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Eine Darstellung der BGH-Rechtsprechung in Strafsachen



 
§ 225 StGB
Misshandlung von Schutzbefohlenen

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2. seinem Hausstand angehört,
3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
1. des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2. einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
 
Strafgesetzbuch, Stand: 24.8.2017


Überblick zur Darstellung
Allgemeines
    Geschütztes Rechtsgut
 § 225 Abs. 1 StGB
    Allgemeines
    Hausstandsangehörige
    Quälen
    Rohes Mißhandeln
       Unterlassungstaten
    Vorsatz
       Unterlassungstaten
    Böswillige Vernachlässigung
       Böswilligkeit
 § 225 Abs. 3 StGB
    Schwere Gesundheitsbeschädigung
    Erhebliche Entwicklungsschädigung
    Unterlassungstaten
    Vorsatz
 § 225 Abs. 4 StGB
    Minder schwerer Fall
 Konkurrenzen
    Handlungseinheit beim Tatbestandsmerkmal "Quälen"
    Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährliche Körperverletzung
    Verhältnis von § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB zu § 171 Alt. 1 StGB
    Misshandlung von Schutzbefohlenen und Körperverletzung
    Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen und unterlassene Hilfeleistung
    Schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen und Totschlag
Strafzumessung
    Strafrahmen
    Strafzumessungserwägungen
       Allgemeine Erwägungen
Urteil
    Urteilsformel
       Minder schwere Fälle
       Schwere Misshandlung, § 225 Abs. 3 StGB
    Urteilsgründe
Prozessuales
    Verfahrenshindernisse
       Verfolgungsverjährung
    Haftsachen
       Sicherungshaft bei Wiederholungsgefahr
    Nebenklage site sponsoring
       Anschlußberechtigung
       Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand
    Hauptverhandlung
       Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung
    Gesetze
       Verweisungen





Allgemeines




Geschütztes Rechtsgut

2
Neben der körperlichen Unversehrtheit wird – über § 223 StGB hinaus – auch die psychische Integrität einer unter besonderen Schutzverhältnissen stehenden Person geschützt (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13; Hirsch in LK, StGB, 11. Aufl., § 225 Rdn. 1; Horn/Wolters in SKStGB, 57. Lfg., § 225 Rdn. 2; Paeffgen in NK-StGB, 4. Aufl., § 225 Rdn. 2; Hardtung in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 225 Rdn. 1; Engländer in Matt/Renzikowski, StGB § 225 Rdn. 1; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 225 Rdn. 2, jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urt. v. 30.3.1995 – 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113, 116). 



§ 225 Abs. 1 StGB




Allgemeines

3
Das Quälen, das rohe Misshandeln und die böswillige Fürsorgepflichtverletzung sind selbständige Begehungsformen der Misshandlung Schutzbefohlener gemäß § 225 Abs. 1 StGB (BGH, Beschl. v. 19.1.2016 - 4 StR 511/15; BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14 - NStZ-RR 2015, 369, 370 f.; BeckOK-StGB/Eschelbach, § 225 Rn. 15). Die beiden Tatalternativen des Quälens und des Misshandelns können durch aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen begangen werden. Bei der Alternative des böswilligen Vernachlässigens der Fürsorgepflicht handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14 - NStZ-RR 2015, 369, 370 f.; BeckOK-StGB/Eschelbach, § 225 Rn. 15). 




Hausstandsangehörige

5
Bei einem Ehepaar obliegt beiden Ehegatten gemeinsam die Verantwortung für den Hausstand, die Haushaltsführung haben sie einvernehmlich zu regeln (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB; BGH, Urt. v. 5.3.2008 - 2 StR 626/07 - NJW 2008, 2199).

Beispiel: Der minderjährige Nebenkläger befand sich nach seinem Einzug in A. im Sinne von § 
225 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fürsorge und der Obhut der sorgeberechtigten Angeklagten M. als seiner Mutter und des Angeklagten, der im Einvernehmen mit der Angeklagten M. tatsächlich die Erziehung und Sorge für den in seinem Haushalt lebenden Nebenkläger übernommen hatte (vgl. BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.10.1993 – 2 StR 109/93). 




Quälen

10
"Quälen" im Sinne der ersten Tatvariante des § 225 Abs. 1 StGB bedeutet die Hinzufügung länger dauernder oder sich wiederholender (erheblicher) Schmerzen oder Leiden körperlicher oder seelischer Art (st. Rspr.; vgl.  BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14; RG, Urt. v. 23.5.1938 - 5 D 271/38 - JW 1938, 1879; BGH, Urt. v. 12.9.1961 – 5 StR 329/61; BGH, Urt. v. 30.3.1995 – 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113, 115; BGH, Urt. v. 6.12.1995 – 2 StR 465/95 - NStZ-RR 1996, 197; BGH, Urt. v. 3.7.2003 – 4 StR 190/03 - NStZ 2004, 94; BGH, Urt. v. 17.7.2007 - 5 StR 92/07 - NStZ-RR 2007, 304, 306; BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 4 StR 561/11; BGH, Beschl. v. 24.2.2015 - 4 StR 11/15; BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14; BGH, Beschl. v. 19.1.2016 - 4 StR 511/15; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 225 Rn. 8a; Hirsch in LK, 11. Aufl., § 225 Rn. 12; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 225 Rn. 11; Hardtung in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 225 Rn. 11; Momsen/Momsen-Pflanz in SSW-StGB, 2. Aufl., § 225 Rn. 13; Eschelbach in v. Heintschel-Heinegg, StGB, 2. Aufl., § 225 Rn. 16), die über die typischen Auswirkungen der festgestellten Körperverletzungen hinausgehen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - 2 StR 470/06 - NStZ 2007, 720; BGH, Urt. v. 17.7.2007 - 5 StR 92/07 - NStZ-RR 2007, 304, 306; BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 4 StR 561/11 - NStZ 2013, 466). Das Tatbestandsmerkmal "Quälen" setzt typischerweise mehrere Handlungen voraus und gerade die ständige Wiederholung zeichnet für sich den besonderen Unrechtsgehalt dieser Form der Körperverletzung aus (vgl. (BGH, Urt. v. 30.3.1995 - 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113 f.; BGH, Urt. v. 3.7.2003 – 4 StR 190/03 - NStZ 2004, 94; BGH, Urt. v. 19.10.2005 - 2 StR 98/05: im Zshg. mit Konkurrenzen; BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14).

