www.wiete-strafrecht.de |
|
§
31 StGB
Rücktritt vom Versuch der
Beteiligung
(1) Nach § 30 wird nicht bestraft, wer freiwillig 1. den Versuch aufgibt, einen anderen zu einem Verbrechen zu bestimmen, und eine etwa bestehende Gefahr, daß der andere die Tat begeht, abwendet, 2. nachdem er sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hatte, sein Vorhaben aufgibt oder, 3. nachdem er ein Verbrechen verabredet oder das Erbieten eines anderen zu einem Verbrechen angenommen hatte, die Tat verhindert. (2) Unterbleibt die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden oder wird sie unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen, so genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Tat zu verhindern. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
|
|
5 |
|
5.1 |
Zwar
kann im Allgemeinen bloßes
Untätigwerden nicht
zur Straflosigkeit des Täters nach § 31 StGB
führen. Für den strafbefreienden Rücktritt
nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 StGB genügt aber das
bloße Aufgeben der Einwirkung auf den Anderen, solange dieser
noch keinen Tatentschluss gefasst hat und auch keine Gefahr entstanden
ist, dass er die Tat begeht (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 289; BGH,
Beschl.
v. 6.9.2007 - 4 StR 409/07). Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs wäre ein Rücktritt allerdings dann
ausgeschlossen, wenn der Anstiftungsversuch
fehlgeschlagen war (vgl.
BGHR StGB § 31 Abs. 1 Nr. 1 Bestimmungsversuch,
fehlgeschlagener m.w.N.). Ein solcher fehlgeschlagener Versuch liegt
aber dann nicht vor, wenn der Täter nach anfänglichem
Misslingen des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu der Annahme
gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den
bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die
Anstiftung noch vollenden
(„Rücktrittshorizont“, vgl. BGHSt 39, 221,
227 m.N.; BGHSt 39, 221, 228; BGHR aaO; BGH,
Beschl.
v. 6.9.2007 - 4 StR 409/07). siehe zum Rücktrittshorizont auch § 24 StGB --> Rdn. 5.1.1. ff. - Rücktrittshorizont und zum fehlgeschlagenen Versuch § 24 StGB --> Rdn. 20 ff. - Fehlgeschlagener Versuch |
|
|
5.2 |
Der Freiwilligkeit des
Rücktritts steht nicht entgegen, dass die
Angeklagte ihr Vorhaben aufgab, weil sie feststellte, dass sich ihr
früherer Lebensgefährte von ihr abgewendet hatte.
Denn auch hierin liegt ein autonomes Motiv der Abstandnahme von der
Tatausführung (vgl. BGH,
Beschl. v. 30.10.2008 - 5 StR 345/08
- NStZ 2009, 392). siehe zur Freiwilligkeit des Rücktritts auch: § 24 StGB --> Rdn. 10.1.1. ff. - Freiwilligkeit Eine freiwillige Aufgabe des Vorhabens im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. BGH NStZ 1998, 510; Fischer, StGB 57. Aufl. § 24 Rdn. 19a) ist etwa ausgeschlossen, wenn die Angestellten des Autohauses die Eingangstüren verschlossen, nachdem sie die Angeklagten gesehen und wegen eines sechs Wochen zuvor erfolgten Überfalls den Verdacht eines bevorstehenden neuerlichen Überfalls geschöpft hatten, die Angeklagten, die zu dieser Zeit etwa fünf bis sechs Meter von der vorderen Ladentür entfernt waren, dies bemerkten und die weitere Tatausführung abbrachen, weil sie erkannten, dass ein Überfall auf das Autohaus jetzt nicht mehr möglich war (vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2010 - 5 StR 506/09). |
|
|
20 |
|
20.1 |
Der
Angeklagte muss, um
nach dieser Vorschrift Straflosigkeit zu erlangen, sein Vorhaben
lediglich aufgegeben haben. Insoweit verlangt das Gesetz weniger als
die bis Ende 1974 geltende Vorgängerregelung des §
49a Abs. 3
Nr. 3 StGB, wonach ein Widerruf der Erklärung geboten war,
durch
die der Täter sich zu einem Verbrechen bereit erklärt
hatte.
