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§
70 StGB
Anordnung des Berufsverbots
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. (2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten. (3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen. (4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet. |
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017
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Allgemeines |
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Ein
Berufsverbot ist ein
schwerwiegender (BGH, Urt. v. 12.6.1958 – 4 StR 147/58 - VRS 15,
112, 115) Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein
bestimmter Personenkreis (BGH, Urt. v. 23.6.1959 – 5 StR 221/59 -
GA 1960, 183), vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll
(BGH, Urt. v. 12.5.1975 – AnwSt (R) 8/74 - NJW 1975, 1712; BGH,
Urt. v. 25.4.2013 - 4 StR 296/12). Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Sicherungsmaßregel gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Dabei ist zu prüfen, ob die Anlasstat in symptomatischer Weise die Unzuverlässigkeit des Täters in seinem Beruf erkennen lässt (BGH, Urt. v. 11.3.2015 - 2 StR 423/14). |
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Dem
Tatrichter steht angesichts des mit der Maßregel
verbundenen schwerwiegenden Eingriffs ein weiter Ermessensspielraum
zur
Verfügung (BT-Drucks. V/4095, S. 38; BGH,
Urt. v. 20.1.2004 -
1 StR 319/03; BGH,
Urt. v. 24.4.2007 - 1 StR 439/06 - wistra 2007, 343;
BGH, Urt. v, 14.4.2011 - 4 StR 669/10 - NJW 2011, 1891; Sander in
Sonderheft für Gerhard Schäfer, S. 57, 59).
Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewusst einen weiten
Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige
Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden
(vgl. BGH,
Urt. v. 20.1.2004 -
1 StR 319/03; BGH,
Urt. v. 24.4.2007 - 1 StR 439/06; BGH,
Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR 164/07 - wistra 2008, 58). Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Maßregel der Besserung und Sicherung "Berufsverbot" soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Sie kann unter anderem gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Missbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung dieses Berufs erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2004 - 1 StR 319/03; BGH, Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR 164/07 - wistra 2008, 58; vgl. auch BGH, Beschl. v. 25.1.2012 - 1 StR 45/11). |
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10 |
Ein
Berufsverbot kommt auch bei erstmaliger
Verurteilung des
Täters in Frage (BGH NStZ 2002, 198), wobei in solchen
Fällen besonders strenge Anforderungen an die Annahme weiterer
Gefährlichkeit des Täters zu stellen sind (BGH StGB
§ 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 6; BGH,
Urt. v. 6.4.2001 - 2 StR
356/00; BGH,
Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02 - wistra 2003, 424). Wird
ein Täter erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig, sind
an die Annahme seiner weiteren Gefährlichkeit im Sinne des §
70 Abs. 1 Satz 1 StGB ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen;
insbesondere ist zu prüfen, ob bereits die Verurteilung zur Strafe
den Täter von weiteren Taten abhalten wird (BGH, Beschl. v.
30.10.1987 – 3 StR 414/87 - BGHR StGB § 70 Abs. 1
Wiederholungsgefahr 1; BGH, Beschl. v. 12.9.1994 – 5 StR
487/94 - NStZ 1995, 124; BGH, Urt. v. 25.4.2013 - 4 StR 296/12).
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15 |
Der
Bundesgerichtshof hat offen gelassen, ob die Weisung, zeitweise im
Bereich der Herstellung, Ver- und Bearbeitung von Fleisch- und
Wurstwaren nicht tätig zu sein, zulässig ist (so
BGHSt 9, 258, 260; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56c Rdn. 24;
Groß in MK-StGB § 56c Rdn. 12, 23) oder ob dies nur
unter den in § 70 StGB angegebenen Voraussetzungen angeordnet
werden darf (so Ostendorf in NK 2. Aufl. § 56c Rdn. 4; Stree
in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 56c
Rdn. 1; Horn in SK-StGB 41. Lfg. § 56c Rdn. 7; OLG Hamm NJW
1955, 34), weil es einem zeitigen Berufsverbot gleichkomme (vgl. BGH,
Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR 164/07 - wistra 2008, 58), weil die
Frage, ob
die im Bewährungsbeschluss nach § 268a
Abs. 1 StPO
angeordnete Weisung zulässig ist, nicht der
revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BGH,
Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR 164/07 -
wistra 2008, 58; Meyer-Goßner, StPO 51.
