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§
22 StGB
Begriffsbestimmung
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 22 StGB |
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3 |
Der Versuch einer Straftat ist die
begonnene, aber
nicht
vollendete Tat, also die zwischen Vorbereitung und Vollendung einer
vorsätzlichen Straftat liegende Handlung, die den subjektiven
Tatbestand vollständig, den objektiven Tatbestand aber nur
teilweise verwirklicht oder dazu unmittelbar ansetzt (BGH, Urt. v.
11.2.2016 - 3 StR 436/15 Rn. 15). Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestandes bezieht (BGH, Urt. v. 10.9.2015 – 4 StR 151/15 Rn. 13 - NJW 2015, 3732; BGH, Beschl. v. 28.4.2016 - 4 StR 317/15 Rn. 14). |
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5 |
Für
den Eintritt in das Versuchsstadium kommt es darauf an,
wie weit derjenige, der den Entschluß zur Begehung der
Straftat gefaßt hat, mit der Ausführung des
Entschlusses gekommen ist. Dazu muß das, was er zur
Verwirklichung seines Vorhabens getan hat, zu dem in Betracht kommenden
Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Danach ist
zunächst zu beurteilen, ob der Täter bereits Merkmale
des Straftatbestandes erfüllt oder lediglich Handlungen
vorgenommen hat, die noch außerhalb des Straftatbestands
liegen. Im ersten Fall ist die Grenze zum Versuch in der Regel bereits
überschritten; im zweiten Fall bedarf es weiterer
Prüfung (BGHSt 37, 294 = JR 1992, 121 mit Anm. Kienapfel; BGH
NStZ 1997, 31; BGH StV 2001, 272, 273; BGH,
Beschl. v. 7.2.2002 - 1 StR
222/01 - wistra 2002, 263; BGH, Beschl. v. 12.1.2011
- 1 StR 540/10 - StV 2011, 362). Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02 - BGHSt 48, 34 - StV 2003, 74; BGH, Urt. v. 14.8.2009 - 3 StR 552/08 - BGHSt 54, 69 ff. - NJW 2009, 3448 ff.). In den Bereich des Versuchs einbezogen ist vielmehr auch ein für sich gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals räumlich und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll (st. Rspr.; vgl. ; vom 26. Oktober 1978 - 4 StR 429/78, BGHSt 28, 162, 163; vom 26. Januar 1982 - 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 364; Beschluss vom 24. Juli 1987 - 2 StR 338/87, BGHSt 35, 6, 8 f.; Urteile vom 16. Januar 1991 - 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 268 f.; Beschluss vom 14. März 2001 - 3 StR 48/01, NStZ 2001, 415, 416). Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur - vollständigen - Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 16.9.1975 - 1 StR 264/75 - BGHSt 26, 201, 203 f.; BGH, Urt. v. 26.10.1978 - 4 StR 429/78 - BGHSt 28, 162, 163; BGH, Urt. v. 26.1.1982 - 4 StR 631/81 - BGHSt 30, 363, 364; BGH, Beschl. v. 24.7.1987 - 2 StR 338/87 - BGHSt 35, 6, 8 f.; BGH, Urt. v. 16.1.1991 - 2 StR 527/90 - BGHSt 37, 294, 296; BGH, Urt. v. 13.9.1994 - 1 StR 357/94 - BGHSt 40, 257, 268 f.; BGH, Urt. v. 12.8.1997 - 1 StR 234/97 - BGHSt 43, 177, 180; BGH NStZ 1989, 473; BGH, Beschl. v. 14.3.2001 - 3 StR 48/01 - NStZ 2001, 415, 416; BGH, Beschl. v. 19.6.2003 - 5 StR 160/03 - wistra 2003, 389; BGH, Urt. v. 14.8.2009 - 3 StR 552/08 - BGHSt 54, 69 ff. - NJW 2009, 3448 ff.