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§
185 StGB
Beleidigung
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 185 Halbs. 1 StGB |
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5 |
Unter einer Beleidigung ist der rechtswidrige Angriff auf die Ehre durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung bzw. Nichtachtung zu verstehen (vgl. BGH, Urt. v. 27.3.2009 - 2 StR 302/08 - BGHSt 53, 257 - NStZ 2009, 517; Fischer, StGB 56. Aufl. § 185 Rdn. 4). | |
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5.1 |
Zwar können sexuelle Äußerungen und Ansinnen im Ausnahmefall eine beleidigende Herabsetzung der Person enthalten, der gegenüber sie erfolgen. Hierfür ist aber nicht schon ausreichend, dass die betreffende Person keinen Anlass zu der Annahme gegeben hat, sie sei an solcherlei Kontakten interessiert; Voraussetzung ist vielmehr, dass der Täter selbst das der betroffenen Person angesonnene Verhalten als verwerflich oder ehrenrührig ansieht und durch die Äußerung zum Ausdruck bringen will, dass er dem Tatopfer eine entsprechende verachtenswerte Haltung zu Unrecht unterstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 26.7.2006 - 2 StR 285/06; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 185 Rdn. 11 a m.w.N.). | |
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5.2 |
Leitsatz
Ein Mandatsverhältnis begründet
keine Straffreiheit für persönliche Schmähungen Dritter,
die ein Strafverteidiger gegenüber seinem Mandanten
äußert (BGH,
Urt. v. 27.3.2009 - 2 StR 302/08 - Ls.
- BGHSt
53, 257 - NStZ 2009, 517). Das Mandatsverhältnis zwischen Strafverteidiger und Beschuldigtem begründet nicht generell einen "beleidigungsfreien Raum". Der Bundesgerichtshof brauchte nicht zu entscheiden, ob ein solcher beleidigungsfreier Bereich anzuerkennen ist, soweit ehrenrührige Äußerungen des Mandanten über Dritte gegenüber seinem Anwalt betroffen sind. Jedenfalls besteht kein schutzwürdiges Interesse in einem Mandatsverhältnis beleidigende Äußerungen des Rechtsanwaltes stets straffrei zu stellen. Die zum Verhältnis innerhalb enger bzw. engster Familien- und Vertrauensbeziehungen entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfGE 90, 255, 261; BVerfG NJW 2007, 1194, 1195; 1995, 1477) sind auf die Beziehung zwischen Verteidiger und Beschuldigtem nicht übertragbar. Bei dem Verhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem handelt es sich im Kern um eine geschäftsmäßige und nicht durch persönliche Bindung geprägte Beziehung. Zu den Grundpflichten des Rechtsanwaltes gehört es nach § 43a Abs. 3 Satz 1 BRAO, sich bei seiner Berufsausübung sachlich zu verhalten. Nach § 43a Abs. 3 Satz 2 BRAO hat er insbesondere herabsetzende Äußerungen zu unterlassen, zu denen kein Anlass besteht. Eine Verletzung des Sachlichkeitsgebotes liegt ungeachtet seiner im Einzelnen umstrittenen Reichweite (siehe Kleine-Cosack BRAO 5. Aufl. § 43a Rn. 56 ff.; Feuerich/Weyland/Vossebürger BRAO 7. Aufl. § 43a Rn. 31 ff.) jedenfalls dann vor, wenn die Herabsetzungen nach Inhalt und Form als strafbare Beleidigungen zu beurteilen sind, ohne durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt zu werden (BGH, Urt. v. 27.3.2009 - 2 StR 302/08 - BGHSt 53, 257 - NStZ 2009, 517; BVerfG NJW 1988, 191, 194; AnwBl. 1993, 632; Kleine-Cosack BRAO aaO § 43a Rn. 72, 74; Feuerich/Weyland/Vossebürger BRAO aaO § 43a Rn. 36). Darüber hinaus ist die Vertraulichkeit im Verhältnis des Rechtsanwaltes zu seinem Mandanten nur einseitig abgesichert. Nur der Rechtsanwalt ist seinem Mandanten gegenüber aus §§ 43a Abs. 2 BRAO, 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Verteidiger kann sich umgekehrt mangels vergleichbarer rechtlicher Bindungen des Mandanten nicht darauf verlassen, dass dieser die Vertraulichkeit wahrt und seine Äußerungen nicht an Dritte weitergibt (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 185 Rn. 9b; Feuerich/Weyland/Vossebürger BRAO aaO § 43a Rn. 37). Insofern ist die besondere Vertraulichkeit der Kommunikation als Voraussetzung für die Einschränkung des Ehrenschutzes (vgl. BVerfGE 90, 255, 260; BVerfG NJW 2007, 1194, 1195) gerade nicht gewährleistet (BGH, Urt. v. 27.3.2009 - 2 StR 302/08 - BGHSt 53, 257 - NStZ 2009, 517). |
