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§
7 StGB
Geltung für Auslandstaten in
anderen Fällen
(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. (2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter 1. zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder 2. zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Auslandstaten gegen Deutsche |
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§ 7 Abs. 1 StGB knüpft (anders als § 129b Abs. 1 Satz 2 3. Alt. StGB, der für den Inlandsbezug eine von der ausländischen Vereinigung begangene Ausführungstat zum Nachteil eines Deutschen genügen lässt (vgl. BGH, Beschl. v. 15.12.2009 – StB 52/09 - BGHSt 54, 264 Tz. 22; BT-Drucks. 14/8893 S. 9), an das dem Beschuldigten zur Last gelegte konkrete Tatgeschehen im prozessualen Sinne gemäß § 264 StPO an (vgl. BGH, Ermittlungsrichter, Beschl. v. 2.7.2012 - 2 BGs 152/12; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl., § 1 Rdn. 23; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 5. Aufl., § 5 Rdn. 8; Wehrle/Jeßberger in LK-StGB, 12. Aufl., vor § 3 Rdn. 314, 319) und verlangt, dass ein bestimmter oder zumindest bestimmbarer Deutscher durch das Tatgeschehen verletzt, d.h. in seinen Rechten oder rechtlich geschützten Gütern widerrechtlich beeinträchtigt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.1963 – 4 StR 9/63 - BGHSt 18, 283, 284; BGH, Ermittlungsrichter, Beschl. v. 2.7.2012 - 2 BGs 152/12; Wehrle/Jeßberger aa0 § 7 Rdn. 69). | |
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5.10 |
Beispiel:
Der Beschuldigte steht im Verdacht, sich der leichtfertigen
Geldwäsche im Sinne von § 261 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5
StGB
schuldig gemacht zu haben. Es liegt nach dem Stand der Ermittlungen
nahe, dass der Abbuchung vom Konto des Geschädigten ein -
vermutlich gewerbsmäßig begangener - Computerbetrug
(sog.
„Phishing“) zugrunde liegt. Dass der Beschuldigte
an dieser
Tat beteiligt war, wird ihm mit Rücksicht auf seine Angaben
und
die objektiven Umstände nicht nachgewiesen werden
können. Es
hätte sich ihm aber aufgrund der Umstände
aufdrängen
müssen, dass die von ihm als sog.
„Finanzagent“
weitergeleiteten Gelder aus einer rechtswidrigen Vortat im Sinne von
§ 261 Abs. 1 StGB herrührten. Die strafbare
Geldwäschehandlung liegt darin, dass er den auf seinem Konto
eingegangenen Geldbetrag durch Weiterleiten an eine ihm unbekannte
Person einem Dritten verschafft hat (§ 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB).
§ 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB weist als abstraktes
Gefährdungsdelikt (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 261
Rn. 23;
SSW-StGB Jahn § 261 Rn. 39) keinen inländischen
Erfolgsort im
Sinne von § 9 Abs. 1 2. Alt. StGB auf (vgl. LG Köln,
NZWiSt
2012, 188). Tatort ist daher alleine der Ort in Spanien, an dem der
Beschuldigte gehandelt hat (§ 9 Abs. 1 1. Alt. StGB) (vgl.
