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§
74a StGB
Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen
Verweist ein Gesetz auf diese Vorschrift, können Gegenstände abweichend von § 74 Absatz 3 auch dann eingezogen werden, wenn derjenige, dem sie zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen, 1. mindestens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass sie als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen sind, oder 2. sie in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben hat. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Überblick zur Darstellung zu § 74 StGB aF | site sponsoring |
§ 74a StGB | |
Verweisungen auf § 74a StGB | |
Verweisung in § 375 Abs. 2 Satz 2 AO | |
Verhältnismäßigkeit | |
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Ermessen | |
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Änderungen § 74a StGB |
§ 74a StGB |
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10 |
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10.5 |
Die Verweisung in § 375 Abs. 2 Satz 2 AO auf
§ 74a
StGB ermöglicht, dass Gegenstände auch dann eingezogen werden
können, wenn derjenige, dem sie zur Zeit der Entscheidung
gehören oder zustehen, wenigstens leichtfertig dazu beigetragen
hat, dass die Sache oder das Recht Mittel oder Gegenstand der Tat oder
ihrer Vorbereitung gewesen ist (§ 74a Nr. 1 StGB; vgl. BGH,
Beschl. v. 11.5.2016 - 1 StR 118/16 Rn. 16). Beispiel (Einziehung des PKW): Der sichergestellte Pkw Audi Q5 stand im Eigentum des Einziehungsbeteiligten und dieser handelte in dem Wissen, dass sein Fahrzeug Lkw begleitet, die unversteuerte Zigaretten über die deutsch-polnische Grenze bringen. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Einziehungsbeteiligte dem Angeklagten nicht nur am Festnahmetag seinen Pkw zur Verfügung gestellt und ihn bei der Durchführung des Zigarettentransports begleitet. Vielmehr wurde sein Pkw schon zuvor bei Observationen mehrfach als Begleitfahrzeug festgestellt, wobei der Einziehungsbeteiligte mindestens drei Mal als einziger Insasse mit seinem Pkw einen Zigarettentransport begleitete (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2016 - 1 StR 118/16 Rn. 16). |
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15 |
Nach § 74b Abs. 2 StGB hat das Gericht in den Fällen der §§ 74 und 74a StGB anzuordnen, dass die Einziehung (lediglich) vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden kann. § 74b Abs. 2 StGB hat - anders als die Absätze 1 und 3 dieser Norm - als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BVerfG NJW 1996, 246) auch in Fällen obligatorischer Einziehung zwingenden Charakter (BGH NStZ 1981, 104; BGH, Beschl. v. 28.11.2008 - 2 StR 501/08 - BGHSt 53, 69 - NJW 2009, 692). | |
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siehe dazu: §
15 StGB, Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln - Rdn. 65 ff. -
Leichtfertigkeit
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30 |
Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen,
dass sich
das Tatgericht bewusst war, dass es sich bei der Einziehung um eine
Ermessensentscheidung handelt und dass sie von diesem Ermessen Gebrauch
gemacht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2016 - 1 StR 118/16 Rn. 17; vgl.
auch BGH, Beschl. v. 23.8.2011 – 4 StR 385/11; BGH, Beschl.
v. 4.1.1994 – 4 StR 718/93 - BGHR StGB § 74 Abs. 1 StGB
Ermessensentscheidung 1). Bei der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens ist nach § 74b StGB insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BGH, Beschl. v. 16.11.1982 – 5 StR 427/82). Erforderlich ist insoweit eine Gesamtwürdigung aller Umstände; die Anknüpfung im Fall der Steuerhinterziehung allein an den Hinterziehungsbetrag genügt nicht (vgl. vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2016 - 1 StR 118/16 Rn. 18; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 375 AO Rn. 66). Das Tatgericht hat sowohl die Bedeutung der Tat wie auch den persönlichen Schuldvorwurf des von der Einziehung Betroffenen zu würdigen und mit der Schwere des in der Einziehung des Gegenstands liegenden Eingriffs zu vergleichen (vgl. BT-Drucks. V/1319 S. 56 zu § 40b StGB aF). Die Schwere des Eingriffs ergibt sich dabei hauptsächlich aus dem objektiven Wert der Sache, deren Einziehung in Frage steht, den Umständen, unter denen der Betroffene sie erworben hat, und ihrer Bedeutung für seine Lebensgestaltung (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2016 - 1 StR 118/16 Rn. 18; Joecks aaO). Beispiel: Bei der Einziehung eines PKW, das als Begleitfahrzeug bei einem "Zigarettenschmuggel" verwendet wurde, ist in die gebotene Gesamtwürdigung daher einzubeziehen, welchen objektiven Wert das Fahrzeug hat, unter welchen Umständen der Einziehungsbeteiligte es erwarb, ob er die Kosten für den Eigentumserwerb trug und ob ihm der Pkw gerade zur Mithilfe bei den verfahrensgegenständlichen Steuerstraftaten zur Verfügung gestellt wurde. Zudem war im Rahmen der Ermessenausübung in den Blick zu nehmen, dass ausgehend von den Urteilsfeststellungen gemäß § 71 AO eine Haftung des Einziehungsbeteiligten für die verkürzten Steuern als Mittäter oder Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2016 - 1 StR 118/16 Rn. 18; vgl. auch Heine in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 375 AO Rn. 35). |
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Prozessuales |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 74a StGB wird verwiesen auf: § 74 StGB siehe auch: Einziehung von Gegenständen, § 74 StGB Auf § 74a StGB wird verwiesen in: § 74b StGB siehe auch: Verhältnismäßigkeit, § 74b StGB § 75 StGB siehe auch: Sondervorschrift für Organe und Vertreter, § 75 StGB § 92b StGB siehe auch: § 92b StGB, Einziehung § 129b StGB siehe auch: Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Erweiterter Verfall und Einziehung, § 129b StGB § 184b StGB siehe auch: Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften, § 184b StGB § 261 StGB siehe auch: Geldwäsche, § 261 StGB § 33 BtMG siehe auch: § 33 BtMG, Erweiterter Verfall und Einziehung § 98 AMG § 36 Abs. 2 AWG § 21 GÜG § 24 Abs. 1 KWKG siehe auch: Einziehung und erweiterter Verfall, § 24 KWKG § 22b Abs. 3 StVG § 110 UrhG § 54 Abs. 3 WaffG siehe auch: Einziehung und erweiterter Verfall, § 54 WaffG |
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Z.8.2 | |
§ 74a StGB wurde mit Wirkung vom 1.7.2017
geändert
durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung
vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872).
Zuvor hatte
die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 74a StGB Erweiterte Voraussetzungen der Einziehung Verweist das Gesetz auf diese Vorschrift, so dürfen die Gegenstände abweichend von § 74 Abs. 2 Nr. 1 auch dann eingezogen werden, wenn derjenige, dem sie zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen, 1. wenigstens leichtfertig dazu beigetragen hat, daß die Sache oder das Recht Mittel oder Gegenstand der Tat oder ihrer Vorbereitung gewesen ist, oder 2. die Gegenstände in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben hat." | |
Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 7. Titel (Verfall und Einziehung) |
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