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.4.2010 - AK 2/10 - NJW 2010, 2370; BGH, Beschl. v. 29.4.2010 - 3 StR 64/10; BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 4 StR 338/10 - wistra 2011, 224; BGH, Urt. v. 17.2.2011 - 3 StR 419/10; BGH, Beschl. v. 27.9.2011 - 4 StR 454/11; BGH, Beschl. v. 6.2.2014 - 1 StR 577/13; BGH, Urt. v. 20.3.2014 - 3 StR 424/13; BGH, Beschl. v. 7.8.2014 - 3 StR 105/14; BGH, Urt. v. 10.8.2016 - 2 StR 493/15 Rn. 30; BGH, Beschl. v. 20.9.2016 - 2 StR 43/16 Rn. 4; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 22 Rn. 10). Dies ist dann der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (vgl. BGHSt 26, 201, 202 ff.; 28, 162, 163; 30, 363, 364; 48, 34, 35 f.; BGH, Urt. v. 26.8.1986 – 1 StR 351/86 - BGHR StGB § 22 Ansetzen 5; BGHR AO § 373 Versuch 1; BGH NStZ 1999, 395, 396; 2000, 422; BGH, Urt. v. 12.7.2000 - 2 StR 43/00 - wistra 2000, 379; BGH, Beschl. v. 14.3.2001 - 3 StR 48/01 - NStZ 2001, 415; BGH, Urt. v. 9.10.2002 - 5 StR 42/02 - BGHSt 48, 34 - StV 2003, 74; BGH, Beschl. v. 11.6.2003 - 2 StR 83/03 - BGHR StGB § 22 Ansetzen 31; BGH, Beschl. v. 19.6.2003 - 5 StR 160/03 - wistra 2003, 389; BGH, Urt. v. 13.1.2010 - 2 StR 439/09- NJW 2010, 623; BGH, Beschl. v. 14.9.2010 - 5 StR 336/10 - NStZ 2011, 89; BGH, Beschl. v. 12.1.2011 - 1 StR 540/10 - StV 2011, 362; BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 4 StR 338/10 - wistra 2011, 224; BGH, Beschl. v. 27.9.2011 – 4 StR 454/11 - BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; BGH, Urt. v. 25.10.2012 - 4 StR 346/12; BGH, Beschl. v. 29.1.2014 - 1 StR 654/13; BGH, Beschl. v. 16.9.2015 - 2 StR 71/15; BGH, Urt. v. 10.8.2016 - 2 StR 493/15 Rn. 30; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 22 Rn. 10). Nicht als Zwischenakte in diesem Sinne anzusehen sind Handlungen, die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden; dies kann auch für ein notwendiges Mitwirken des Opfers gelten (BGH, Urt. v. 30.4.1980 - 3 StR 108/80 - NJW 1980, 1759; BGH, Beschl. v. 16.7.2015 - 4 StR 219/15; BGH, Beschl. v. 16.9.2015 - 2 StR 71/15; unklar: BGH, Urt. v. 20.3.2014 - 3 StR 424/13: geplantes langzeitiges Quälen in Tötungsabsicht). Das Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes im Sinne des § 22 StGB ist im Blick auf das geschützte Rechtsgut zu bestimmen (BGH, Urt. v. 7.2.2008 - 5 StR 242/07 - NJW 2008, 1460). Dabei ist im Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen (st. Rspr.; vgl. BGHR AO § 373 Versuch 1 m.w.N.; BGH, Urt. v. 7.11.2007 - 5 StR 371/07 - wistra 2008, 105; BGH, Urt. v. 13.1.2010 - 2 StR 439/09 - NJW 2010, 623; BGH, Urt. v. 17.2.2011 - 3 StR 419/10). Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung im Einzelfall sind u.a. die Dichte des Tatplans und der Grad der Rechtsgutgefährdung (BGHR StGB § 22 Ansetzen 11; BGH, Urt. v. 12.12.2001 - 3 StR 303/01 - NJW 2002, 1057; BGH NStZ 2002, 309; BGH, Urt. v. 20.3.2014 - 3 StR 424/13; BGH, Beschl. v. 16.9.2015 - 2 StR 71/15). Das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur - vollständigen - Tatbestandserfüllung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet. Diese Voraussetzung kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt; regelmäßig genügt es allerdings, wenn der Täter ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht. Es muss aber immer das, was er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (BGH, Urt. v. 16.1.1991 - 2 StR 527/90 - BGHSt 37, 294, 296; BGH, Beschl. v. 12.1.2011 - 1 StR 540/10 - NStZ 2011, 400, 401; BGH, Beschl. v. 7.8.2014 - 3 StR 