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§
67c StGB
Späterer Beginn der Unterbringung
(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass 1. der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert oder 2. die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig wäre, weil dem Täter bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 2 in Verbindung mit § 66c Absatz 1 Nummer 1 nicht angeboten worden ist, setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Der Prüfung nach Satz 1 Nummer 1 bedarf es nicht, wenn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug weniger als ein Jahr vor dem Ende des Vollzugs der Strafe angeordnet worden ist. (2) Hat der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen und liegt ein Fall des Absatzes 1 oder des § 67b nicht vor, so darf die Unterbringung nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Das Gericht ordnet den Vollzug an, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist der Zweck der Maßregel nicht erreicht, rechtfertigen aber besondere Umstände die Erwartung, daß er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Maßgeblich
für die Beurteilung der
Gefährlichkeit ist bei der Prüfung der Anordnung der
Sicherungsverwahrung nicht der Zeitpunkt der späteren
Entlassung des Angeklagten aus dem Strafvollzug, sondern der Zeitpunkt
der Aburteilung (vgl. BGH NStZ 2006, 278, 279; 2007, 401; BGH,
Beschl.
v. 5.9.2008 - 2 StR 265/08; s. auch NStZ-RR 2004, 202, 203;
Fischer
StGB 55. Aufl. § 66 Rdn. 36 m.w.N.). Zukünftige
Veränderungen können hierbei berücksichtigt
werden, sofern zusätzliche andere Umstände von
besonderem Gewicht hinzutreten und sie Haltungsänderungen erwarten
lassen (vgl. BGB
NStZ 2005, 211; BGH, Beschl. v. 1.2.2011 - 3 StR 439/10). Eine
bloße Hoffnung auf eine
spätere Verringerung der Gefährlichkeit kann aber
nicht schon ihrer aktuellen Feststellung entgegenstehen. Denkbare, nur
erhoffte positive Haltungsänderungen durch den Strafvollzug
bleiben daher regelmäßig einer Prüfung
gemäß § 67c Abs. 1 StGB vorbehalten (vgl.
BGH,
Urt. v. 19.7.2005 - 4 StR 184/05 - NStZ 2005, 337; BGH,
Beschl. v.
5.9.2008 - 2 StR 265/08; BGH, Beschl. v. 1.2.2011 - 3 StR
439/10 betr.
Möglichkeiten der Ausgestaltung der Führungsaufsicht
"elektronische Fußfessel" nach § 68b Abs. 1 Nr. 12 StGB;
vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 28.3.2012 - 2 StR 614/11; Fischer StGB
55. Aufl. § 66 Rdn. 36). siehe auch § 68b StGB Rdn. 15 Die Prüfung des Vollstreckungsgerichts vor Ende des Strafvollzugs, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, ist obligatorisch (vgl. BGH, Urt. v. 19.7.2005 - 4 StR 184/05 - NStZ 2005, 337: "so prüft das Gericht"). Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist im Zweifel grundsätzlich vor der Sicherungsverwahrung zu vollstrecken, weil eine erfolgreiche Entziehungskur die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) oder jedenfalls günstigere Voraussetzungen für die Resozialisierung in der Sicherungsverwahrung schaffen kann (BGH, Beschl. v. 15.1.2015 - 5 StR 473/14; BGH, Beschl. v. 16.2.2016 - 1 StR 624/15). Die Frage einer Gefahr für die Allgemeinheit bei Vollzugslockerungen im Maßregelvollzug kann demgegenüber keine Rolle spielen (BGH, Beschl. v. 27.7.1999 - 4 StR 328/99; BGH, Beschl. v. 16.2.2016 - 1 StR 624/15). |
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Die Prüfung der Erledigung der Sicherungsverwahrung oder der Aussetzung ihrer Vollstreckung zur Bewährung in „Mischfällen“ (vgl. zur Eingrenzung dieses Begriffs OLG Karlsruhe NStZ 2011, 581; OLG München, Beschl. v. 24.10.2011 – 1 Ws 868-869/11; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 17.11.2011 – 2 Ws 85/11 Rn. 109 ff.) hat nach den allgemeinen Regeln der § 67c Abs. 1, § 67e Abs. 1, § 67d Abs. 2 StGB zu erfolgen. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs geht dabei davon aus, dass die Änderung des § 66 StGB die Strafvollstreckungskammern in diesen Fällen zu einer Prüfung der Erledigung oder Aussetzung von Amts wegen verpflichtet (BGH, Beschl. v. 25.4.2012 - 5 StR 451/11). Im Rahmen dieser Prüfung sind die einschränkenden Maßgaben aufgrund der Fortgeltungsanordnung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326) zu beachten (vgl. zu der dort angemahnten Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 173/12). Dabei wird unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keine Vollzugsfortdauer anzuordnen sein, wenn sich ein Hang und eine entsprechende Gefährlichkeit des Verurteilten nur noch in Bezug auf Taten ergeben, die nach der Wertung des Gesetzgebers in § 66 StGB nF nicht mehr Anlass für die Anordnung von Sicherungsverwahrung sein können. Die Erwägungen im Ausgangsurteil werden eine entsprechende Behandlung des vorliegenden Falles nahe legen (BGH, Beschl. v. 25.4.2012 - 5 StR 451/11). | |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In
§ 67c StGB wird verwiesen auf: § 66c StGB § 67b StGB siehe auch: Aussetzung zugleich mit der Anordnung, § 67b StGB Auf § 67c StGB wird verwiesen in: § 66c StGB § 68 StGB siehe auch: Voraussetzungen der Führungsaufsicht, § 68 StGB § 68c StGB siehe auch: Dauer der Führungsaufsicht, § 68c StGB § 68e StGB § 72 StGB siehe auch: Verbindung von Maßregeln, § 72 StGB § 456a StPO § 463 StPO siehe auch: § 463 StPO, Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung § 7 JGG siehe auch: Maßregeln der Besserung und Sicherung, § 7 JGG |
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Z.8.2 |
§
67c StGB wurde
mit Wirkung vom 1.6.2013 geändert durch das Gesetz zur
bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der
Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012, BGBl. I S.
2425. Zuvor hatte die Vorschrift folgenden Wortlaut: "§ 67c StGB Späterer Beginn der Unterbringung (1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer zugleich angeordneten Unterbringung vollzogen, so prüft das Gericht vor dem Ende des Vollzugs der Strafe, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist das nicht der Fall, so setzt es die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. (2) Hat der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen und liegt ein Fall des Absatzes 1 oder des § 67b nicht vor, so darf die Unterbringung nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Das Gericht ordnet den Vollzug an, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist der Zweck der Maßregel nicht erreicht, rechtfertigen aber besondere Umstände die Erwartung, daß er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt." |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 6. Titel (Maßregeln der Besserung und Sicherung) |
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