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§
46 StGB
Grundsätze der Strafzumessung
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. (3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2; StGB § 46 Abs. 3 Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darf nur die Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden; jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt. Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat eine Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung. BGH, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16 – Landgericht Aachen |
StGB § 46 Abs. 2 Die strafschärfende Erwägung, ein wegen Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung verurteilter Asylbewerber habe durch seine Tat das Ansehen der in Deutschland lebenden Asylbewerber stark geschädigt und einer positiven Einstellung der Bevölkerung gegenüber anwesenden Asylsuchenden und anderen Ausländern entgegengewirkt, ist rechtsfehlerhaft. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - 2 StR 386/16 - LG Meiningen |
StGB § 46 Abs. 2 Die durch § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze zulässiger strafschärfender Berücksichtigung nicht angeklagter, aber prozessordnungsgemäß festgestellter Taten ist jedenfalls dann überschritten, wenn diese mangels enger Beziehung zur angeklagten Tat keine Rückschlüsse auf Schuld oder Gefährlichkeit des Täters zulassen, sondern als sonstiges strafrechtlich relevantes Verhalten ohne gesonderte Anklage und damit außerhalb der Anforderungen eines geordneten Strafverfahrens einer gesonderten Bewertung zugeführt werden sollen. BGH, Beschluss vom 19. November 2013 - 4 StR 448/13 - LG Bochum |
AO § 370 Abs. 1 und 3, § 373 Abs. 1; StGB § 46 1. Auch bei einer gewerbsmäßigen Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach § 373 AO in Millionenhöhe kommt eine zwei Jahre nicht überschreitende Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in Betracht. 2. Sowohl beim Schmuggel nach § 373 AO wie auch bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO ist es dabei ohne Bedeutung, ob die Millionengrenze durch eine einzelne Tat oder erst durch mehrere gleichgelagerte Einzeltaten erreicht worden ist. (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 und BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11). BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12 - LG Hamburg |
AO § 370 Abs. 1 und 3; StGB § 46 Zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung „in Millionenhöhe“ (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71). BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11 - LG Augsburg |
StGB § 46 Zur vergleichenden Strafzumessung bei Tatbeteiligten. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11 - LG Mosbach StV 2011, 722 |
StGB § 46 Abs. 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 Eine ausländische Vorverurteilung, die an innerstaatlichen Maßstäben gemessen gesamtstrafenfähig wäre, ist im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung mit Blick auf das Gesamtstrafübel zu berücksichtigen. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 432/09 - LG Hamburg StV 2010, 238 |
StGB § 46 Abs. 2; StGB § 56 Abs. 3; AO § 370 Abs. 1 und Abs. 4 1. In Fällen fingierter Ketten- oder Karussellgeschäfte, die auf Hinterziehung von Steuern angelegt sind, ist bei der Strafzumessung der aus dem Gesamtsystem erwachsene deliktische Schaden als verschuldete Auswirkung der Tat zu Grunde zu legen, soweit den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise des Gesamtsystems bekannt sind (im Anschluss an BGHSt 47, 343). 2. Werden durch ein komplexes und aufwändiges Täuschungssystem, das die systematische Verschleierung von Sachverhalten über einen längeren Zeitraum bezweckt, in beträchtlichem Umfang Steuern verkürzt, kann sich die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung als notwendig erweisen. BGH, Urteil vom 30. April 2009 - 1 StR 342/08 - LG Gießen BGHSt 53, 311 - wistra 2009, 359 |
