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§
243 StGB
Besonders schwerer Fall des
Diebstahls
(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, 2. eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, 3. gewerbsmäßig stiehlt, 4. aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, 5. eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, 6. stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder 7. eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 243 Abs. 1 StGB |
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5 |
... 1. zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, ... |
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5.2 |
Bei einem Einbruch muss der Täter zur Ausführung des Diebstahls zwar nicht in den umschlossenen Raum hineingelangen; vielmehr genügt, dass er die Wegnahme mittels eines Werkzeugs durch eine Öffnung des Raumes bewirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 22.8.1984 - 3 StR 209/84 - NStZ 1985, 217, 218; BGH, Beschl. v. 26.2.2014 - 4 StR 584/13). Erforderlich ist aber das gewaltsame, also das durch eine nicht unerhebliche körperliche Anstrengung verbundene Öffnen oder Erweitern eines Zugangs zu dem umschlossenem Raum (BGH, Beschl. v. 26.2.2014 - 4 StR 584/13; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 243 Rn. 20 mwN). | |
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5.3 |
Einsteigen in einen Raum ist über den engeren Sprachsinn hinaus jedes nur unter Schwierigkeiten mögliche Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung (BGH, Beschl. v. 27.7.2010 - 1 StR 319/10 - NStZ-RR 2010, 374, 375; BGH, Beschl. v. 26.2.2014 - 4 StR 584/13). Es erfordert, dass der Täter wenigstens einen Fuß in den Raum stellt; bloßes Hineingreifen oder Ähnliches genügt dagegen nicht (BGH, Beschl. v. 26.2.2014 - 4 StR 584/13 betr. 'Einsteigen' zum in 3,50 m Höhe gelegenen Ende des Entlüftungsrohres eines Kraftstofftanks; SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 243 Rn. 12 mwN). | |
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5.5 |
Ein
echter Schlüssel wird durch seinen bestimmungswidrigen
Gebrauch durch Dritte erst dann zu einem falschen Schlüssel im
Sinne des § 243
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB, wenn der Berechtigte dem
Schlüssel die Bestimmung zur ordnungsgemäßen
Öffnung des Raumes entzogen hat. Dies ist in der Regel nur der
Fall, wenn er zum Zeitpunkt der Verwendung des Schlüssels durch
den Täter das Abhandenkommen des Schlüssels bereits bemerkt
hatte (BGHR StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Schlüssel,
falscher 2; BGHSt 21, 189; BGH,
Beschl. v. 20.4.2005 - 1 StR 123/05;
LK-Ruß StGB 11. Aufl., § 243 Rdn. 13; Schmitz in
Münchener Kommentar zum StGB § 243 Rdn. 27). Die Annahme eines unbenannten schweren Falls des Diebstahls außerhalb der Regelbeispiele kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn der Angeklagte die Fahrzeuge mit 'richtigen', aber heimlich entwendeten bzw. unterschlagenen Schlüsseln entwendet hat (vgl. BGH, Beschl. v. 20.4.2005 - 1 StR 123/05; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 243 Rdn. 23). |
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5.10 |
Beim umschlossenen Raum kommt es nicht auf die Bestimmung zum Aufenthalt von Menschen, sondern nur darauf an, ob das räumliche Gebilde jedenfalls auch dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden (vgl. BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 484/14 Rn. 4; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 243 Rn. 13 mwN). Dies ist für Frachtcontainer zu bejahen (vgl. LK/Vogel aaO, § 243 Rn. 15). | |
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10 |
... 2. eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, ... | |
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10.2 |
Das
Regelbeispiel des § 243
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB setzt voraus,
daß die Sache durch eine (andere) Schutzvorrichtung gegen
Wegnahme besonders gesichert ist. Daran fehlt es, wenn die Vorrichtung
die Wegnahme nicht wesentlich erschwert. Das ist insbesondere dann der
Fall, wenn der Schlüssel im Schloss steckt, daneben liegt oder
sonst leicht erreichbar ist (vgl. BGH,
Beschl. v. 20.4.2005 - 1 StR 123/05;
Schmitz in Münchener Kommentar zum StGB § 243 Rdn.
35; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl., § 243 Rdn. 16). L E I T S A T Z Der Täter stiehlt auch dann eine durch ein verschlossenes Behältnis besonders gesicherte Sache, wenn er als Unberechtigter den ordnungsgemäß dafür vorgesehenen Schlüssel verwendet (BGH, Beschl. v. 5.8.2010 - 2 StR 385/10 - Ls. - NJW 2010, 3175). Dient das Behältnis nach seiner erkennbaren Zweckbestimmung wenigstens unter anderem auch zur Sicherung der darin aufbewahrten Sache gegen Diebstahl, wie es bei einem Tresor idealtypisch der Fall ist, dann ist das verschlossene Behältnis ein Spezialfall einer Schutzvorrichtung im Sinne der Vorschrift. Das Regelbeispiel setzt voraus, dass das Behältnis verschlossen ist. Weitere Sicherungen, etwa durch Wegschließen des Schlüssels, sind danach zu seiner Erfüllung nicht mehr erforderlich. Der Täter muss - sofern er nicht sogar die Sache mitsamt dem Behältnis stiehlt - die Sicherung überwinden, wobei es aber nicht darauf ankommt, wie er das bewirkt (vgl. BT-Drucks. IV/650 S. 403; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 243 Rn. 17). § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB betont nämlich die besondere Sicherung des Diebstahlsobjekts, während § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB besondere Arten der Tatausführung bei einer allgemeinen Sicherung des Gegenstands hervorhebt; auf eine besondere Gestaltung der Tathandlung über das Überwinden der Sicherung hinaus kommt es dagegen bei § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB nicht an (vgl. BGH, Beschl. v. 5.8.2010 - 2 StR 385/10 - NJW 2010, 3175; OLG Frankfurt, NJW 1988, 3028). Daher scheidet die Anwendung des Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall des Diebstahls wegen der Wegnahme einer Sache aus einem verschlossenen Behältnis auch dann nicht aus, wenn der Verschluss mit dem dafür vorgesehenen Schlüssel geöffnet wird. Allenfalls dann, wenn der Benutzer des Schlüssels zu dessen Verwendung befugt ist, könnte für ihn die Eigenschaft des Behältnisses als besondere Diebstahlssicherung entfallen (vgl. OLG Hamm, JR 1982, 119 mit abl. Anm. Schmid; Schmitz in MünchKomm, StGB, 2003, § 243 Rn. 35). Jedenfalls wenn ein Unbefugter den Schlüssel an sich nimmt und er damit das Behältnis öffnet, überwindet er die Diebstahlssicherung, die sich aus dem Verschlusszustand des Behältnisses ergibt (BGH, Beschl. v. 5.8.2010 - 2 StR 385/10 - NJW 2010, 3175; vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2010, 48; Fischer, StGB, § 243 Rn. 17; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 243 Rn. 32). |
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15 |
... 3. gewerbsmäßig stiehlt ... | |
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15.1 |
Gewerbsmäßig
stiehlt, wer sich durch die wiederholte Begehung von Diebstählen
eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang
verschaffen will (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.1951 - 4
StR
563/51 - BGHSt 1, 383; BGH, Beschl. v. 13.12.1995 - 2 StR 575/95 - BGHR
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Gewerbsmäßig 1 - NJW
1996, 1069; BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1, gewerbsmäßig
1, 5; BGH,
Urt. v. 14.11.2001 - 3 StR 352/01; BGH,
Urt. v. 27.5.2004 -
4 StR 41/04; BGH,
Beschl. v. 1.9.2009 - 3 StR 601/08 - NStZ 2010, 148;
BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 484/14 Rn. 7; BGH, Beschl.
v.
23.7.2015 – 3 StR 518/14 - NStZ-RR 2015, 341; BGH, Beschl. v.
24.8.2016 - 2 StR 6/16 Rn. 3).
Dabei muss die die Gewerbsmäßigkeit kennzeichnende
Wiederholungsabsicht gerade dasjenige Delikt betreffen, dessen
Tatbestand durch das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit
qualifiziert ist (vgl. Beschl. v. 24.8.2016 - 2 StR 6/16 Rn. 3; BGH,
Beschl. v. 13.12.1995 - 2 StR 575/95 - BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2
Gewerbsmäßig 1 - NJW 1996, 1069). Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt. Eine Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Deliktsbegehung setzt daher schon im Grundsatz nicht notwendig voraus, dass der Täter zur Gewinnerzielung mehrere selbstständige Einzeltaten der jeweils in Rede stehenden Art verwirklicht hat. Ob der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt hat, beurteilt sich vielmehr nach seinen ursprünglichen Planungen sowie seinem tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhalten über den gesamten ihm anzulastenden Tatzeitraum (vgl. BGH, Urt. v. 17.6.2004 - 3 StR 344/03 - BGHSt 49, 177 - NJW 2004, 2840, 2841; BGH, Beschl. v. 1.9.2009 - 3 StR 601/08 - NStZ 2010, 148). Erforderlich ist dabei stets, dass sich seine Wiederholungsabsicht auf dasjenige Delikt bezieht, dessen Tatbestand durch das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit qualifiziert ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.1995 - 2 StR 575/95 - NJW 1996, 1069; BGH, Beschl. v. 1.9.2009 - 3 StR 601/08 - NStZ 2010, 148; Fischer, StGB 56. Aufl. Vor § 52 Rdn. 62). Eine nachhaltige Gewinnerzielungsabsicht von einigem