Erfasst hiervon sind auch seelische Leiden, denn neben der körperlichen Unversehrtheit wird von § 225 Abs. 1 StGB auch die psychische Integrität einer unter besonderen Schutzverhältnissen stehenden Person geschützt (vgl. BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14; BGH, Urt. v. 16.4.2014 – 2 StR 608/13; BGH, Beschl. v. 28.10.2010 – 5 StR 411/10; Hirsch in LK, 11. Aufl., § 225 Rn. 1; Fischer StGB, 62. Aufl., § 225 Rn. 2; Hardtung in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 225 Rn. 1).

Bei § 
225 Abs. 1 StGB handelt es sich in der Variante des „Quälens“ um ein reines Erfolgsdelikt in Form eines Verletzungsdelikts (vgl. BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14; Hardtung in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 225 Rn. 2). Der Taterfolg besteht in der Verursachung von Schmerzen und Leiden des Tatopfers, den Qualen. Anders als bei der Variante der „rohen Misshandlung“ (BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14; vgl. hierzu im Kontext von § 13 StGB auch Weigend aaO § 13 Rn. 77) oder der „böswilligen Vernachlässigung“ ist eine besondere Begehungsweise nicht vorausgesetzt (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.1995 – 2 StR 465/95 - NStZ-RR 1996, 197).

Mehrere Körperverletzungshandlungen, die für sich genommen noch nicht den Tatbestand des § 
225 Abs. 1 StGB erfüllen, können als ein Quälen im Sinne dieser Vorschrift zu beurteilen sein, wenn erst die ständige Wiederholung den gegenüber § 223 StGB gesteigerten Unrechtsgehalt ausmacht (vgl. BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 340/16 Rn. 26; BGH, Beschl. v. 19.1.2016 – 4 StR 511/15 - NStZ 2016, 472; BGH, Beschl. v. 24.2.2015 – 4 StR 11/15 - BGHR StGB § 225 Abs. 1 Misshandlung 1; BGH, Beschl. v. 20.3.2012 – 4 StR 561/11 - NStZ 2013, 466, 467; vgl. auch BGH, Urt. v. 17.7.2007 – 5 StR 92/07 - BGHR StGB § 225 Misshandlung 2). In diesem Fall werden die jeweiligen Einzelakte zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit und damit einer den Tatbestand des § 225 Abs. 1 StGB verwirklichenden Tat zusammengefasst (BGH, Urt. v. 17.7.2007 - 5 StR 92/07 - NStZ-RR 2007, 304, 306; BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 4 StR 561/11 - NStZ 2013, 466, 467 ; vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1995 – 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113, 115; Warda in Festschrift Hirsch, 1999, S. 391, 395 f., 400; BGH, Beschl. v. 24.2.2015 - 4 StR 11/15; Wolfslast/Schmeissner JR 1996, 338; vgl. auch BGH, Beschl. v. 19.1.2016 - 4 StR 511/15). Ob sich mehrere Körperverletzungen zu einer als Quälen zu bezeichnenden Tathandlung zusammenfügen, ist auf Grund einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden. Regelmäßig wird es dabei erforderlich sein, dass sich die festgestellten einzelnen Gewalthandlungen als ein äußerlich und innerlich geschlossenes Geschehen darstellen. Dabei sind räumliche und situative Zusammenhänge, zeitliche Dichte oder eine sämtliche Einzelakte prägende Gesinnung mögliche Indikatoren (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2007 - 5 StR 92/07 - NStZ-RR 2007, 304, 306; BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 4 StR 561/11 - NStZ 2013, 466, 467; BGH, Beschl. v. 24.2.2015 - 4 StR 11/15; BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 340/16 Rn. 26; Warda in Festschrift Hirsch, 1999, S. 391, 395 f., 406 ff.). In subjektiver Hinsicht ist es erforderlich, dass der Täter bei jeder Einzelhandlung den Vorsatz hat, dem Opfer sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zuzufügen, die über die typischen Verletzungsfolgen hinausgehen, die mit der aktuellen Körperverletzungshandlung verbunden sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2007 - 5 StR 92/07 - NStZ-RR 2007, 304, 306; BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 4 StR 561/11 - NStZ 2013, 466, 467; BGH, Beschl. v. 24.2.2015 - 4 StR 11/15; MüKoStGB/Hardtung § 225 Rn. 14; Hirsch NStZ 1996, 37; Wolfslast/Schmeissner JR 1996, 338, 339).

Der Begriff des Quälens in § 
225 Abs. 1 StGB setzt zwar nicht notwendig voraus, dass zwischen den einzelnen Teilakten ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Intervalle von mehreren Tagen, bis hin zu einigen Wochen, können daher unschädlich sein, wenn das Gesamtgeschehen auf Grund anderer Umstände innerlich und äußerlich geschlossen bleibt (BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 4 StR 561/11; BGH, Beschl. v. 24.2.2015 - 4 StR 11/15 "übergreifender Vorsatz"; vgl. MüKoStGB/Hardtung § 225 Rn. 14; Warda in Festschrift Hirsch, 1999, S. 391, 395 f., 406 f.). Mehrere Monate oder sogar Jahre auseinander liegende Körperverletzungshandlungen werden in der Regel aber nicht mehr als eine einzige dem Opfer bereitete Qual verstanden werden können (BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 4 StR 561/11; BGH, Beschl. v. 24.2.2015 - 4 StR 11/15).

