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§
125a StGB
Besonders schwerer Fall des
Landfriedensbruchs
In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine Schußwaffe bei sich führt, 2. eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, 3. durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder 4. plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundegerichtshofs können die Regelbeispiele des § 125a Satz 2 StGB nur eigenhändig verwirklicht werden (vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.1976 - 3 StR 333/76 - BGHSt 27, 56; BGH, Beschl. v. 9.9.1997 - 1 StR 730/96 - BGHSt 43, 237, 240; BGH, Urt. v. 22.1.2015 - 3 StR 233/14; BGH, Beschl. v. 2.12.2015 - 2 StR 310/15; so auch MüKoStGB/Schäfer aaO, § 125a Rn. 14; SK-StGB/Stein/Rudolphi [Stand: Oktober 2013], § 125a Rn. 6g; NK-StGB-Ostendorf aaO, § 125a Rn. 8; LK/Krauß aaO, § 125a Rn. 2; aA S/S-Sternberg-Lieben aaO, § 125a Rn. 6; offen gelassen von BGH, Beschl. v. 4.2.2003 - GSSt 1/02 - BGHSt 48, 189, 194 f.). Ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte selbst eines der Regelbeispiele in eigener Person verwirklicht hat, ist für die Annahme eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs insoweit kein Raum (BGH, Beschl. v. 2.12.2015 - 2 StR 310/15), was etwa zur Folge haben kann, dass der Landfriedensbruch nach § 125 Abs. 1 StGB aufgrund der Subsidiaritätsklausel hinter die vom Angeklagten verwirklichte gefährliche Körperverletzung zurücktritt, wenn nicht das Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs nach § 125a Satz 1 StGB zu bejahen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 2.12.2015 - 2 StR 310/15). | |
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Ein in Verwendungsabsicht mitgeführter, besenstielähnlicher, ca. 50 bis 80 cm langer Holzstock ist eine Waffe und erfüllt die Voraussetzungen für das Regelbeispiel i.S.d. § 125a S. 2 Nr. 2 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2000 - 5 StR 664/99 - NStZ 2000, 307). | |
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Eine
Plünderung
liegt nach der in § 125a Satz 2 Nr. 4
StGB gebrauchten Umschreibung (BTDrucks. 14/8524 S. 31) vor, wenn unter
Ausnutzung der Gesamtsituation fremde bewegliche Sachen gestohlen oder
einem anderen in Zueignungsabsicht abgenötigt werden (vgl. BGH
JZ 1952, 369; BGH,
Beschl. v. 17.6.2010 - AK 3/10). siehe auch: § 9 VStGB, Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte --> Rdn. 10 |
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Außerhalb der in § 125a StGB genannten Regelbeispiele kommt eine Verurteilung wegen eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs namentlich dann in Betracht, wenn der Täter Rädelsführer der Menschenmenge ist (BGH, Beschl. v. 7.5.1998 – 4 StR 88/98; BGH, Urt. v. 24.3.2011 - 4 StR 670/10). | |
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Die Annahme eines Regelbeispiels bei einem Gehilfen kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Teilnahmehandlungen selbst als besonders schwere Fälle darstellen (BGH StV 1996, 87). Es reicht deshalb nicht aus, wenn lediglich der Haupttäter das Regelbeispiel verwirklicht hat. Vielmehr ist anhand des konkreten Regelbeispiels in einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.9.2007 - 5 StR 65/07 - wistra 2007, 461; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 105). | |
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Die
Subsidiaritätsklausel des § 125
StGB greift auch
dann ein, wenn ein besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs nach
§ 125a StGB vorliegt. Diese Vorschrift ist kein den
Landfriedensbruch qualifizierender Tatbestand, sondern eine
Strafzumessungsregel (BGHR StGB § 125 a Konkurrenzen 1; BGH,
Beschl. v. 7.4.2005 - 2 StR 537/04). siehe dazu näher und m.w.N.: Landfriedensbruch, § 125 StGB Scheidet eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall aus, so kommt eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs nach § 125 Abs. 1 StGB nicht in Betracht, weil die Tat schon aufgrund der Strafbarkeit nach § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 27 Abs. 1 StGB in einer anderen Vorschrift mit höherer Strafe bedroht ist, als der Strafrahmen des § 125 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) vorsieht; die Strafbarkeit wegen Landfriedensbruchs tritt deshalb aufgrund der Subsidiaritätsklausel in § 125 Abs. 1 aE StGB zurück (BGH, Urt. v. 22.1.2015 - 3 StR 233/14). |
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Strafzumessung |
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S.1 |
§ 125a StGB: 6 Monate bis 10
Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 5 Jahre 7 Monate 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 4 Jahre 2 Monate 2 Wochen 4 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 10 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe |
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S.3 |
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S.3.1 |
Bei
der Strafzumessung kann auch das Tatbild als solches mit zu
berücksichtigen sein (vgl. BGH,
Urt. v. 22.2.2000 - 5 StR
664/99 - NStZ 2000, 307: betr.