Gewicht kann sich auch auf die Erlangung von Nebeneinnahmen beziehen (vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1975, 725; BGH, Beschl. v. 20.3.2008 - 4 StR 63/08 - NStZ-RR 2008, 212). Eine Einnahmequelle kann sich auch verschaffen, wer wiederholt in strafrechtlich relevanter Weise erlangte Güter für sich verwendet, um sich so die Kosten für deren Erwerb zu ersparen (RG, Urt. v. 5.12.1919 - IV 985/19 - RGSt 54, 184, 185; BGH, Beschl. v. 23.3.1977 - 3 StR 70/77; BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 484/14 Rn. 7). Diente hingegen die Entwendung des Aufliegers nicht der Erschließung einer (weiteren) Einnahmequelle, sondern allein der besseren Verwertung der bereits aus einem vorangegangenen Diebstahl erzielten Tatbeute, genügt dies für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit nicht BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 484/14 Rn. 7). Die mehrfache Begehung von Taten reicht für eine gewerbsmäßige Tatbegehung allein nicht aus, insbesondere dann, wenn diese zeitlich weit auseinander liegen und sich bei vier Taten (nach dem Grundsatz in dubio pro reo) lediglich eine Beute von 131 € Bargeld und vier Mobiltelefonen im Wert von jeweils 100 € ergibt. Sind dem Urteil darüber hinaus ausdrückliche Feststellungen zum Bestreben, sich durch diese Taten eine wiederkehrende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen, nicht zu entnehmen, fehlt der Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung insoweit die tatsächliche Grundlage (vgl. Beschl. v. 24.8.2016 - 2 StR 6/16 Rn. 5). Ein Dieb handelt nicht allein deswegen gewerbsmäßig im Sinne des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB, weil er die in einem Akt erlangte Diebesbeute in mehreren Tranchen verwerten will. Erforderlich ist vielmehr, dass sich seine Wiederholungsabsicht auf den verwirklichten Tatbestand, mithin die Begehung von Diebstählen, bezieht (vgl. BGH, Beschl. v. 1.9.2009 - 3 StR 601/08 - NStZ 2010, 148; OLG Hamm NStZ-RR 2004, 335; OLG Köln NStZ 1991, 585). Gewerbsmäßigkeit setzt stets eigennütziges Handeln voraus und damit einen vom Täter erstrebten Zufluss von Vermögensvorteilen an sich selbst; es genügt daher nicht, wenn eine Einnahmequelle allein für Dritte geschaffen werden soll (vgl. BGH, Beschl. v. 10.11.2011 - 3 StR 323/11, Rn. 10; BGH, Beschl. v. 26.2.2014 - 4 StR 584/13). Ein lediglich mittelbarer Vorteil reicht zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit nur aus, wenn der Täter ohne weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus der Tat über Dritte verspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 26.2.2014 - 4 StR 584/13; BGH, Beschl. v. 7.9.2011 - 1 StR 343/11 - NStZ-RR 2011, 373; BGH, Beschl. v. 13.9.2011 - 3 StR 262/11 - StV 2012, 339, 342, jeweils mwN). Da die Gewerbsmäßigkeit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinn des § 28 Abs. 2 StGB darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.2011 - 3 StR 262/11 - StV 2012, 339, 342 mwN) kann der Gehilfe, bei dem sie fehlt, nicht allein deshalb nach § 244a Abs. 1 StGB bestraft werden, weil andere Bandenmitglieder oder Mittäter gewerbsmäßig gehandelt haben (vgl. BGH, Beschl. v. 26.2.2014 - 4 StR 584/13; SSWStGB/Kudlich, 2. Aufl., § 244a Rn. 9; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 244a Rn. 2b). |
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30 |
... 6. stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt ... |
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30.1 |
Der
Grund der Hilflosigkeit des Opfers ist ohne Bedeutung (BGH,
Urt. v.
11.3.2003 - 1 StR 507/02 - NStZ-RR 2003, 186). Daher fällt es
auch
unter das Regelbeispiel, wenn der Täter eine von ihm selbst aus
anderen Gründen herbeigeführte Hilflosigkeit des Opfers
für einen auf Grund neuen Entschlusses begangenen Diebstahl
ausnutzt (vgl. BGH,
Beschl. v. 19.2.2002 - 1 StR 28/02; BGH,
Urt. v.
11.3.2003 - 1 StR 507/02 - NStZ-RR
2003, 186). Die Hilflosigkeit einer Person kann auf Trunkenheit beruhen, etwa, wenn der Geschädigte alkoholbedingt nicht in der Lage war, aufzustehen und den Angeklagten Einhalt zu gebieten (vgl. BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 3; BGH, Urteil vom 1.2.1995 - 2 StR 657/94; BGH, Urt. v. 20.3.2003 - 4 StR 527/02 - NStZ 2003, 662; BGH, Urt. v. 21.12.2007 - 2 StR 372/07 - NStZ 2009, 35). Allein das hohe Alter des Tatopfers begründet für sich noch nicht Hilflosigkeit im Sinne dieser Vorschrift (BGH, Urt. v. 25.4.2001 - 3 StR 533/00 - NStZ 2001, 532). |
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45 |
Die
Annahme eines
Regelbeispiels bei einem Gehilfen kommt nur dann in
Betracht, wenn sich die Teilnahmehandlungen selbst als besonders
schwere Fälle darstellen (BGH StV 1996, 87). Es reicht deshalb
nicht aus, wenn lediglich der Haupttäter das Regelbeispiel
verwirklicht hat. Vielmehr ist anhand des konkreten Regelbeispiels in
einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob ein besonders schwerer
Fall vorliegt (vgl. BGH,
Beschl. v. 13.9.2007 - 5 StR 65/07 - wistra