Quälen kann nach heute nahezu allgemeiner Meinung auch durch Unterlassen begangen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14; BGH, Urt. v. 1.4.1969 – 1 StR 561/68;  BGH, Beschl. v. 17.1.1991 – 4 StR 560/90 - NStZ 1991, 234; BGH, Urt. v. 30.3.1995  – 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113, 117; BGH, Urt. v. 6.12.1995 – 2 StR 465/95 - NStZ-RR 1996, 197; BGH, Urt. v. 3.7.2003 – 4 StR 190/03 - NStZ 2004, 94; BGH, Urt. v. 5.3.2008 – 2 StR 626/07 - BGHSt 52, 153, 156; BGH, Beschl. v. 28.10.2010 – 5 StR 411/10; vgl. auch BGH, Urt. v. 4.7.2002  – 3 StR 64/02 für die Variante des rohen Misshandelns; ebenso Fischer, 62. Aufl., § 225 Rn. 8; Hirsch in LK, 12. Aufl., § 225 Rn. 17; Stree/SternbergLieben in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 225 Rn. 11; Hardtung in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 225 Rn. 2, 15; Momsen/Momsen-Pflanz in SSW-StGB, 2. Aufl., § 225 Rn. 12; Eschelbach in BeckOK-StGB, § 225 Rn. 16; Paeffgen in NK-StGB, 4. Aufl., § 225 Rn. 18). Insbesondere wer es unterlässt, für sein Kind leidensvermindernde ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, kann dieses durch Unterlassen quälen (vgl. BGH, Urt. v. 1.4.1969 – 1 StR 561/68; BGH, Urt. v. 6.12.1995 – 2 StR 465/95 - NStZ-RR 1996, 197; 
BGH, Urt. v. 5.3.2008 – 2 StR 626/07 - BGHSt 52, 153, 159; OLG Düsseldorf, NStZ 1989, 269). Für die Unterlassungstäterschaft im Rahmen des § 225 StGB reicht – wie auch sonst – bedingter Vorsatz aus (BGH, Urt. v. 3.7.2003 – 4 StR 190/03; BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14).

Die zugefügten Schmerzen oder Leiden müssen über die typischen Auswirkungen einzelner Körperverletzungshandlungen hinausgehen. Ist dies der Fall, so kann Quälen durch Unterlassen allerdings auch dadurch verwirklicht werden, dass die gebotene ärztliche Hilfe durch die Eltern des Kindes nicht veranlasst wird (vgl. BeckOK-StGB/Eschelbach, aaO, Rn. 17). In subjektiver Hinsicht ist es erforderlich, dass der Täter den Vorsatz hat, dem Opfer erhebliche Schmerzen oder Leiden zuzufügen, die über die typischen Auswirkungen hinausgehen, die mit der aktuellen Körperverletzungshandlung verbunden sind (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14; BGH, Beschl. v. 20.3.2012 - 4 StR 561/11 - NStZ 2013, 466, 467 mwN).

Stellen die Tätlichkeiten des Angeklagten eine rohe Misshandlung dar, kann ggfls. in einer sich anschließenden Untätigkeit des Angeklagten ein Quälen durch Unterlassen (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 197; NStZ 1991, 234; BGH, Urt. v. 1.4.1969 - 1 StR 561/68; Fischer StGB 55. Aufl. § 225 Rdn. 8 a am Ende) und eine böswillige Vernachlässigung der Fürsorgepflicht liegen (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.2008 - 2 StR 626/07 - NJW 2008, 2199; vgl. auch BGH, Beschl. v. 28.10.2010 - 5 StR 411/10: Quälen durch rangsalierende Erziehungsmethoden im Sinne des § 
225 Abs. 1 StGB durch Zufügen seelischen Leidens mit erheblicher Verängstigung; die allein sorgeberechtigte Mutter schritt gegen ihren Lebensgefährten nicht ein (vgl. auch Fischer, StGB 57. Aufl. § 225 Rdn. 8a m.w.N.).

Das Merkmal „quälen“ erfordert über den Vorsatz hinaus keine besondere subjektive Beziehung des Täters zur Tat im Sinne eines Handelns aus Lust an der Schmerzzufügung, aus niedriger Gesinnung oder aus Böswilligkeit; es reicht eine Tatbegehung aus Gleichgültigkeit oder Schwäche (vgl. BGH, Urt. v. 12.9.1961 – 5 StR 329/61; BGH, Urt. v. 1.4.1969  – 1 StR 561/68; BGH, Beschl. v. 17.1.1991 – 4 StR 560/90 - NStZ 1991, 234; BGH, Urt. v. 6.12.1995 – 2 StR 465/95 - NStZ-RR 1996, 197; BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14). Der Bundesgerichtshof lässt – wie die herrschende Auffassung in der Literatur – für die Tathandlung „quälen“ ausreichen, dass der Täter dem Schutzbefohlenen vorsätzlich länger andauernde oder sich wiederholende (erhebliche) Schmerzen oder Leiden zufügt (s.o.). Demgegenüber verlangt eine andere Auffassung in der Literatur für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „quälen“, dass die Tat aus einer gefühllos-unbarmherzigen Gesinnung begangen wird (Paeffgen in NK-StGB, 4. Aufl., § 225 Rn. 13; Wolters in SK-StGB, § 225 Rn. 10). Zur Begründung verweist diese Auffassung auf historisch-genetische Argumente (insb. Paeffgen aaO) und den innertatbestandlichen Vergleich mit den zwei weiteren Begehungsweisen des § 
225 Abs. 1 StGB (insb. Wolters aaO).  




Rohes Mißhandeln

15
Rohes Misshandeln im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert. Eine gefühllose Gesinnung ist gegeben, wenn der Täter bei der Misshandlung das - notwendig als Hemmung wirkende - Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat, das sich bei jedem menschlich und verständlich Denkenden eingestellt haben würde (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14; BGH, Beschl. v. 28.2.2007 - 5 StR 44/07 - NStZ 2007, 405 mwN; BGH, Beschl. v. 19.1.2016 - 4 StR 511/15).

„Roh„ ist eine Mißhandlung im Sinne des Tatbestandes, wenn sie aus einer gefühllosen gegen die Leiden des Opfers gleichgültigen Gesinnung heraus erfolgt, wobei die Gefühllosigkeit keine dauernde Charaktereigenschaft zu sein braucht (vgl. BGHSt 3, 105, 109) und deshalb das Merkmal "roh" auch das "Wie" der Mißhandlung betrifft (BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 4 StR 190/03 - NStZ 2004, 94: betr. Misshandlung durch Unterlassen in Beschützergarantenstellung; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 225 Rdn. 13). Eine rohe Misshandlung im Sinne des § 
225 Abs. 1 StGB ist anzunehmen, wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert (BGH, Beschl. v.  22.4.1997 - 4 StR 140/97; vgl. auch BGHR StGB § 225 - i.d.F. d. 6. StrRG - Misshandlung 1). Eine gefühllose Gesinnung liegt vor, wenn der Täter bei der Misshandlung das - notwendig als Hemmung wirkende - Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat, das sich bei jedem menschlich und verständlich Denkenden eingestellt haben würde (BGH, Beschl. v. 28.2.2007 - 5 StR 44/07 - NStZ 2007, 405; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 225 Rdn. 13).