Strafzumessung im Zusammenhang mit der
Besetzung des israelischen Generalkonsulats durch Anhänger der
PKK in Berlin). Zu Lasten des Angeklagten kann im Rahmen der Strafzumessung die Erfüllung zweier Regelbeispiele des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs (etwa § 125a Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 StGB) zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.2013 - 2 StR 119/13). |
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S.3.4 |
Die
straferschwerende Berücksichtigung der
"Gefährlichkeit der einsatzbereiten Schußwaffe"
verstößt gegen § 46
Abs. 3 StGB, wenn eine
einsatzbereite Schußwaffe bereits Tatbestandsmerkmal ist
(vgl. BGH,
Urt. v. 14.11.2001 - 3 StR 352/01 betr. § 30a Abs.
2 Nr. 2 BtMG). Rechtsfehlerhaft ist die Wertung zu Lasten des Angeklagten, dass sich seine Angriffshandlungen gegen „Repräsentanten des Staats“ richteten, die hierzu „keinerlei Anlass“ gegeben hatten. Diese Erwägung stößt auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.1980 - 2 StR 355/80 - BGHSt 29, 319, 320; BGH, Beschl. v. 24.5.2006 - 5 StR 158/06 Rn. 4) auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Schon die strafschärfende Erwägung, dass sich die Angriffe gegen „Repräsentanten des Staates“ richteten, ist mit im Blick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) nicht unbedenklich. Sie lässt besorgen, dass der Umstand, dass es sich bei den Geschädigten um Polizeibeamte handelte, noch einmal zu Lasten des Angeklagten eingestellt wird, obgleich schon der Tatbestand des § 113 StGB eine gegen einen Amtsträger der Bundesrepublik gerichtete Handlung voraussetzt. Im Übrigen wird man auch kaum annehmen können, Gewalttätigkeiten, die im Rahmen eines (schweren) Landfriedensbruchs gegen Unbeteiligte oder sonstige Dritte begangen werden, verwirklichten eine „geringere“ Schuld als Gewalt gegen Polizeibeamte (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.2013 - 2 StR 119/13). |
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Urteil |
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U.2 |
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U.2.1 |
Bei Bejahung der Schusswaffeneigenschaft muss festgestellt werden, dass die Waffe den Ausschuß nach vorne durch den Lauf hatte, wenn es sich trotz der mitgeteilten Typenbezeichnung noch um ein älteres Modell mit seitlichen oder obenliegenden Ausschußöffnungen handeln kann, das nach ständiger Rechtsprechung die Voraussetzungen einer Schußwaffe nicht erfüllen würde (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2001 - 3 StR 352/01; Weber, BtMG § 30 a Rdn. 116 m.w.Nachw.). | |
Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Der Strafrahmen des § 125a StGB betrifft besonders schwere Fälle und bleibt bei der Bestimmung der Verjährungsfrist unberücksichtigt (§ 78 Abs. 4 StGB). Diese beträgt für Landfriedensbruch (§ 125 StGB) fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). | |
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Z.3 |
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Z.3.1 |
Ist
der Beschuldigte dringend verdächtig, wiederholt oder
fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend
beeinträchtigende Straftat nach § 125a StGB begangen
zu haben und begründen bestimmte Tatsachen die Gefahr, dass er
vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten
gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen wird und ist Haft zur
Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich, besteht der -
gemäß § 112a
Abs. 2 StPO
subsidiäre - weitere Haftgrund nach § 112a
Abs. 1 Nr.
2 StPO, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten
ist. Liegen die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls nach § 112 StPO vor und sind die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1, 2 StPO nicht gegeben, wird der Haftbefehl auch dann nach § 112 StPO erlassen, wenn Wiederholungsgefahr besteht (vgl. § 112a Abs. 2 StPO; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 112a Rdnr. 17). |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 125a StGB wird verwiesen auf: § 125 StGB siehe auch: Landfriedensbruch, § 125 StGB Auf § 125a StGB wird verwiesen in: § 126 StGB siehe auch: § 126 StGB, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten § 112a StPO siehe auch: Weitere Haftgründe, § 112a StPO |
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Z.8.2 |
§ 125a StGB wurde mit Wirkung vom 30.5.2017 geändert durch das zweiundfünfzigste
Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Stärkung des Schutzes von
Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vom 23. Mai 2017 (BGBl. I S. 1226). Zuvor hatte die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 125a StGB Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine Schußwaffe bei sich führt, 2. eine andere Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, um diese oder dieses bei der Tat zu verwenden, 3. durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder 4. plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet." ---------- § 125a StGB wurde zuvor mit Wirkung vom 5.11.2011 geändert durch das vierundvierzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vom 1. November 2011, BGBl. I S. 2130. Zuvor hatte die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 125a StGB Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs In besonders schweren Fällen des § 125 Abs. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. eine Schußwaffe bei sich führt, 2. eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, 3. durch eine Gewalttätigkeit einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder 4. plündert oder bedeutenden Schaden an fremden Sachen anrichtet." |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 7. Abschnitt (Straftaten gegen die öffentliche Ordnung) |
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