105/14; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.3.2014 - 3 StR 424/13 - NStZ 2014, 447, 448; BGH, Beschl. v. 20.9.2016 - 2 StR 43/16 Rn. 4). An einem unmittelbaren Ansetzen kann es daher - ausnahmsweise - trotz der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals fehlen, wenn der Täter damit noch nicht zu der die Strafbarkeit begründenden eigentlichen Rechtsverletzung ansetzt. Ob dies der Fall ist oder ob er sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das "unmittelbare Einmünden" seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen das Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht deshalb im Allgemeinen, dass es zur Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges noch eines weiteren - neuen - Willensimpulses bedarf (BGH, Urt. v. 21.12.1982 - 1 StR 662/82 - BGHSt 31, 178, 182; BGH, Beschl. v. 7.8.2014 - 3 StR 105/14). Beispiel: Nach diesen Maßstäben haben die Angeklagten noch nicht - wie es für einen Versuch des § 242 StGB notwendig ist - zum Gewahrsamsbruch angesetzt. Das Eindringen in den Garten über das Gartentor reicht nicht aus. Zum einen sollte nach der Vorstellung der Angeklagten nicht im Garten, sondern in dem durch weitere Sicherungen geschützten Haus auf dem Grundstück nach Stehlenswertem gesucht werden (vgl. OLG Hamm MDR 1976, 155). Zum anderen ergibt sich aus den Feststellungen nicht, ob das Gartentor nach seiner Funktion als wesentlicher Schutz des Hauses anzusehen ist oder etwa durch einfaches Öffnen oder Übersteigen überwunden werden konnte. So ist nicht dargelegt, dass schon in dem Eindringen auf das Grundstück ein Ansetzen zum Gewahrsamsbruch liegt (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2016 - 2 StR 43/16 Rn. 5). Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (vgl. BGHSt 26, 201, 203; 30, 363, 364; 35, 6, 9; 40, 257, 269; BGHR StGB § 22 Ansetzen 11 u. 30; BGH, Beschl. v. 14.3.2001 - 3 StR 48/01 - NStZ 2001, 415; BGH, Urt. v. 12.12.2001 - 3 StR 303/01 - NStZ 2002, 309; BGH, Urt. v. 9.3.2006 - 3 StR 28/06 betr. Brandstiftungsversuch; BGH, Urt. v. 6.12.2007 - 3 StR 325/07 - NStZ 2008, 209; BGH, Urt. v. 14.8.2009 - 3 StR 552/08 - BGHSt 54, 69 ff. - NJW 2009, 3448 ff.; BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 4 StR 338/10 - wistra 2011, 224; BGH, Beschl. v. 29.1.2014 - 1 StR 654/13). Auf die strukturellen Besonderheiten des in Frage kommenden Tatbestands ist dabei Bedacht zu nehmen (BGH, Urt. v. 7.11.2007 - 5 StR 371/07 - NStZ 2008, 409, 410; BGH, Beschl. v. 15.3.2011 - 3 StR 15/11 - wistra 2011, 299, 300 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 29.1.2014 - 1 StR 654/13). |
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5.1 |
Bei
der Mittäterschaft treten alle Mittäter
einheitlich in das Versuchsstadium ein, sobald einer von ihnen zur
Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt und zwar
unabhängig davon, ob einzelne von ihnen ihren Tatbeitrag im
Vorbereitungsstadium erbracht haben (st. Rspr., BGHSt 39, 236, 237 f;
40, 299, 301; BGH,
Urt. v. 12.7.2000 - 2 StR 43/00 - wistra 2000, 379). siehe auch: Täterschaft, § 25 StGB |
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5.2 |
Will
der Täter die Tat nicht selbst, sondern durch einen
Dritten begehen (§ 25 Abs. 1 StGB), so liegt ein unmittelbares
Ansetzen zur Tat zwar regelmäßig dann vor, wenn der
Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat.