Anders als das Quälen bezieht sich diese Tatalternative des § 
225 Abs. 1 StGB jedoch stets auf ein einzelnes Körperverletzungsgeschehen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.2.2007 - 5 StR 44/07 - NStZ 2007, 405; BGH, Beschl. v. 24.2.2015 - 4 StR 11/15; BGH, Beschl. v. 19.1.2016 - 4 StR 511/15).

Das Misshandeln eines acht bis zehn Jahre alten Kindes unter anderem durch massive Faustschläge gegen Kopf und Körper, Fußtritte, Reißen an den Haaren und Vollstopfen des Mundes mit trockenem Brot erfüllt offenkundig die objektiven Voraussetzungen erheblicher Misshandlungen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - 2 StR 470/06 - NStZ 2007, 720).
   




[ Unterlassungstaten ]

15.1
Die Tatmodalität des "rohen Mißhandelns" in § 225 Abs. 1 StGB kann auch durch Unterlassen begangen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.1991 - 4 StR 560/90 - NStZ 1991, 234; BGH, Urt. v. 4.7.2002 - 3 StR 64/02; BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 4 StR 266/15 Rn. 7; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 225 Rdn. 11).

Bei der Frage, ob das durch Unterlassen begangene Mißhandeln roh im Sinne des § 
225 Abs. 1 StGB war, sind vor allem die Schwere des drohenden körperlichen Angriffes auf das hilflose Kleinkind, in der sich die gefühllose, fremde Leiden mißachtende Gesinnung widerspiegelt, aber auch die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Motivation von Bedeutung (vgl. BGHSt 25, 277, 278, 280; BGH, Urt. v. 4.7.2002 - 3 StR 64/02; Hirsch in LK 11. Aufl. § 225 Rdn. 14).

Wird die schutzbefohlene Person von einem Ehegatten misshandelt, wovon der andere Kenntnis hat und dies geschehen läßt, kann sich der nicht aktiv Handelnde wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen strafbar machen. Die Garantenstellung ergibt sich daraus, dass er der Vater bzw. sie die Mutter des Opfers ist und ihn bzw. sie ihn die Verpflichtung trifft, Gefahren für Leib oder Leben des Kindes abzuwehren (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1995 - 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113; BGH, Beschl. v. 21.11.2002 - 4 StR 444/02). Zeigt sich der misshandelnde Ehepartner freiwillig nicht bereit, die Familie zu verlassen und ist eine anderweitige Unterbringung des Kindes - etwa in einem Heim - ohne die Einwilligung des ebenfalls sorgeberechtigten Ehegatten nur unter Einschaltung öffentlicher Stellen durchführbar gewesen, bleibt dem Angeklagten lediglich die Möglichkeit, das strafbare Tun des anderen misshandelnden Ehegatten der Polizei oder dem Jugendamt zu offenbaren, um auf diese Weise eine sichere Trennung zwischen ihm und dem Kind herbeizuführen. Auch wenn ein solches Vorgehen zu endgültiger Zerrüttung der Ehe, Auseinanderfallen des Familienverbandes, Heimunterbringung der Kinder und strafrechtlicher Verfolgung des Ehegatten, mithin schwerwiegenden Nachteilen führen kann, kann dies angesichts der Häufigkeit der Mißhandlungen des hilflosen Kleinkindes zumutbar sein (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1995 - 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113; auch BGH NStZ 1984, 164; 
BGH, Beschl. v. 21.11.2002 - 4 StR 444/02).

In Fällen, in denen nicht festgestellt werden kann, wer von beiden Elternteilen die Misshandlung zum Nachteil des gemeinsamen Kindes vornahm, kommt in Anwendung des Zweifelssatzes eine Strafbarkeit wegen Unterlassungstäterschaft in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 4 StR 266/15 Rn. 7; 
BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 4 StR 190/03 - NStZ 2004, 94; BGH, Beschl. v. 21.11.2002 - 4 StR 444/02 - FamRZ 2003, 450).

Beispiel (BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 4 StR 266/15): Soweit die Strafkammer die Pflicht des Angeklagten, zum Schutz seines Sohnes tätig zu werden, auf dessen Kenntnis von früheren elterlichen Misshandlungen gestützt hat, hat sie übersehen, dass eine solche Handlungspflicht des Angeklagten nur existierte, falls die früheren Misshandlungen durch die Mutter des Kindes begangen worden waren. In diesem Fall hätte der Angeklagte bereits im Vorfeld der neuerlichen Gewalttat durch die Mutter geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um weitere drohende Übergriffe von dem Kind abzuwenden (vgl. 
BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 4 StR 190/03 - NStZ 2004, 94; BGH, Beschl. v. 21.11.2002 - 4 StR 444/02 - FamRZ 2003, 450; BGH, Urt. v. 30.3.1995 - 4 StR 768/94 - BGHSt 41, 113, 117). Hatte dagegen der Angeklagte selbst die früheren Misshandlungen vorgenommen, bestand für ihn keine Verpflichtung, seinen Sohn vor der Mutter zu schützen, da nach seinem Kenntnisstand von ihr keine Gefahren für das Kind ausgingen (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2002 - 3 StR 64/02). Von welchem Elternteil die dem Tatgeschehen vorausgegangenen Übergriffe zum Nachteil des gemeinsamen Sohnes verübt worden waren, hat das Landgericht aber gerade nicht feststellen können (vgl. BGH, Beschl. v. 4.2.2016 - 4 StR 266/15 Rn. 8).

