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§
69 StGB
Entziehung der Fahrerlaubnis
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht. (2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen 1. der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), 2. der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), 3. des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder 4. des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht, so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. (3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 69 StGB bezweckt den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs (BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04). | |
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Bei
der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß
§§ 69, 69a
StGB handelt es sich nicht um eine
Nebenstrafe, sondern um eine Maßregel
der Sicherung und
Besserung. Ihre Verhängung und Dauer hängen daher
nicht von der Schwere der Tatschuld, sondern ausschließlich
von der Ungeeignetheitsprognose ab (BGHSt 15, 393, 397; BGHR StGB
§ 69a Abs. 1 Dauer 2 und 3; BGH,
Beschl. v. 22.10.2002 - 4 StR
339/02). |
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Die
Ungeeignetheit im Sinne des § 69 StGB muss noch im
Zeitpunkt des Urteils gegeben sein (st. Rspr.; BGHR StGB § 69
Abs. 1 Entziehung 4 m.w.N.; BGH,
Beschl. v. 5.11.2002 - 4 StR 406/02 -
NStZ 2003, 312). Allein die bisherige Verfahrensdauer vermag eine positive Prognose im Sinne einer (nunmehr) bei den Angeklagten vorhandenen charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht zu begründen (vgl. BGH NStZ 1992, 586; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 6, 7; BGH, Urt. v. 27.7.2000 - 4 StR 189/00 - NStZ 2001, 32). Liegen seit Begehung der abgeurteilten Taten drei bzw. mehr als drei Jahre zurück, ist es jedoch wenig wahrscheinlich, daß ergänzende, die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigende Feststellungen noch getroffen werden können. Jedenfalls erscheint es insoweit regelmäßig ausgeschlossen, daß nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache ein ursprünglicher Eignungsmangel noch im Zeitpunkt der neuen tatrichterlichen Entscheidung fortbesteht (vgl. hierzu BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4; Athing in MünchKomm StGB § 69 Rdn. 61 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 31.5.2005 - 4 StR 175/03). |
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(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht. ... |
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30 |
Nach
früherer ständiger Rechtsprechung war dem
Täter die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Var.
2 StGB wegen in der Tat zutage getretener mangelnder Eignung auch dann
zu entziehen, wenn kein typisches Verkehrsdelikt vorlag, sondern wenn
die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs
begangene Straftat der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen
war - sog.
Zusammenhangstat - (vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1
Entziehung 8, 13; BGH,
Beschl. v. 13.9.2000 - 3 StR 373/00; BGH,
Beschl. v. 14.5.2003 - 1 StR 113/03 - StV 2004, 129; vgl.
auch BGHR
StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 5 und 6; BGH,
Beschl. v.
22.10.2002 - 4 StR 339/02 betr. Gesamtabwägung und
Begründungserfordernis). Dabei wurde der Begriff des
Zusammenhangs weit gefaßt. Es kam nicht darauf an, ob die
Fahrt vor, während oder nach der Tat unternommen wurde.