Dies setzt jedoch weiter voraus, daß der Tatmittler die
Tathandlung nach den Vorstellungen des Täters in engem
Zusammenhang mit dem Abschluß der Einwirkung vornehmen wird
und das geschützte Rechtsgut damit bereits in diesem Zeitpunkt
gefährdet ist (BGHSt 43, 177, 179 f.; 40, 257, 269; 30, 363,
365; 4, 270, 273; BGH,
Urt. v. 12.7.2000 - 2 StR 43/00 - wistra 2000,
379). Soll dagegen der Tatmittler nach dem Willen des Hintermanns die
tatbestandliche Angriffshandlung mit zeitlicher Verzögerung im
Anschluß an noch ausstehende Vorbereitungshandlungen ins Werk
setzen, beginnt der Versuch auch für den Hintermann erst mit
dem unmittelbaren Ansetzen des Tatmittlers zur Tatbegehung. In diesem
Fall konkretisiert sich die Gefahr für das geschützte
Rechtsgut auch aus der Sicht des Täters noch nicht mit der
Beendigung seiner Einwirkung auf den Tatmittler, sondern erst mit dem
Beginn von dessen Ausführungshandlungen in einer die
Strafwürdigkeit des Versuchs begründenden Weise
(BGHSt 40, 257, 269; BGH,
Urt. v. 12.7.2000 - 2 StR 43/00 - wistra
2000, 379). Entscheidend für die Abgrenzung ist daher, ob nach dem Tatplan die Handlungen des Täters schon einen derartigen Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, dass es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen kann, oder ob die Begründung einer solchen Gefahr dem noch ungewissen späteren Handeln des Tatmittlers überlassen bleibt (vgl. BGH, Beschl. v. 6.2.2014 - 1 StR 577/13; BGH, Urt. v. 12.8.1997 - 1 StR 234/97 - BGHSt 43, 177, 180 mwN). siehe auch: Täterschaft, § 25 StGB |
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5.3 |
Bei Qualifikationstatbeständen wie auch bei
Tatbeständen mit Regelbeispielen ist grundsätzlich
auf das
Ansetzen zur Verwirklichung des Grundtatbestandes abzustellen (vgl.
BGH, Beschl. v. 20.9.2016 - 2 StR 43/16 Rn. 3; Fischer, StGB, 63.
Aufl., § 22, Rn. 36 mN). Daraus folgt, dass sich bei
§ 244
StGB wie bei § 243 StGB gleichermaßen die
einheitlich zu
beantwortende Frage stellt, ob mit den festgestellten Tathandlungen zur
Wegnahme im Sinne von § 22 StGB angesetzt ist
(vgl. BGH,
Beschl. v. 20.9.2016 - 2 StR 43/16 Rn. 3; vgl. im Zusammenhang mit
§ 244a StGB BGH NStZ 2015, 207). Bezogen auf die Frage, wann bei einem - wie etwa § 244a StGB - qualifizierten Delikt das Versuchsstadium beginnt, decken sich diese Grundsätze mit der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung, dass die Unmittelbarkeit nur dann zu bejahen ist, wenn der Täter mit seiner Handlung zugleich zur Verwirklichung des Grunddeliktes ansetzt (BGH, Beschl. v. 7.8.2014 - 3 StR 105/14; Gössel, ZIS 2011, 386, 389 mwN; BeckOK v.HeintschelHeinegg/Beckemper, StGB, § 22 Rn. 43; LK/Hillenkamp, StGB, 12. Aufl., § 22 Rn. 123; NK-StGB-Zaczyk, 4. Aufl., § 22 Rn. 53; S/S-Eser/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 22 Rn. 58), im Rahmen des § 244a StGB mithin zur Wegnahme (BGH, Beschl. v. 7.8.2014 - 3 StR 105/14; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 244a Rn. 9; MüKoStGB/Schmitz, 2. Aufl., § 244a Rn. 10; zu § 244 StGB vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 244 Rn. 11). |
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10 |
§
251 StGB ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt, dessen Versuch nicht nur