2007, 461; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 105). Da § 243 StGB lediglich eine Strafrahmenerweiterung enthält, ist für die Anlastung besonders gefährlicher Begehungsweisen bzw. schutzobjektbezogener Erschwerungsgründe im Sinne des § 243 StGB ein entsprechender Vorsatz auch des Teilnehmers erforderlich (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.2017 - 4 StR 49/17 Rn. 3; Schönke/Schröder/ Eser/Bosch StGB § 243 Rn. 47; MüKoStGB/Schmitz StGB § 243 Rn. 82). Die tatbezogenen Umstände können also nur zugerechnet werden, wenn der Teilnehmer Kenntnis davon hatte (BGH, Beschl. v. 7.6.2017 - 4 StR 49/17 Rn. 3; BeckOK StGB/Wittig StGB § 243 Rn. 32). siehe auch: BGH, Beschl. v. 10.2.2009 - 3 StR 3/09 - NStZ-RR 2009, 278 |
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§ 243 Abs. 2 StGB |
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... (2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht. |
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55 |
Eine Sache ist geringwertig im Sinne von § 243 Abs. 2 StGB, wenn sie die Wertgrenze von 25 € nicht übersteigt (BGH, Beschl. v. 28.2.2001 - 2 StR 509/00 - wistra 2001, 303: "50 DM"; BGH, Beschl. v. 9.7.2004 - 2 StR 176/04; Fischer, StGB 56. Aufl. § 248 a StGB Rdn. 3). § 243 Abs. 2 StGB greift im Übrigen nicht ein, wenn Sachen ohne messbaren Verkehrswert gestohlen werden (vgl. BGH, Urt. v. 10.5.1977 - 1 StR 167/77 - NJW 1977, 1460, 1461), wie etwa Ausweispapiere (vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2012 - 1 StR 28/12). | |
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60 |
Bezog
sich die Tat auf eine geringwertige Sache und hat der
Angeklagte auch tatsächlich eine geringwertige Sache entwendet, so
ist der Diebstahl - jedenfalls sofern auch kein unbenannter besonders
schwerer Fall vorliegt - nur unter den Voraussetzungen des § 248a
StGB strafbar (vgl. BGH, Beschl. v. 26.2.2014 - 4 StR 577/13 betr. Diebstahl von 1 Flasche
Sherry und 3 Flaschen Bier; BGH, Beschl. v. 12.7.2011 - 1
StR 312/11; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 248a Rn. 2). § 248a StGB findet nach § 243 Abs. 2 StGB nur dann Anwendung, wenn sich der Vorsatz des Täters bei Tatbeginn bereits auf die Entwendung einer geringwertigen Sache beschränkt hatte (BGH, Urt. v. 3.4.1975 - 4 StR 62/75 - BGHSt 26, 104; BGHR StGB § 243 Abs. 2 Vorsatz 1). Hat der Täter unter erschwerenden Umständen (§ 243 Abs. 1 StGB) mit der Ausführung eines Diebstahls begonnen, ohne dabei seinen Vorsatz auf die Entwendung geringwertiger Sachen beschränkt zu haben, hat er dann aber, weil er nichts sonst Mitnehmenswertes fand, nur eine geringwertige Sache weggenommen, so "bezieht sich die Tat" nicht i.S.d. § 243 Abs. 2 StGB auf eine geringwertige Sache. Der § 248a StGB kann dann nicht eingreifen (vgl. BGH, Urt. v. 3.4.1975 - 4 StR 62/75 - BGHSt 26, 104; BGH, Beschl. v. 12.7.2011 - 1 StR 312/11). Hat der Angeklagte bei zwei gewerbsmäßig verübten Diebstählen jeweils eine Geldbörse entwendet hat, in der sich lediglich etwa 12 € Bargeld sowie Personalausweis, Führerschein und diverse Karten bzw. andere nicht näher bezeichnete persönliche Sachen befanden, war das Tatgericht an der Anwendung des sich aus § 243 Abs. 1 StGB ergebenden Strafrahmens nicht durch § 243 Abs. 2 StGB gehindert, auch wenn nach dieser Bestimmung trotz gewerbsmäßiger Begehungsweise (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) ein besonders schwerer Fall ausscheidet, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht. Insofern kommt es nicht auf den Wert der Geldbörsen und auf die Frage an, ob dieser zusammen mit dem jeweils entwendeten Bargeld noch unterhalb der Geringwertigkeitsgrenze (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 3.5.2011 - 1 StR 100/11 - StV 2011, 53) lag. Denn selbst wenn dem so war, wäre § 243 Abs. 2 StGB nur anwendbar, wenn zudem der Tatvorsatz des Angeklagten auf die Erlangung eines geringwertigen Gegenstandes gerichtet gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 27.8.1986 - 3 StR 264/86 - NStZ 1987, 71; Hohmann/Sander, BT-1, § 1 Rn. 185 f.). Dies aber kann vor allem unter Berücksichtigung mehrerer vergleichbarer Diebstähle und der dabei erzielten Beute auszuschließen sein (BGH, Beschl. v. 6.3.2012 - 1 StR 28/12). Zu § 248a StGB siehe: Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen, § 248a StGB |
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Konkurrenzen |
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K.1 |
Leitsatz
Gesetzeseinheit zwischen Diebstahl - im besonders schweren
Fall nach § 243
Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 2 StGB - und
Sachbeschädigung scheidet jedenfalls dann aus, wenn die
Sachbeschädigung bei konkreter Betrachtung von dem
regelmäßigen Verlauf eines Diebstahls im besonders schweren
Fall (§ 243
Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 2 StGB) abweicht, von einem
eigenständigen, nicht aufgezehrten Unrechtsgehalt geprägt ist
und sich deshalb nicht als sog. typische Begleittat erweist (BGH,
Urt.
