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§
90b StGB
Verfassungsfeindliche
Verunglimpfung von Verfassungsorganen
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) ein Gesetzgebungsorgan, die Regierung oder das Verfassungsgericht des Bundes oder eines Landes oder eines ihrer Mitglieder in dieser Eigenschaft in einer das Ansehen des Staates gefährdenden Weise verunglimpft und sich dadurch absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Die Tat wird nur mit Ermächtigung des betroffenen Verfassungsorgans oder Mitglieds verfolgt. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Allgemeines |
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Das
deutsche Strafrecht gilt für im Ausland begangene Taten nach
§ 90b StGB auch dann - unabhängig vom Recht des Tatorts-,
wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im
räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (§ 5 Nr.
3a
StGB). siehe auch: Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter, § 5 StGB |
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§ 90b Abs. 1 StGB |
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25 |
Der Tatbestand des § 90b Abs. 1 StGB fordert
neben der
Verunglimpfung der dort genannten staatlichen Organe oder ihrer
Mitglieder und der hierdurch bewirkten konkreten Gefährdung des
Ansehens des Gesamtstaates auf der subjektiven Tatbestandsseite, dass
der Täter sich durch sein Verhalten absichtlich für
Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder
gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt. Zwar muss sich diese Absicht
des Täters nicht aus der Tathandlung, etwa dem
öffentlichen Zurschaustellen des Plakates, selbst ergeben.
Vielmehr genügt es, dass die Tat ein Mittel ist, mit der er eigene
oder fremde Bestrebungen dieser Art voranbringen oder unterstützen
will (BGH, Urt. v. 12.12.1979 - 3 StR 334/79 - BGHSt 29, 159, 160 f.;
BGH, Beschl. v. 4.5.2016 - 3 StR 392/15 Rn. 8). Ob die Intention des Täters diese Voraussetzungen erfüllt, bemisst sich nach den Legaldefinitionen des § 92 StGB. Danach stellt es eine Bestrebung gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland dar, wenn ihr Träger darauf hinarbeitet, die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland von fremder Botmäßigkeit aufzuheben, ein zu ihr gehörendes Gebiet abzutrennen oder ihre staatliche Einheit zu beseitigen (§ 92 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 StGB). Gegen Verfassungsgrundsätze gerichtet sind Bestrebungen, die darauf angelegt sind, die in § 92 Abs. 2 StGB aufgeführten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Kraft zu setzen oder zu untergraben (§ 92 Abs. 3 Nr. 3 StGB) (BGH, Beschl. v. 4.5.2016 - 3 StR 392/15 Rn. 8). |
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Strafzumessung |
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S.1 |
§
90b StGB: 3 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung - 1 Monat bis 2 Jahre 1 Monat 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die Verjährungsfrist für § 90b StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). | |
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Z.1.2 |
Nach § 90b Abs. 2 StGB wird die Tat nur mit Ermächtigung des betroffenen Verfassungsorgans oder Mitglieds verfolgt. | |
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Z.2 |
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Z.2.1 |
Wird wegen Verdachts einer Straftat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, ein Haftbefehl erlassen, bevor der Antrag gestellt ist, so ist nach § 130 StPO der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer, sofort von dem Erlaß des Haftbefehls in Kenntnis zu setzen und davon zu unterrichten, daß der Haftbefehl aufgehoben werden wird, wenn der Antrag nicht innerhalb einer vom Richter zu bestimmenden Frist, die eine Woche nicht überschreiten soll, gestellt wird. Wird innerhalb der Frist Strafantrag nicht gestellt, so ist der Haftbefehl aufzuheben. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist. § 120 Abs. 3 StPO ist anzuwenden (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.4.2010 - StB 5/10). | |
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Z.4 |
Die
Beendigung des Beamtenverhältnisses tritt ferner ein, wenn der