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§ 185 Halbs. 2 StGB |
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20 |
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20.1 |
Der erhöhte Strafrahmen des § 185 (2. Halbs.) StGB gilt für eine tätliche, nicht jedoch für eine verbale Beleidigung. Das Höchstmaß des nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB gemilderten Strafrahmens beträgt neun Monate Freiheitsstrafe (vgl. BGH, Beschl. v. 17.4.2008 - 4 StR 118/08). | |
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20.2 |
Der Tatbestand des § 185 StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter durch sein Verhalten (etwa die sexuelle Handlung) zum Ausdruck bringt, der Betroffene weise einen seine Ehre mindernden Mangel auf. Eine solche Kundgabe ist in der sexuellen Handlung allein regelmäßig nicht zu sehen und erfüllt deshalb auch nicht den Tatbestand des § 185 StGB. Ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung erfüllt nur dann den Tatbestand der Beleidigung, wenn nach den gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters zugleich eine - von ihm gewollte - herabsetzende Bewertung des Opfers zu sehen ist (BGH, Urt. v. 21.2.1989 - 2 StR 662/88 - BGHSt 36, 145, 150; BGH, Beschl. v. 12.8.1992 - 3 StR 318/92 - BGHR StGB § 185 Ehrverletzung 4 - NStZ 1993, 182; BGH, Beschl. v. 22.11.2006 - 2 StR 382/06 - NStZ 2007, 218; BGH, Beschl. v. 16.2.2012 - 3 StR 13/12; Hilgendorf in LK 11. Aufl. § 185 Rdn. 28 ff). | |
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20.3 |
Der Angeklagte kann seine Missachtung etwa auch dadurch zum Ausdruck bringen, dass er ein einem starken Ausatmen mit nahezu geschlossenem Mund ähnliches Geräusch macht, wodurch zugleich, was er zumindest billigend in Kauf nimmt, Speichel in Form einer Art "Sprühregens" aus etwa 20 cm Abstand im Gesicht des Zeugen auftrifft. Dieses Verhalten stellt eine unmittelbar spürbare körperliche Einwirkung auf das Opfer dar, aus der sich zugleich dessen Geringschätzung ergibt. Es erfüllt daher den Tatbestand der tätlichen Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2009 - 4 StR 594/08 - NStZ-RR 2009, 172; OLG Zweibrücken NJW 1991, 240, 241; vgl. auch Hilgendorf in LK-StGB 11. Aufl. § 185 Rdn. 15; Regge in MünchKomm StGB § 185 Rdn. 38; Lenckner in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 185 Rdn. 18; Fischer StGB 56. Aufl. § 185 Rdn. 18). | |
Konkurrenzen |
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K.1 |
Werden
in einem einzigen Akt mehrere Personen beleidigt, liegt wegen
des verletzten höchstpersönlichen Rechtsgutes gleichartige
Tateinheit vor (vgl. BGH,
Beschl. v. 18.11.2008 - 1 StR 621/08). siehe zur gleichartigen Tateinheit: § 52 StGB--> Rdn. 5.1 und 51 sowie Rdn. U.1.2 und § 260 StPO, Urteil --> 95.3.10.1 zur Urteilsformel |
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K.2 |
Die
Nachstellung nach § 238
Abs. 1 StGB verklammert die ebenfalls
verwirklichten Delikte der Bedrohung und Beleidigung, so dass insgesamt
Tateinheit gegeben ist (BGH,
Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR 244/09 -
NStZ 2010, 277; aA Valerius JuS 2007, 319, 324). Zwischen an sich
selbstständigen Delikten kann durch ein weiteres Delikt - auch
einer anderen Handlungseinheit (Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. §
52 Rdn. 28) - Tateinheit hergestellt werden, wenn dieses weitere Delikt
- bzw. die Handlungseinheit - mit den anderen Straftatbeständen
jeweils ideell konkurriert und zumindest mit einem der verbundenen
Delikte eine annähernde Wertgleichheit besteht oder die
verklammernde Tat die schwerste ist (Fischer StGB 56. Aufl. Vor §
52 Rdn. 30; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 52 Rdn. 30). Die
Ausführungshandlungen der an sich getrennt verwirklichten
Bedrohungen bzw. Beleidigungen sind zwar nicht miteinander, wohl aber
mit den Ausführungshandlungen der Nachstellung (teil-)identisch;
die zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verbundenen einzelnen
Teilakte der Nachstellung bilden deshalb jeweils mit den daneben