Aufl. § 268a Rdn. 10). siehe auch: Weisungen, § 56c StGB |
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§ 70 Abs. 1 StGB |
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Wortlaut § 70 Abs. 1 StGB: (1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. ... |
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20 |
Ein
Missbrauch von
Beruf oder Gewerbe im Sinne des § 70 StGB
liegt nur dann vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung
der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben
seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben
zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein
bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne,
dass der Beruf des Täters lediglich die Möglichkeit
gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss
vielmehr Ausfluss der
jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit
sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen (std.
Rspr., vgl. BGHSt 22, 144; BGHR StGB § 70 Abs. 1
Pflichtverletzung 1, 2, 6, 7; BGH, Beschl. v. 20.4.1983 - 2 StR 175/83
- NJW 1983, 2099; BGH,
Urt. v. 14.7.2000 - 3 StR 53/00 -
NStZ-RR 2001, 241; BGH,
Beschl. v. 6.6.2003 - 3 StR 188/03 - wistra
2003, 423; BGH,
Beschl. v. 1.6.2007 - 2 StR 182/07; BGH, Urt. v.
11.3.2015 - 2 StR 423/14: Angeklagte
verschaffte sich unter Ausnutzung ihrer Approbation als Ärztin das
Morphium, das sie selbst konsumieren wollte, in der zugespitzten
Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann aber als Tatmittel eingesetzt hat).
Nicht ausreichend ist, dass der Täter nur allgemein für den Beruf erworbene Kenntnisse oder Fähigkeiten verwertet oder nur anlässlich der Berufsausübung sich ergebende äußere Gelegenheiten ausnutzt (vgl. BGH, NJW 1983, 2099; BGH, Urt. v. 9.3.2011 - 2 StR 609/10). Die strafbare Handlung muss vielmehr einen inneren Zusammenhang mit dem Beruf erkennen lassen (vgl. BGHSt 22, 144, 146; BGH, StV 2008, 80, 81; BGH, Urt. v. 9.3.2011 - 2 StR 609/10); sie muss symptomatisch für die Unzuverlässigkeit des Täters im Beruf erscheinen (vgl. BGH, NJW 1983, 2099; BGH, Urt. v. 9.3.2011 - 2 StR 609/10 - betr. Inanspruchnahme berufsspezifischen Vertrauens). Voraussetzung der Anordnung ist, dass bei Begehung der Tat der Beruf oder das Gewerbe tatsächlich ausgeübt wurde. Es genügt insbesondere nicht, daß die Tat vom Angeklagten nur im Rahmen einer beabsichtigten oder vorgetäuschten Berufs- oder Gewerbetätigkeit begangen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGHSt 22, 144, 146; BGHR StGB § 10 Abs. 2 Pflichtverletzung 4; BGH, Beschl. v. 20.7.1990 - 3 StR 242/90; BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 4; BGH, Beschl. v. 2.6.1998 - 1 StR 168/98 - NStZ 1998, 567; BGH, Beschl. v. 16.3.1999 - 4 StR 26/99 - wistra 1999, 222; BGH, Beschl. v. 22.6.2000 - 5 StR 165/00 - wistra 2001, 59; BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - 3 StR 225/00 - wistra 2001, 105; BGH, Urt. v. 19.7.2001 - 4 StR 457/00 - wistra 2001, 386). Entsprechend dem Gefahrenabwehrzweck des § 70 Abs. 1 StGB muß der Mißbrauch oder die Pflichtverletzung in einem inneren Zusammenhang mit der Berufsausübung oder deren regelmäßiger Gestaltung stehen und so symptomatisch die Unzuverlässigkeit des Täters in seinem Beruf erkennen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2004 - 1 StR 319/03; zum Schutzzweck des § 70 StGB BVerfG, Dritte Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 30.10.2002 - 2 BvR 1837/00; Hanack aaO § 70 Rdn. 18; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl., § 70 Rdn. 6 f.; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 70 Rdn. 3). Vgl. zum Fall einer nur vorgetäuschten Berufstätigkeit, bei der die zur Anlage bestimmten Gelder von vorne herein gar nicht angelegt, sondern sogleich vom Täter für sich vereinnahmt worden sind (vgl. BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 4 und BGH, Beschl. v. 13.9.2001 - 3 StR 228/01). |
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25 |
Der
Strafrichter darf das Berufsverbot nur verhängen, wenn die
Gefahr
besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm
verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen
wird (RGSt 68, 397, 398 f.; BGH, Beschl. v. 17.5.1968 – 2 StR 220/68 -