Bedenken bestehen gegen die Rechtsauffassung, es sei dem nicht aktiv Handelnden "nicht nur zumutbar, sondern sogar zwingend geboten (gewesen), sich von seinem Ehepartner zu trennen, das Kind mitzunehmen und es so zu schützen". Einer so weit gehenden strafbarkeitsbegründenden Pflicht könnte möglicherweise der durch das Grundgesetz garantierte Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) entgegenstehen (vgl. 
BGH, Beschl. v. 21.11.2002 - 4 StR 444/02; vgl. auch BGH, Beschl. v. 29.10.2002 - 4 StR 281/02 - NJW 2003, 1057: Pflicht zur räumlichen Trennung).

 
siehe auch: Rücktritt, § 24 StGB ---> Rücktritt des Unterlassungstäters; Begehen durch Unterlassen, § 13 StGB 




Vorsatz

20
Die im Rahmen des subjektiven Tatbestands vorausgesetzte rohe, das heißt gefühllose und das Leiden des Tatopfers missachtende Gesinnung (vgl. BGH NStZ 2004, 94; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 225 Rdn. 9 m.w.N.) ergibt sich häufig ohne Weiteres aus den objektiven Umständen der Taten, die für den Angeklagten offensichtlich erkennbar sind (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - 2 StR 470/06 - NStZ 2007, 720). Vgl. insoweit auch BGH, Urt. v. 13.1.2006 - 2 StR 463/05: Tritte, Schläge, Wurf mit einem Kerzenleuchter gegen einen 15-jährigen). 




[ Unterlassungstaten ]

20.1
Hat der Angeklagte gebotene Handlungspflichten zum Schutze seiner Tochter vor einer drohenden Mißhandlung durch einen Dritten bewußt unterlassen, ist bei der Prüfung des subjektiven Tatbestandes (vgl. dazu Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 15 Rdn. 98) eine Erörterung seiner Vorstellung über die Folgen der Untätigkeit erforderlich. Wenn der Angeklagte weitere Mißhandlungen seiner Tochter durch einen Dritten lediglich für möglich hielt, ist eine Abwägung auf Grund aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich, ob er diese billigend in Kauf nahm und deshalb bedingter Vorsatz zu bejahen ist oder ob er auf ihr Ausbleiben ernsthaft vertraute und ihm deshalb nur Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 36, 1, 10; BGH, Urt. v. 4.7.2002 - 3 StR 64/02; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 15 Rdn. 9 ff.).

Für die Unterlassungstäterschaft im Rahmen des § 
225 StGB genügt bedingter Vorsatz (BGH NStZ-RR 1996, 197, 198), der sich - wenn nicht sogar eher positive Kenntnis und damit direkter Vorsatz naheliegt -  schon deshalb aufdrängen kann, weil der Verdacht der Kindesmißhandlung bei den Arztbesuchen ausdrücklich erörtert wurde (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.2003 - 4 StR 190/03 - NStZ 2004, 94). 




Böswillige Vernachlässigung

25
Die Misshandlung eines Schutzbefohlenen ist schließlich auch gegeben, wenn der Täter durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für die schutzbedürftige Person zu sorgen, diese an der Gesundheit schädigt (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14). 




[ Böswilligkeit ]

25.5
Böswillig handelt, wer seine Pflicht für einen anderen zu sorgen, aus einem verwerflichen Beweggrund vernachlässigt (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14; LK/Hirsch, aaO, Rn. 18). Das Gesinnungsmerkmal der Böswilligkeit ist gekennzeichnet durch feindseliges Verhalten aus Bosheit, Lust an fremdem Leid, Hass und anderen verwerflichen Gründen, etwa auch aus Geiz und Eigensucht. Gleichgültigkeit, Abgestumpftheit oder Schwäche sowie Überforderung wegen mangelnder Reife reichen hingegen in der Regel nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14; LK/Hirsch, aaO). Bei der Prüfung von Böswilligkeit, die eine Erforschung der Motive des Täters erfordert, sind psychopathologische Befunde, wie Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14; BeckOK-StGB/Eschelbach, aaO, Rn. 24 ff. mwN).

Beispiel
: Keinen Bedenken begegnet die Annahme von Böswilligkeit im Sinne von § 
225 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Das Landgericht hat sich ausführlich mit der Motivlage der Angeklagten auseinandergesetzt und - insoweit frei von Widersprüchen - als verhaltensleitend deren Bemühen angesehen, nach außen als lebenstüchtig zu erscheinen und ihre Unfähigkeit zu Alltagsbewältigung nicht offenbaren zu müssen. Dass das Landgericht dies als "eigensüchtig" und damit böswillig angesehen hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Diese ergeben sich auch nicht aus den Feststellungen zum Krankheitsbild der Angeklagten. Dieses war nämlich keineswegs durch eine umfassende Unfähigkeit gekennzeichnet, sich nach außen entsprechend dem gewünschten Selbst- und Fremdbild darzustellen. Die Angeklagte pflegte auch während der Tatzeit einen regen Austausch mit - unbekannten - Dritten über Telefon und soziale Netzwerke und begab sich - unter Zurücklassung des geschädigten Kindes - auch länger außer Haus, um soziale und familiäre Kontakte zu pflegen. Wenn sie - bei uneingeschränkter Einsichts- und Steuerungsfähigkeit - diesen Aktivitäten aus dem festgestellten Motiv vor der Versorgung ihrer Kinder gab, so erfüllt dies den Begriff der Böswilligkeit (BGH, Urt. v. 20.5.2015 - 2 StR 464/14).

Bestehen die Motive der Angeklagten für ihr pflichtwidriges Verhalten in der Angst, ihr werde das Kind weggenommen und in dem Schutz ihres Freundes, sind sie jedenfalls nicht ohne weiteres unter das Merkmal der Böswilligkeit zu subsumieren, zumal diese auch nicht entsprechend, etwa als selbstsüchtig und verwerflich, bewertet wurden (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14).
 



§ 225 Abs. 3 StGB
 
... (3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
1. des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder 
2. einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt. ...
 
Der Verbrechenstatbestand des § 225 Abs. 3 StGB setzt voraus, dass der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat, also durch eine Tathandlung im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB, in die konkrete Gefahr des Todes, einer schweren Gesundheitsbeschädigung (Nr. 1; vgl. S/S-Stree/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 225 Rn. 19 ff.) oder in die konkrete Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt (Nr. 2). Entscheidend ist danach, dass eine der in § 225 Abs. 1 StGB umschriebenen tatbestandlichen Handlungen die naheliegende Möglichkeit begründet, sie werde zu den in den Alternativen des § 225 Abs. 3 StGB genannten Weiterungen führen (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14; BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 340/16 Rn. 17; LK/Hirsch, StGB, 11. Aufl., § 225 Rn. 24). 