verwirklichten Tatbeständen der Bedrohung und Beleidigung eine Tat
im materiellrechtlichen Sinn. Die Nachstellung ist nach § 238
Abs.1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe und
damit mit höherer Strafe als die Bedrohung und die Beleidigung
bedroht, deren Strafrahmen jeweils von Geldstrafe bis zu einem Jahr
Freiheitsstrafe reicht. Sie stellt daher das schwerste der
verwirklichten Delikte dar (BGH,
Beschl. v. 19.11.2009 - 3 StR 244/09 -
NStZ 2010, 277). siehe auch: § 52 StGB, Tateinheit --> Rdn. 25; § 238 StGB, Nachstellung |
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Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen
§ 185
Hlbs. 1 StGB: 1 Monat bis 1
Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 9 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 6 Monat 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 5 Monate 2 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen Strafrahmen § 185 Hlbs. 2 StGB: 1 Monat bis 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB 1 Monat bis 1 Jahr 6 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 270 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte Milderung) 1 Monat bis 1 Jahr 1 Monat 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (dreifache Milderung) 1 Monat bis 10 Monate 3 Tage Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB 1 Monat bis 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Die
Verjährungsfrist für Beleidigungen nach § 185
Abs. 1
1. Halbsatz StGB beträgt drei Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 5 StGB).
Für tätliche Beleidigungen (§ 185
Abs. 1 2. Halbsatz
StGB) beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78
Abs. 3 Nr. 4 StGB). siehe zur Frist: Verjährungsfrist § 78 StGB; zum Lauf der Frist siehe: Beginn, § 78a StGB; Ruhen, § 78b StGB; Unterbrechung, § 78c StGB; zum Verfahrenshindernis der Verjährung siehe: Einstellung bei Verfahrenshindernissen § 206a StPO |
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Z.1.2 |
Nach
§ 194
Abs. 1 Satz 1 StGB wird die Beleidigung
grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt. Ausnahmen von dem
Antragserfordernis regelt zum einen § 194
Abs. 1 Satz 2 StGB und
zum anderen § 194
Abs. 2 Satz 2 StGB siehe auch: Strafantrag, § 194 StGB; Antragsberechtigte, § 77 StGB; Antragsfrist, § 77b StGB; Strafanzeige und Strafantrag, § 158 StPO |
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Z.3 |
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Z.3.2 |
Wird wegen Verdachts einer Straftat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, ein Haftbefehl erlassen, bevor der Antrag gestellt ist, so ist nach § 130 StPO der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer, sofort von dem Erlaß des Haftbefehls in Kenntnis zu setzen und davon zu unterrichten, daß der Haftbefehl aufgehoben werden wird, wenn der Antrag nicht innerhalb einer vom Richter zu bestimmenden Frist, die eine Woche nicht überschreiten soll, gestellt wird. Wird innerhalb der Frist Strafantrag nicht gestellt, so ist der Haftbefehl aufzuheben. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist. § 120 Abs. 3 StPO ist anzuwenden (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.4.2010 - StB 5/10). | |
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Z.5 |
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Z.5.1 |
Wer
durch eine rechtswidrige Tat, insbesondere nach § 185
StGB
verletzt ist, kann sich gemäß § 395
Abs. 3 StPO der
erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen,
wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren
Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint. siehe auch: § 395 StPO, Befugnis zum Anschluss |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
Auf § 185
StGB wird verwiesen in: § 380 StPO siehe auch: Erfolgloser Sühneversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung, § 380 StPO § 395 StPO siehe auch: Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger, § 395 StPO |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 14. Abschnitt (Beleidigung) |
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