Die Aufgabe des Vorhabens ist vom Tatgericht – wie andere
innere
Tatsachen – beweiswürdigend aus den gesamten
Umständen
festzustellen. Das Erfordernis einer Erkennbarkeit nach außen
ist
– entgegen der im Gesetzgebungsverfahren
geäußerten
Vorstellung (BT-Drucks. IV/650, 155) – dem Gesetzeswortlaut
nicht
zu entnehmen (BGH, Beschl. v. 16.3.2011 - 5 StR 581/10; Roxin,
Strafrecht AT II [2003], S. 324 Rn. 98 bis 100; im Ergebnis ebenso die
weit überwiegende Meinung in der Literatur: vgl. nur
Schünemann, aaO, § 31 Rn. 16 f.; Heine in
Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 31 Rn.
8; Hoyer in
SK-StGB, 7. Aufl., § 31 Rn. 14 f.; Fischer, aaO, § 31
Rn. 4;
Joecks in MK-StGB, § 31 Rn. 18; aA Lackner/Kühl,
StGB, 27.
Aufl., § 31 Rn. 4 mN weiterer gegenteiliger Auffassungen). Die Aufgabe eines Entschlusses und deren äußere Erkennbarkeit sind ebenso zweierlei wie das Fassen eines Tatentschlusses und dessen Hervortreten nach außen (Roxin, aaO, Rn. 100). Es spricht gegen eine freiwillige Aufgabe des Vorhabens, wenn ein Beschuldigter bei Tatvorbereitungen entdeckt wird oder scheitert, während der Abbruch Erfolg versprechender Vorbereitungen oder ein Untätigbleiben, wo nach der Bereiterklärung wenigstens vorbereitende Aktivitäten zu erwarten gewesen wären, auf einen freiwilligen Rücktritt deuten (BGH, Beschl. v. 16.3.2011 - 5 StR 581/10; Roxin, aaO). |
|
|
30 |
|
30.3 |
Die Voraussetzungen für den Rücktritt von der Verbrechensverabredung nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechen denjenigen des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB; in beiden Fällen wird der Täter straflos, wenn er die Tat verhindert. Die Verhinderung setzt zwar in der Regel ein aktives, auf Verhinderung der Tatvollendung abzielendes Verhalten des Täters voraus; bloßes Nicht-Weiterhandeln reicht aber aus, wenn sämtliche Tatbeteiligte dahin übereinkommen, von der Tat (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB) oder von ihrer Vollendung (§ 24 Abs. 2 Satz 1 StGB) abzusehen (BGH, Urt. v. 14.5.1996 – 1 StR 51/96 - BGHSt 42, 158, 162; BGH, Beschl. v. 7.9.2016 - 1 StR 202/16 Rn. 4). | |
|
30.5 |
Dass der Angeklagte die präsumtive Tat im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB verhindert hat, kann auszuschließen sein, wenn er zwar seinen Mittäter dergestalt belastet hat, dass der bis dahin nicht unter Tatverdacht stehende Tatgenosse in Untersuchungshaft genommen werden konnte, hierin indes kein freiwilliger Verzicht auf das Verbrechen zu erkennen ist, weil dieses nach der erfolgten polizeilichen Durchsuchung und Beschlagnahme nicht mehr ausführbar war. Die Abstandnahme beruhte demnach vorgreiflich auf äußerem Zwang. Solches steht der Anwendung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 StGB entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1958 – 2 StR 500/58 - BGHSt 12, 306, 308) und verhindert auch die Annahme, dass sich der Angeklagte freiwillig im Sinne des § 31 Abs. 2 StGB bemüht hat, die Tat zu verhindern (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2012 - 5 StR 559/11). | |
|
35 |
L E I T S A T Z
Glaubt der Anstifter, sein objektiv fehlgeschlagener
Bestimmungsversuch sei gelungen, so richtet sich sein
Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 Abs.