Beamte wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften
über Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des
demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Gefährdung der
äußeren Sicherheit oder, soweit sich die Tat auf eine
Diensthandlung im Hauptamt bezieht, Bestechlichkeit, strafbar ist, zu
einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten rechtskräftig
verurteilt wird. Entsprechendes gilt, wenn die Fähigkeit zur
Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird oder wenn die
Beamtin oder der Beamte aufgrund einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts nach Artikel 18 des Grundgesetzes ein
Grundrecht verwirkt hat (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 2
BeamtStG; § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 2 BBG). siehe auch: § 46 StGB, Grundsätze der Strafzumessung - Rdn. 25.5.3 - Verlust von Beamtenrechten |
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Z.5 |
Ist
eine Straftat nach § 90b StGB begangen
worden, so können
Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer
Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind,
(§ 92b
Satz 1 Nr. 1 StGB), und Gegenstände, auf die sich die
Straftat nach § 90a StGB bezieht, eingezogen werden (§ 92b
Satz 1 Nr. 2 StGB). § 74a StGB ist anzuwenden
(§ 92b
Satz 2 StGB). siehe auch: § 74a StGB, Erweiterte Voraussetzungen der Einziehung |
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Z.6 |
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Z.6.1 |
Für
Straftaten der verfassungsfeindlichen Verunglimpfung von
Verfassungsorganen nach § 90b StGB ist grundsätzlich die
Staatsschutzkammer (erstinstanzlich) zuständig (§ 74a
Abs. 1
Nr. 2 GVG). Jedoch entfällt deren Zuständigkeit und wechselt
zu der des Oberlandesgerichts, wenn der Generalbundesanwalt wegen der
besonderen Bedeutung des Falles vor der Eröffnung des
Hauptverfahrens die Verfolgung übernimmt (§§ 74a
Abs. 2
Halbs. 1, § 120
Abs. 2 Nr. 1 GVG). Ein solcher
Zuständigkeitswechsel scheidet aus, wenn durch Abgabe nach §
142a Abs. 4 GVG oder durch Verweisung nach § 120
Abs. 2 Satz 2 GVG
die Zuständigkeit des Landgerichts begründet wird (§ 74a
Abs. 2 Halbs. 2 GVG). Staatsschutzkammern sind bei den Landgerichten eingerichtet, in deren Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. Sie sind für den gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts örtlich zuständig (§ 74a Abs. 1, 5 GVG). Im Falle der Übernahme der Verfolgung durch den Generalbundesanwalt sind gemäß § 120 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GVG erstinstanzlich die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung. siehe auch: Erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, § 120 GVG |
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Z.6.1.1 |
Die
Zuständigkeit prüft die Staatsschutzkammer als
besondere Strafkammer nach § 74a
GVG bis zur Eröffnung des
Hauptverfahrens gemäß § 6a
Satz 1 StPO von Amts wegen.
Danach darf sie ihre Unzuständigkeit nur auf Einwand des Angeklagten beachten. Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung geltend machen (§ 6a Satz 2 und 3 StPO). siehe auch: Zuständigkeit besonderer Strafkammern, § 6a StPO; Zuständigkeit der Staatsschutzkammer und der Kammer für § 100c StPO, § 74a GVG |
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Z.6.2 |
Der gerichtlichen Zuständigkeit für das Hauptverfahren folgt die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft nach § 143 Abs. 1 GVG auch in den Fällen der Zuständigkeit der Staatsschutzkammern (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 143 GVG Rdnr. 1). | |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 90b StGB wird verwiesen auf: § 11 StGB siehe auch: Personen- und Sachbegriffe, § 11 StGB Auf § 90b StGB wird verwiesen in: § 5 Satz 1 Nr. 3a StGB siehe auch: Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter, § 5 StGB § 92b StGB siehe auch: § 92b StGB, Einziehung § 74a GVG siehe auch: Zuständigkeit der Staatsschutzkammer und der Kammer für § 100c StPO, § 74a GVG |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 1. Abschnitt (Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates) 3. Titel (Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates) |
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