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§
164 StGB
Falsche Verdächtigung
(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. (3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes oder § 31 des Betäubungsmittelgesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 164 StGB dient nicht nur dem Schutz von Behörden vor Irreführung, sondern will auch den Einzelnen vor Maßnahmen irregeführter Behörden schützen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 4 StR 427/12; BGH, Urt. v. 19.9.1961 – 1 StR 326/61 - GA 1962, 24; LK/Ruß, 12. Aufl., § 164 Rn. 34). | |
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Nach ganz überwiegendem Verständnis ist
Verdächtigen das Hervorrufen, Umlenken oder Verstärken eines
Verdachts (vgl. BGH, Urt. v. 13.4.1960 - 2 StR 593/59 - BGHSt 14, 240,
246; BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14; Ruß in Leipziger
Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 164 Rn. 5; Zopfs in
Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, 2. Aufl., § 164 Rn. 20
jeweils mwN; siehe auch Langer, Gedächtnisschrift für Schlüchter, 2002,
S. 361, 366 f.). Die Tathandlung kann jedenfalls durch das Behaupten von Tatsachen verwirklicht werden, die geeignet sind (§ 152 Abs. 2 StPO), den Verdächtigten einem behördlichen Verfahren auszusetzen (BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 164 Rn. 3; Jeßberger in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 6; näher Zopfs in Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, 2. Aufl., § 164 Rn. 23 mwN). |
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Der
Täter muss nach § 164 Abs. 1 StGB einen anderen einer
rechtswidrigen Tat verdächtigen. Die verleumderische Behauptung
einer Straftat in der Absicht, gegen eine andere Person ein
behördliches Verfahren herbeizuführen, erfüllt den
objektiven Tatbestand des § 164 Abs. 1 StGB daher nicht, wenn
schon nach dem Inhalt der verdächtigenden Äußerung
selbst ausgeschlossen ist, daß diese zu der beabsichtigten
behördlichen Reaktion führen kann. Dies ist etwa dann der
Fall, wenn es schon nach dem vom Täter dargestellten Sachverhalt
an einer Strafverfolgungsvoraussetzung fehlt und daher ein
hinreichender Anfangsverdacht nicht gegeben ist (vgl. RGSt 21, 101, 103
f.; OLG Köln JR 1955, 273; OLG Brandenburg NJW 1997, 141, 142; OLG
Karlsruhe NStZ-RR 1997, 37 f.; Ruß in LK 11. Aufl. Rdn. 15 zu
§ 164; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. Rdn. 5 zu § 164;
Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Rdn. 10 zu
§ 164, jeweils m.w.N.). Eine fehlerhafte Sachbehandlung - etwa die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Durchführung von Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen trotz offensichtlichen Verjährungseintritts - können den Angeklagten insoweit nicht belasten (vgl. BGH, Beschl. v. 7.11.2001 - 2 StR 417/01; Ruß in LK 11. Aufl. Rdn. 15 zu § 164). |
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Leitsatz: Falsche
Verdächtigung durch den Beschuldigten in einem Strafverfahren bei
bewusst wahrheitswidriger Bezichtigung einer bis dahin
unverdächtigen Person (BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 -
1 StR 488/14 - Ls.). Ob eine in der obergerichtlichen Rechtsprechung (etwa BayObLG NJW 1986, 441, 442; OLG Frankfurt DAR 1999, 225; OLG Düsseldorf MDR 1992, 286 f.) und von Teilen der Strafrechtswissenschaft (siehe nur Ruß aaO § 164 Rn. 6 mwN; Jeßberger aaO § 164 Rn. 10) befürwortete Tatbestandseinschränkung für Fallgestaltungen, in denen der Täter wahrheitswidrig eine allein als alternativer Täter in Frage kommende Person ausdrücklich als solchen bezeichnet (gegen Einschränkungen in solchen Fällen etwa Langer aaO S. 367-369; Schneider, NZV 1992, 471, 472 ff. jeweils mwN; Fischer aaO § 164 Rn. 3a; näher auch Deutscher, Grundfragen der falschen Straftatverdächtigung [§ 164 Abs. 1 StGB], 1995, S. 127 ff.), angenommen werden kann, hat der 1. Strafsenat in BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14 offen gelassen. Jedenfalls dann, wenn eine Person konkret verdächtigt wird, für deren Tatbegehung bzw. Tatbeteiligung bis dahin keine Anhaltspunkte bestanden, kommt im Hinblick auf das durch § 164 StGB auch gewährleistete Rechtsgut des Schutzes der innerstaatlichen Strafrechtspflege vor unberechtigter Inanspruchnahme (siehe nur BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 4 StR 427/12 - StraFo 2013, 79) eine Tatbestandseinschränkung nicht in Betracht (vgl. Zopfs aaO § 164 Rn. 25 f.; siehe auch Aselmann, Die Selbstbelastungs- und