Wesentlich war vielmehr, daß das Führen des
Kraftfahrzeugs dem Täter für die Vorbereitung oder
Durchführung der Straftat oder anschließend
für ihre Ausnutzung oder Verdeckung dienlich sein sollte
(BGHSt 22, 328, 329; Geppert in LK 11. Aufl. § 69 Rdn. 33). Danach wurde etwa in dem Transport von Drogen in Kraftfahrzeugen, der Benutzung als "fahrendem Kaufladen" oder des PKW als Ort zur Aufbewahrung von zum Verkauf bestimmten Betäubungsmitteln ein Missbrauch der Fahrerlaubnis gesehen, die auch ohne Beeinträchtigung verkehrsspezifischer Belange auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen liess (vgl. insoweit BGH StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3; BGH NStZ 1992, 586; 2000, 26 f.; 2003, 658 ff.; BGH, Beschl. v. 19.11.2004 - 2 StR 431/04; BGH, Beschl. v. 18.2.2005 - 2 StR 484/04; BGH, Urt. v. 21.4.2004 - 1 StR 522/03; BGH, Urt. v. 26.9.2003 - 2 StR 161/03; BGH, Beschl. v. 13.5.2003 - 4 StR 518/02; vgl. aber: BGH, Beschl. v. 3.12.2002 - 4 StR 458/02; betr. Beifahrer: vgl. BGHSt 10, 333; BGH bei Holtz MDR 1978, 986 und MDR 1981, 453; BGH, Beschl. v. 17.12.2002 - 4 StR 480/02; BGH, Beschl. v. 6.8.2002 - 4 StR 211/02 betr. Verkäufe in und aus dem Taxi; OLG Düsseldorf JMBI. NRW 2002, 208). |
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32 |
Nach dem Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs - (BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04) - tragen die vorgenannten Erwägungen nicht mehr (siehe nachstehend Rdn. 35 ff.). Danach reicht etwa allein die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zum Transport von Rauschgift, insbesondere wenn durch ein präpariertes Versteck besondere Vorkehrungen gegen eine Entdeckung des Rauschgifts getroffen worden sind, nicht aus. | |
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35 |
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35.5 |
Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs.1 StGB liegt vor, wenn eine Würdigung der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Voraussetzungen und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass die Teilnahme des Tatbeteiligten am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde (BGH, Urt. v. 4.11.2014 - 1 StR 233/14; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 69 Rn. 14). Dabei muss sich die Ungeeignetheit gerade aus der verfahrensgegenständlichen Tat bzw. den Taten ergeben. Kommt ausschließlich eine charakterliche Ungeeignetheit in Betracht, muss die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Täters zulassen, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 - BGHSt 50, 93, 102 f.; BGH, Beschl. v. 23.5.2012 – 5 StR 185/12 - StraFo 2012, 282 mwN; BGH, Urt. v. 4.11.2014 - 1 StR 233/14 betr. Drogenauslieferungen mit PKW; siehe auch BVerfG, Beschl. v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378, 2380). | |
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35.10 |
Die
Anlasstat muss tragfähige Rückschlüsse
darauf zulassen, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des
Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen
unterzuordnen (BGH,
Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 -
BGHSt 50, 93,
102 f. - NJW 2005, 1952;
BGH,
Beschl. v. 24.8.2005 - 1 StR 335/05; BGH,
Beschl. v. 31.5.2005 - 4
StR 175/03; BGH,
Beschl. v. 5.11.2002 - 4 StR 406/02 - NStZ 2003, 312;
BGH,
Beschl. v. 9.12.2005 - 2 StR 435/05; vgl. auch den
Vorlagebeschl.
BGH,
Beschl. v. 26.8.2004 - 4 StR 155/03; BGH,
Beschl. v. 13.5.2004 - 1
ARs 31/03 u. BGH,
Beschl. v. 6.4.2004 - 4 StR 100/04; BGH,
Beschl. v.