BGH,
Beschl. v. 23.4.2013 - 2 ARs 91/13). Für diese Auslandstat gilt gemäß § 7 Abs. 1 StGB das deutsche Strafrecht. Sie ist auch am Tatort in Spanien mit Strafe bewehrt. Aus dem Rechtsgutachten des Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Strafrecht vom 15. März 2012 ergibt sich, dass die durch „schwere Fahrlässigkeit“ (imprudencia grave) begangene Geldwäsche strafbar ist (Art. 301 Abs. 3 des spanischen Strafgesetzbuches). Die Straftat wurde auch gegen einen Deutschen begangen im Sinne von § 7 Abs. 1 StGB. Der hier in Betracht kommende Tatbestand des § 261 Abs. 2 StGB ist auf die Vortat bezogen und schützt zugleich deren Rechtsgüter (BGHSt 55, 36). Damit ist - was genügt - zumindest auch das von § 263a StGB geschützte Individualvermögen des durch die unberechtigte Kontoabhebung Geschädigten berührt (BGH, Beschl. v. 23.4.2013 - 2 ARs 91/13). |
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Nach
§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist eine Tat auch dann dem deutschen
Strafrecht unterworfen, wenn sie von einem Deutschen im Ausland
begangen wurde und am Tatort ebenfalls mit Strafe bedroht ist (BGH,
Beschl. v. 14.4.2011 - 4 StR 112/11). § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist Ausdruck des aktiven Personalitätsprinzips. Anders als möglicherweise bei § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der allein durch das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.1995 - 1 StR 681/94 - NJW 1995, 1844, 1845; BGH, Beschl. v. 25.10.2011 - 3 StR 315/11; BayObLG, Urt. v. 23.5.1997 - 3 StRR 20/96 - BayObLGSt 1997, 83 - NStZ 1998, 138), ist es im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB ausreichend, daß die Tat am Tatort materiell strafbar ist; tatsächlich verfolgbar braucht sie nicht zu sein (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.1954 - 1 StR 35/54 - NJW 1954, 1086; BGH, Beschl. v. 8.3.2000 - 3 StR 437/99 - BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 4 - NStZ-RR 2000, 208; BGH, Beschl. v. 14.4.2011 - 4 StR 112/11; Eser in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 7 Rn. 11; Lackner in Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 7 Rdn. 2). Darauf, daß die Tat am Tatort (etwa nach kasachischem Recht) wegen Verjährung nicht mehr hätte verfolgt werden können, kommt es nicht an (vgl. BGH, Beschl. v. 8.3.2000 - 3 StR 437/99 - NStZ-RR 2000, 208). Beispiel: Der Angeklagte besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit; eine Unterschlagung ist in Italien nach Art. 646 des Codice penale strafbar. Für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts kommt es nicht darauf an, ob es nach italienischem Recht eines Strafantrags bedurft hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 14.4.2011 - 4 StR 112/11). Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs neigt dazu, trotz des für alle Varianten des § 7 StGB einheitlichen Bezugs auf eine "am Tatort mit Strafe" bedrohte Tat im Falle des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB die Zuständigkeit der deutschen Strafgerichte davon abhängig zu machen, dass die Tat am Tatort nicht nur strafbar, sondern auch verfolgbar ist (BGH, Beschl. v. 25.10.2011 - 3 StR 315/11; offen BGH, Beschl. v. 24.6.1992 - StB 8/92 - BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 1; BGH, Beschl. v. 31.3.1993 - StB 4/93 - BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 2; BGH, Beschl. v. 8.3.2000 - 3 StR 437/99 - BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 4). Der 3. Senat hat in BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - StB 10/14 offen gelassen, in welchem Verhältnis § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu § 129b Satz 2 Var. 2 StGB steht (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 31.7.2009 - StB 34/09 - BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 1 einerseits, BGH Ermittlungsrichter, Beschl. v. 2.7.2012 - 2 BGs 152/12 - BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 5 andererseits). |
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Beispiel:
Auch für eine in den Niederlanden (Amsterdam) begangene Tat
(sexuelle Nötigung, Tatopfer: ein 10 Jahre altes
niederländisches Mädchen) gilt
gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 StGB deutsches
Strafrecht, wenn etwa der Angeklagte niederländischer und
syrischer Staatsangehöriger ist, das Königreich der
Niederlande auf eine Auslieferung des Angeklagten verzichtet und das
Bundesministerium der Justiz mitgeteilt hat, wenn die Arabische
Republik Syrien einen Auslieferungsantrag stellen sollte,
würde eine Auslieferung des Angeklagten an die Arabische
Republik Syrien von der Bundesregierung gemäß
§ 74 Abs. 1 Satz 1 IRG abgelehnt werden (vgl. BGH,
Beschl. v.
