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§
69a StGB
Sperre für die Erteilung einer
Fahrerlaubnis
(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet. (2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird. (3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist. (4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten. (5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. (6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich. (7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Überblick zur Darstellung | site sponsoring |
§ 69a Abs. 1 StGB | |
Isolierte Sperre | |
Dauer der Sperrfrist | |
Eignungsbezogene Prognoseentscheidung | |
Zeitablauf | |
Verschlechterungsverbot | |
Urteil | |
Urteilsformel | |
Urteilsgründe | |
Kein Nebenstrafcharakter | |
Prozessuales | |
Gesetze | |
Verweisungen |
§ 69a Abs. 1 StGB |
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5 |
Eine
isolierte Sperre
für die Erteilung einer Fahrerlaubnis
(§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) darf nur angeordnet werden, wenn
die Voraussetzungen des § 69
Abs. 1 StGB vorliegen, die
rechtswidrige Tat somit bei oder im Zusammenhang mit dem
Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der
Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen worden ist und
sich aus der Tat
ergibt, daß der Täter zum Führen von
Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Bei der Maßregelanordnung
gegen einen Beifahrer (vgl. BGHSt 10, 333; BGH bei Holtz MDR 1978, 986
und MDR 1981, 453; NStZ 2004, 86, 88 f.) sind besonders gewichtige
Hinweise zu fordern, aus denen sich die Ungeeignetheit zum
Führen von Kraftfahrzeugen ergibt (vgl. BGH,
Beschl. v.
9.10.2003 - 3 StR 322/03; BGH,
Beschl. v. 17.2.2004 - 4 StR 585/03 -
NStZ 2004, 617). Den Urteilsgründen muss mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen sein, an welche rechtswidrige Tat die Maßregel anknüpft. Es darf letztlich nicht offen bleiben, ob sie wegen eines Verkehrsdelikts oder wegen einer im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangenen Straftat der allgemeinen Kriminalität (Zusammenhangstat) angeordnet wurde. Wird eine Maßregel nach §§ 69, 69a StGB aber an Zusammenhangstaten angeknüpft, muss sich aus den Urteilsgründen die Überzeugung des Tatrichters ergeben, dass die festgestellten Umstände den konkreten Anhalt begründen, der Täter stelle eine Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs dar (BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 - BGHSt 50, 93, 105; BGH, Beschl. v. 9.11.2010 - 4 StR 509/10). Soll gegen einen Angeklagten wegen einer Straftat, die nicht in dem Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthalten ist, eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet werden, so muss der Tatrichter eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit vornehmen, um die fehlende Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB) zu belegen; der erforderliche Umfang der Darlegung hängt vom Einzelfall ab (BGH, Beschl. v. 17.5.2000 - 3 StR 167/00 - NStZ-RR 2000, 297, 298 mwN; BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 487/14). Zwar liegt es bei typischen Verkehrsdelikten, zu denen Fahren ohne Fahrerlaubnis zählt, nicht fern, dass der Täter zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet und daher eine isolierte Sperrfrist anzuordnen ist (BGH, Urt. v. 5.9.2006 - 1 StR 107/06 - NStZ-RR 2007, 40; BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 487/14). Eine auf den Einzelfall bezogene Begründung macht dies indes nicht entbehrlich (BGH, Beschl. v. 17.12.2014 - 3 StR 487/14). siehe auch: Fahrerlaubnisentziehung, § 69 StGB |
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10 |
Maßstab für die Bemessung der Dauer der Sperrfrist nach § 69a StGB ist allein die voraussichtliche Dauer der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahrzeugs, nicht dagegen, ob die Sperrfrist mit Blick auf die Tatschuld "angemessen" ist (st. Rspr.; BGHR StGB § 69a Abs. 1 Dauer 1 f; BGH, Beschl. v. 9.4.2002 - 4 StR 66/02 - StV 2003, 163). | |
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10.5 |
Sowohl
das
Unterbleiben einer Entschuldigung als auch das Fehlen eines zum
Ausdruck gebrachten Bedauerns lassen aber ohne weitere - hier nicht
festgestellte - Umstände keinen Schluss auf eine rechtsfeindliche,
durch besondere Rücksichtslosigkeit oder Gleichgültigkeit
gegenüber Interessen und Rechtsgütern anderer geprägte
Gesinnung oder Gefährlichkeit des Angeklagten zu (vgl. BGH,
Beschl. v. 5.7.2016 - 4 StR 188/16 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 15.9.1999 - 2
StR 392/99 - NStZ-RR 2000, 362; BGH, Beschl. v. 18.5.1994 - 5
StR
270/94 - StV 1995, 132; BGH, Beschl. v. 7.11.1986 - 2 StR
563/86 -
BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4). Sie dürfen daher
ebenso wenig wie bei der Strafzumessung bei der eignungsbezogenen
Prognoseentscheidung im Rahmen des § 69a StGB zum Nachteil
des
Angeklagten Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Beschl. v. 5.7.2016
- 4 StR 188/16 Rn. 6; Geppert in LK, 12. Aufl., § 69 Rn. 76 und
§ 69a Rn. 25; Athing in MK-StGB, 2. Aufl., § 69 Rn. 63).