28.10.2003 - 5 ARs 67/03; BGH, Beschl. v. 16.9.2003 - 4 StR
85/03 4 StR
155/03 4 StR 175/03 - StV 2004, 523 (Anfragebeschluss); vgl. auch BGH,
Urt. v. 26.9.2003 - 2 StR 161/03; BGH,
Beschl. v. 26.8.2004 - 4 StR
85/03
4 StR 155/03 4 StR 175/03 - wistra 2004, 464
(Vorlagebeschluss)). „Aus der Tat“ kann sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann ergeben, wenn die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Täters zulässt, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 - BGHSt 50, 93, 102 f.; BGH, Beschl. v. 23.5.2012 - 5 StR 185/12; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 69 StGB Rn. 13 mwN). Die Belange der Verkehrssicherheit sind in Kurierfällen, in denen der Täter im Fahrzeug Rauschgift transportiert, auch nicht ohne Weiteres beeinträchtigt; es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Rauschgifttransporteure bei Verkehrskontrollen zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen sind (BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 - BGHSt 50, 93, 104; BGH, Beschl. v. 23.5.2012 - 5 StR 185/12; König, aaO, § 69 StGB Rn. 14b). Leitsatz Verbringt der Täter das Tatopfer unter Anwendung einer List in seinem Fahrzeug zu einem abgelegenen Ort, um dort eine Sexualstraftat zu begehen, so erweist er sich allein dadurch noch nicht als ungeeignet für das Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB (BGH, Beschl. v. 21.6.2005 - 4 StR 28/05 - Ls. - NStZ-RR 2005, 307; im Anschluß an BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 - NJW 2005, 1952). Auch wenn die Voraussetzungen des § 315b StGB unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung (vgl. BGHSt 48, 233 f.; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 315 b Rdn. 9) nicht anzunehmen sind, kann nach Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO in der Revisionsinstanz, der Maßregelspruch aufrechtzuerhalten sein, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit nach wie vor vorliegen (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 StGB). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Angeklagte versucht hat, sich seiner Festnahme wegen des Betäubungsmitteldelikts und dem Auffinden der im Fahrzeug befindlichen Betäubungsmittel durch die ihn verfolgenden Polizeibeamten zu entziehen, indem er mit einer Geschwindigkeit von teilweise mehr als 100 km/h unter Missachtung der Verkehrsregelung durch Lichtzeichensignalanlagen, Gefährdung eines Polizeibeamten und Beschädigung eines Fahrzeugs durch das Stadtgebiet fuhr. Er hat damit gezeigt, dass er bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 - NJW 2005, 1957 f.; BGH, Beschl. v. 1.9.2005 - 4 StR 292/05). Ebenfalls bejaht wurde die Anordnung der Maßregel bei Ablenkung der Aufmerksamkeit des 78-jährigen Angeklagten (Fahrers), der ein zwölfjähriges Mädchen zu sexuellen Handlungen in sein Fahrzeug verbrachte und hierbei auch den Hund des Mädchens in sein Fahrzeug beförderte, der den Angeklagten durch sein unkalkulierbares Verhalten ablenkte, als er während der Fahrt erbrach (vgl. BGH, Beschl. v. 19.9.2005 - 1 StR 296/05). Ein Erfahrungssatz, daß jeder Täter, der Betäubungsmittel in einem Kraftfahrzeug transportiert, deshalb zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen ist, um sich im Zweifel auch um den Preis der Gefährdung anderer durch Flucht in einer Feststellung zu entziehen, besteht in dieser Allgemeinheit nicht (BGH, Beschl. v. 5.11.2002 - 4 StR 406/02 - NStZ 2003, 312; BGH, Beschl. v. 3.12.2002 - 4 StR 458/02; BGH, Urt. v. 4.11.2014 - 1 StR 233/14). Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit auch für die Anordnung einer (isolierten) Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 StGB ist, daß der Täter die Tat "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat" (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB). Einen solchen Zusammenhang der dem Angeklagten angelasteten Tat mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs besteht jedoch nicht, wenn weder der Angeklagte selbst noch ein Tatbeteiligter (vgl. BGHSt 10, 333, 336) bei, vor oder nach Begehung der Tat ein Kraftfahrzeug geführt haben und die Tat auch nicht unter Verletzung einer spezifisch einem Kraftfahrer im Straßenverkehr obliegenden Pflicht begangen wurde. Dass die Tat gegen einen (anderen) Kraftfahrzeugführer gerichtet war, kann für sich genommen auch dann nicht die Anordnung von Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB rechtfertigen, wenn die Tat angesichts ihrer Schwere auf eine charakterliche Unzuverlässigkeit des Täters hinweist (vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2000 - 4 StR 381/00 - VersR 2001, 119 betr. Steinwurf aus 6 m Höhe von einer Tunnelbrüstung auf herausfahrenden PKW; vgl. auch OLG Celle NZV 1998, 170). Sofern für die rechtswidrige Tat nicht die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB gilt, erfordert die Prüfung der charakterlichen Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig eine dem Tatrichter vorbehaltene Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit, soweit sie in der Tat zum Ausdruck gekommen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 - BGHSt 50, 93, 97; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – 3 StR 167/00 - BGHR StGB § 69 Abs. 1; BGH, Beschl. v. 21.6.2016 - 4 StR 1/16 Rn. 11; MüKoStGB/Athing, 2. Aufl., § 69 Rn. 62 mwN). |