Verteidigungsfreiheit, 2004, S. 267 f.). Anders als in Fallgestaltungen, in denen außer dem falsch Verdächtigenden überhaupt nur eine weitere Person als Täter der fraglichen rechtswidrigen Tat in Betracht kommt, wird in der hier vorliegenden Konstellation erstmals eine andere Person als vermeintlicher Täter bezichtigt. Erst dadurch werden die Ermittlungsbehörden zu einer auf eine materiell unschuldige und bis zur Falschbezichtigung unverdächtige Person bezogenen Ermittlungstätigkeit veranlasst (BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14). Eine Einschränkung des Tatbestandes von § 164 Abs. 1 StGB in Anwendung auf einen sich durch Falschverdächtigung Dritter verteidigenden Beschuldigten oder Angeklagten lässt in der hier vorliegenden Fallgestaltung auch nicht mit Erwägungen aus der Rechtsprechung zu zulässigem Verteidigungsverhalten im Rahmen der Strafzumessung begründen (siehe aber OLG Düsseldorf MDR 1992, 286; krit. Schneider, NZV 1992, 471, 473 f.). Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs strafzumessungsrechtlich die Grenze zulässigen und damit nicht strafschärfend berücksichtigungsfähigen Verteidigungsverhaltens selbst bei unberechtigten Anschuldigungen gegen Dritte noch nicht überschritten (etwa BGH, Beschl. v. 9.10.2012 - 5 StR 453/12 Rn. 2 bzgl. Alternativtäterschaft); dies sei vielmehr erst dann der Fall, wenn sich dieses Verhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung erweise (vgl. nur BGH, Beschl. v. 29.1.2013 - 4 StR 532/12 - NStZ-RR 2013, 170 f. mwN; BGH, Beschl. v. 6.7.2010 - 3 StR 219/10 - NStZ 2010, 692). Diese für die Strafzumessung im Rahmen von § 46 Abs. 2 StGB geltenden Erwägungen können jedoch nicht die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 164 StGB in einer Weise beeinflussen, die mit den Schutzzwecken dieses Tatbestandes nicht mehr vereinbar wäre (BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14). siehe hierzu auch: § 46 StGB Rdn. 160.5 - Ehrenrühriges Bestreiten Die Auslegung von § 164 StGB nach dem Wortlaut, der Systematik - der Gesetzgeber hat für die falsche Verdächtigung anders als in § 258 Abs. 1 und Abs. 5 StGB kein Selbstbegünstigungsprivileg vorgesehen - und dem Schutzzweck spricht gegen eine Einschränkung des Tatbestandes in Konstellationen wie der hier vorliegenden. Mit der durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz (43. StrÄndG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2288) erfolgten Einführung von § 164 Abs. 3 StGB hat der Gesetzgeber möglichen Missbräuchen der in § 46b StGB und § 31 BtMG enthaltenen Strafmilderungsmöglichkeiten bei Aufklärungshilfe durch in einem Strafverfahren Beschuldigte entgegen wirken wollen (BT-Drucks. 16/6268 S. 15 re. Sp.). Dabei hat er zugrunde gelegt, dass vielfach Falschangaben durch einen Beschuldigten in dem gegen ihn gerichteten Verfahren zum Zwecke der Erlangung von Strafmilderung den Tatbeständen aus § 164 StGB und § 145d StGB unterfallen, deren Strafandrohungen gravierende Fälle aber nur unzureichend erfassen (BT-Drucks. aaO). Die Entstehungsgeschichte von § 164 Abs. 3 StGB spricht damit ebenfalls gegen eine Einschränkung des Tatbestandes der falschen Verdächtigung bei Falschbezichtigung Dritter durch Beschuldigte oder Angeklagte in gegen sie geführten Strafverfahren (BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, lässt sich aus der einfachgesetzlichen Gewährleistung des Schweigerechts des Angeklagten in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO als Ausprägung der Selbstbelastungsfreiheit zwar keine Wahrheitspflicht aber auch kein „Recht zur Lüge" ableiten (BGH, Beschl. v. 17.3.2005 - 5 StR 328/04 - NStZ 2005, 517, 518 Rn. 10; siehe auch OLG Koblenz, Beschl. v. 6.12.2012 - 2 Ws 480/10 Rn. 13 - NStZ-RR 2011, 178 [nur Leitsätze]; zum Meinungsstand bzgl. des „Rechts auf Lüge“ Kölbel aaO S. 25 f.). Für eine einschränkende Anwendung des § 164 StGB jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation der bewusst wahrheitswidrigen Verdächtigung besteht daher kein tragfähiger Grund (vgl. insoweit auch Kölbel aaO S. 404, siehe aber auch ders. aaO S. 493)(BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14). |
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K.1 |
Hat
der
Angeklagte bei seiner zweiten polizeilichen
Vernehmung die
zuvor begangene falsche Verdächtigung lediglich wiederholt, wobei
er auf dasselbe Verfahren abzielte, dessen Herbeiführung er
bereits bei seiner ersten Vernehmung angestrebt hatte, liegt in einem
solchen Fall nur eine Tat im Rechtssinne vor (vgl. BGH,
Beschl. v.