v. 7.8.2001 - 1 StR 470/00 - Ls. - StV 2001, 673). Der 1. Strafsenat neigt überdies aus grundsätzlichen Erwägungen der Auffassung zu, daß das Vorliegen des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles des Diebstahls (hier nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn.1, 2 StGB) beim rechtlichen Zusammentreffen des Diebstahls mit einer Sachbeschädigung schon von vornherein nicht zur Konsumtion des Unrechts der Sachbeschädigung und damit zur Annahme von Gesetzeseinheit führen kann. Vielmehr besteht Tateinheit (BGH, Urt. v. 7.8.2001 - 1 StR 470/00 - Ls. - StV 2001, 673). siehe hierzu näher: § 303 StGB Rdn. K.1 - Sachbeschädigung und besonders schwerer Fall des Diebstahls |
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K.2 |
Liegt
bewaffneter Diebstahl vor, tritt § 243
StGB dahinter
zurück (BGHSt 33, 50, 53 m.w.N.). Dies steht der
strafschärfenden Berücksichtigung des Umstandes, daß
zugleich ein Hilfloser bestohlen wurde, nicht entgegen (vgl. BGHSt 21,
183, 185; BGH, Beschlüsse vom 19. November 1981 - 4 StR 498/81 und
vom 9. März 1977 - 3 StR 512/76); das gesteigerte Unrecht eines
bewaffnet begangenen Diebstahls steht in keinem inneren Zusammenhang
mit dem ebenfalls gesteigerten Unrecht eines Diebstahls zum Nachteil
eines Hilflosen (vgl. auch BGH b. Pfister NStZ - RR 2001, 365
m.N.; BGH,
Urt. v.
11.3.2003 - 1 StR 507/02 - NStZ-RR
2003, 186). siehe auch: Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl, Wohnungseinbruchdiebstahl, § 244 StGB |
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K.3 |
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K.3.1 |
Ein
Fall der natürlichen Handlungseinheit ist etwa gegeben, wenn
der Täter an ein und demselben Ort in ein und derselben Nacht
und auf dieselbe Weise
ersichtlich sofort hintereinander mehrere PKW aufgebrochen und
daraus
fremde Gegenstände entwendet hat (vgl. BGH NStZ 1996, 493, 494;
BGH,
Beschl. v. 6.6.2000 - 4 StR 91/00 - wistra 2000, 382; BGH,
Beschl.
v. 15.8.2001 - 3 StR 291/01 betr.
unmittelbar nacheinander auf einem
Parkplatz begangene Fahrzeugaufbrüche;
BGH, Beschl. v. 24.11.2010 - 2 StR 519/10 - BGHR StGB vor §
1/natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 16 -
wistra 2011, 99; vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.3.2012 - 3 StR 369/11).
Dem steht nicht entgegen,
daß sich die Angriffe gegen verschiedene Eigentümer
richteten (vgl. BGH,
Beschl. v. 6.6.2000 - 4 StR 91/00 -
wistra 2000,
382; BGH, Beschl. v. 24.11.2010 - 2 StR 519/10 - wistra 2011, 99). Gleiches gilt, wenn die Fahrräder verschiedener Geschädigter von den gesondert verfolgten B und C im Zuge einer Tatausführung im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang unter Einsatz eines mitgeführten Bolzenschneiders entwendet wurden. In einem solchen Fall liegt regelmäßig nur eine Diebstahlstat vor, so dass der Angeklagte A sich insoweit auch nur einer Beihilfe – durch Absicherung der Tatausführung von einem Fahrzeug aus – schuldig gemacht hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2012 - 4 StR 665/11; BGH, Beschl. v. 14.3.1969 – 2 StR 64/69 - BGHSt 22, 350, 351; BGH, Beschl. v. 10.2.2009 – 3 StR 3/09 - NStZ-RR 2009, 278; SSW-StGB/Kudlich, § 242 Rn. 61). Der Umstand, dass die Täter auch durch das gewaltsame Eindringen in die Tiefgaragen zugleich mit dem Beginn des Versuchs des Diebstahls auch das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB für einen besonders schweren Fall des Diebstahls verwirklicht haben, verbindet die Einzelakte der - teils vollendeten, teils versuchten - Wegnahmehandlungen in derselben Tiefgarage zu einer tateinheitlichen Handlung, weil Teilidentität der Ausführungshandlung gegeben ist (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.2010 - 2 StR 519/10 - wistra 2011, 99). siehe auch: § 52 StGB, Tateinheit |
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K.4 |
Dass
Diebstahl und Hehlerei rechtsethisch und psychologisch
vergleichbar sind und deshalb die Grundlage einer Wahlfeststellung
bilden können, ist anerkannt (BGHSt 1, 304; 9, 390, 392; 15, 63),
ebenso ist eine Wahlfeststellung zwischen - gewerbsmäßig
begangenem - Diebstahl nach §§ 242, 243
Abs. 1 Nr. 3 StGB und
gewerbsmäßiger Hehlerei nach § 260
Abs. 1 Nr. 1 StGB
zulässig (BGHSt 11, 26, 28; BGH NJW 1974, 804, 805; BGH, Urt. v.