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40 |
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshof hat offen gelassen, ob er der in der Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung zustimmen kann, wonach Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB auch gegen Beifahrer verhängt werden können (vgl. BGHSt 10, 333; BGH bei Holtz MDR 1978, 986 und MDR 1981, 453; OLG Düsseldorf JMBI. NRW 2002, 208). Jedenfalls sind bei Zugrundelegung dieser Auffassung besonders gewichtige Hinweise zu fordern, aus denen sich die Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2003 - 3 StR 322/03: verneint, weil entsprechende Hinweise nicht vorlagen; BGH, Beschl. v. 17.2.2004 - 4 StR 585/03 - NStZ 2004, 617: verneint, weil gewichtige Hinweise nicht vorlagen; BGH, Urt. v. 20.11.2008 - 4 StR 328/08 - BGHSt 53, 55 - NStZ 2009, 148: bejaht bei als Beihilfe zur vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gewerteten Verhalten - Beihilfehandlung bei Autorennen mit Todesfolge; BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 4 StR 502/10 - StV 2011, 412: bejaht bei "Weisung" zum Überholmanöver und "verbalem Drängen" des Fahrers zum Ausbremsen des Geschädigten). | |
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45 |
Wer
bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines
Kraftfahrzeuges (§ 69 Abs. 1 StGB) ein "typisches
Verkehrsdelikt" begeht, verstößt
regelmäßig dadurch gegen die Pflichten eines
Kraftfahrers (vgl. BGH,
Beschl. v. 27.4.2005 - GSSt 2/04 -
BGHSt 50, 93, 97, 103); dabei sind Verkehrsstraftaten nicht allein
solche, die im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB
aufgeführt sind (aaO 103; BGH,
Urt. v. 5.9.2006 - 1 StR 107/06
- NStZ-RR 2007, 89). Eine in diesem Sinne typische Verkehrsstraftat ist auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis (vgl. Athing in MK-StGB § 69 StGB Rdn. 56; Herzog in NK-StGB 2. Aufl. § 69a Rdn. 10; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 69 Rdn. 38; Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht 10. Aufl. Rdn. 602 m.w.N.). Wem die Erlaubnis fehlt, mit dem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, der verletzt, wenn er es trotzdem tut, eine typische Pflicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs - Teilnahme am öffentlichen Verkehr nur mit Erlaubnis - in besonders augenfälliger Weise (vgl. BGH, Urt. v. 5.9.2006 - 1 StR 107/06 - NStZ-RR 2007, 89). Fahren ohne Fahrerlaubnis, zumal, wenn es häufig und nach gerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis begangen wurde, deutet auf fehlende charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hin (vgl. BGH, Urt. v. 5.9.2006 - 1 StR 107/06 - NStZ-RR 2007, 89; BayObLG bei Bär, DAR 1990, 361, 365; OLG Koblenz VRS 69, 298, 300 f.; Athing aaO; Tröndle/Fischer aaO; Hentschel aaO m.w.N.). Freilich kann im Einzelfall auch eine andere Beurteilung in Betracht kommen (vgl. BGH, Urt. v. 5.9.2006 - 1 StR 107/06 - NStZ-RR 2007, 89; Hentschel aaO Rdn. 602, 740 m.w.N.). siehe auch zur verwaltungsgerichtlichen Beurteilung der Ungeeignetheit: VG Minden, Beschl. v. 06.11.2003 - 3 L 1106/03 siehe ferner: Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG |
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... (2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen 1. der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), 2. der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), 3. des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder 4. des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht, so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. ... |
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65 |
Der
Schadensbegriff des
§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nach dem Normzweck des §
142
StGB
zu bestimmen, der dem Interesse der Unfallbeteiligten an der
Aufklärung der Unfallursachen zur Klarstellung der
privatrechtlichen Verantwortlichkeit und damit an der Sicherung bzw.
