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§
265a StGB
Erschleichen von Leistungen
(1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Die §§ 247 und 248a gelten entsprechend. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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§ 265a Abs. 1 StGB |
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5 |
Leitsatz
Eine
Beförderungsleistung wird bereits dann im Sinne des
§ 265a
Abs. 1 StGB erschlichen, wenn der Täter ein
Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem
Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen
des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen (BGH,
Beschl. v. 8.1.2009
- 4 StR 117/08 - BGHSt 53, 122 - Ls. - StV 2009, 358). Der Wortlaut der Norm setzt weder das Umgehen noch das Ausschalten vorhandener Sicherungsvorkehrungen oder regelmäßiger Kontrollen voraus. Nach seinem allgemeinen Wortsinn beinhaltet der Begriff der "Erschleichung" lediglich die Herbeiführung eines Erfolges auf unrechtmäßigem, unlauterem oder unmoralischem Wege (vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, 8. Bd. [1999], Sp. 2136; Brockhaus, 10. Aufl. Bd. 2 S. 1217). Er enthält allenfalls ein "täuschungsähnliches" Moment dergestalt, dass die erstrebte Leistung durch unauffälliges Vorgehen erlangt wird; nicht erforderlich ist, dass der Täter etwa eine konkrete Schutzvorrichtung überwinden oder eine Kontrolle umgehen muss (BGH, Beschl. v. 8.1.2009 - 4 StR 117/08 - BGHSt 53, 122 - StV 2009, 358: insoweit auch zum Bestimmtheitsgebot und zur Gesetzeshistorie; i. Erg. ebenso OLG Stuttgart - NJW 1990, 924, 925, OLG Hamburg, Urt. v. 18.12.1990 - 2a Ss 119/90 - NStZ 1991, 587, 588 mit Anm. Alwart, NStZ 1991, 588, OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2000 - 2b Ss 54/00 - 31/00 I - NJW 2000, 2120, 2121 und OLG Frankfurt a.M. v. 16.1.2001 - 2 Ss 365/00 - NStZ-RR 2001, 269, 270). Nach der im Schrifttum herrschenden Meinung setzt demgegenüber ein Erschleichen einer Beförderung durch ein Verkehrsmittel im Sinne des § 265a Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter sich mit einem täuschungsähnlichen oder manipulativen Verhalten in den Genuss der Leistung bringt; allein die Entgegennahme einer Beförderungsleistung ohne gültigen Fahrausweis, die nicht mit der Umgehung von Kontroll- oder Zugangssperren oder sonstigen Sicherheitsvorkehrungen verbunden ist, reicht danach nicht aus. Dies folge zum einen aus dem Wortsinn des Begriffs "Erschleichen", zum anderen aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Rahmen der §§ 263 bis 265b StGB (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 265 a Rdn. 11; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 265 a Rdn. 34 ff.; Wohlers in Münch-Komm § 265 a Rdn. 53 ff.; Fischer StGB 56. Aufl. § 265 a Rdn. 6, 21; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 265 a Rdn. 6 a, jeweils m.w.N.). |
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5.1 |
Die
unberechtigte
Inanspruchnahme von Automatenleistungen oder von
Leistungen eines öffentlichen Zwecken dienenden
Telekommunikationssystems erfordert in der Regel eine
aktive
Manipulation oder Umgehung von Sicherungsmaßnahmen. Dies folgt
daraus, dass diese Leistungen nur auf eine spezielle Anforderung hin
erbracht werden. Im Unterschied dazu wird die Beförderungsleistung
dadurch für eine bestimmte Person erbracht, dass diese in das
ohnehin in Betrieb befindliche Verkehrsmittel einsteigt und sich
befördern lässt; eine vergleichbare aktive Umgehung von
Kontrolleinrichtungen beim Zugang zu einem Verkehrsmittel ist daher
schon der Sache nach nicht erforderlich (vgl. BGH,
Beschl. v. 8.1.2009
- 4 StR 117/08 - BGHSt 53, 122 - StV
2009, 358; auch OLG Frankfurt a.M.
