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§
274 StGB
Urkundenunterdrückung;
Veränderung einer Grenzbezeichnung
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. eine Urkunde oder eine technische Aufzeichnung, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, 2. beweiserhebliche Daten (§ 202a Abs. 2), über die er nicht oder nicht ausschließlich verfügen darf, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert oder 3. einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder fälschlich setzt. (2) Der Versuch ist strafbar. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Überblick zur Darstellung | site sponsoring |
§ 274 Abs. 1 StGB | |
Urkunde | |
Nachteil | |
Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen | |
Strafzumessung | |
Strafrahmen | |
Prozessuales | |
Verfahrenshindernisse | |
Verfolgungsverjährung | |
Gesetze | |
Verweisungen |
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Nur
echte Urkunden
unterfallen dem Schutzbereich des § 274
StGB (BGH,
Beschl. v.
27.9.2007 - 5 StR 171/07 Cramer/Heine in Schönke/Schröder,
StGB 27. Aufl. § 274 Rdn. 4; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl.
§ 274 Rdn. 1a; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 274 Rdn. 3). Waren
daher z.B. die auf Veranlassung des Angeklagten aus den Grundbuchakten
entwendeten Grundschuldbestellungsurkunden Totalfälschungen,
handelte es sich nicht um keine geeigneten Tatobjekte im Sinne des
§ 274
Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. BGH,
Beschl. v.
27.9.2007 - 5 StR 171/07). Allerdings kann ausnahmsweise auch einer Totalfälschung später Urkundsqualität im Sinne des § 274 StGB zuwachsen, wenn sie eine eigenständige Beweiserheblichkeit erlangt. Dies kann dann eintreten, wenn die Fälschung Teil (einer dann echten) Gesamturkunde oder die Fälschung selbst zum Beweismittel geworden ist (BGH, Beschl. v. 27.9.2007 - 5 StR 171/07). |
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Ein
Nachteil kann in
jeder Beeinträchtigung
des Beweisführungsrechts eines Dritten
liegen (vgl. BGHSt 29, 192, 196); darunter ist vor allem die
Vereitelung der Nutzung des gedanklichen Inhalts einer Urkunde in einer
aktuellen Beweissituation zu verstehen (vgl. BGHR StGB § 274
Nachteil 1; BGH,
Urt. v. 25.11.2009 - 2 StR 430/09 - wistra 2010, 104). Ob sich, wie das Tatgericht dies beurteilt hatte, der Angeklagte, der sich beim Amtsgericht unbefugt als Rechtsanwalt ausgegeben und von dort ihn betreffende Ermittlungsakte übergeben erhalten hat und diese in der Folgezeit dauerhaft nicht zurückgab, sich wegen dieses Sachverhalts über die Strafbarkeit nach § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB darüber hinaus schon deswegen der Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht hat, weil (entgegen BGH, Beschl. v. 15.7.2010 - 4 StR 164/10 - NStZ-RR 2011, 276 mwN) die Absicht der Vereitelung des staatlichen Strafanspruchs von dieser Vorschrift erfasst ist (vgl. mit beachtlichen Argumenten bereits Schneider NStZ 1993, 16, 18 f.; auch Puppe in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 274 Rn. 12 ff.), hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in BGH, Beschl. v. 27.7.2012 - 1 StR 238/12 ebenso offen gelassen wie die Frage, ob das Verhalten des Angeklagten in diesen Fällen auch einen Verwahrungsbruch (§ 133 StGB) darstellt, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hatte (vgl. aber Ostendorf in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 133 Rn. 14). |
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Bei
der Prüfung, ob
die für die Tatbestandsverwirklichung erforderliche, auf einen
entsprechenden Nachteil bezogene Absicht gegeben ist, kommt es nicht
darauf an, ob der Nachteil tatsächlich eingetreten ist;
ausreichend ist es, dass es dem Täter auf die Verwirklichung des
Nachteils ankommt oder ihm zumindest bewusst ist, dass seine Tat einen
Nachteil zur Folge haben muss (vgl. BGH NJW 1953, 1924; BGH,
Urt. v. 25.11.2009 - 2 StR 430/09 -
wistra 2010, 104). Erforderlich ist dabei nicht die Vorstellung des Täters, dass die Verwendung der Urkunde, die unterdrückt wird, unmittelbar bevorstehe oder jedenfalls in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Es genügt vielmehr, wenn er weiß, dass der Urkunde eine potentielle Beweisbedeutung innewohnt, die sich jederzeit realisieren kann, und es ihm auf die Beeinträchtigung eines sich darauf beziehenden Beweisführungsrechts ankommt oder er dies als notwendige Folge seines Handelns hinnimmt. Auf eine bestimmte konkret bevorstehende Situation, in der die unterdrückte Urkunde für die Beweisführung beachtlich werden könnte, braucht sich die Vorstellung des Täters nicht zu beziehen. Lässt sich der Täter ein, überhaupt nicht mit einer möglichen späteren Verwendung der Urkunde durch Dritte gerechnet zu haben, kann dies im Übrigen nur dann zum Fehlen der Nachteilsabsicht führen, wenn sich zugleich eine Erklärung dafür finden lässt, warum die Urkunde dennoch unterdrückt worden ist (BGH, Urt. v. 25.11.2009 - 2 StR 430/09 - wistra 2010, 104). Die Intention, den staatlichen Bußgeldanspruch zu vereiteln, begründet keine Nachteilszufügungsabsicht im Sinne von § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 27.3.1990 – 5 StR 101/90 - BGHR StGB § 274 Nachteil 2; BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – 4 StR 164/10 - NStZ-RR 2011, 276; BGH, Urt. v. 27.1.2016 - 5 StR 328/15; offengelassen von BGH, Beschl. v. 27.7.2012 – 1 StR 238/12 - NStZ-RR 2012, 343; aA Schneider NStZ 1993, 16; Zieschang, HRRS 2013, 49). |
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S.1 |
Strafrahmen § 274 Abs. 1 StGB:
1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis
360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 2 Jahre 1 Monat 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die Verjährungsfrist für § 274
StGB beträgt
fünf Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 4 StGB). siehe auch: Verjährungsfrist § 78 StGB; Einstellung bei Verfahrenshindernissen, § 206a StPO |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In
§ 274
StGB wird verwiesen auf: § 202a StGB siehe auch: Ausspähen von Daten, § 202a StGB |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 23. Abschnitt (Urkundenfälschung) |
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