Schwere Gesundheitsbeschädigung

55
Unter schweren Gesundheitsbeschädigungen im Sinne der Nummer 1 sind solche Gesundheitsschäden zu verstehen, die mit einer anhaltenden nachhaltigen Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Leistungsfähigkeit verbunden sind oder in einer lebensbedrohenden, qualvollen oder ernsten und langwierigen Krankheit bestehen (BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14 - NStZ-RR 2015, 369, 370).

Eine schwere Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 225 Abs. 3 Nr. 1 zweite Variante StGB liegt schon dann vor, wenn die Gesundheit des Betroffenen ernstlich, einschneidend oder nachhaltig beeinträchtigt ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2007 - 5 StR 92/07; Schroth NJW 1998, 2861, 2865). Diese Voraussetzung ist jedenfalls immer dann zu bejahen, wenn intensivmedizinische Maßnahmen oder umfangreiche und langwierige Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit und/oder zur sonstigen Beseitigung der Tatfolgen notwendig sind (vgl. 
BGH, Urt. v. 17.7.2007 - 5 StR 92/07; Schroth, aaO). 




Erhebliche Entwicklungsschädigung

60
Die in der Nummer 2 genannte erhebliche Entwicklungsschädigung erfordert in Anlehnung an § 171 StGB (§ 170d StGB aF), dass der normale Ablauf des körperlichen oder seelischen Entwicklungsprozesses dauernd oder nachhaltig gestört ist (vgl. BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 340/16 Rn. 17; BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14 - NStZ-RR 2015, 369, 370; BGH, Urt. v. 20.4.1982 – 1 StR 50/82 - NStZ 1982, 328 f. zu § 170d StGB aF; LK/Hirsch, StGB, 11. Aufl., § 225, Rn. 25 mwN). 




Unterlassungstaten

65
Handelt es sich um eine Unterlassungstat, so begründet der Täter die tatbestandlich vorausgesetzte konkrete Gefahr, wenn er deren Entstehen durch sein Eingreifen hätte abwenden können (BGH, Urt. v. 23.7.2015 – 3 StR 633/14 - NStZ-RR 2015, 369, 370; BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 340/16 Rn. 17). Der Tatbestand kann auch dann verwirklicht werden, wenn in der Person des Schutzbefohlenen bereits vor der Tat Schäden oder die Gefahr von Schäden im Sinne der Qualifikation gemäß § 225 Abs. 3 StGB bestanden haben. Zur Hervorrufung ("bringen") der für den qualifizierten Fall vorausgesetzten Gefahren ist dann aber erforderlich, dass die Tat die Gefahr verursacht, die bereits vorhandenen oder zu befürchtenden Schäden in erheblichem Maß zu vergrößern bzw. die wegen einer bereits gegebenen individuellen Schadensdisposition bestehenden Gefahren messbar zu steigern (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14 - NStZ-RR 2015, 369, 370; BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 340/16 Rn. 17; S/S-Stree/SternbergLieben, StGB, 29. Aufl., § 225 Rn. 22; BeckOK-StGB/Eschelbach, § 225 Rn. 33). 




Vorsatz

70
In subjektiver Hinsicht ist bezüglich der Verursachung der tatbestandlichen Gefahren des qualifizierten Falles (zumindest bedingter) Vorsatz erforderlich (BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14 - NStZ-RR 2015, 369, 370; BGH, Beschl. v. 31.8.2016 - 4 StR 340/16 Rn. 17).  



§ 225 Abs. 4 StGB
 
... (4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. 




Minder schwerer Fall

75
  siehe hierzu: Zusammentreffen von Milderungsgründen, § 50 StGB 



Konkurrenzen




Handlungseinheit beim Tatbestandsmerkmal "Quälen"

K.1
Das Tatbestandsmerkmal "quälen" des § 225 Abs. 1 StGB wird typischerweise durch Vornahme mehrerer Handlungen verwirklicht; oft macht erst die ständige Wiederholung den besonderen Unrechtsgehalt aus (BGHSt 41, 113, 115; BGHR StGB § 225 Misshandlung 1; Hardtung in MünchKomm-StGB 2003 § 225 Rdn. 14). Deswegen stellt jedenfalls das auf Dauer angelegte Quälen als Handlungskomplex eine Handlungseinheit dar (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2007 - 5 StR 92/07; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. § 225 Rdn. 12). 




Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährliche Körperverletzung

K.2
Anders als der Grundtatbestand des § 223 Abs. 1 StGB wird die Qualifikation nach § 224 Abs. 1 Nr.5 StGB nicht durch die Misshandlungs-Variante des § 225 Abs. 1 StGB verdrängt (BGH NJW 1999, 72; BGH, Urt. v. 6.6.2007 - 2 StR 105/07; BGH, Beschl. v. 7.2.2008 - 5 StR 583/07; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 224 Rdn. 16; § 225 Rdn. 21). Die Misshandlung von Schutzbefohlenen kann mithin in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung stehen (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2006 - 2 StR 470/06 - NStZ 2007, 720).

Der Tatbestand des § 
224 Abs. 1 Nr. 5 StGB steht in Gesetzeskonkurrenz zur schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 5.2.2009 - 4 StR 624/08; BGH NStZ 2006, 449 [zu § 250 Abs. 2 Nr. 3 b]; BGH, Beschl. v. 7.2.2008 - 5 StR 583/07 betr. § 223 StGB). Die Vorschrift des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB wird durch den Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB verdrängt (vgl. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 - 3 StR 22/16 Rn. 2; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 225 Rn. 21).

Der Bundesgerichtshof hat bereits zum Verhältnis von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB bzw. von § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB zu § 
224 Abs. 1 Nr. 5 StGB entschieden, dass die der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu Grunde liegende abstrakte Lebensgefährdung durch die Qualifikation der vorsätzlichen konkreten Lebensgefährdung, die zu den Strafschärfungen nach § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB und § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB führt, verdrängt wird (BGH, Beschl. v. 9.7.2004 - 2 StR 170/04 Rn. 4; BGH, Beschl. v. 12.8.2005 - 2 StR 317/05 - BGHR StPO § 224 Abs. 1 Nr. 5 Gesetzeskonkurrenz 1, jeweils zu § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b StGB; BGH, Beschl. v. 18.7.2007 - 2 StR 211/07 - BGHR StGB § 306b Abs. 2 Nr. 1 Konkurrenzen 1 zum Verhältnis zur schweren Brandstiftung). Dies hat seinen materiellen Grund darin, dass abstrakte Gefährdungsdelikte gegenüber den die selben Rechtsgüter schützenden konkreten Gefährdungsdelikten subsidiär sind (BGH, Beschl. v. 14.6.2016 - 3 StR 22/16 Rn. 4; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vorbem. zu §§ 52 ff. Rn. 130 mwN). Nichts anderes gilt für das Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB, denn Grund der Strafschärfung ist auch hier, dass die schutzbefohlene Person durch die Tat nach § 225 Abs. 1 StGB in die konkrete (vgl. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 - 3 StR 22/16 Rn. 4; MüKoStGB/Hardtung, 2. Aufl., § 225 Rn. 36 mwN) Gefahr - unter anderem - des Todes gebracht wird. Daneben ist für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aufgrund der bloß abstrakten Lebensgefährdung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kein Raum (BGH, Beschl. v. 14.6.2016 - 3 StR 22/16 Rn. 4).