Abwehr zivilrechtlicher Ersatzansprüche dient (vgl. Geppert
in:
Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 69 Rn. 84,
§ 142
Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder aaO
§ 142
Rn. 1a m.w.N.). Maßgeblich ist daher nicht der reine
Sachschaden,
sondern der Geldbetrag, der erforderlich ist, den Geschädigten
so
zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht
eingetreten (vgl. MünchKommStGB/Athing § 69 Rn. 70
m.w.N.).
Deswegen sind neben den Reparaturkosten auch Bergungs- und
Abschleppkosten einzubeziehen (BGH, Beschl. v. 28.9.2010 - 4 StR 245/10
- NStZ 2011, 215). Die Grenze zum bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt bei 1.300 Euro (vgl. BGH, Beschl. v. 28.9.2010 - 4 StR 245/10 - NStZ 2011, 215; OLG Thüringen, Beschl. v. 17.9.2008 - 1 Ss 167/08 - OLGSt StGB § 315c Nr. 16). siehe zur Wertgrenze der §§ 315b, 315c StGB: § 315b StGB Rdn. 35.2 - Fremde Sachen von bedeutendem Wert |
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... (3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen. |
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95 |
Liegen zwar die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 StGB vor, weshalb dem Angeklagten die (ausländische) Fahrerlaubnis entzogen und verbunden damit eine Sperrfrist bestimmt werden durfte (§§ 69, 69a StGB) - dies etwa auch vor dem Hintergrund, dass eine türkische Fahrerlaubnis nicht zum Führen eines Fahrzeugs im Inland berechtigt (vgl. BGH, Beschl. v. 22.12.2010 - 2 StR 416/10; BGH, Beschl. v. 3.9.1998 - 4 StR 243/98 - BGHSt 44, 194, 195 f. - NJW 1999, 228) - darf demgegenüber der ausländische Führerschein selbst nicht eingezogen werden (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 2 StGB). An die Stelle der Einziehung tritt gemäß § 69b Abs. 2 Satz 2 StGB ein Vermerk über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Dauer der Sperre in dem ausländischen Führerschein (vgl. BGH, Beschl. v. 22.12.2010 - 2 StR 416/10 betr. türkische Fahrerlaubnis; betr. EU-Führerscheinen siehe § 69b Abs. 2 Satz 1 StGB). | |
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U.1 |
Der
Maßregelausspruch ist dahingehend zu fassen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis
entzogen
wird (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB). Dies zieht nach § 69
Abs. 3 Satz 2 StGB die Einziehung des Führerscheins als zwingende
Folge nach sich (vgl. BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 4 StR 584/15). Wird
die Fahrerlaubnis des Angeklagten entzogen, bedarf es des
Ausspruchs auch insoweit, als auch die Einziehung des
Führerscheins ausgesprochen werden muß (§
69 Abs. 3 Satz 2 StGB; vgl. BGH,
Beschl. v. 11.7.2001 - 2 StR 210/01).
Dies kann ggfls. vom Revisionsgericht nachgeholt werden (vgl. u.a. BGH,
Beschl. v. 17.6.1998 - 2 StR 218/98; BGH,
Beschl. v. 11.7.2001 - 2 StR 210/01).
