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§
247 StGB
Haus- und Familiendiebstahl
Ist durch einen Diebstahl oder eine Unterschlagung ein Angehöriger, der Vormund oder der Betreuer verletzt oder lebt der Verletzte mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft, so wird die Tat nur auf Antrag verfolgt. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Die Bestimmung dient der Wahrung des Familienfriedens (vgl. BGH, Urt. v. 16.6.1970 - 5 StR 261/70 - BGHSt 23, 281; BGH, Urt. v. 29.7.2014 - 5 StR 46/14). | |
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§ 247 StGB gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut - anders als § 248a StGB - nicht nur für den Grundtatbestand des Diebstahls nach § 242 StGB, sondern für alle seine - auch in §§ 243, 244, 244a StGB normierten - Begehungsweisen, gleich ob gesetzlich als besonders schwere Fälle oder als Qualifikationstatbestände ausgestaltet (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 3 StR 453/16 Rn. 6; MüKoStGB/Hohmann, 2. Aufl., § 247 Rn. 2; NK-StGB-Kindhäuser, 4. Aufl., § 247 Rn. 2). Auf die Form der Beteiligung desjenigen, dessen Angehöriger der Verletzte ist, kommt es dabei nicht an (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 3 StR 453/16 Rn. 6; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 247 Rn. 5). | |
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Die
Angehörigeneigenschaft des Bestohlenen betrifft nicht den
gesetzlichen Tatbestand. Sie schafft nur einen persönlichen
Strafausschließungsgrund. Die Vorschrift geht weder von
einem
geringeren Unrechts- oder Schuldgehalt der Tat noch von einer
besonderen Motivationslage des Täters aus. Das Gesetz wertet den
Diebstahl unter Angehörigen nicht schlechthin als milder oder
verständlicher. Unrecht und Schuld sind beim Haus- und
Familiendiebstahl nicht von vornherein gemindert (vgl. BGH, Urt. v.
16.6.1970 - 5 StR 261/70 - BGHSt 23, 281 betr. Ehegattendiebstahl
i.S.v. § 247 StGB a.F.). Ein Täter, der glaubt, einen Angehörigen zu bestehlen, während der Bestohlene in Wirklichkeit ein Fremder ist, ist ohne Antrag wegen vollendeten Diebstahls zu bestrafen. Sein Irrtum bezieht sich nur auf die Voraussetzungen, unter denen es zur Strafverfolgung eines Antrags bedarf, und damit im Ergebnis auf das Antragserfordernis selbst, also auf eine Verfahrensvoraussetzung. Nichts anderes gilt aber auch für den Irrtum des Täters, daß der Bestohlene ein Fremder sei. Richtet sich die Tat tatsächlich gegen einen Angehörigen, so kann sie daher nur verfolgt werden, wenn dieser Strafantrag gestellt hat (BGH, Urt. v. 7.11.1962 - 2 StR 269/62 - BGHSt 18, 123 - NJW 1963, 57). |
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siehe: Personen- und Sachbegriffe, § 11 StGB | |
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Verletzter
einer Diebstahlshandlung ist neben dem Eigentümer auch
der Gewahrsamsinhaber. Der nur untergeordnete Mitgewahrsam - etwa einer
Hausangestellten - steht dem Antragserfordernis des § 247
Abs. 1
StGB nicht entgegen, wenn der verletzte Eigentümer und Inhaber des
Hauptgewahrsams ein Angehöriger im Sinne der Vorschrift ist (vgl.