 
siehe auch: Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB 




Verhältnis von § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB zu § 171 Alt. 1 StGB

K.3
Die Qualifikation des § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB (… wenn der Täter die schutzbefohlene Person in die Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt …) verdrängt § 171 1. Alt. StGB (… und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden …) im Wege der Gesetzeskonkurrenz (BGH, Beschl. v. 17.12.2009 - 3 StR 521/09 - StraFo 2010, 123; BGH, Beschl. v. 4.8.2010 - 2 StR 298/10; Hirsch in LK 12. Aufl. § 225 Rdn. 31).

 
siehe auch: § 171 StGB; Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht 




Misshandlung von Schutzbefohlenen und Körperverletzung

K.4
   siehe: § 223 StGB Rdn. K.8 - Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie oben Rdn. K.2 




Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen und unterlassene Hilfeleistung

K.5
Hinsichtlich der tateinheitlich begangenen unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c StGB gilt, dass diese regelmäßig als subsidiär hinter einer durch Unterlassen begangenen gefährlichen Körperverletzung und/oder der Misshandlung eines Schutzbefohlenen zurücktritt bzw. von diesen verdrängt wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.7.2015 - 3 StR 633/14; MüKoStGB/Freund, 2. Aufl., § 13 Rn. 289, 291, § 323c Rn. 125 ff.). 




Schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen und Totschlag

K.6
Die Qualifikation gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB wird nicht von § 212 StGB verdrängt. Beide Tatbestände können im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt Gesetzeseinheit nur vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst wird. Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine – wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige – Erscheinungsform des anderen Tatbestandes sein (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13; BGH, Beschl. v. 20.10.1992 – GSSt 1/92 - BGHSt 39, 100, 108; Fischer, StGB, 61. Aufl., Vor § 52 Rdn. 39, jeweils mwN).

Diese Voraussetzungen sind in § 
212 StGB und § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB gerade nicht erfüllt. § 225 StGB enthält spezifisches Unrecht. Neben der körperlichen Unversehrtheit wird – über § 223 StGB hinaus – auch die psychische Integrität einer unter besonderen Schutzverhältnissen stehenden Person geschützt (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13; Hirsch in LK, StGB, 11. Aufl., § 225 Rdn. 1; Horn/Wolters in SKStGB, 57. Lfg., § 225 Rdn. 2; Paeffgen in NK-StGB, 4. Aufl., § 225 Rdn. 2; Hardtung in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 225 Rdn. 1; Engländer in Matt/Renzikowski, StGB § 225 Rdn. 1; Fischer, aaO, § 225 Rdn. 2, jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 116).

Mit dieser Begründung hat der Bundesgerichtshof schon in der Entscheidung vom 30. März 1995 (4 StR 768/94, BGHSt 41, 113) bei Zusammentreffen von Quälen eines Schutzbefohlenen im Sinne von § 223b StGB (a.F.) und Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB a.F.) Tateinheit bejaht (vgl. auch BGH, Beschl. v. 29.9.1998 – 4 StR 357/98 - BGHR StGB § 223b Konkurrenzen 4, für das Verhältnis von Misshandlung eines Schutzbefohlenen und schwerer Körperverletzung). Für das Verhältnis von (schwerer) Misshandlung von Schutzbefohlenen und Totschlag, der weder eine bloße qualifizierte Körperverletzung darstellt noch an eine spezifische Täter-Opfer-Beziehung anknüpft, gilt nichts anderes (BGH, Urt. v. 16.4.2014 - 2 StR 608/13; so auch: Neumann in NK-StGB, 4. Aufl., § 212 Rdn. 36; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 212 Rdn. 20; Safferling in Matt/Renzikowski, StGB, § 212 Rdn. 86; aA Schneider in Münchener Kommentar, aaO, § 212 Rdn. 92, jeweils mwN).
 



Strafzumessung




Strafrahmen

S.1
Strafrahmen § 225 Abs. 1 StGB: 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB
1 Monat bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung -
1 Monat bis 5 Jahre 7 Monate 2 Wochen 1 Tag Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung -
1 Monat bis 4 Jahre 2 Monate 2 Wochen 4 Tage Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 2 StGB
1 Monat bis 10 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe


Strafrahmen § 225 Abs. 3 StGB: 1 Jahr bis 15 Jahre Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB
3 Monate bis 11 Jahre 3 Monate Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung -
1 Monat bis 8 Jahre 5 Monate 1 Woche Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung -
1 Monat bis 6 Jahre 3 Monate 4 Wochen Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 2 StGB
1 Monat bis 15 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe

Strafrahmen § 225 Abs. 4 StGB:
1. minder schwere Fälle des Absatzes 1
3 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB
1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung -
1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung -
1 Monat bis 2 Jahre 1 Monat 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 2 StGB
1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe

2. minder schwere Fälle des Absatzes 3
6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB
1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB - doppelte Milderung -
1 Monat bis 2 Jahre 9 Monate 3 Wochen 2 Tage Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 1 StGB - dreifache Milderung -
1 Monat bis 2 Jahre 1 Monate 1 Woche 2 Tage Freiheitsstrafe

ggfls. i.V.m. § 
49 Abs. 2 StGB
1 Monat bis 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe
 




Strafzumessungserwägungen

S.3




[ Allgemeine Erwägungen
]

