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§
218 StGB
Schwangerschaftsabbruch
(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder 2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht. (3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. (4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Allgemeines |
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5 |
Das
deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts in
den Fällen des § 218 StGB für Taten im Ausland, wenn der
Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im
räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (§ 5 Nr. 9
StGB). siehe auch: Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter, § 5 StGB |
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§ 218 Abs. 1 StGB |
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10 |
Die Grenzlinie der Anwendungsbereiche des § 218 StGB einerseits und der Tötungsdelikte andererseits wird ungeachtet der Aufhebung des § 217 StGB durch Art. 1 Nr. 35 des 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I, 164) auch heute noch durch die Geburt bestimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 2.11.2007 - 2 StR 336/07 - NStZ-RR 2009, 129). | |
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10.1 |
Maßgeblich für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 218 StGB einerseits und der Tötungsdelikte andererseits ist der Zeitpunkt, zu dem die auf die Herbeiführung des Erfolgs gerichtete Handlung des Täters auf das Opfer einwirkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst der Tatbestand weiterhin sowohl die Abtötung der Leibesfrucht im Mutterleib als auch die Tötung durch dessen Abtreibung (BGH, Urt. v. 12.5.1953 - 1 StR 796/52; BGHSt 10, 5 f.; 13, 21, 24; 31, 348, 352); daher kommt es für die Abgrenzung der zweiten Alternative zu den Tötungsdelikten weiterhin auf den Zeitpunkt der Einwirkung an. Diese Rechtsprechung, für die auch die gesetzliche Regelung des § 8 Satz 2 StGB spricht, vermeidet, dass es von dem für den Täter ganz zufälligen Ablauf des physiologischen Vorgangs - Eintritt des Todes vor oder nach der Geburt - abhängt, ob er wegen eines Tötungsdelikts oder wegen Schwangerschaftsabbruchs zu bestrafen ist (vgl. BGHSt 31, 348, 352; BGH, Beschl. v. 2.11.2007 - 2 StR 336/07 - NStZ-RR 2009, 129). | |
§ 218 Abs. 2 StGB |
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... (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder 2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht. ... |
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55 |
Die Annahme eines Regelbeispiels bei einem Gehilfen kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Teilnahmehandlungen selbst als besonders schwere Fälle darstellen (BGH StV 1996, 87). Es reicht deshalb nicht aus, wenn lediglich der Haupttäter das Regelbeispiel verwirklicht hat. Vielmehr ist anhand des konkreten Regelbeispiels in einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.2007 - 5 StR 65/07 - wistra 2007, 461; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 105). | |
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60 |
siehe dazu: Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln, § 15 StGB --> Rdn. 65 | |
Konkurrenzen |
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K.1 |
Leitsatz
Wird der Schwangerschaftsabbruch durch eine
gefährliche Körperverletzung in der Alternative der
lebensgefährdenden Behandlung herbeigeführt, so stehen beide
Delikte in Tateinheit zueinander (BGH, Beschl. v. 22.6.2007 - 2 StR
203/07 - Ls. - NStZ 2008, 32). siehe zur lebensgefährdenden Behandlung: Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB |
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Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen § 218 Abs. 1 StGB:
1 Monat bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360
Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB: 1 Monat bis 2 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung): 1 Monat bis 1 Jahr 8 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung): 1 Monat bis 1 Jahr 3 Monate 5 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB: 1 Monat bis 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen Strafrahmen § 218 Abs. 2 StGB: 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 1 Monate 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe Strafrahmen § 218 Abs. 3 StGB: 1 Monat bis 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 9 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 6 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 5 Monate 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die Verjährungsfrist für § 218 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Der Strafrahmen des § 218 Abs. 2 StGB betrifft besonders schwere Fälle und bleibt bei der Bestimmung der Verjährungsfrist unberücksichtigt (§ 78 Abs. 4 StGB). Begeht die Schwangere die Tat, beträgt die für § 218 Abs. 3 StGB geltende Verjährungsfrist drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). § 218 Abs. 4 StGB, der die Versuchsstrafbarkeit zum Gegenstand hat, kann insoweit nur über die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (§ 49 StGB) zu einer Änderung des Ausgangsstrafrahmens führen und ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich (§ 78 Abs. 4 StGB). | |
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Z.2 |
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Z.2.1 |
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Z.2.1.1 |
Werden
bei einem Arzt Gegenstände im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 StPO
gefunden, die den Schwangerschaftsabbruch einer Patientin betreffen, ist gemäß § 108 Abs. 2 StPO ihre Verwertung zu Beweiszwecken in einem Strafverfahren gegen die Patientin wegen einer Straftat nach § 218 StGB unzulässig. siehe auch: Beschlagnahme anderer Gegenstände, § 108 StPO |
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Z.6 |
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Z.6.1 |
Nach
§ 255a Abs. 2 StPO kann in Verfahren wegen Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184j StGB) oder
gegen das Leben (§§ 211 bis 222 StGB), wegen Misshandlung von
Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) oder wegen Straftaten gegen die
persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a StGB die
Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der
Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung
ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit
hatten, an dieser mitzuwirken. Eine ergänzende Vernehmung des
Zeugen ist zulässig. siehe auch: § 255a StPO, Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
Auf § 218 StGB wird verwiesen in: § 5 Nr. 9 StGB siehe auch: Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter, § 5 StGB § 108 StPO siehe auch: Zufallsfunde, § 108 StPO § 255a StPO siehe auch: § 255a StPO, Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 16. Abschnitt (Straftaten gegen das Leben) |
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