BGHSt 22, 144, 145 f.; BGH, Urt. v. 1.11.1955 – 5 StR 442/55 - MDR
1956, 143 bei Dallinger). Voraussetzung ist, dass eine – auf den
Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte (BGH, Urt. v. 5.8.1975 – 1
StR 356/75 - NJW 1975, 2249 f.) – Gesamtwürdigung des Täters und seiner
Taten den Richter zu der Überzeugung führt, dass die Gefahr, das heißt
die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher
Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (BGH, Beschl. v. 2.8.1978 –
StB 171/78 - BGHSt 28, 84, 85 f.; BGH, Urt. v. 22.10.1981 – 4 StR
429/81 - wistra 1982, 66, 67; BGH, Urt. v. 25.4.2013 - 4 StR 296/12). Zwar kann ein Berufsverbot grundsätzlich auch neben einer Bewährungsstrafe verhängt werden, etwa dann, wenn der Gefahr weiterer Straftaten gerade durch das Berufsverbot entgegengesteuert werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 30.10.2003 - 3 StR 276/03 - NStZ-RR 2004, 54; BGH, Beschl. v. 24.7.2014 - 2 StR 221/14 - wistra 2015, 27, 28; LK-Hanack, 12. Aufl., § 70 Rn. 43a); dies erfordert aber eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Beschl. v. 5.8.2009 - 5 StR 248/09 - NStZ 2010, 170, 171), in deren Rahmen etwa auch zu berücksichtigen ist, dass die Verhängung eines Berufsverbots dann ausscheidet, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte bereits durch die Verurteilung zu der verhängten Strafe oder jedenfalls durch deren Verbüßung von weiteren Taten abgehalten werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.2014 - 2 StR 221/14 - wistra 2015, 27, 28; BGH, Beschl. v. 12.9.1994 - 5 StR 487/94 - NStZ 1995, 124). Bei der Prognose ist etwa die Tatsache zu berücksichtigten, dass es sich bei der Anlasstat der Maßregelanordnung, die bei der Prognose Indizbedeutung für künftiges strafwürdiges Verhalten haben könnte, um ein Kapitaldelikt gehandelt hat, das gerade aus der konfliktbeladenen Beziehung zu dem Opfer entstanden ist und zu dem sie durch dessen Verhalten provoziert wurde und mit einer vergleichbaren Tat für die Zukunft kaum noch zu rechnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2015 - 2 StR 423/14). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf einem bestreitenden Angeklagten sein Verteidigungsverhalten - wie etwa fehlende Einsicht - auch im Hinblick auf die Gefährlichkeitsprognose beim Berufsverbot nicht angelastet werden (BGH, Beschl. v. 20.2.2001 - 5 StR 544/00 - wistra 2001, 220; BGHR StGB § 46 Nachtatverhalten 2; BGHR StGB § 70 Abs. 1 Dauer 1; BGH, Beschl. v. 26.2.2003 - 2 StR 411/02 - wistra 2003, 231; BGH, Beschl. v. 30.10.2003 - 3 StR 276/03 - wistra 2004, 61; BGH, Urt. v, 14.4.2011 - 4 StR 669/10 - NJW 2011, 1891). Auch eine berufsgerichtliche Vorahndung des Angeklagten wegen Verstößen gegen seine Berufspflichten darf in die Erwägungen einbezogen werden (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 1 StR 453/02 - wistra 2003, 424). Ob das Verhalten eines Angeklagten nach der Tat stets im Rahmen der für § 70 Abs. 1 StGB erforderlichen Gefahrprognose zu berücksichtigen ist (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 5.8.2009 - 5 StR 248/09 - NStZ 2010, 170), hat der 1. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 25.1.2012 - 1 StR 45/11 offen gelassen, denn dort hätte sich ungeachtet der festgestellten Teilschadenswiedergutmachung Günstiges für den Angeklagten deswegen nicht ergeben können, weil er nach der Durchsuchung seiner Praxisräume in diesem Verfahren weiterhin gegen § 31 BayBOÄ verstoßen hat, indem er nunmehr mit einem anderen Labor Beraterverträge abschloss, die ihm zukünftig umsatzabhängige (Rück)Vergütungen sichern sollten. |
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25.1 |
Wird
im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur
Bewährung ausgeführt, der Angeklagte sei in der
Hauptverhandlung von dem Verfahren sichtlich so beeindruckt gewesen,
dass er sich schon die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur
Warnung dienen lassen und zukünftig keine Straftaten mehr
begehen werde, steht damit in deutlichem Widerspruch die
Begründung der Gefahrprognose bei der Festsetzung des -
uneingeschränkt verhängten - Berufsverbots, wonach