in der Form begangen werden kann, daß der Täter
durch eine in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme stehende
räuberische Nötigungshandlung den Tod des Opfers
verursacht, es aber nicht zur Vollendung der Wegnahme kommt - sog. erfolgsqualifizierter
Versuch -, sondern auch dadurch,
daß
der Einsatz der i.S.d. § 249 StGB
tatbestandsmäßigen Gewalt zugleich
vorsätzlich vorgenommene Tötungshandlung ist, die
aber den qualifizierten Erfolg nicht bewirkt - sog. versuchte
Erfolgsqualifizierung (vgl. BGH,
Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 99/01 -
NStZ 2001, 534; Herdegen in LK 11. Aufl. § 251 Rdn. 15;
Fischer, StGB 55. Aufl. § 251 Rdn. 8a). Beispiel: Der in Tötungsabsicht auf das Opfer abgegebene Schuß mit der Armbrust diente auch dazu, dem Opfer Schlüssel und Dokumente wegzunehmen und sich damit die Motoryacht anzueignen. Der Angeklagte hat sich deshalb auch des versuchten Raubes mit Todesfolge schuldig gemacht (vgl. BGH, Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 99/01 - NStZ 2001, 534). Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß der Versuch der schweren Körperverletzung in Betracht kommt, wenn der Täter die Körperverletzung vorsätzlich begeht und dabei bezüglich der schweren Folge mit bedingtem Vorsatz handelt und diese schwere Folge dann aber nicht eintritt; der Versuch der schweren Körperverletzung steht sodann mit der vollendeten Körperverletzung in Tateinheit (BGHSt 21, 194). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall des versuchten Raubes mit Todesfolge. Auch hier ist der Versuch in Form der versuchten Erfolgsqualifizierung möglich (BGH, Beschl. v. 29.3.2001 - 3 StR 46/01; BGH, Beschl. v. 10.5.2001 - 3 StR 99/01 - NStZ 2001, 534). |
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15 |
L E I T S A T Z
Bewirkt der Täter, der nach
seiner Vorstellung vom Tatablauf den Taterfolg erst durch eine
spätere Handlung herbeiführen will, diesen
tatsächlich bereits durch eine frühere, so kommt eine
Verurteilung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des
Taterfolgs über die Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung
des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nur in
Betracht, wenn der Täter bereits vor der Handlung, die den
Taterfolg verursacht, die Schwelle zum Versuch überschritten
hat oder sie zumindest mit dieser Handlung überschreitet (BGH,
Urt. v. 12.12.2001 - 3 StR 303/01 - Ls. - NStZ 2002, 309). Handlungen im Vorbereitungsstadium mögen zwar der Umsetzung des Tatplans dienen, setzen nach der Vorstellung und dem Willen des Täters aber noch nicht den unmittelbar in die Tatvollendung einmündenden Kausalverlauf in Gang, so daß sich mangels eines rechtlich relevanten Vorsatzes die Frage einer (wesentlichen oder unwesentlichen) Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nicht stellt. Wird der Taterfolg schon durch eine Vorbereitungshandlung bewirkt, kommt daher nur eine Verurteilung wegen fahrlässiger Verursachung dieses Erfolgs in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2001 - 3 StR 303/01 - NStZ 2002, 309). |
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17 |
„Fahrlässiger Versuch“
ist straflos (vgl. BGH,
Urt. v. 12.1.2010 - 1 StR 272/09 - NJW 2010, 1087; Vogel in
LK 12.