BGH, Urt. v. 26.7.1957 - 4 StR 257/57 - BGHSt 10, 400). Auch die Gesellschafter einer GmbH sind als Verletzte im Sinne des § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 247 StGB anzusehen (vgl. BGH NJW 2003, 2924, 2926; BGH, Beschl. v. 6.7.1999 - 4 StR 57/99; BGH, Urt. v. 22.5.2003 - 5 StR 520/02 - NJW 2003, 2924, 2926 - wistra 2003, 344; BGH, Beschl. v. 30.9.2004 - 4 StR 381/04 - NStZ-RR 2005, 86 - wistra 2005, 105; a.A. Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 122 unter Hinweis auf ein den früheren Untreuetatbestand des § 81a GmbHG betreffendes Urteil des BGH vom 24. März 1955 - 4 StR 529/54). Zu der geschädigten GmbH besteht jedoch keine privilegierende Beziehung im Sinne des § 247 StGB (vgl. BGH NJW 2003, 2924, 2926; BGH, Beschl. v. 30.9.2004 - 4 StR 381/04 - NStZ-RR 2005, 86 - wistra 2005, 105; vgl. hierzu auch Untreue). siehe auch: Antragsberechtigte, § 77 StGB; Untreue, § 266 StGB |
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| 20.5 |
§ 77
Abs. 2 StGB, wonach ein Übergang des Antragsrechts beim Tod des
Verletzten stattfindet, ist nicht anwendbar. Die Vorschrift bewirkt
dies nur "in den Fällen, die das Gesetz bestimmt"; sie gilt daher nicht
für das Strafantragserfordernis nach § 247 StGB, der einen derartigen Übergang - anders als etwa § 194 Abs. 1 Satz 5 oder § 230 Abs. 1 Satz 2 StGB - nicht vorsieht (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 3 StR 453/16 Rn. 8; OLG Hamm, Beschl. v. 6.6.2003 - 2 Ss 367/03 - NStZ-RR 2004, 111, 112 [für § 266 Abs. 2 i.V.m. § 247 StGB]; NK-StGB-Kindhäuser, 4. Aufl., § 247, Rn. 9 aE). Zu erwägen kann sein, ob möglicherweise die Erben selbst Verletzte gemäß § 247 StGB gewesen sein könnten. Zwar ist das Antragsrecht als höchstpersönliches Recht nicht vererblich. Das Eigentum der Verstorbenen geht jedoch kraft Gesetzes unmittelbar mit dem Tod auf die Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Im Sinne des § 247 StGB verletzt ist - jedenfalls - der Eigentümer (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 3 StR 453/16 Rn. 9; s. hierzu im Einzelnen BGH, Urt. v. 26.7.1957 - 4 StR 257/57 - BGHSt 10, 400, 401 ff.; S/SEser/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 247 Rn. 10 f.; LK/Vogel StGB, 12. Aufl., § 247 Rn. 6). Da für die Strafantragsberechtigung die Zeit der Tat maßgebend ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1979 - 4 StR 204/79 - BGHSt 29, 54, 55 f.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch StGB, 29. Aufl., § 77 Rn. 10), kommt ein originäres Antragsrecht der Strafantragsteller in Betracht, wenn etwa der Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) über den Erbfall hinaus fortgedauert hat (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 3 StR 453/16 Rn. 10). Eine Verletzung des Eigentums der Strafantragsteller durch den Wohnungseinbruchdiebstahl scheidet aus, wenn dieser mit dem Tod der Verletzten bereits beendet war. Daher hat der 3. Strafsenat offen gelassen, ob ein Strafantragsrecht auch demjenigen zusteht, dessen Verletzteneigenschaft ausschließlich im Zeitraum zwischen formeller Vollendung und materieller Beendigung der Tat besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 3 StR 453/16 Rn. 11). Der vorgenommene Abtransport der Beute stellt keine eigenständige Unterschlagungshandlung zum Nachteil der Erben dar (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2016 - 3 StR 453/16 Rn. 14). | |
Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.2 |
Der
für die Strafverfolgung in § 247
StGB vorausgesetzte
Strafantrag ist Verfahrensvoraussetzung. Fehlt er, liegt ein
Verfahrenshindernis vor (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.1962 - 2 StR 269/62 -
BGHSt 18, 123 - NJW 1963, 57; BGH,
Beschl. v. 20.12.2001 - 2 StR
509/01). Zur Strafantragsbefugnis des Betreuers siehe: § 77 StGB Rdn. 80 - Antragsberechtigung von Betreuern |
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Z.3 |
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Z.3.2 |
Wird wegen Verdachts einer Straftat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, ein Haftbefehl erlassen, bevor der Antrag gestellt ist, so ist nach § 130 StPO der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer, sofort von dem Erlaß des Haftbefehls in Kenntnis zu setzen und davon zu unterrichten, daß der Haftbefehl aufgehoben werden wird, wenn der Antrag nicht innerhalb einer vom Richter zu bestimmenden Frist, die eine Woche nicht überschreiten soll, gestellt wird. Wird innerhalb der Frist Strafantrag nicht gestellt, so ist der Haftbefehl aufzuheben. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist. § 120 Abs. 3 StPO ist anzuwenden (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.4.2010 - StB 5/10). | |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
Auf § 247
StGB wird verwiesen in: § 259 Abs. 2 StGB siehe auch: Hehlerei, § 259 StGB § 263 Abs. 4 StGB siehe auch: Betrug, § 263 StGB § 265a Abs. 3 StGB siehe auch: Erschleichen von Leistungen, § 265a StGB § 266 Abs. 2 StGB siehe auch: Untreue, § 266 StGB |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 19. Abschnitt (Diebstahl und Unterschlagung) |
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