StGB § 46; AO § 370 Abs. 1 und 4; UStG § 18 Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern bemisst sich der Umfang der verkürzten Steuern oder erlangten Steuervorteile auch dann nach deren Nominalbetrag, wenn die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung im Sinne von § 18 Abs. 1 UStG liegt. Der Umstand, dass in solchen Fällen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) zunächst nur eine Steuerhinterziehung „auf Zeit“ gegeben ist, führt nicht dazu, dass der tatbestandsmäßige Erfolg lediglich in der Höhe der Hinterziehungszinsen zu erblicken wäre. Zur Strafzumessung bei Tatserien. BGH, Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08 - LG Nürnberg-Fürth BGHSt 53, 221 - NJW 2009, 1979 |
StGB § 353b, § 46; GVG § 147 Zur Strafzumessung bei der unbefugten Offenbarung von Dienstgeheimnissen, die dem Täter im Rahmen der Dienstaufsicht durch staatsanwaltschaftliche Berichte zur Kenntnis gelangt sind. BGH, Beschluss vom 16. April 2008 - 1 StR 83/08 - LG Stuttgart wistra 2008, 265 |
StGB § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1; StPO § 261, § 354 Abs. 1a Satz 1 Zur Anwendbarkeit von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO bei einer Urteilsabsprache, die eine "Punktstrafe" zum Gegenstand hatte. BGH, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 StR 293/06 - LG Stuttgart wistra 2007, 32 |
StGB § 46 Abs. 2 Zur Berücksichtigung von Untersuchungshaft als Strafzumessungstatsache. BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/06 - LG Darmstadt NStZ 2006, 620 |
StGB § 46 Abs. 1 Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten Strafe die Gewissheit haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem hohen Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben. BGH, Urteil vom 27. April 2006 - 4 StR 572/05 - LG Hagen NStZ 2006, 500 |
StGB § 46 1. Eine verfahrensbeendende Absprache ist unzulässig, wenn das dem Angeklagten angesonnene Verhalten ersichtlich vordergründig einem Zweck dient, der mit der angeklagten Tat und dem Gang der Hauptverhandlung in keinem inneren Zusammenhang steht (im Anschluß an BGHSt 43, 195). 2. Zu den Auswirkungen einer fehlgeschlagenen Verständigung. BGH, Urteil vom 19. Februar 2004 - 4 StR 371/03 - LG Münster BGHSt 49, 84 - NJW 2004, 1396 |
StGB § 46 Abs. 2; MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 1. Die Verpflichtung des Tatrichters, im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung das Maß der gebotenen Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen (BVerfG NStZ 1997, 591, BGH NJW 1999, 1198), gilt nicht nur für die Gesamtstrafe, sondern für alle Einzelstrafen. 2. Die Reduzierung von Einzelstrafen und Gesamtstrafe darf nicht in Form eines "doppelten Rabattes" durchgeführt werden. 3. In den Urteilsgründen empfiehlt es sich, sowohl für die Einzelstrafen wie auch für die Gesamtstrafe jeweils die an sich verwirkte und die nach Durchführung der Kompensation schließlich verhängte Höhe konkret anzugeben. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2003 - 3 StR 183/03 - LG Kiel wistra 2003, 420 |
StGB § 46 Abs. 2 Satz 2; AO § 370 Abs. 1 Nr. 1; UStG § 14 Abs. 3 Können Scheinrechnungen nach den vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgegebenen steuerlichen Grundsätzen berichtigt werden, hat dies regelmäßig keinen Einfluß auf den Schuldspruch, ist aber im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Bei sogenannten Umsatzsteuerkarussellen ist jedenfalls dann, wenn den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise des Karussells bekannt sind, der durch das System verursachte Gesamtschaden zu ermitteln und in die Strafzumessung einzustellen. BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - 5 StR 516/01 - LG Stuttgart BGHSt 47, 343 - NJW 2002, 3036 |
§§ 46 Abs. 2 und 3 StGB Gerät das Opfer einer Sexualstraftat durch das Bestreiten des Täters - eines Familienangehörigen - in eine familiäre und soziale Isolierung, so dürfen daraus entstandene psychische Folgen strafschärfend berücksichtigt werden. Damit wird dem Angeklagten weder sein Verteidigungsverhalten angelastet noch liegt eine verbotene Doppelverwertung vor. BGH, Beschluss vom 25. April 2001 - 1 StR 143/01 - LG Heidelberg NJW 2001, 2983 |
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