Aufl. § 15 Rdn. 179). |
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20 |
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20.1 |
Kein
Versuchsbeginn: In diesen Fällen besteht die
Besonderheit, dass die Täter die Beute durch eine
Gewalthandlung (BGHR StGB § 22 Ansetzen 11) an sich bringen
wollen oder dies zumindest ins Kalkül gezogen haben (BGH, Urt.
v. 7.5.1985 - 2 StR 60/85), also die zusätzliche Schwelle des
konkreten Ansetzens zur Gewaltausübung noch zu
überwinden haben (vgl. hierzu auch BGH,
Urt. v. 7.2.2008 - 5
StR 242/07 - NJW 2008, 1460). |
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20.2 |
Ein unmittelbares Ansetzen zu
Eigentums- oder auch zu Körperverletzungsdelikten in der
Wohnung eines Opfers
liegt danach vor, wenn die Tat in der Wohnung dadurch
ermöglicht werden
soll, dass sich ein Täter unter einem Vorwand Einlass
verschafft, um
auf das Tatopfer einzuwirken bzw. es zu bestehlen. Der Angriff auf die
körperliche Integrität und den fremden Gewahrsam
beginnt in diesen
Fällen bereits mit dem Begehren um Einlass (vgl. BGH,
Urt. v. 10.8.2016
- 2 StR 493/15 Rn. 30; zum Diebstahl: BGH, Urt. v. 16.9.2015 - 2 StR
71/15; zum Raub vgl. BGH, Urt. v. 2.6.1993 - 2 StR 158/93 - BGHSt 39,
236, 238; BGH, Urt. v. 11.7.1984 - 2 StR 249/84 - NStZ 1984, 506).
Gleiches gilt, wenn der Täter für seine Tat
„das Überraschungsmoment
ausnutzen" will, weil er davon ausgeht, dass das Tatopfer die
Tür
öffnen werde (vgl. BGH, Urt. v. 10.8.2016 - 2 StR 493/15 Rn.
30; BGH,
Urt. v. 9.8.2011 - 1 StR 194/11 - NStZ 2012, 85). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl vor, wenn ein Diebstahl aus der Wohnung eines Opfers dadurch ermöglicht werden soll, dass sich ein Täter unter einem Vorwand Einlass verschafft, um das Tatopfer abzulenken und dann zu bestehlen. Der Angriff auf den fremden Gewahrsam beginnt in diesen Fällen bereits mit dem Begehren um Einlass (BGH, Urt. v. 12.3.1985 - 5 StR 722/84; BGH, Beschl. v. 16.9.2015 - 2 StR 71/15 betr. sog. "Wasserwerker-Methode"; vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.5.2010 - 3 StR 105/10). Überschreiten der Versuchsschwelle zum Raub durch Klingeln an der Wohnungstür des beabsichtigten Opfers in der Absicht, alsbald nach Öffnen mit Gewalt auf die öffnende Person einzuwirken (vgl. BGHSt 26, 201, 203 f.; auch BGHSt 39, 236, 238; BGH NStZ 1984, 506; sowie BGH, Beschl. v. 20.8.2004 - 2 StR 281/04 und BGH NStZ 1999, 395 "subjektiver Vorbehalt"; zur Abgrenzung auch Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl., § 22 Rdn. 10 ff. m. w. N.). Klingeln und Klopfen an der Wohnungstür, der Versuch schlug mangels Öffnens der Tür durch das Tatopfer fehl (vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2010 - 3 StR 125/10 betr. versuchte besonders schwere räuberische Erpressung). Beispiel: Die Angeklagten A, B und C wollten den Zeugen überfallen, um ihm die Herausgabe eines Laptop abzunötigen, auf dem sie kinderpornographische Bilddateien vermuteten, mit denen sie den Zeugen später zu Geldzahlungen erpressen wollten. Sie wollten sich mit Sturmhauben maskieren und A mit einer Gaspistole, die anderen Mittäter mit Messern bewaffnen. Während die Angeklagten A und B sich in der Nähe des Hauses hinter einer Hecke verstecken sollten, sollte der Angeklagte C an der Haustür des Zeugen klingeln und diesen mit einem Messer bedrohen, sobald dieser die Tür öffnen würde. Dazu kam es nicht, weil der Angeklagte C meinte, er habe nach dem Klingeln an der Haustür einen Hund bellen hören und ein Kind hinter der Türverglasung gesehen. Daher nahm er von der weiteren Tatausführung Abstand und wandte sich zum Gehen. Unmittelbar danach wurden die Angeklagten durch Polizeibeamte festgenommen, die sie observiert hatten (vgl. BGH, Beschl. v. 18.6.2013 - 2 StR 75/13). Bei dieser Sachlage bleibt offen, ob die Mittäter bereits nach ihrer Vorstellung zur Begehung der Tat unmittelbar angesetzt haben (§ 22 StGB). Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten C nicht für widerlegt gehalten, dass es unter den Mittätern vereinbart gewesen sei, sie hätten nicht in das Haus des Zeugen eindringen wollen, wenn ein Kind anwesend sei. Daraus könnte sich ein Vorbehalt ergeben, der dazu geführt hätte, dass die Schwelle zum Versuch nach der Tätervorstellung noch nicht überschritten war (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.1999 - 4 StR 76/99 - NStZ 1999, 395, 396; BGH, Beschl. v. 20.8.2004 - 2 StR 281/04 - BGHR StGB, § 22 Ansetzen 33). Nähere Feststellungen zu diesem Teil des Tatplans hat das Landgericht nicht getroffen. Das kann sich auf die Beurteilung des Versuchsbeginns für alle Mittäter ausgewirkt haben (vgl. BGH, Urt. v. 2.6.1993 - 2 StR 158/93 - BGHSt 39, 236, 237 f.; BGH, Beschl. v. 18.6.2013 - 2 StR 75/13 insoweit auch zu § 24 Abs. 2 StGB und §§ 30 Abs. 2, 31 StGB). Beispiel (vgl. BGH, Urt. v. 10.8.2016 - 2 StR 493/15 Rn. 31): Nach den oben genannten Maßstab haben die Angeklagten, als sie den Flur des Mehrfamilienhauses betraten, die Schwelle zum „jetzt geht es los“ noch nicht überschritten und hierdurch unmittelbar zur Verwirklichung ihres Vorhabens angesetzt. Denn um zu dem Zeugen zu gelangen, hätten die Täter noch die Treppen hoch zur Wohnung des Zeugen gehen und dort um Einlass bitten müssen. Sie rechneten daher nach Betreten des Hausflurs noch nicht damit, im ungestörten Fortgang unmittelbar mit der Gewalt gegen den Zeugen Sch. beginnen zu müssen (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1984 - 2 StR 249/84 - NStZ 1984, 506), weshalb das Vorhaben nach Vorstellung der Täter nicht ohne einen weiteren Zwischenakt „in einem Zug“ umsetzbar war. |
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20.3 |
Es fehlt schon an einem engen zeitlichen Zusammenhang mit Tatbestandshandlungen des Raubes, wenn die Angeklagten mehr als einen Tag vor dem geplanten Überfall in die Bank eindrangen, die Räumlichkeiten "präparierten" und die Bank wieder verließen. Darin liegt nur eine straflose Vorbereitungshandlung (vgl. BGH, Beschl. v. 11.6.2003 - 2 StR 83/03) unbeschadet einer Strafbarkeit wegen einer etwa vorliegenden Verabredung zum schweren Raub schuldig gemacht (§§ 30 Abs. 2, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), wobei der nach § 30 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB gemilderte Strafrahmen dem des Versuchsstrafrahmens entspricht. | |
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20.4 |
Ist
für die Herbeiführung des deliktischen Erfolges
noch die unbewusste
Mitwirkung des Opfers erforderlich, so ist das
Versuchsstadium erreicht, wenn dies bei ungestörtem Fortgang
der Dinge alsbald und innerhalb eines überschaubaren Zeitraums
wahrscheinlich ist und nahe liegt (vgl. BGH,
Beschl. v. 8.5.2001 - 1
StR 137/01 - NStZ 2001, 475 betr. Manipulation an
elektrischen
Steckdosen in zentralen Räumen eines Wohnhauses; insoweit
ähnlich BGH Urt. v. 7.10.1997 - 1 StR 635/96 - NStZ 1998, 294,
295 - Sprengfalle: betr. Anbringen einer Handgranate an einem vor dem
Hause geparkten PKW ). Insofern verhält es sich anders als
etwa beim Aufstellen eines vergifteten Getränks in der
ungewissen Erwartung, Einbrecher würden erneut in ein Haus
eindringen und das Getränk zu sich nehmen (dazu BGH, Urt. v.