aufgrund „der Anzahl allein der noch
verfahrensgegenständlichen Taten und der sich stetig
steigernden Mengen illegal abgegebener Arzneimittel in den einzelnen
Taten“ davon auszugehen sei, dass „der Angeklagte
auch zukünftig gleiche oder ähnliche Taten
begehen“ werde. Dies mag seine Erklärung darin
finden, dass die Gefahr weiterer Taten bei der Entscheidung nach
§ 56
Abs. 2 StGB deshalb anders beurteilt wurde, weil sie
aufgrund des zusätzlich verhängten Berufsverbots
nicht mehr bestehe (vgl. BGH,
Beschl. v. 5.8.2009 - 5 StR
248/09 - NStZ
2010, 170; auch BGH NStZ-RR 2004, 54, 55). Gleichwohl bedarf es auch
bei der nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB gebotenen
Gesamtwürdigung eines Eingehens auf die bisherige
Straffreiheit des Angeklagten, sein Alter und den Umstand bedurft, dass
die Taten mittlerweile rund drei Jahre zurückliegen, ohne dass
der - nach wie vor seine Apotheke betreibende - Angeklagte erneut in
gleicher Weise straffällig geworden ist (BGH,
Beschl. v. 5.8.2009 - 5 StR
248/09 - NStZ 2010, 170).
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30 |
Das
Berufsverbot darf im Hinblick auf das
Verhältnismäßigkeitsprinzip und den auf die
Gefahrenabwehr zugeschnittenen Charakter der Maßregel nur in
dem gegenständlichen Umfang ausgesprochen werden, in dem dies
erforderlich ist, um die Begehung weiterer Straftaten zu verhindern
(vgl. BGHR StGB § 70 Abs. 1 Umfang, zulässiger 2;
BGH,
Urt. v. 4.12.2001 - 1 StR 428/01). Das Berufsverbot bedarf ggfl. der Einschränkung (vgl. BGHR StGB § 70 Umfang, zulässiger 2). Beispiel: Der Angeklagte ist ausschließlich wegen (sexuell gefärbter) Straftaten zum Nachteil weiblicher Patienten verurteilt worden. Für die Befürchtung, dass von ihm auch Gefahren für Personen männlichen Geschlechts ausgehen könnten, fehlt jeglicher Anhalt. Das angefochtene Urteil stützt vielmehr die Annahme, die Tathandlungen seien nicht medizinisch, sondern geschlechtlich motiviert gewesen, ersichtlich auch auf die vergleichsweise geringe Anzahl männlicher Patienten, die sich den relevanten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden unterzogen haben, so ist es angezeigt, den Maßregelausspruch auf das Verbot der medizinischen Behandlung von Personen weiblichen Geschlechts zu beschränken (vgl. BGH, Beschl. v. 16.1.2003 - 3 StR 454/02; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8.5.2008 - 3 StR 122/08; BGH, Urt. v, 14.4.2011 - 4 StR 669/10 - NJW 2011, 1891; BGH, Beschl. v. 29.12.2014 - 2 StR 211/14). Ein Berufsverbot kann, soweit es dem Angeklagten nicht nur die Pflege alter Menschen, sondern auch "entsprechende berufliche Tätigkeiten" untersagt, zu unbestimmt sein (vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.2008 - 3 StR 88/08 - NStZ 2009, 324). Der Verbotsausspruch ist etwa auf Personen weiblichen Geschlechts unter achtzehn Jahren zu beschränken, wenn die Feststellungen des angefochtenen Urteil keinen Anhalt für die Annahme bieten, dass von dem Angeklagten die Gefahr sexueller Verfehlungen auch gegenüber Kindern und Jugendlichen männlichen Geschlechts ausgehe (vgl. BGH, Beschl. v. 21.1.2014 - 3 StR 388/13; BGH, Beschl. v. 8.5.2008 - 3 StR 122/08 Rn. 3; BGH, Beschl. v. 17.2.1995 - 2 StR 13/95 - BGHR StGB § 70 Abs. 1 Umfang, zulässiger 2). |
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30.1 |
Die
Verhängung eines Berufsverbots wird nicht dadurch
gehindert, daß der Angeklagte Beamter
ist. Zwar tritt
§ 70 StGB grundsätzlich hinter der Bestimmung des
§ 45
StGB über den Verlust der Amtsfähigkeit
und den einschlägigen Bestimmungen der Beamtengesetze
über den Verlust der Beamtenrechte - etwa Art. 46 BayBG -
zurück (BGH NJW 1987, 2686, 2687; BGH,
Urt. v. 4.12.2001 - 1
StR 428/01; Hanack in LK 11. Aufl. § 70 StGB Rdn. 32). Dies
gilt jedoch nur hinsichtlich der Beamtenstellung als solcher und
muß sich nicht auf berufsfachliche Fähigkeiten
erstrecken, aufgrund derer der Beamte tätig geworden ist. Hat
ein Beamter bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat die
Möglichkeiten einer speziellen fachlichen Qualifikation
genutzt, von der er auch in nichtamtlicher Eigenschaft in
gefährlicher Weise Gebrauch machen könnte, so sind
darauf gerichtete Berufsverbote zulässig (Hanack in LK 11.