NStZ-RR 2001, 269, 270). Das Tatbestandsmerkmal des Erschleichens erfordert bei der Inanspruchnahme von Leistungen des Telekommunikationsnetzes eine Umgehung von Sicherungseinrichtungen im Sinne einer Einflußnahme auf den technischen Ablauf. Die unbefugte Inanspruchnahme einer Leistung zu Lasten eines Dritten reicht dazu nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 31.3.2004 - 1 StR 482/03 - wistra 2004, 299; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 265a Rdn. 10; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 265a Rdn. 6). |
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§ 265a Abs. 2 StGB |
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... (2) Der Versuch ist strafbar. ... |
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25 |
§ 265a
Abs. 2 StGB bestimmt ausdrücklich die Strafbarkeit des Versuchs
(vgl. § 23
Abs. 1 Halbsatz 2 StGB). siehe auch: Begriffsbestimmung, § 22 StGB; Strafbarkeit des Versuchs, § 23 StGB; Rücktritt, § 24 StGB; Besondere gesetzliche Milderungsgründe, § 49 StGB |
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§ 265a Abs. 3 StGB |
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... (3) Die §§ 247 und 248a gelten entsprechend. |
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35 |
Wortlaut
§ 247
StGB: Ist durch einen Diebstahl oder eine Unterschlagung ein Angehöriger, der Vormund oder der Betreuer verletzt oder lebt der Verletzte mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft, so wird die Tat nur auf Antrag verfolgt. Wortlaut § 248a StGB: Der Diebstahl und die Unterschlagung geringwertiger Sachen werden in den Fällen der §§ 242 und 246 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. siehe auch: Haus- u. Familiendiebstahl, § 247 StGB; Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen, § 248a StGB |
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Strafzumessung |
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S.1 |
Strafrahmen
§ 265a Abs. 1 StGB:
1 Monat bis 1 Jahr Freiheitsstrafe oder
Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen; ggfls. i.V.m. § 49 Abs.
1 StGB: 1 Monat bis 9 Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis
zu 270 Tagessätzen; ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (doppelte
Milderung): 1 Monat bis 6 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe oder
Geldstrafe von 5 bis zu 202 Tagessätzen; ggfls. i.V.m. § 49
Abs. 1 StGB (dreifache Milderung): 1 Monat bis 5 Monate 2 Tage
Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von 5 bis zu 151 Tagessätzen;
ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB: 1 Monat bis 1 Jahr Freiheitsstrafe
oder Geldstrafe von 5 bis zu 360 Tagessätzen § 265a Abs. 2 StGB (Versuch): Der Strafrahmen richtet sich für die Versuchsstrafbarkeit nach dem - ggfls. nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB oder nach §§ 23 Abs. 3, 49 Abs. 2 StGB ermessensgemilderten - Strafrahmen, der für das vollendete Delikt gelten würde. siehe auch: Grundsätze der Strafzumessung, § 46 StGB; Besondere gesetzliche Milderungsgründe, § 49 StGB; Bildung der Gesamtstrafe, § 54 StGB; Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe, § 55 StGB; Zusammentreffen von Milderungsgründen, § 50 StGB |
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S.1.1 |
Leitsatz
Es entscheidet sich nach den Verhältnissen des
Einzelfalls, ob bei Bagatelldelikten bis zu einer bestimmten
Schadensgrenze die gesetzliche Mindeststrafe übersteigende
Freiheitsstrafen nicht mehr schuldangemessen sind. Diese Frage ist
deshalb einer Vorlegung nach § 121 Abs. 2 GVG nicht
zugänglich (BGH,
Beschl. v. 15.11.2007 - 4 StR 400/07 - Ls. -
wistra 2008, 101). siehe auch: § 46 StGB, Grundsätze der Strafzumessung |
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Prozessuales |
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Z.1 |
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Z.1.1 |
Verfolgungsverjährung
§ 265a
Abs. 1 StGB: 3 Jahre - § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB; siehe zur Frist: Verjährungsfrist § 78 StGB; zum Lauf der Frist siehe: Verjährungsbeginn 78a StGB; Ruhen der Verjährung 78b StGB; Unterbrechung der Verjährung 78c StGB; zum Verfahrenshindernis der Verjährung siehe: Einstellung bei Verfahrenshindernissen § 206a StPO. |
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Z.1.2 |
§ 265a Abs. 3 StGB bestimmt, dass die §§ 247, 248a StGB entsprechend gelten, so dass in den Fällen der entsprechenden Anwendung des § 247 StGB die Tat nur auf Antrag verfolgbar ist, wohingegen § 248a StGB auch die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses vorsieht. | |
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Z.5 |
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Z.5.1 |
Wird wegen Verdachts einer Straftat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, ein Haftbefehl erlassen, bevor der Antrag gestellt ist, so ist nach § 130 StPO der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer, sofort von dem Erlaß des Haftbefehls in Kenntnis zu setzen und davon zu unterrichten, daß der Haftbefehl aufgehoben werden wird, wenn der Antrag nicht innerhalb einer vom Richter zu bestimmenden Frist, die eine Woche nicht überschreiten soll, gestellt wird. Wird innerhalb der Frist Strafantrag nicht gestellt, so ist der Haftbefehl aufzuheben. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist. § 120 Abs. 3 StPO ist anzuwenden (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.4.2010 - StB 5/10). | |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 265a
StGB wird verwiesen auf: § 247 StGB siehe auch: Haus- u. Familiendiebstahl, § 247 StGB § 248a StGB siehe auch: Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen, § 248a StGB |
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Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 22. Abschnitt (Betrug und Untreue) |
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