www.wiete-strafrecht.de |
§
302 StPO
Zurücknahme
und Verzicht
(1) Die
Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die
Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist
zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine
Verständigung (§ 257c)
vorausgegangen, ist ein
Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des
Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung
nicht zurückgenommen werden.
(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung. |
Strafprozessordnung,
Stand 05.09.2017
|
StPO § 302 Abs. 2 Nach der den Vorschriften der §§ 296 ff. StPO zugrunde liegenden Regelungssystematik kann der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung zur Rücknahme eines vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels nicht wirksam für den Beschuldigten erteilen. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2016 - 4 StR 149/16 - LG Bielefeld |
StPO § 302 Abs. 1 Satz 2 1. Wenn Verteidigung und Staatsanwaltschaft in Gegenwart der für die Entscheidung zuständigen Richter Anträge zur Strafart und Strafhöhe nach Teileinstellung des Verfahrens und Ablegung eines Geständnisses erörtern, im Anschluss daran das Gericht nach dem Vortrag eines Formalgeständnisses auf eine - an sich vorgesehene - Beweisaufnahme verzichtet, den übereinstimmenden Anträgen folgt und der Angeklagte Rechtsmittelverzicht erklärt, ist in der Regel von einer konkludent geschlossenen Urteilsabsprache auszugehen, die dem Zweck dient, die Anforderungen und Rechtswirkungen einer Verständigung rechtswidrig zu umgehen. Bloßes Schweigen der Richter bei einem Verständigungsgespräch oder die Erklärung, das Gericht trete den Vorschlägen nicht bei, stehen dem nicht entgegen. 2. Ein Rechtsmittelverzicht ist unwirksam, wenn dem Urteil eine informelle Verständigung vorausgegangen ist. BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13 - LG Marburg |
StPO §§ 273 Abs. 1a S. 3, 302 Abs. 1 S. 2 a) Ein Protokoll, in dem weder vermerkt ist, dass eine Verständigung stattgefunden, noch dass eine solche nicht stattgefunden hat, ist widersprüchlich bzw. lückenhaft und verliert insoweit seine Beweiskraft. b) Beruft sich ein Angeklagter auf die Unwirksamkeit eines von ihm erklärten Rechtsmittelverzichts wegen einer vorausgegangenen Verständigung und schweigt das Protokoll dazu, so muss der Beschwerdeführer, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung im Freibeweisverfahren zu ermöglichen, im einzelnen darlegen, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt die von ihm behauptete Verständigung zustande gekommen ist. BGH, Beschluss vom 29. September 2010 - 2 StR 371/10 - Landgericht Köln BGHSt 56, 3 - StV 2011, 79 |
StPO § 302 Abs. 1 Satz 2 Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen, so kann eine Zurücknahme des Rechtsmittels grundsätzlich auch noch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - 1 StR 64/10 - LG Hechingen |
StPO § 302 Abs. 1 aF, § 349 Abs. 1 Der nach einer Verständigung wirksam erklärte Rechtsmittelverzicht führt - in Verbindung mit dem Rechtsmittelverzicht der anderen rechtsmittelberechtigten Verfahrensbeteiligten - die Rechtskraft unmittelbar herbei (BGH - GS - BGHSt 50, 40). Der durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) eingeführte § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO - wonach ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen ist, wenn dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen ist - beseitigt die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits eingetretene Rechtskraft nicht. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 1 StR 376/09 - LG München I BGHSt 54, 167 - StV 2009, 679 |
StPO § 1 (faires Verfahren), § 154, § 302 Abs. 1 Satz 1; MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 1. Wird bei einer verfahrensbeendenden Absprache unter Beteiligung des Gerichts rechtswidrig ein Rechtsmittelverzicht vereinbart, so hat dies nicht die Unwirksamkeit der Absprache im Übrigen zur Folge. 2. Die Ankündigung des Angeklagten, gegen das aufgrund einer Verfahrensabsprache ergehende Urteil Rechtsmittel einzulegen, ist für sich genommen kein Umstand, der die Bindung des Gerichts an eine zulässige Verständigung beseitigt. Sie rechtfertigt es auch nicht, dass sich die Staatsanwaltschaft von ihrer in die Absprache einbezogenen Zusage löst, zu einer anderen Tat des Angeklagten einen Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO zu stellen. 3. Bindet das Gericht die Staatsanwaltschaft durch deren Zusage einer Antragstellung nach § 154 Abs. 2 StPO in eine Verfahrensabsprache ein, so hat es für den Fall, dass diese ihr Versprechen sodann unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht einhält, die Verpflichtung, den Angeklagten, der im Vertrauen auf die Zusage die ihm vorgeworfenen anderen Taten eingeräumt hat, im Rahmen der rechtlichen Gestaltungsspielräume von den sich hieraus ergebenden Folgen so weit freizustellen, dass die getroffenen Absprachen weitestmöglich eingehalten werden. Nur wenn sich auf diese Weise kein Ergebnis erzielen lässt, das noch mit dem Gebot fairer Verfahrensführung vereinbar wäre, kommt ein Verfahrenshindernis für die Verfolgung der Tat in Betracht, zu der der Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO angekündigt worden ist. BGH, Urteil vom 12. März 2008 - 3 StR 433/07 - LG Hildesheim wistra 2008, 270 |
StPO vor § 1 (faires Verfahren), § 302 Abs. 1 Satz 1; GG Art. 20 Abs. 3 1. Das Gericht darf im Rahmen einer Urteilsabsprache an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken. 2. Nach jedem Urteil, dem eine Urteilsabsprache zugrunde liegt, ist der Rechtsmittelberechtigte, der nach § 35 a Satz 1 StPO über ein Rechtsmittel zu belehren ist, stets auch darüber zu belehren, daß er ungeachtet der Absprache in seiner Entscheidung frei ist, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Das gilt auch dann, wenn die Absprache einen Rechtsmittelverzicht nicht zum Gegenstand hatte. 3. Der nach einer Urteilsabsprache erklärte Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist unwirksam, wenn der ihn erklärende Rechtsmittelberechtigte nicht qualifiziert belehrt worden ist. BGH, Beschluss vom 3. März.2005 - GSSt 1/04 - LG Lüneburg - LG Duisburg BGHSt 50, 40 - NJW 2005, 1440 |
StPO §§ 44; 138 Abs. 1; 302 Abs. 1 Satz 1; 338 Nr. 5 In einem Fall notwendiger Verteidigung begründet die alleinige Mitwirkung eines nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Scheinverteidigers an der Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Ein nach Beratung durch den Scheinverteidiger erklärter Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist unwirksam. Der Angeklagte kann danach gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 5 StR 617/01 - LG Berlin BGHSt 47, 238 - NJW 2002, 1436 |
StPO §§ 302, 344 Abs. 1; StGB §§ 20, 21 1. Der Rechtsmittelverzicht eines Angeklagten ist unwirksam, wenn er lediglich aufgrund einer - auch irrtümlich - objektiv unrichtigen Erklärung oder Auskunft des Gerichts (hier: zu beamtenrechtlichen Nebenfolgen des Urteils) zustandegekommen ist. 2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist unwirksam, wenn eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht rechtsfehlerfrei begründet wurde und Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen ist. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00 - LG Darmstadt BGHSt 46, 257 - StV 2001, 220 |
|
© 2000-2017 Peter Wiete • E-Mail: info@wiete-strafrecht.de