9.7.1998 - 4 StR 250/98; BGH,
Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 -
NStZ 2000, 473). siehe auch: § 52 StGB, Tateinheit --> Wahlfeststellung; § 260 StGB, Gewerbsmäßige Hehlerei; Bandenhehlerei |
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K.4.1 |
Die
getroffene Postpendenzfeststellung benachteiligt den Angeklagten
unangemessen, wenn die von ihm möglicherweise begangenen
Diebstähle, die im Falle ihres Erwiesenseins einer Verurteilung
wegen gewerbsmäßiger Hehlerei entgegenstünden, wegen
Verjährung nicht mehr verfolgt werden können. Der
Zweifelssatz gebietet es deshalb, den Angeklagten so zu stellen, als
habe er diese Diebstähle begangen (BGH,
Beschl. v. 17.6.2003 - 3
StR 183/03 - wistra 2003, 430). siehe auch: § 52 StGB, Tateinheit --> Wahlfeststellung; In dubio pro reo |
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K.4.2 |
Nicht
zu entscheiden brauchte der Bundesgerichtshof, ob Vergehen nach
§§ 242, 243
Abs. 1 StGB mit dem Verbrechenstatbestand des
§ 260a
Abs.1 StGB noch als rechtsethisch vergleichbar angesehen
werden können, weil das Erfordernis der rechtsethischen
Gleichwertigkeit die annähernd gleiche Schwere der möglichen
Schuldvorwürfe (BGHSt 9, 390, 393) voraussetzt bzw. verlangt,
daß die mehreren in Betracht kommenden Verhaltensweisen die
gleiche sittliche Mißbilligung verdienen (vgl. BGHSt 21, 152,
154), was bei einer Alternativität zwischen Vergehens- und
Verbrechenstatbeständen zweifelhaft erscheint (vgl. BGH,
Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 500/99 -
NStZ 2000, 473; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 1 Rdn. 108). siehe auch: § 52 StGB, Tateinheit --> Wahlfeststellung; § 260a StGB, Gewerbsmäßige Bandenhehlerei |
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| K.5 |
Der sich aus dem gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten ergebende Erschwerungsgrund des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB tritt hinter den Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zurück (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 3.4.1970 - 2 StR 419/69 - NJW 1970, 1279, 1280 (insoweit in BGHSt 23, 239 nicht veröffentlicht); BGH, Beschl. v. 10.10.1984 - 2 StR 470/84 - BGHSt 33, 50, 53; BGH, Urt. v. 11.3.2003 - 1 StR 507/02 - NStZ-RR 2003, 186, 188; BGH, Beschl. v. 13.6.2017 - 3 StR 494/16 Rn. 4). | |
Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen § 243 Abs, 1 StGB:
3 Monate bis
10 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 5 Jahre 7 Monate 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 4 Jahre 2 Monate 2 Wochen 4 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 10 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe |
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S.2 |
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S.2.1 |
Die
indizielle Wirkung von Regelbeispielen kann durch andere
Strafzumessungsfaktoren, die die Regelwirkung entkräften,
dergestalt kompensiert werden kann, dass auf den normalen Strafrahmen
(§ 242
Abs. 1 StGB)
zurückzugreifen ist. Insbesondere kann auch das Vorliegen des
vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21
StGB jedenfalls im
Zusammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen
Anlaß geben, trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen
besonders schweren Fall zu verneinen (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3
Strafrahmenwahl 1 ff.; BGH,
Beschl. v. 24.4.2003 - 4 StR 94/03 - wistra
2003, 297; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.8.2015 - 3 StR 267/15 betr.
§ 23 Abs. 2 StGB; BGH, Beschl. v. 12.11.2015 - 2 StR 369/15: betr. § 46b
StGB; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 46
Rdn. 92
m.w.N.). Gegen ein Absehen von der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO können bei einer versuchten Tatbegehung etwa die mehrfachen einschlägigen Vorverurteilungen sowie der Umstand sprechen, dass der Angeklagte die Tat unter laufender Bewährung beging und seine Tat in eine Serie mit zwei weiteren vollendeten Taten eingebettet war (vgl. BGH, Beschl. v. 4.8.2015 - 3 StR 267/15; BGH, Urt. v. 8.4.2004 - 3 StR 465/03 - wistra 2004, 263). Der Tatrichter hat daher unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Regelbeispiels vorliegen oder nicht, stets darüber hinaus zu prüfen, ob auf Grund mildernder Umstände die Regelwirkung entfällt und deshalb der Normalstrafrahmen anzuwenden ist, und ob im Falle des Nichtvorliegens eines Regelbeispiels etwa im Blick auf besondere erschwerende Gesichtspunkte ein unbenannter besonders schwerer Fall anzunehmen ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.10.2003 - 1 StR 274/03 - BGHSt 48, 360 - NJW 2004, 169 - wistra 2004, 22). Bewegte sich die Tatbegehung des Diebstahls im Blick auf die objektiv von vornherein zu erwartende Rückgabe des gestohlenen Fahrzeugs im Grenzbereich zu § 248b StGB, muss der Umstand der tatsächlich erfolgten Rückgabe bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten berücksichtigt und auch erörtert werden. Dies gilt bereits für die Strafrahmenwahl, zumal angesichts dessen, dass die Erfüllung des Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB im untersten Bereich der denkbaren tatsächlichen Varianten lag (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2008 - 5 StR 482/08). Soweit ein Entfallen der Regelwirkung des § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB mit der Begründung versagt wird, dass die fehlende Tatvollendung "reiner Zufall" gewesen sei und eine Begünstigung des Angeklagten nicht rechtfertige, erscheint dies rechtlich bedenklich. Sofern hiermit nicht auf die Nähe zur Tatvollendung abgestellt, sondern dem Angeklagten angelastet wird, dass er die Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgab, stellt dies im Rahmen der gebotenen Gesamtschau keinen tauglichen Gesichtspunkt dar (BGH StV 1985, 411; BGH, Beschl. v. 6.2.2009 - 2 StR 340/08 - NStZ-RR 2009, 175). siehe hierzu näher: Grundsätze der Strafzumessung, § 46 StGB --> Regelbeispiel und Grunddelikt |
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S.3 |
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S.3.1 |
Der objektive Verkehrswert der gestohlenen Sache
zum Zeitpunkt der Tat stellt ein taugliches Strafzumessungskriterium
dar. Die Grenze der Geringwertigkeit nach § 243 Abs. 2 und § 248a StGB,
in der nach der gesetzlichen Wertung ein erheblich verminderter
Erfolgsunwert zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschl. v. 30.5.2017 - 3
StR 136/17; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5.