19.11.2003 - 2 StR 280/03). siehe auch: Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, § 177 StGB |
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L E I T S A T Z
Der 1. Strafsenat neigt
dazu, daß in einem Fall der stellvertretenden
Strafrechtspflege nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB das
Revisionsgericht nach rechtsfehlerfreier Behandlung der Sache durch den
Tatrichter nicht erneut prüfen muß, ob der
Angeklagte (nunmehr) ausgeliefert werden kann (vgl. BGH,
Beschl. v.
12.7.2001 - 1 StR 171/01 - Ls. - NJW 2001, 3717). Danach ist
maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der
Auslieferungsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2
StGB der Zeitpunkt der Urteilsverkündung in der letzten
Tatsacheninstanz, so daß das Revisionsgericht nicht
überprüfen muß, ob nach der
rechtsfehlerfreien Prüfung durch den Tatrichter noch
Änderungen eingetreten sind (vgl. BGH,
Beschl. v. 12.7.2001 -
1 StR 171/01 - NJW 2001, 3717). Steht nicht fest, dass der Angeklagte nicht ausgeliefert wird (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB), ist der Verfahrensmangel nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB behebbar (vgl. BGH, Beschl. v. 24.6.1993 – 1 StR 271/93 - BGHR StGB § 7 Abs. 2 Nr. 2 Auslieferung 1; BGH, Urt. v. 7.2.1995 – 1 StR 681/94 - BGHR StGB § 7 Abs. 2 Nr. 2 Verfahrenshindernis 1; BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 629/11). Beruhen die Feststellungen des Tatgerichts auf einer unzureichenden Beweisgrundlage, besteht für das Revisionsgericht kein Anlass, von sich aus die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu klären. Der Tatrichter ist verpflichtet, die Verfahrensvoraussetzungen zu prüfen und grundsätzlich so darzulegen, dass sie vom Revisionsgericht nachgeprüft werden können. Soweit zu dieser Überprüfung eine dem Tatrichter obliegende Feststellung von Tatsachen erforderlich ist, hat er diese rechtsfehlerfrei zu treffen und (gegebenenfalls) zu würdigen (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 629/11; BGH, Urt. v. 19.10.2010 - 1 StR 266/10 Rn. 8 - BGHSt 56, 6, 8). Beispiel (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 - 4 StR 629/11): Der Angeklagte ist ein in Deutschland wohnhafter italienischer Staatsangehöriger. Die Übernahme des Fahrzeugs erfolgte nach den bisherigen Feststellungen in Eupen. Es liegt nahe, dass durch den Verkauf und die Übergabe des Fahrzeugs der Angeklagte die endgültige Verfügungsgewalt darüber erlangt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.2008 – 4 StR 120/08 Rn. 4); entgegenstehende Anhaltspunkte sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Dass der Angeklagte nicht nach Italien oder Belgien ausgeliefert wird (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB) steht nicht fest. siehe auch: § 206a StPO Rdn. 10 - Prüfung von Amts wegen |
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L E I T S A T Z
1. Die Strafbarkeit der Verletzung
inländischer Tonträgerherstellerrechte durch
CD-Pressungen im Inland für einen Auftraggeber im Ausland und
für den Export der CDs dorthin richtet sich wegen des im
Urheberrecht geltenden Territorialitäts- und
Schutzlandsprinzips ausschließlich nach deutschem
Urheberrecht. 2. Der strafrechtliche Schutz der §§
106 ff. UrhG knüpft an den zivilrechtlichen Urheber- und
Leistungsschutz an (Urheberrechtsakzessorietät). Abweichend
von § 7 StGB sind daher nur im Inland begangene
Verletzungshandlungen strafrechtlich relevant. 3. Der Versand von
unberechtigt hergestellten Tonträgern ins Ausland ist
urheberrechtsverletzendes Inverkehrbringen im Inland. BGH, Urt. v. 3.3.2004 - 2 StR 109/03 - Ls. - BGHSt 49, 93 - NJW 2004, 1674 - wistra 2004, 303 |
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Strafgesetzbuch
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Allgemeiner Teil - 1. Abschnitt (Das Strafgesetz) 1. Titel
(Geltungsbereich)
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