21.11.2012 - 4 StR 427/12; BGH, Beschl. v. 29.1.1992 – 3 StR
518/91 - BGHR StGB § 164 Konkurrenzen 1; OLG Koblenz, Beschl. v.
6.12.2010 – 2 Ws 480/10). Der Umstand, dass die zweite Aussage
bei einer anderen Polizeidienststelle erfolgte, ändert daran
nichts, wenn beide Stellen demselben Entscheidungsträger
(Staatsanwaltschaft X) zuarbeiteten und kein neues Verfahren in Gang
gesetzt wurde (BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 4 StR 427/12; Ruß in
LK-StGB, 12. Aufl., § 164 Rn. 34; Lenckner in
Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 164 Rn. 37). Da die
falschen Angaben des Angeklagten aber darauf gerichtet waren, sowohl A.
als auch B. mit einem Ermittlungsverfahren zu überziehen, ist von
einer falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen
auszugehen. § 164 StGB dient nicht nur dem Schutz von
Behörden vor Irreführung, sondern will auch den Einzelnen vor
Maßnahmen irregeführter Behörden schützen (vgl.
BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 4 StR 427/12; BGH, Urt. v. 19.9.1961
– 1 StR 326/61 - GA 1962, 24; LK/Ruß, 12. Aufl., § 164
Rn. 34). Hat der Angeklagte die bereits während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn erfolgte Falschbezichtigung in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht wiederholt, handelt es sich bei den beiden wahrheitswidrigen Verdächtigungen lediglich um eine Tat im Rechtssinne (BGH, Urt. v. 10.2.2015 - 1 StR 488/14; BGH, Beschl. v. 21.11.2012 - 4 StR 427/12 - BGHR StGB § 164 Konkurrenzen 2; siehe auch OLG Koblenz, Beschl. v. 6.12.2010 - 2 Ws 480/10 Rn. 20). |
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K.5 |
§ 164 StGB verdrängt § 145d StGB (§ 145d Abs. 1 StGB, vgl. etwa BGH, Beschl. v. 25.9.2015 - 2 StR 56/13). | |
Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen § 164 Abs. 1 u. 2 StGB:
1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder
Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 2 Jahre 1 Monat 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen |
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Urteil |
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U.2 |
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U.2.1 |
Die Darlegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 StGB darf nicht offen lassen, auf welche begangenen rechtswidrigen Tat sich der geäußerte Verdacht bezieht. Dies gilt umso mehr, wenn dem vom Angeklagten verfassten Schreiben jegliche Eignung gefehlt haben könnte, eine Strafverfolgung oder sonstige Maßnahmen gegen einen Dritten zu veranlassen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.3.2003 - 2 StR 7/03; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 164 Rdn. 5 m.w.N.). | |
Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die Verjährungsfrist für falsche Verdächtigung § 164 Abs. 1 und 2 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), diejenige für Vergehen nach § 164 Abs. 3 StGB beträgt zehn Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB). | |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 164 StGB wird verwiesen auf: § 46b StGB siehe auch: § 46b StGB, Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten § 31 BtMG siehe auch: § 31 BtMG, Strafmilderung oder Absehen von Strafe |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 10. Abschnitt (Falsche Verdächtigung) |
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