Aufl., Rn. 581), richtet sich ebenfalls nach diesem Wert (vgl. BGH,
Beschl. v. 29.10.1980 - 4 StR 534/80 - NStZ 1981, 62, 63; ferner RG,
Urt. v. 12.11.1917 - 1 D 437/17, GA 65 [1918], 545, 546; OLG
Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.1987 - 5 Ss 44/87 - 48/87 I - NJW 1987,
1958). Ist die Sache beim Gewahrsamsinhaber zum Verkauf bestimmt, so bemisst sich der objektive Verkehrswert nach ihrem konkreten Verkaufspreis als dem tatsächlichen Marktpreis (vgl. BGH, Beschl. v. 30.5.2017 - 3 StR 136/17; SSW-StGB/Kudlich, 3. Aufl., § 243 Rn. 43; MüKoStGB/Schmitz, 2. Aufl., § 243 Rn. 67; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 243 Rn. 58). Auch die im Einzelhandel ausgewiesene Umsatzsteuer ist dabei Bestandteil dieses Preises (BGH, Beschl. v. 30.5.2017 - 3 StR 136/17; s. AG Kassel, Urt. v. 12.12.2012 - 282 Ds - 2820 Js 13802/12 Rn. 35). Auf Wiederbeschaffungs- oder Herstellungskosten kommt es für die Verkehrswertbemessung hingegen nicht an (vgl. LK/Vogel, aaO). Das gilt umso mehr, als anderenfalls der Verkehrswert von schuldindifferenten Zufälligkeiten abhinge, beispielsweise davon, ob in Verkaufsräumlichkeiten Ware, die ein Kunde bereits an sich genommen hat, vor oder nach dem Bezahlvorgang gestohlen wird (BGH, Beschl. v. 30.5.2017 - 3 StR 136/17). Der 3. Strafsenat hat dabei unbeanstandet gelassen, dass das Landgericht davon abgesehen hatte, etwaige saisonbedingte Preisreduzierungen zur Verkaufsförderung in Abzug zu bringen, weil der dem zugrundeliegende Gedanke, dass der reguläre Verkaufspreis die Wertvorstellung der Marktteilnehmer prägt, sachlich nicht zu beanstanden sei (vgl. BGH, Beschl. v. 30.5.2017 - 3 StR 136/17). Bei Taten, bei denen der Angeklagte Gegenstände aus verschlossenen Fahrzeugen entwendete und deshalb der Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB Anwendung findet, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass durch die Taten jeweils Schäden in unterschiedlicher Höhe entstanden sind (sie reichten in den zugrundeliegenden Fällen von ca. 20 € bis zu 2.300 €). Der durch eine Tat verursachte Schaden ist aber ein für die Strafbemessung wesentlicher Umstand, der das Unrecht der Tat mitbestimmt und nicht außer Betracht bleiben darf (vgl. BGH, Beschl. v. 15.4.2014 - 2 StR 566/13). |
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S.3.3 |
Der Strafausspruch begegnet etwa Bedenken, wenn das Tatgericht seiner Strafzumessung für eine Serie von Einbruchsdiebstählen pauschal die Wertung einer „professionellen Vorgehensweise„ voranstellt, ohne dies für den nur an einer Tat der Serie beteiligten Angeklagten konkret zu erörtern und sich dies angesichts des festgestellten Tatbildes (Anmietung des Tatfahrzeugs unter Angabe seines Namens; Zurücklassung eines Beutegegenstands auf der Ladefläche des Tatfahrzeugs bei dessen Rückgabe) nicht von selbst versteht (vgl. BGH, Beschl. v. 16.9.2009 - 5 StR 348/09 - NStZ-RR 2010, 8). | |
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S.3.4 |
Wird die Nichtanwendung des gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens für den Versuch des Diebstahls damit begründet, dass der Angeklagte in das Fahrzeug der Geschädigten bereits eingedrungen gewesen sei "und die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben (habe)", ist das rechtsfehlerhaft, denn straferhöhend darf gemäß § 46 Abs. 3 StGB nicht gewertet werden, dass der Täter vom Versuch der Tat nicht strafbefreiend zurückgetreten ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.12.2007 - 2 StR 457/07 - wistra 2008, 220; Fischer StGB 55. Aufl. § 46 Rdn. 76 m.w.N.). | |
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S.4 |
Zur Relation der Strafhöhe der Einsatzstrafe und der Einzelstrafen bei vergleichbaren Delikten vgl. etwa BGH, Beschl. v. 10.3.2011 - 2 StR 669/10 | |
Urteil |
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U.1 |
Da
es sich um Regelbeispiele handelt, sind die Taten im Tenor nicht als
"besonders schwere Fälle" zu bezeichnen (vgl. BGH,
Beschl. v.