2 Alt. 1 StGB. Ein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu
verhindern, liegt nur vor, wenn der Anstifter alle Kräfte
anspannt, um den vermeintlichen Tatentschluß des
präsumtiven Täters rückgängig zu
machen, und er dadurch die aus seiner Sicht bestehende Gefahr
beseitigt, daß der Angestiftete die Tat begeht (BGH,
Urt. v.
14.6.2005 - 1 StR 503/04 - Ls. - NStZ 2005, 626; vgl. hierzu
auch BGHR
StGB § 30 Beteiligung 1, wo der Angeklagte den Täter
aus seiner Sicht noch nicht zur Tat bestimmt hatte und er deshalb
bemüht war, „noch alles in der Schwebe zu lassen").
|
|
|
35.1 |
Die Grundsätze für die Tatidentität beim Rücktritt nach § 24 StGB (vgl. BGHSt 41, 368: mehrfaches Ansetzen zur Tatvollendung mit zeitlicher Zäsur) gelten bei § 31 Abs. 1 StGB nicht in gleicher Weise. Das Zeitmoment beim Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB hat seinen Grund in der Begriffsbestimmung des Versuchs, der voraussetzt, daß zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt wird (§ 22 StGB). Die versuchte Anstiftung zum Verbrechen ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß die Tatausführung selbst noch nicht unmittelbar bevorsteht, sondern sich noch im Vorbereitungsstadium befindet. Das gilt auch dann, wenn aus der Sicht des Anstifters der Bestimmungsversuch bereits erfolgreich war (vgl. BGH, Urt. v. 14.6.2005 - 1 StR 503/04 - NStZ 2005, 626). | |
|
35.2 |
Hinsichtlich
des Rücktritts des Anstifters bei einem
tatsächlich zur Tat entschlossenen Angestifteten gilt: Wer
einen anderen zur Begehung eines Verbrechens auffordert, setzt damit in
jedem Falle Kräfte in Richtung auf das angegriffene Rechtsgut
in Bewegung, über die er nicht mehr die volle Herrschaft
behält (BGH, Urt. v. 27.7.1951 - 1 StR 3/51 - BGHSt 1, 305,
309). Die Gefahr der Tatbegehung besteht erst recht, wenn der
Bestimmungsversuch erfolgreich war. Will der Anstifter diesen Erfolg
verhindern, muß er alle Kräfte anspannen, um die Tat
abzuwenden (BayObLG JR 1961, 269, 270). Er muß das aus seiner
Sicht Notwendige und Mögliche vollständig tun; es
reicht nicht aus, daß er nur die Wirkung seiner Beeinflussung
zeitweise unschädlich macht (BayObLG JR 1961, 269, 270; Roxin
in LK 11. Aufl. § 31 Rdn. § 31 Rdn. 26). Insbesondere
liegt ein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu verhindern, nur
vor, wenn der Anstifter alle Kräfte anspannt, um den
Tatentschluß des Angestifteten rückgängig
zu machen und er dadurch die Gefahr beseitigt, daß dieser die
Tat begeht. Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn der
Anstifter nur glaubt, einen anderen erfolgreich zur Tatbegehung
bestimmt zu haben, dieser aber nicht wirklich tatbereit ist (BGH,
Urt. v. 14.6.2005 - 1 StR 503/04 - NStZ 2005, 626: "Belassen
der Anzahlung"). siehe zum ernsthaften Bemühen auch: § 24 StGB --> Rdn. 15.3.1 - Bemühen und § 24 StGB --> Rdn. 15.3.2 - Ernsthaftigkeit |
|
|
Z.8 |
|
Z.8.1 |
In
§ 31 StGB wird auf § 30 StGB verwiesen. siehe auch: Verabredung eines Verbrechens, § 30 StGB |
|
Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 2. Abschnitt (Die Tat) 3. Titel (Täterschaft und Teilnahme) |
|
© 2000-2017 Peter Wiete • E-Mail: info@wiete-strafrecht.de