Aufl. § 70 StGB Rdn. 33; Stree in
Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 70 Rdn. 3;
vgl. auch BGH,
Urt. v. 14.7.2000 - 3 StR 454/99 - wistra 2000, 459 und
BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 7). Insoweit steht die
Beamteneigenschaft dem Verbot einer seinem Fach entsprechenden
Berufsausübung nicht entgegen. Es kann daher zum Beispiel
einem beamteten Lehrer oder einem Amtsarzt gemäß
§ 70 StGB untersagt werden, privat als Lehrer oder Arzt
tätig zu werden (vgl. BGH,
Urt. v. 4.12.2001 - 1
StR 428/01). Die Vorschriften der § 45 StGB, § 49 BNotO gehen als Spezialgesetze der allgemeinen Vorschrift des § 70 StGB über die Anordnung eines Berufsverbotes vor (vgl. BGHR StGB § 70 Konkurrenzen 1; BGH, Urt. v. 14.7.2000 - 3 StR 454/99 - wistra 2000, 459: betr. Notar). siehe auch: Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts, § 45 StGB |
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35 |
Ein
Verstoss gegen das Berufsverbot ist strafbewehrt. siehe auch: Verstoß gegen das Berufsverbot, § 145c StGB |
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... (4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet. |
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95 |
Nach § 70 Abs. 4 Satz 3 StGB wird die Zeit des Vollzugs der Freiheitsstrafe in die Verbotsfrist nicht eingerechnet. Wird daher zur Begründung der festgesetzten Dauer von fünf Jahren ausgeführt, diese sei trotz der Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren erforderlich, weil nicht auszuschließen sei, dass der Angeklagte die Strafe zumindest teilweise im offenen Vollzug verbüßen werde, zeigt dies, dass die Regelung des § 70 Abs. 4 Satz 3 StGB übersehen wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 12.10.2010 - 4 StR 424/10). | |
Urteil |
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U.1 |
Beispiel: Dem Angeklagten wird jegliche
berufliche Tätigkeit
im Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen
für die Dauer von drei Jahren verboten (vgl. BGH,
Beschl. v.