2.8.2000 - 3 StR 218/00; BGH,
Beschl. v. 28.3.2001 - 2 StR 101/01; BGH,
Beschl. v. 3.5.2001 - 4 StR 59/01 - StV 2001, 624; BGH,
Beschl. v.
25.7.2002 - 4 StR 242/02; BGH,
Beschl. v. 5.12.2002 - 3 StR 413/02;
BGH,
Beschl. v. 14.10.2003 - 3 StR 69/03; BGH,
Beschl. v. 17.6.2008 - 3
StR 221/08; BGH,
Beschl. v. 6.2.2009 - 2 StR 340/08 - NStZ-RR 2009,
175; BGH,
Beschl. v. 8.5.2009 - 2 StR 79/09; BGH, Beschl. v. 4.9.2012 -
3 StR 352/12; BGH, Beschl. v. 4.9.2012 - 3 StR 352/12;
Meyer-Goßner, StPO
55. Aufl. § 260 Rdn. 25). Die Verwirklichung des
Strafzumessungsgrunds gemäß § 243
StGB in den
Fällen des Diebstahls ist in den Schuldspruch nicht aufzunehmen
(vgl. BGH,
Urt. v. 18.6.2008 - 2 StR 115/08; BGH,
Beschl. v. 10.2.2009
- 3 StR 3/09 - NStZ-RR 2009, 278; BGH,
Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR
266/09; BGH,
Beschl. v. 1.12.2009 - 3 StR 470/09). Das Vorliegen
gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere Fälle
(hier: § 243
Abs. 1 StGB) ist nicht in die Urteilsformel
aufzunehmen; derartige Strafzumessungsvorschriften gehören nicht
zur rechtlichen Bezeichnung der Tat (ebenfalls st. Rspr.; vgl. BGH,
Beschl. v. 9.12.1998 - 3 StR 558/98 - NStZ 1999, 205; BGH, Urt. v.
31.5.2012 - 3 StR 104/12; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 54.
Aufl., § 260 Rn. 25). Der Hinweis auf
solche strafzumessungsrelevanten Merkmale ergibt sich
regelmäßig aus der Liste der angewendeten Vorschriften, die
der Entlastung des Tenors dient (BGHSt 27, 287, 289 f.). siehe hierzu im Einzelnen: Urteil, § 260 StPO ---> Urteilsformel ---> Vollständigkeit und Richtigkeit |
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Prozessuales | |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die
Verjährungsfrist für Diebstahl (§ 242
StGB)
beträgt fünf Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 4 StGB). Dass es
sich um besonders schwere Fälle (§ 243
StGB) handelt,
ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung (§ 78
Abs. 4
StGB). siehe auch: Verjährungsfrist § 78 StGB; Einstellung bei Verfahrenshindernissen, § 206a StPO |
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Z.3 |
|
Z.3.1 |
Ist
der Beschuldigte dringend verdächtig, wiederholt oder
fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende
Straftat nach § 243
StGB begangen zu haben und begründen
bestimmte Tatsachen die Gefahr, dass er vor rechtskräftiger
Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die
Straftat fortsetzen wird und ist Haft zur Abwendung der drohenden
Gefahr erforderlich, besteht der - gemäß § 112a
Abs. 2
StPO subsidiäre - weitere Haftgrund nach § 112a
Abs. 1 Nr. 2
StPO, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten
ist. Liegen die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls nach § 112 StPO vor und sind die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1, 2 StPO nicht gegeben, wird der Haftbefehl auch dann nach § 112 StPO erlassen, wenn Wiederholungsgefahr besteht (vgl. § 112a Abs. 2 StPO; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 112a Rdnr. 17). |
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Z.4 |
§ 245
StGB sieht bei Straftaten nach § 243
StGB die
Möglichkeit der Anordnung der Führungsaufsicht vor. Danach
kann, wenn der Angeklagte eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens
sechs Monaten verwirkt hat und die Gefahr besteht, daß er weitere
Straftaten begehen wird, - unbeschadet der Vorschriften über die
Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 67b,
67c,
67d
Abs. 2
bis 6 und 68f)
- neben der Strafe Führungsaufsicht angeordnet
werden (§ 68
StGB). Die Anordnung von Führungsaufsicht setzt die Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit des Angeklagten voraus (vgl. hierzu Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 68 Rdn. 6) und ist bei der Verhängung mehrjähriger Freiheitsstrafen in der Regel entbehrlich, weil in diesen Fällen entweder § 57 StGB oder § 68f StGB eingreift (vgl. BGHR StGB § 256 Führungsaufsicht 1; BGH, Beschl. v. 8.2.2000 - 4 StR 488/99; Fischer StGB 56. Aufl. § 68 Rdn. 6). siehe auch: § 68 StGB, Voraussetzungen der Führungsaufsicht |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
Auf § 243
StGB wird verwiesen in: § 244a StGB siehe auch: Schwerer Bandendiebstahl, § 244a StGB § 263 StGB siehe auch: Betrug, § 263 StGB § 266 StGB siehe auch: Untreue, § 266 StGB § 112a StPO siehe auch: Weitere Haftgründe, § 112a StPO |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 19. Abschnitt (Diebstahl und Unterschlagung) |
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