellung genommen und das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen aus seiner Sicht bejaht, kann bei dieser Sachlage auszuschließen sein, dass das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruhen könnte (vgl. BGH, Beschl. v. 26.5.1998 - 5 StR 196/98; BGH, Beschl. v. 9.7.2008 - 1 StR 280/08). siehe auch: Revisionsgründe, § 337 StPO |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 6. Titel (Maßregeln der Besserung und Sicherung) |
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