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10.10 |
Durch
Zeitablauf
kann im Instanzenzug sich eine angeordnete Sperrfrist
für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis erledigen. Der
diesbezügliche Ausspruch entfällt dann (vgl. BGH,
Urt. v. 9.5.2001 - 3 StR 542/00). Aufrechtzuerhalten kann
insoweit
lediglich die Anordnung über die Entziehung der Fahrerlaubnis
sein (vgl. BGH StV 1983, 14; NStZ 1996, 433; BGH,
Beschl. v. 19.2.2002
- 1 StR 5/02 - NJW 2002, 1813). Die Aufrechterhaltung der Sperre nach § 69a StGB der einbezogenen Entscheidung hat jedoch keinen Bestand, wenn die Sperrfrist vor dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Sache endete. Damit war die Fahrerlaubnissperre bereits zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 29.7.2009 - 2 StR 264/09). siehe auch: Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe, § 55 StGB; Fahrerlaubnisentziehung, § 69 StGB |
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10.15 |
Einer
Nachholung der nach den Urteilsgründen versehentlich
unterlassenen Entscheidung über die Aufrechterhaltung der in
einem Strafbefehl angeordneten Sperrfrist für die Neuerteilung
einer Fahrerlaubnis steht bei der nur vom Angeklagten eingelegten
Revision das Verschlechterungsverbot
des § 358
Abs. 2 Satz 1
StPO entgegen (vgl. BGH,
Urt. v. 12.7.2001 - 4 StR 104/01). siehe auch: Bindung des Untergerichts; Verbot der Schlechterstellung, § 358 StPO |
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U.1 |
Bei
der Festsetzung der Sperrfrist entfällt die Formulierung
"ab Rechtskraft des Urteils" - vgl. § 69a Abs. 5 Satz 2 StGB
(§ 349 Abs. 2 StPO; vgl. BGH,
Beschl. v. 2.12.2004 - 3 StR
423/04). Bei der Gesamtstrafenbildung muß in der Urteilsformel mitgeteilt werden, welche der unterschiedlichen Sperrfristen für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten wird, damit Klarheit über den Fristablauf besteht (BGH, Beschl. v. 3.4.2002 - 3 StR 33/02). |
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U.2 |
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U.2.1 |
Ausführungen
zur Dauer der Sperrfrist gemäß
§ 69a StGB, dass "auch bei einer vorzeitigen Entlassung des
Angeklagten aus der Haft soll der Angeklagte noch für einen
gewissen Zeitraum die Folgen der Verletzung seiner Pflichten als
Kraftfahrzeugführer zu spüren bekommen" begegnen
erheblichen Bedenken, weil sie den Anschein erwecken könnten,
als habe das Tatgericht dieser Maßregel einen
nebenstrafähnlichen Charakter beimessen wollen (vgl. BGH,
Beschl. v. 9.6.2000 - 3 StR 142/00). Die Anordnung einer Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 1 StGB) kann der Aufhebung unterliegen, wenn das Urteil hierzu keine Begründung enthält (§ 267 Abs. 6 StPO; vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2000 - 1 StR 441/99 - StV 2000, 622). siehe auch: § 267 StPO, Urteilsgründe --> Abs. 6 |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 69a StGB wird verwiesen auf: § 94 StPO siehe auch: Sicherstellung und Beschlagnahme, § 94 StPO § 111a StPO siehe auch: Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, § 111a StPO Auf § 69a StGB wird verwiesen in: § 267 StPO siehe auch: § 267 StPO, Urteilsgründe § 463 StPO siehe auch: § 463 StPO, Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung § 473 StPO siehe auch: § 473 StPO, Kosten und Auslagen bei Rechtsmittel |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 6. Titel (Maßregeln der Besserung und Sicherung) |
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