S.3.1
Strafmildernd kann zu berücksichtigen sein, dass der Angeklagte selbst als Kind mit der Gewalt erzogen wurde, die er seinem eigenen Kind gegenüber einsetzte, ohne es schwer verletzen zu wollen. Grundsätzlich kann zwar auch der Umstand, dass dies in dem Land, in dem der aus einer ausländischen Rechtsordnung stammende Angeklagte aufgewachsen ist, die übliche Form der Kindeserziehung war und der Angeklagte dies seit frühester Kindheit als erlaubt verinnerlicht und dieses so auch bei seinem eigenen Kind angewendet habe, grundsätzlich strafmildernd zu Buche schlagen (vgl. BGH NStZ 1996, 80). Dies liegt allerdings bei einem Täter, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, zwei Studiengänge erfolgreich abgeschlossen hat, als Software-System-Entwickler arbeitet und die deutsche Rechtsordnung kennt, nicht auf der Hand. Hinzu kam in dem vom BGH entschiedenen Fall, dass der Angeklagte nicht nur von seiner Ehefrau, die ihn deshalb sogar mehrfach kurzfristig verlassen hatte, sondern auch von zwei Landsleuten auf die abweichenden Vorstellungen von einer Kindererziehung in Deutschland hingewiesen worden ist. Es ist ohne Weiteres zu erwarten, dass ein in Deutschland seit vielen Jahren lebender ausländischer Mitbürger die Ge- und Verbote der hier geltenden und ihm bekannten Rechtsordnung akzeptiert und insoweit in der Lage ist, sich von abweichenden Vorstellungen und Erfahrungen in seinem Heimatland freizumachen (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.2011 - 2 StR 493/10).



Urteil




Urteilsformel

U.1




[ Minder schwere Fälle ]

U.1.1
Die Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel als minder schwerer Fall entfällt, weil allein für die Strafzumessung von Bedeutung. Der minder schwere Fall wird insoweit nur in der Normenkette der angewendeten Vorschriften zum Ausdruck gebracht (vgl. BGHSt 27, 287, 289; 23, 254, 256; BGH, Beschl. v. 11.3.2008 - 3 StR 36/08; BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - 3 StR 192/02; BGH, Beschl. v. 22.7.2003 - 3 StR 243/03; BGH, Beschl. v. 13.8.2008 - 2 StR 332/08).

 
siehe zur Urteilsformel auch: Urteil, § 260 StPO




[ Schwere Misshandlung, § 225 Abs. 3 StGB ]

U.1.2
Bei Annahme der Qualifikation nach § 225 Abs. 3 StGB erfolgt aus Gründen besserer Kenntlichmachung der Tat eine Verurteilung wegen "schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen" (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.2009 - 3 StR 309/09; BGH, Urt. v. 16.4.2014 – 2 StR 608/13; BGH, Urt. v. 4.8.2015 - 1 StR 624/14). 




Urteilsgründe

U.2
Das Tatbestandsmerkmal "roh misshandelt" in § 225 Abs. 1 StGB erfordert eine sorgfältige Darstellung nicht nur der objektiven Tatseite, sondern auch der Gesinnung des Täters (vgl. BGH, Beschl. v. 3.3.2009 - 3 StR 47/09 - NStZ-RR 2009, 180). 



Prozessuales




Verfahrenshindernisse

Z.1




[ Verfolgungsverjährung ]

Z.1.1
Die Verjährungsfrist für die Mißhandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 StGB) beträgt zehn Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB). In den Fällen des § 225 Abs. 3 StGB beträgt die Verjährungsfrist zwanzig Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB). § 225 Abs. 2 StGB, der die Versuchsstrafbarkeit zum Gegenstand hat, kann insoweit nur über die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (§ 49 StGB) zu einer Änderung des Ausgangsstrafrahmens führen und ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich (§ 78 Abs. 4 StGB). Der Strafrahmen des § 225 Abs. 4 StGB betrifft minder schwere Fälle und bleibt bei der Bestimmung der Verjährungsfrist ebenfalls unberücksichtigt  (§ 78 Abs. 4 StGB). 




Haftsachen

Z.3




[ Sicherungshaft bei Wiederholungsgefahr ]

Z.3.1
Ist der Beschuldigte dringend verdächtig, wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat nach § 224 StGB begangen zu haben und begründen bestimmte Tatsachen die Gefahr, dass er vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen wird und ist Haft zur Abwendung der drohenden Gefahr erforderlich, besteht der - gemäß § 112a Abs. 2 StPO subsidiäre - weitere Haftgrund nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist. 

Liegen die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls nach § 112 StPO vor und sind die Voraussetzungen für die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1, 2 StPO nicht gegeben, wird der Haftbefehl auch dann nach § 
112 StPO erlassen, wenn Wiederholungsgefahr besteht (vgl. § 112a Abs. 2 StPO; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 112a Rdnr. 17). 




Nebenklage

Z.5




[ Anschlußberechtigung ]

Z.5.1
Der durch eine rechtswidrige Tat nach § 225 StGB Verletzte kann sich der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im Sicherungsverfahren mit der Nebenklage anschließen (§ 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO).

 
siehe auch: § 395 StPO, Befugnis zum Anschluss




[ Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand ]

Z.5.2
Dem Nebenkläger ist nach § 397a Abs. 1 Nr. 4 StPO auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er durch eine rechtswidrige Tat nach § 225 StGB verletzt ist und er bei Antragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann.

 
siehe auch: § 397a StPO, Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand




Hauptverhandlung

Z.6




[ Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung ]

Z.6.1
Nach § 255a Abs. 2 StPO kann in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184j StGB) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 StGB), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a StGB die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig.

 
siehe auch: § 255a StPO, Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung 




Gesetze

Z.8




[ Verweisungen ]

Z.8.1
Auf § 225 StGB wird verwiesen in:

§ 66 StGB   siehe auch:  Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66 StGB
§ 78b StGB   siehe auch:  Ruhen, § 78b StGB
§ 227 StGB   siehe auch:  Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB
§ 340 StGB   siehe auch:  Körperverletzung im Amt, § 340 StGB

§ 112a StPO   siehe auch:  Weitere Haftgründe, § 112a StPO
§ 255a StPO   siehe auch:  Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung, § 255a StPO 
§ 395 StPO   siehe auch:  Befugnis zum Anschluss, § 395 StPO
§ 397a StPO   siehe auch:  Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand, § 397a StPO
 
 




Strafgesetzbuch - Besonderer Teil - 17. Abschnitt (Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit)


 




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