2.11.2005 - 3 StR 371/05 - wistra 2006, 112). Der Bundesgerichtshof hatte das Berufsverbot neu formuliert, da durch die Umschreibung "für den Berufszweig Versicherungskaufmann" die beabsichtigte Untersagung einer künftigen beruflichen Tätigkeit in der Vermittlung von Versicherungsverträgen missverständlich zum Ausdruck gebracht wird. Sie könnte dahin verstanden werden, dass dem Angeklagten - was nicht gewollt ist - nur die Betätigung als Versicherungskaufmann verboten wird. Das würde ihn nicht treffen, weil er nach den Feststellungen keine Ausbildung als Versicherungskaufmann durchlaufen hat. Im Übrigen umfasst dieser Ausbildungsberuf über die Vermittlung von Versicherungen hinaus noch zahlreiche andere berufliche Tätigkeiten, etwa im Innendienst von Versicherungsgesellschaften, die ersichtlich nicht untersagt werden sollten (vgl. BGH, Beschl. v. 2.11.2005 - 3 StR 371/05 - wistra 2006, 112). Beispiel: Dem Angeklagten wird das Unterrichten oder Betreuen von Kindern weiblichen Geschlechts für die Dauer von fünf Jahren verboten (vgl. BGH, Beschl. v. 8.5.2008 - 3 StR 122/08). Beispiel: Dem Angeklagten wird die Ausübung einer Tätigkeit als Substitutionsarzt für die Dauer von fünf Jahren untersagt (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.2008 - 2 StR 577/07 - BGHSt 52, 271 ff. - NStZ 2008, 574). Beispiel: Dem Angeklagten wird für die Dauer von fünf Jahren die Ausübung des Berufs des Lehrers oder Nachhilfelehrers zur Unterrichtung weiblicher Personen unter achtzehn Jahren sowie der Betrieb des Gewerbes eines Nachhilfe- oder Ausbildungsunternehmens für die Unterrichtung weiblicher Personen unter achtzehn Jahren verboten (vgl. BGH, Beschl. v. 21.1.2014 - 3 StR 388/13). siehe zur Urteilsformel auch: Urteil, § 260 StPO |
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U.2 |
Wird
das Berufsverbot gegen
mehrere Angeklagte ausgesprochen, ist die
Maßregel nach § 70 StGB jeweils individuell zu
begründen (vgl. BGH,
Beschl. v. 29.7.2003 - 5 StR 214/03). Wurde die Prognose drohender künftiger Taten nicht näher erläutert, kann Sie aber ohne weiteres daraus folgen, dass der Angeklagte einschlägig vorverurteilt ist und in einer großen Zahl von Fällen gleichartige Taten begangen hat (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2015 - 2 StR 389/13). siehe zur Urteilsbegründung auch: Urteilsgründe, § 267 StPO |
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Prozessuales |
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Z.1 |
Dem
Beschuldigten kann durch Beschluss die Ausübung des
Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig
verboten werden, wenn dringende Gründe für die
Annahme vorhanden sind, dass ein Berufsverbot nach § 70 StGB
angeordnet werden wird (§ 132a
Abs. 1 StPO). Das
vorläufige Berufsverbot ist aufzuheben, wenn sein Grund
weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil das Berufsverbot nicht
anordnet (§ 132a
Abs. 2 StPO). siehe auch: Vorläufiges Berufsverbot, § 132a StPO |
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Z.2 |
Das Berufsverbot kann das Gericht auch selbständig anordnen, wenn das Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit des Täters undurchführbar ist (§ 71 Abs. 1 StGB). | |
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Z.4 |
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Z.4.1 |
Das
Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs.
3 GG - Prozessgrundrecht
- gilt nicht für die Anordnung von Maßregeln der
Besserung und Sicherung (vgl. BGH,
Beschl. v. 15.4.2008 - 5 StR 431/07
- BGHSt 52, 205 ff. - NStZ 2008, 330). siehe auch: § 1 StGB, Keine Strafe ohne Gesetz --> Rdn. 25.2 - Maßregeln der Besserung und Sicherung vgl. zur Wechselwirkung zwischen Strafe und Maßregel: Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 46 Rn. 70 |
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Z.6 |
Die
Anfechtung des Urteils mit dem Rechtsmittel der Berufung oder der
Revision umfasst nicht die des Beschlusses nach § 268a
Abs. 1
StPO. Gegen den Beschluss ist insoweit die Beschwerde nach §
304
Abs. 1 StPO zulässig (vgl. BGH,
Urt. v. 7.11.2007 - 1 StR
164/07 - wistra 2008, 58; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl.
§ 268a Rdn. 10). siehe auch: Beschluss bei Strafaussetzung, § 268a StPO; Vorläufiges Berufsverbot, § 132a StPO; zur Mitteilung des Beschlusses siehe: RiStBV Nr. 140 |
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Z.8 |
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Z.8.1 |
In § 70 StGB wird verwiesen auf: § 132a StPO siehe auch: Vorläufiges Berufsverbot, § 132a StPO Auf § 70 StGB wird verwiesen in: § 132a StPO siehe auch: Vorläufiges Berufsverbot, § 132a StPO |
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Strafgesetzbuch - Allgemeiner Teil - 3. Abschnitt (Rechtsfolgen der Tat) 6. Titel (Maßregeln der Besserung und Sicherung) |
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