12.8.1997 - 1 StR 234/97 - BGHSt 43, 177 - NStZ 1998, 241 - Giftfalle). |
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20.5 |
Allein
der Aufenthalt
des Angeklagten in den
Geschäftsräumen und das Führen von
Verkaufsverhandlungen mit dem
Juwelier kann noch nicht als
unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl gewertet werden, wenn sie nicht
unmittelbar in die Wegnahmehandlung münden sollten und es
vielmehr hierfür noch eines weiteren
Willensentschlusses des Angeklagten nach Eintritt einer ihm
für die Tatausführung geeignet erscheinenden
Situation bedurfte (vgl. BGH NStZ 1993, 398; 1996, 38; BGH,
Beschl. v.
14.3.2001 - 3 StR 48/01 - NStZ 2001, 415). Insoweit
unterscheidet sich
vorgenannter Sachverhalt von der Fallgestaltung, die dem Urteil des 4.
Strafsenats vom 6. Oktober 1977 - 4 StR 404/77 - zugrunde lag. Dort war
der Täter bereits bei Betreten des Schmuckgeschäfts
ohne innere Vorbehalte entschlossen, sich unter Vorspiegelung von
Kaufinteresse Schmuck vorlegen zu lassen und diesen sodann zu entweden.
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20.6 |
Als noch nicht bis zum Stadium des Versuchs einer Diebstahlstat gediehen anzusehen ist etwa die Fallgestaltung, bei der die Angeklagten lediglich umherfuhren und nach stehlenswerten Fahrzeugen Ausschau hielten (vgl. BGH, Beschl. v. 16.3.2010 - 4 StR 497/09). | |
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20.7 |
Der Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens
zur Tat im
Sinne von § 22
StGB und damit des Versuchsbeginns ist nach allgemeinen
Maßstäben auch
dann erreicht, wenn der Täter solche Handlungen vorgenommen
hat, die
nach seinem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte
in die
Tatbestandsverwirklichung einmünden sollen (st. Rspr.;
vgl. BGH, Urt.
v. 24.7.2014 - 3 StR 314/13; BGH, Urt. v. 20.3.2014 - 3 StR
424/13, Rn.
8 mwN; s. dazu näher oben). Bei Ausfuhrdelikten
ist dies auch dann der Fall, wenn der Täter die Ware nach
seinem
Transportplan endgültig auf den Weg gebracht hat (BGH, Urt. v.
24.7.2014 - 3 StR 314/13; Bieneck in Wolffgang/Simonsen, aaO, 17.
Erg.-Lfg., § 34 Abs. 5 Rn. 8; weitergehend BGH, Urt. v.
19.1.1965 - 1
StR 541/64 - BGHSt 20, 150, 152: Aufladen
der Ware auf ein Fahrzeug, um sie demnächst ungenehmigt
über die Grenze zu bringen; s. auch
G/J/W/Cornelius, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 34 AWG
Rn. 124). siehe auch: § 17 AWG Rdn. 50.5 - Versuchte Ausfuhr |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 2. Abschnitt (Die Tat) 2. Titel (Versuch) |
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