Das Verschlechterungsverbot des § 358
Abs. 2 StPO steht
der Nachholung dieser Anordnung nicht entgegen (st. Rspr. vgl. BGH,
Beschl. v. 8.10.2014 – 4 StR 262/14 - BGHR StPO § 358 Abs. 2
Nachteil 16 mwN; BGH, Beschl. v. 17.2.2016 - 4 StR 584/15). Soll einem Täter wegen einer anderen Straftat, die nicht in dem Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthalten ist, die Fahrerlaubnis entzogen werden, muß der Tatrichter eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit vornehmen, mit der die fehlende Eignung belegt wird, wobei der Umfang der Darlegung vom Einzelfall abhängt (BGHR StGB § 29 Abs. 1 Entziehung 6, 7; BGH StV 1999, 18 f.; BGH, Beschl. v. 17.5.2000 - 3 StR 167/00 - NStZ-RR 2000, 297). Eines Ausspruchs über die Aufrechterhaltung der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Einziehung des Führerscheins bedarf es nicht, wenn diese Rechtsfolgen unmittelbar mit der Rechtskraft des einbezogenen Urteils wirksam wurden und sich deshalb erledigt haben (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 247; BGH, Beschl. v. 6.8.2009 - 3 StR 296/09). siehe auch: Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe, § 55 StGB --> Abs. 2; Der Maßregelausspruch im angefochtenen Urteil ist ggfls. auch durch das Rechtsmittelgericht dahin zu ergänzen, dass der Führerschein des Angeklagten eingezogen wird. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht der Nachholung dieser gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 StGB zwingenden Anordnung nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 5, 168, 178; BGH, Beschl. v. 11.6.1997 - 2 StR 137/97; BGH, Beschl. v. 4.9.2007 - 4 StR 393/07; BGH, Beschl. v. 29.4.2008 - 4 StR 148/08 - wistra 2008, 305). Die vom Tatrichter in Zusammenhang mit der Entziehung der Fahrerlaubnis unterlassene Einziehung des Führerscheins kann das Revisionsgericht nachholen. Hat daher das Tatgericht lediglich die Fahrerlaubnis des Angeklagten entzogen und eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung festgesetzt, bedarf der Urteilsspruch der Ergänzung insoweit, als auch die Einziehung des Führerscheins ausgesprochen werden muß (§ 69 Abs. 3 Satz 2 StGB). Das kann das Revisionsgericht nachholen (vgl. BGHSt 5, 168, 178 f.; BGH, Beschl. v. 9.10.2002 - 2 StR 326/02; BGH, Beschl. v. 5.11.2002 - 4 StR 381/02; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 69 Rdn. 16a). Durch Zeitablauf kann im Instanzenzug sich eine angeordnete Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis erledigen. Der diesbezügliche Ausspruch entfällt dann. Aufrechtzuerhalten ist insoweit lediglich die Anordnung über die Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH StV 1983, 14; NStZ 1996, 433; BGH, Beschl. v. 19.2.2002 - 1 StR 5/02 - NJW 2002, 1813). Beispiel: "... wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß der Ausspruch über die Aufrechterhaltung der im Urteil des .. vom ... angeordneten Maßregel hinsichtlich der Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis entfällt. ..." siehe auch: Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe, § 55 StGB --> Abs. 2; Fahrerlaubnissperre, § 69a StGB Hat der Täter keine (in- oder ausländische) Fahrerlaubnis und liegen die Voraussetzungen des § 69 StGB vor, so wird gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB nur die Sperre angeordnet (vgl. BGHSt 44, 194, 196; BGH, Beschl. v. 26.7.2005 - 4 StR 271/05). |
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Z.2 |
Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann das Gericht auch selbständig anordnen, wenn das Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit des Täters undurchführbar ist (§ 71 Abs. 2 StGB). | |
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Z.4 |
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Z.4.1 |
Das
Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs.
3 GG - Prozessgrundrecht
- gilt nicht für die Anordnung von Maßregeln der
Besserung und Sicherung (vgl. BGH,
Beschl. v. 15.4.2008 - 5 StR 431/07
- BGHSt 52, 205 ff. - NStZ 2008, 330). siehe auch: § 1 StGB, Keine Strafe ohne Gesetz --> Rdn. 25.2 |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 69 StGB wird verwiesen auf: § 62 StGB siehe auch: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 62 StGB § 142 StGB siehe auch: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 StGB § 315c StGB siehe auch: Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c StGB § 316 StGB siehe auch: Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB § 323a StGB siehe auch: Vollrausch, § 323a StGB Auf § 69 StGB wird verwiesen in: § 44 StGB siehe auch: Fahrverbot, § 44 StGB § 111a StPO siehe auch: § 111a StPO, Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis § 473 StPO siehe auch: § 473 StPO, Kosten und Auslagen bei Rechtsmittel |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 6. Titel (Maßregeln der Besserung und Sicherung) |
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